Ulm von Günter Burkhardt – erschienen bei Huch & Friends
Dies ist ein Update des Ersteindrucks!

In meinem Ersteindruck zu ULM wagte ich die Aussage, dass es mich nicht wundern würde, wenn man dieses Spiel im nächsten Jahr als einen Nominierten zum Kennerspiel des Jahres kürt. Nach nun einigen Partien in unterschiedlichen Besetzungen bleibe ich bei dieser Aussage, auch wenn das Spiel den ein oder anderen Haken hat. Aber ähnlich wie beim vergleichbar nicht perfekten ORLEANS sollte am Ende der Spielreiz bewertet werden – und den sehe ich weiterhin als sehr hoch an.
Thema... ist nicht wirklich innovativ und man bewegt sich auf bekannten Pfaden. Die Spieler wollen mal wieder angesehene Bürger der Stadt werden und betreiben deshalb Handel bzw. beteiligen sich am Bau des Ulmer Münsters. Positiv ausgedrückt: das Thema lenkt nicht unnötig vom Mechanismus ab. Es nimmt einen an die Hand und man fühlt sich wohl vertraut. Also kann man sich auf das Spiel und den darin neu enthaltenden Mechanismus konzentrieren. Wahrscheinlich eine gute Idee des Verlages – auch wenn die Hürde des vermeintlich langweiligen Themas umschifft werden muss.

Grafik... ist von Michael Menzel. In seinem eigenen Stil lässt er Ulm im Mittelalter erstrahlen. Da ich mich in Ulm (und natürlich auch um Ulm herum) nicht auskenne, ist der Wiedererkennungswert bei mir gering. Allerdings weckt die Grafik schon den Reiz, diese Kenntnislücke zu schließen.
Im ersten Moment war mir die Grafik ein wenig zu bunt und zu viel Klein-Klein. Im Laufe des Spiels habe ich aber feststellen dürfen, dass die gewählte Grafik wieder gut und hilfreich ist. Man findet sich sofort in die Symbolsprache ein und die Regeln werden perfekt auf den Spielkomponenten wiedergegebenen. Ein bisschen weniger Farbintensität hätte aber sein dürfen. Und glücklicherweise fehlt der Covergrafik der obligatorische Baumeister mit Plan in der Hand...

Ausstattung... ist hochwertig. Ganz klassisches Holzmaterial und dicke Pappe – was insbesondere bei den Aktionssteinen wichtig ist, da diese somit gut zu handhaben sind (s.u.). Die Spielkarten fallen da etwas ab. Schon beim ersten Mischen waren die schwarzen Ränder leicht beschädigt, was unschön aussieht. Diese sind nun also in Kartenhüllen verpackt.
Hingucker ist natürlich das Ulmer Münster, welches man zu Spielbeginn zusammensteckt. Im Laufe des Spiels wird der Turm immer höher: er fungiert als Spielrundenanzeiger. Natürlich ist das ganze nur ein Gimmick. Aber genau solche Kleinigkeiten heben das Spiel aus der Masse heraus und erzeugen einen hohen Aufforderungscharakter. Leider ist das Münster aber nicht ganz so stabil, wie erhofft. Hier habe ich mittlerweile mit etwas Kleber nachgeholfen.
Löblich finde ich, dass die Karten mit Text versehen sind und nicht alles nur über die Symbole beschrieben wird. Auch das macht es wenig geübten Spielern leichter. Die Konsequenz davon ist: in dieser dreisprachigen Ausgaben liegen eigene Kartenpacks in Deutsch, Englisch und Französisch bei.
Gespannt war ich, ob sich die Aktionssteinen mit der Zeit abnutzen werden – denn diese hat man schon oft auf der Hand. Bei ORLEANS gab es in dieser Hinsicht in der ersten Auflage Probleme. Bei ULM sind diese Probleme bei mir nicht aufgetreten und ich habe auch nichts derartiges vernommen. Es scheint also, dass hier alles richtig gemacht wurde.

Ablauf... ist erstaunlich schnell und durchaus trickreich. Zentrales Element ist das sogenannte Münsterfeld. Dort sind in einem 3*3‑Raster Aktionssteine zu sehen. Am Anfang eines Zuges ziehen die Spieler einen weiteren Stein aus dem Beutel und schieben ihn waagerecht oder senkrecht in das Raster (dabei werden Kindheitserinnerungen an DAS VERRRÜCKTE LABYRINTH wach). Darauf folgend nutzt der Spieler die drei Aktionssteine im Raster in beliebiger Reihenfolge, die in der entsprechenden Spalte bzw. Zeile des Rasters liegen. Zum Glück bestehen nur fünf verschiedene Aktionssteine, so dass sich die Möglichkeiten immer sehr schnell erfassen lassen. Außerdem ändert sich durch das Schieben nicht all zu viel, so dass die Spieler durchaus im Anschluss ihres Zuges den nächsten Aktionsstein ziehen können, um die Downtime noch weiter zu verkürzen. Durch das gute Format der Aktionssteine und der dicken Pappe kommt es hierbei auch nicht zu unbeabsichtigten Fehlfunktionen.
Die Aktionen ermöglichen einem dann:
- Karten zu ziehen bzw. auszuspielen
- Siegel in Stadtviertel zu verteilen, was Siegpunkte und Privilegien zu Folge haben
- die Zille (=Boot) auf der Donau fortzubewegen
- Geld einzunehmen
- Aktionssteine am Rand einzusammeln, die dann wieder für das Karten ziehen hilfreich sind

Letzteres ist wichtig, damit die Reihen wieder nutzbar sind. Denn liegen vier Steine in einer Reihe (drei im Raster und einer daneben), dann ist diese blockiert und nicht mehr nutzbar. Man kann damit durchaus dafür sorgen, dass Mitspieler nicht unbedingt die Aktionen ausführen können, die sie gerne ausführen wollen. Allerdings ist die Interaktion eher indirekter Natur.
Ziel des Spiels ist der Besitz der meisten Siegpunkte. Diese erhält man über die Position auf der Donau, ausgespielte Karten oder bestimmten Aktionen während des Spiels. Natürlich gibt es noch eins-zwei kleine Sonderregeln, aber insgesamt spielt sich das Spiel sehr flüssig und schnell.
Das gefällt mir nicht so gut: Bei unglücklicher Verteilung der Aktionssteine im Raster kann es dazu kommen, dass ich in einer Runde keine vernünftige Aktion durchführen kann (da mir bei der Siegelaktion das Geld oder bei der Kartenaktion die Ressourcen fehlen). Das ist dann zwar ärgerlich, hat sich im weiteren Spielverlauf aber meist nicht als ausschlaggebend herausgestellt. Außerdem muss man dann auch ehrlich zu sich selbst sein, und sich fragen, ob man sich nicht selbst in die Situation gebracht hat. Für Frust kann es dennoch sorgen.
Eine beiliegende Variante ermöglicht ein Spielen mit unterschiedlichen Turmplättchen. In jeder Runde besitzt dann das aktuelle Turmplättchen eine Eigenschaft (z.B. bekommt man dann in dieser Runde eine Münze mehr beim Geldeinnehmen). Die Idee dahinter ist gut, jedoch sind mir die Ereignisse zu positiv. Nur in 3 von 12 Fällen können diese Turmplättchen negative Ereignisse nach sich ziehen – meistens werden eher ein oder zwei glückliche Spieler einfach mal so belohnt. Dieses Spielelement hätte ruhig ausgeprägter sein können und so verzichten wir mittlerweile auf diese Variante. Auch hier kommen wieder Erinnerungen an ORLEANS hoch.
Das Aufteilen der Regel in eine Art "Losspielanleitung" und "Handbuch für tiefere Regelfragen" ist an für sich eine gute Idee, kommt hier aber nicht ganz zu tragen. Die Regeln sind nicht so umfangreich, als dass dieser Kniff notwendig gewesen wäre. Außerdem finde ich, dass die ein oder andere Information im anderen Heft sinnvoller angebracht wäre. Da hätte ich es praktischer gefunden, die Regelhefte lieber nach den unterschiedlichen Sprachen zu unterteilen und ein Nachschlagewerk für alles in der Hand zu haben. Aber wichtiger in diesem Zusammenhang ist: die Regeln sind vollständig sowie gut und verständlich geschrieben – man muss leider nur wissen, wo zu suchen ist.
Manche Mitspieler ärgerten sich über den ihrer Meinung nach zu hohen Glücksfaktor. Dieser ist unbestreitbar vorhanden, nur empfinde ich ihn nicht als zu hoch. Natürlich fällt einem das Gewinnen leichter, wenn man die richtigen Karten oder den passenden Aktionsstein auf dem Beutel zieht. Macht man dies aber nicht, so bestehen jedoch genügend Stellschrauben, dieses fehlende Glück bspw. durch die Ulmer Spatzen oder Siegelaktionen auszugleichen. Man ist dem Glück also nicht ausgeliefert.

Das gefällt mir gut: ULM weist eine angenehme Spieltiefe auf. Es müssen immer wieder interessante Entscheidungen getroffen werden und es bestehen mehrere Wege zum Spielsieg. Diese Wege sind durchaus auch abhängig von der Spieleranzahl. Das Spiel zu zweit fühlt sich anders an, als ein Spiel mit vier Mitspielern. Im Spiel zu zweit ist es aufwändiger, auf der Donau nach Osten zu fahren. Dementsprechend werden die im Osten gelegenen Stadtviertel auch seltener im 2‑Personen-Spiel genutzt. Dies gilt es bei der Siegel-Verteilung zu beachten. Allerdings sehe ich das eher als Herausforderung denn als Mangel an. Ähnlich wie bspw. bei EGIZIA (auch ein tolles Spiel mit Flusselement) muss im Spiel zu zweit anders agiert werden, als wenn man ULM zu viert spielt.
Den Mechanismus um das Münsterfeld finde ich sehr pfiffig und ist auch mechanisch gut gelöst. Man hat hier vielfältige Möglichkeiten, seinen Zug zu optimieren oder seine Mitspieler etwas auszubremsen. Es ist jetzt aber nicht so, dass hier zig verschiedene Varianten durch gerechnet werden müssen. Oftmals sind die Entscheidungen schnell zu fällen und die Downtime für die Mitspieler ist entsprechend gering.
Nochmals lobend möchte ich die Ausstattung und die grafische Gestaltung erwähnen. Hier wird ein hoher Aufforderungscharakter erzeugt – und das Spiel kann diese Erwartung auch problemlos erfüllen.
Fazit: ULM ist für mich ein typischer Vertreter der "Kennerspiele des Jahres". Es ist ein eingängiges und flottes Spiel, dass gewisse Entscheidungen erfordert, darüber hinaus aber nicht zu komplex ist. Eine Partie dauert etwas eine Stunde und über diese Zeit wird der Spannungsbogen gut gehalten. Einzig die unglückliche Aufteilung der Regel trübt etwas das Wasser der Donau.
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