Voll verplant von Hisashi Hayashi – erschienen bei Schmidt Spiele
VOLL VERPLANT habe ich mich in meiner Berufslaufbahn zum Glück noch nicht. Dabei hätte ich als Verkehrsplaner durchaus die Möglichkeiten dazu. Im Spiel passierte mir das allerdings öfter...
Thema... ist gar nicht so offensichtlich. Eigentlich wollte ich schreiben Strecken bauen und Personen fahren lassen. Aber das stimmt so gar nicht, denn die einzelnen Kurse sind schon auf dem Plan vorhanden. Man muss nun stattdessen die Haltepunkte vollständig markieren, um am Ende die meisten Punkte zu erzielen.

Gestaltung… hat Olga Cress vorgenommen. Dabei orientieren sich die einzelnen Spielpläne an den realen U‑Bahnnetzen der Städte Amsterdam, Berlin, Paris und Madrid. Bei der Gestaltung wird die klassische Liniennetz-Optik verwendet, die von Harry Beck 1931 erstmals für die Londoner U‑Bahn entworfen wurde und mittlerweile als das Vorbild für schematische Liniennetzpläne gilt. Diese Art der Gestaltung finden manche öde, ich fühlte mich davon sogleich voll angesprochen.
Ausstattung… alles fast so wie immer bei der "klein & fein"-Reihe von Schmidt Spiele: ein Block mit unterschiedlichen Plänen sowie nervige kleine Filzstifte. Statt Würfel sind nun aber 14 Karten in der Box – schließlich ist VOLL VERPLANT auch ein Flip-and-Write-Spiel.
Die Karten zeigen einen Kartenwert von 2 bis 6. Zusätzlich sind noch eine Freifahrt und zwei Umsteigemöglichkeiten als Sonderfunktionen im Angebot. Der Spielplan wiederum zeigt verschiedene U‑Bahnlinien. Zu deren Beginn ist ein Wagon abgebildet, der eine bestimmte Anzahl an Fenster aufweist. Diese Fenster-Anzahl entspricht der Menge an Karten, die für diese Linie eingesetzt werden kann.

Ablauf… nach und nach wird immer genau eine Karte aufgedeckt und von allen Beteiligten gleichzeitig abgehandelt. Bei den meisten Karten werden Kreuzchen entsprechend des Zahlenwertes auf den einzelnen Linien markiert. Dabei darf man immer nur an einer Linie tätig werden und im Normalfall müssen die Kreuze zusammenhängen. Aktiviert man somit als erste Person gänzlich eine Linie, erhält man für die Linie am Ende einen höheren Punktewert als wenn man langsamer ist. Zusätzlich wird noch ein zur Linie gehörendes Wagonfenster mit der passenden Zahl versehen. Sind diese alle gefüllt endet die Partie und man rechnet das finale Ergebnis aus.
Dieses setzt sich zusammen aus den Boni für aktivierte Linien, den Punkten für die Umsteigemöglichkeiten sowie einen Malus für noch nicht aktivierte Ankreuzfelder. Umsteigemöglichkeiten? Ja, Umsteigemöglichkeiten. Das sind besondere Haltestellen, die durch die entsprechenden Karten markiert werden müssen. Dafür bekommt man Punkte für die Anzahl an Linien, die dieses Feld bedienen. Allerdings muss auch dafür ein entsprechendes Wagonfenster markiert werden, was dann fehlt, um die Linie zu verlängern.
Das gefällt mir nicht so gut: VOLL VERPLANT spielt brutal mit den Gefühlen. Dauernd wird gestöhnt und geächzt über die aufgedeckte Karte, denn nur ganz selten ist man mal mit dem Angebot zufrieden. Die Zwänge sind extrem und man erlebt nicht das positive Gefühl, tatsächlich etwas zu schaffen; Pest oder Cholera ist eher die Frage. Erst wenn man akzeptiert, dass man gar nicht alle Haltepunkte aktivieren kann, wird man ein klein wenig entspannter. Doch auch mit dieser veränderten Einstellung wird VOLL VERPLANT nicht zu einem Wohlfühlspiel. Positiv ausgedrückt könnte man sagen, dass es im Spiel keinen Leerlauf gibt und jede Entscheidung wichtig ist. Das bedeutet aber auch, dass man sich durchgehend gestresst fühlt. Ich bin diesbezüglich etwas zwiegespalten. Einerseits finde ich VOLL VERPLANT aufgrund der ganzen Zwänge großartig. Andererseits muss ich mich auch aktiv zum Mitspielen überwinden, weil es eben auch frustig sein kann. Andere Spiele in diesem Genre (bspw. DER KARTOGRAPH oder GANZ SCHÖN CLEVER) sind belohnender und gefallen mir deswegen in der Summe besser.
Zusätzlich spielt sich VOLL VERPLANT sehr solistisch. Was die anderen am Tisch so machen, ist mir meist herzlich egal. Natürlich schaue ich mal nach, welche Linien dort bearbeitet werden. Aber da ich ohnehin selten das luxuriöse Gefühl habe, mich zwischen zwei sehr guten Optionen entscheiden zu können, verfolge ich unabhängig von meinen Mitspielenden meine Pläne. Trotzdem ist in meinen Augen VOLL VERPLANT kein gutes Solo-Spiel, weil die erzielten Punktewerte sehr von den Karten abhängen und man deswegen nicht das Gefühl entwickelt, sich stetig zu verbessern. Außerdem leidet es sich gemeinsam besser.
Das gefällt mir gut: VOLL VERPLANT ist voll auf den Punkt! Die Regeln sind schnell erfasst und man muss nur verinnerlichen, auch den Zahlenwert in das Wagonfenster zu schreiben. Das wird anfangs gerne vergessen, so dass man darauf öfters hinweisen muss. Aber ansonsten ist das Spielkonzept recht einfach und schlank, so dass man naiverweise der Meinung sein könnte, alles flutscht von selbst. Doch spätestens nach drei-vier aufgedeckten Karten dämmert es einen, dass VOLL VERPLANT gar nicht so einfach zu beherrschen ist. Wenn Linien sich kreuzen, werden Haltepunkte gesetzt, die mich später bei der Entwicklung der Linie ausbremsen. Zusätzlich will ich natürlich gerne die Parallel-Linien nutzen, um mit einer Karte zwei Linien gleichzeitig voran zu bringen.
Die Hölle sind dann die Umsteigepunkte. Diese will man natürlich gerne dort einzeichnen, an denen sich viele Linien kreuzen – zumal deren Punktewert sehr beachtlich ist. Allerdings muss man auch ein rares Wagonfenster dafür opfern, was fast schon das Todesurteil für die entsprechende Linie bedeutet. Immer wenn diese Karte auftaucht ertönt ein von Selbstmitleid getriebenes Stöhnen. Das ist umso lauter, je früher die Karte im Spiel erscheint. Trotzdem sind die Umsteigepunkte nicht etwa das Salz in der Suppe, sondern eher die scharfe Chilli! Ohne die Umsteigepunkte wäre VOLL VERPLANT wohl eher ein gemütliches Spielchen – mit diesen kommen erst die wahren Herausforderungen. Zumal man sich auch schlecht auf diese Karten einstellen kann. Immer wenn die 6er-Karte gezogen wird, muss man auch den Ablagestapel mischen und einen neuen Zugstapel erstellen. Hat man Pech, ist dann der nächste Umsteigepunkt sofort wieder fällig, auch wenn man davon vorher schon einige verteilen musste.
Den Schwierigkeitsgrad kann man glücklicherweise selbst ein wenig anpassen, denn die einzelnen Spielpläne sind deutlich unterschiedlich leicht oder schwer zu spielen. Auf diese Weise ist ein Level-System integriert, wie man es auch aus DIZZLE oder KANNST KNICKEN kennt. Ohnehin ist die redaktionelle Arbeit in diesem Bereich zu würdigen. VOLL VERPLANT basiert auf METRO X, kommt aber im Vergleich dazu mit Spielplänen daher, die den echten U‑Bahnnetzen in den Städten entsprechen. Wer öfters in Berlin unterwegs war, erkennt schnell das bestehende S + U‑Bahnnetz wieder. Diese Referenz wertet das Spiel nochmals deutlich auf und man erkennt sogleich das vorhandene Potenzial für zukünftige Zusatzpläne.
Fazit: VOLL VERPLANT ist eine emotionale Achterbahn. Ständig verzweifelt man an den aufgedeckten Karten, aber am Ende ist man auch stolz auf das Geleistete. Somit ist es nicht unbedingt ein Wohlfühlspiel und kommt gerade mir teilweise auch wie Arbeit vor – aber ich kann mich zumindest nicht beschweren, dass ich nicht geistig gefordert wurde.
Titel | Voll verplant |
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Autor | Hisashi Hayashi |
Illustrationen | Olga Cress |
Dauer | 20 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 6 Personen |
Zielgruppe | planende Familienspielrunden |
Verlag | Schmidt Spiele |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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