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kritisch gespielt: Witchstone

Witchstone von Martino Chiacchiera und Reiner Knizia – erschienen bei HUCH!

Witchstone - Box
Bild: Huch!

Ich befürch­te Schlim­mes! Auf der Suche nach einem Auf­hän­ger für die Ein­lei­tung habe ich den Begriff "witch­stone" in die Such­ma­schi­ne ein­ge­ge­ben und bin ein paar der ange­bo­te­nen Links gefolgt. Dabei habe ich sehr dubio­se Web­sites gese­hen. Somit wer­de ich mich wohl nun die nächs­ten zwei Wochen mit ganz beson­de­ren Wer­be­an­zei­gen aus­ein­an­der­set­zen müs­sen... Da hilft mir bestimmt auch kein mehr­fa­ches Kli­cken auf den Wiki­pe­dia-Arti­kel des Hexen­steins in den Dolo­mi­ten.

The­ma... Dabei könn­te die­ser Berg die Inspi­ra­ti­ons­quel­le für eine arg gene­ri­sches Geschich­te gewe­sen sein. Es geht mal wie­der um einen Wett­streit von Zau­be­rern und Hexen. Die­ses Set­ting fand ich als 10jähriges Kind bei Aste­rix und Die Gol­de­ne Sichel noch span­nend – mitt­ler­wei­le bin ich dies­be­züg­lich etwas abgestumpft.

Illus­tra­tio­nen... sind von Mari­usz Gan­dzel. Die Cover-Illus­tra­ti­on fin­de ich der­art häss­lich, dass ich WITCHSTONE lan­ge Zeit noch nicht ein­mal mit der Kneif­zan­ge anfas­sen woll­te. Inter­es­san­ter­wei­se bin ich mit die­ser Mei­nung aller­dings eher allei­ne auf wei­ter Flur, denn in mei­nen Spie­le­grup­pen habe ich mit die­ser Ein­schät­zung für Kopf­schüt­teln gesorgt. Die Gestal­tung des Spiel­ma­te­ri­als hat mir dann auch wesent­lich bes­ser gefal­len und mich vom Stil, aber auch der guten Begreif­bar­keit, an Den­nis Lohau­sen erin­nert – was defi­ni­tiv als Kom­pli­ment anzu­se­hen ist.

Witchstone - Übersicht
bun­ter Materialmix

Aus­stat­tung... sorg­te bei mir anfangs für Irri­ta­tio­nen durch die wil­de Ver­mi­schung von Plas­tik- und Holz­ma­te­ri­al, das durch ein sin­ni­ges Insert gut gela­gert wird. Aller­dings hielt die­se Ver­wir­rung nicht lan­ge an, da man sich beim Spie­len ohne­hin auf das Wesent­li­che kon­zen­triert. Vor dem Spie­len muss aber ziem­lich viel sor­tiert und auf­ge­baut wer­den. Da sind ver­schie­de­ne Papp-Plätt­chen auf dem Spiel­plan zu ver­tei­len, Leis­ten mit Mar­kern zu bestü­cken, Kar­ten in eine offe­ne Aus­la­ge zu legen und per­sön­li­che Hexen auf die Start-Tür­me der Spiel­plans zu platzieren.

Auch der eige­ne Arbeits­be­reich will noch vor­be­rei­tet wer­den. So wer­den dort far­bi­ge Kris­tal­le in einen Kes­sel gelegt und das rest­li­che Mate­ri­al sor­tiert. Die­ses besteht aus den eige­nen ver­deck­ten Hex­plätt­chen hin­ter einem Sicht­schirm sowie einem Vor­rat an Hexen­fi­gu­ren und Ener­gie­ein­hei­ten, die wir immer "Schie­nen" nen­nen, weil dann kla­rer ist, was damit spä­ter gemacht wird. Zusätz­lich erhält man noch eine klei­ne Tier­fi­gur, mit der man spä­ter auf der sepa­ra­ten Spiel­hil­fe die Anzahl der mög­li­chen Aktio­nen fest­hal­ten kann.

Witchstone - Kessel
am Kes­sel wer­den die Plä­ne gebraut

Ablauf... Motor des Spiels sind die Hex­plätt­chen. Aus einer Aus­wahl von fünf die­ser Plätt­chen suche ich mir eines aus und lege das in mei­nem Kes­sel ab. Nun schaue ich, wel­che Sym­bo­le dort abge­bil­det sind, denn jedes Sym­bol ist mit einer Akti­ons­mög­lich­keit ver­bun­den. Vor­her prü­fe ich ab, ob durch bereits lie­gen­de Plätt­chen zusam­men­hän­gen­de Flä­chen die­ses Sym­bols ent­ste­hen. Denn wie man es schon von EINFACH GENIAL kennt, zäh­le ich nun die Anzahl der Sym­bo­le und weiß damit, wie vie­le Akti­ons­punk­te mir für die­ses Sym­bol zur Ver­fü­gung stehen.

Witchstone - Start
zum Start ist der Spiel­plan noch recht aufgeräumt

Die­se Aktio­nen ent­stam­men dem klas­si­schen Autoren-Bau­kas­ten für Euro­spie­le: ich lege Ver­bin­dun­gen auf dem Spiel­plan, set­ze dort Hexen ein und um, dre­he mich für Beloh­nun­gen um ein Pen­ta­gramm, bewe­ge mich für ande­re Beloh­nun­gen auf einem Zau­ber­stab vor­an oder sam­me­le Kar­ten für Akti­ons­ver­stär­kun­gen oder fina­le Sieg­punk­te. Zusätz­lich bewe­ge ich noch Kris­tal­le in mei­nem Kes­sel, um neue Abla­ge­mög­lich­kei­ten für die Hex­plätt­chen zu schaf­fen und über die Kris­tall-Ein­la­ge­rung in einem Regal Ket­ten­zü­ge zu ermög­li­chen. Die­se Mög­lich­keit der Ket­ten­zü­ge gibt es auch an vie­len ande­ren Stel­len, so dass sich WITCHSTONE immer auch ein wenig wie GANZ SCHÖN CLEVER anfühlt.

Witchstone - Kugel
kei­ne Schie­nen, son­dern Energieverbindungen

Das gefällt mir nicht so gut: Im Ide­al­fall sind die Regeln eines Spiels mit dem The­ma naht­los ver­bun­den. Sprich, das The­ma gibt vor, wie man zu spie­len hat und erklärt dabei ein Groß­teil der Abläu­fe und Regeln. Ein Posi­tiv­bei­spiel dafür ist CLANS OF CALEDONIA. WITHSTONE wäre in einer sol­chen Best Prac­ti­ce Auf­zäh­lung nicht zu nen­nen. Denn das The­ma hilft über­haupt nicht wei­ter und man spürt fast kör­per­lich die benutz­ten Krü­cken. Bes­tes Bei­spiel sind die Ener­gie­ver­bin­dun­gen von Orten auf der zen­tra­len Kris­tall­ku­gel. Bei einem ande­ren The­ma wären das nun Stra­ßen- oder Schie­nen­ver­bin­dun­gen in einer Land­schaft und alle hät­ten eine Vor­stel­lung davon. Aber was sind Ener­gie­ver­bin­dun­gen in einer Kris­tall­ku­gel? War­um wan­de­re ich einen Zau­ber­stab ent­lang? Wie­so fische ich Kris­tal­le auf einem Kes­sel, um die­se dann in Rega­le ein­zu­la­gern? Das ergibt alles kei­nen the­ma­ti­schen Sinn! Somit wirkt das The­ma zwang­haft über die hoch inter­es­san­ten Mecha­ni­ken gestülpt. Es fehlt eine sinn­stif­ten­de Ein­heit. Dadurch wird übri­gens auch das Erklä­ren der Regeln deut­lich schwe­rer, weil man kei­ne Ver­knüp­fun­gen zum The­ma nut­zen kann.

Etwas ver­wir­rend ist auch die Sieg­punkt­ver­ga­be. Mal erhält man wel­che im Spiel­ver­lauf, mal wer­den die­se erst am Ende abge­rech­net. Als Erklär­bär bin ich dau­ernd gefor­dert, die ande­ren dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sie ihre direkt erziel­ten Sieg­punk­te nicht ver­ges­sen dür­fen. Das hät­te mei­ner Mei­nung nach ger­ne noch etwas ele­gan­ter und ein­deu­ti­ger gelöst wer­den dürfen.

Witchstone - Regal
Auf­räu­men kann auch Spaß machen!

Das gefällt mir gut: Auch wenn ich mit dem The­ma mei­ne Pro­ble­me habe, der Wür­fel­schub­ser in mir fei­ert WITCHSTONE. Denn die ein­zel­nen Mecha­nis­men har­mo­ni­sie­ren wun­der­bar mit­ein­an­der. Ich freue mich, dass das zen­tra­le EINFACH GENIAL Ele­ment neu gedacht und nun mit einem Strauß an Mög­lich­kei­ten kom­bi­niert wur­de. Durch diver­se Zufalls­fak­to­ren wird dabei ver­mie­den, dass man immer die glei­chen Wege geht. Denn ich kann mir vor­her ger­ne vor­neh­men, in der Par­tie ganz auf die Hexen zu set­zen. Habe ich nicht die pas­sen­den Hex­plätt­chen zur Ver­fü­gung, dann soll­te ich viel­leicht bes­ser über Alter­na­ti­ven nachdenken.

Witchstone - Karten
Ist die Kar­te zum Sieg dabei?

Und die­se gibt es auch! Denn bei WITCHSTONE füh­ren vie­le Wege zum Ziel. Man­che sind offen­sicht­li­cher, ande­re brau­chen viel­leicht ein wenig mehr Spiel­erfah­rung. Aber ein gro­ßer Reiz des Spiels besteht dar­in, die­se ver­schie­de­nen Wege zu erkun­den. Wich­tig ist dabei aber immer eine gewis­se Fle­xi­bi­li­tät an den Tag zu legen. Wel­che Hex­plätt­chen ste­hen mir über­haupt zur Ver­fü­gung? Wel­che Kar­ten lie­gen in der Aus­la­ge? Wel­che Bonus­plätt­chen lie­gen in der Nähe mei­ner Hexen? Aber auch: was machen die anderen? 

Witchstone - Katze
Wie vie­le Aktio­nen darf ich machen? Kater Mikesch sagt es mir!

Denn auch wenn der Puz­zle­me­cha­nis­mus eher soli­tär wirkt, so ist trotz­dem Inter­ak­ti­on vor­han­den. Ich bin näm­lich in gemein­sa­mer Kon­kur­renz zu den unter­schied­li­chen Boni und Kar­ten. Auf­grund der Sicht­schir­me kann ich aber selbst nicht damit pla­nen, was die ande­ren nun für Mög­lich­kei­ten haben – was glück­li­cherweie ganz ent­schie­den die Down­ti­me ver­kürzt. Ein­fach mal machen und schau­en, was danach pas­siert. Somit spielt sich WITCHSTONE trotz der Ket­ten­zü­ge erstaun­lich flott. Zwar kann es am Ende ein wenig unüber­sicht­lich wer­den, weil im Ide­al­fall recht vie­le Akti­ons­punk­te zur Ver­fü­gung ste­hen. Aber das Anzei­ge-Sys­tem mit dem eige­nen tie­ri­schen Beglei­ter hilft dabei sehr.

So sind dau­ernd klei­ne Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, mit fort­schrei­ten­de Spiel­zeit wer­den aber die Mög­lich­kei­ten grö­ßer. Das fühlt sich unge­mein beloh­nend an. Zeit­gleich spürt man aber auch das Ende immer näher kom­mend und die Mit­spie­len­den rücken einem auch immer näher auf die Pel­le. WITCHSTONE bie­tet einen pas­sen­den Span­nungs­bo­gen. Die Län­ge einer Par­tie fühlt sich genau rich­tig an, weil man an dem Punkt ankommt, bei dem einer­seits zufrie­den mit dem Geleis­te­ten ist aber eigent­lich auch noch ger­ne die ein oder ande­re Akti­on mehr gemacht hätte.

Witchstone - Zauberstab
Vor­ne weg­pre­schen oder lie­ber vie­le Punk­te mitnehmen?

Das Ende bie­tet somit also ein klei­nes Dilem­ma, weil man sich für die ein oder ande­re Akti­on ent­schei­den muss. Ein sol­ches Dilem­ma besteht übri­gens auch beim Zau­ber­stab, ein Akti­ons-Ele­ment, was mir des­we­gen fast am Bes­ten gefällt. Hier wer­de ich einer­seits belohnt, wenn ich schnel­ler als die ande­ren vor­an schrei­te. Ander­seits erhält man auf die­sem Weg aber auch Punk­te für bspw. alle eige­nen Ener­gie­ver­bin­dun­gen oder Hexen auf dem Spiel­plan. Läuft man also zu schnell den Zau­ber­stab ent­lang, macht man kaum Punk­te damit.

Witchstone - Pentagram
Mecha­nis­mus schlägt Thema!

Fazit: Auch wenn mich WITCHSTONE weder durch die Cover-Gestal­tung noch durch das gene­ri­sche Hexen-The­ma abholt, so ist es doch einer mei­ner posi­ti­ven Über­ra­schun­gen des aktu­el­len Jahr­gangs. Die gut mit­ein­an­der ver­wo­be­nen Akti­ons­mög­lich­kei­ten machen es zu einem klas­si­schen Euro­spiel-Ver­tre­ter – und WITCHSTONE muss sich da kei­nes­falls hin­ter ande­ren Gen­re-Bekannt­hei­ten verstecken.

TitelWitch­stone
AutorenMar­ti­no Chi­ac­c­hie­ra und Rei­ner Knizia
Illus­tra­tio­nenMari­usz Gandzel
Dau­er60 bis 90 Minuten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Personen
Ziel­grup­peklas­si­sche Kennerspielrunden
Ver­lagHUCH!
Jahr2021
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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