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kritisch gespielt: Yokohama

Yokohama von Hisashi Hayashi – erschienen bei dlp games

Yokohama - Box
Foto: dlp games

Ich bin nicht das Geo­gra­phie-Mas­ter­mind, so dass ich bis vor kur­zem nicht wuss­te, dass Yoko­ha­ma eine Stadt in Japan ist – bis­her habe die­sen Namen immer bloß mit Auto­rei­fen in Ver­bin­dung gebracht. Aber dank Wiki­pe­dia weiß ich nun wie­der ein biss­chen mehr. Außer­dem ist es wahr­lich nicht unge­wöhn­lich, Spie­le nach Städ­ten zu benen­nen (auch wenn die­se dann meist in der Tos­ka­na lie­gen). Trotz­dem irgend­wie komisch, dass im Spiel YOKOHAMA kei­ne Rei­fen gehan­delt werden... 😛

The­ma... ist schon etwas auf­ge­setzt – was jedoch nicht unge­wöhn­lich für eine Spiel ist, wel­ches ich als Exper­ten­spiel ein­ord­ne. So ist man mal wie­der Händ­ler und besucht als sol­cher ver­schie­de­ne Gebie­te im Umkreis von Yoko­ha­ma. Dort besorgt man einer­seits Han­dels­wa­ren, aber auch Auf­trä­ge oder neue Tech­no­lo­gien. Zusätz­lich betritt man nur Gebie­te, die auch ent­spre­chend auf einen Besuch vor­be­rei­tet sind – wes­we­gen man früh­zei­tig schon sei­ne Assis­ten­ten dort­hin geschickt hat. Man muss als Prä­si­dent des ent­ste­hen­den Kon­zerns also nur noch die vor­be­rei­te­ten Ver­trä­ge unterzeichnen.

Illus­tra­tio­nen... sind von Ryo­ko Hiya­shi, die schon eini­ge ande­re Spie­le von OKAZU Brand (dem ursprüng­li­chen japa­ni­schen Ver­lag) illus­triert hat. Die Illus­tra­tio­nen fol­gen somit auch nicht alt bekann­ten Pfa­den, son­dern öff­nen den Raum für einen neu­en Stil. Trotz die­ses neu­en Stils sind die Sym­bo­le durch­aus ver­traut – und auch gut gewählt. Man fin­det sich somit pro­blem­los zurecht. Außer­dem wird nicht nur auf die Sym­bol­spra­che ver­traut, son­dern auch das ein oder ande­re Detail noch mit Text beschrieben.

Yokohama - Ausstattung
ein Hoch auf Sortierboxen!

Aus­stat­tung... fin­de ich völ­lig in Ord­nung – auch wenn es man­che Stim­men gibt, die lie­ber das Mate­ri­al der ame­ri­ka­ni­schen Delu­xe-Aus­ga­be auch in der deut­schen Aus­ga­be gefun­den hät­ten. Die Delu­xe-Aus­ga­be hat anstatt der nun vor­lie­gen­den Pappplätt­chen ganz viel Holz­ma­te­ri­al. Mich stö­ren die vie­len Pappplätt­chen aller­dings nicht, denn somit – so bil­de ich es mir jeden­falls ein – habe ich einen bes­se­ren Über­blick über das Gese­hen. Außer­dem ist es nicht so, dass die Aus­stat­tung der dlp-Aus­ga­be nicht üppig oder gar schlecht pro­du­ziert wäre. Neben den ganz vie­len unter­schied­li­chen Pappplätt­chen gibt es durch­aus auch eini­ge Holz­tei­le sowie eine Men­ge Kar­ten und Spiel­pl­an­tei­le (aus grund­so­li­der dicker Pappe).

Was nicht dabei ist: ein gro­ßer Tisch! Der ist aber von­nö­ten, um alles halb­wegs über­sicht­lich zu ver­stau­en. Viel­leicht hät­te man auch auf die recht groß­for­ma­ti­ge Sieg­punkt­leis­te ver­zich­ten kön­nen. Aber ers­tens mag ich deren Struk­tur (die Zeh­ner­stel­len lie­gen über­ein­an­der), zwei­tens kann man so die Ver­wal­tungs­plä­ne gut ord­nen und man hat einen Über­blick über den aktu­el­len Spielstand.

Yokohama - Detail
Hät­te auch Man­hat­tan hei­ßen kön­nen: dau­ernd wuseln Geschäfts­as­sis­ten­ten herum...

Ablauf... ger­ne wird YOKOHAMA als "auf­ge­motz­tes" ISTANBUL bezeich­net – und das hat auch sei­ne Berech­ti­gung. Denn eini­ge Spiel­ele­men­te kom­men einem ver­traut vor. So reist der Prä­si­dent von Gebiet zu Gebiet und führt dort Aktio­nen aus. Dabei wird er von Hel­fern (hier Assis­ten­ten) beglei­tet. Auch die Inter­ak­ti­on mit den Mit­spie­lern ist ähn­lich, da die­se eben­falls über Weg­schnap­pen und Blo­ckie­ren geschieht.

Aller­dings soll­te man nicht den Feh­ler machen, YOKOHAMA 1:1 mit ISTANBUL ver­glei­chen zu wol­len, ist letz­te­res doch eher ein schnell gespiel­tes Ken­ner­spiel wäh­rend YOKOHAMA ein abend­fül­len­des Exper­ten­spiel dar­stellt. YOKOHAMA besitzt kein schlan­kes Regel­werk, son­dern ganz vie­le Ver­zah­nun­gen, die es zu ver­in­ner­li­chen gilt. Das beginnt schon bei fünf unter­schied­li­chen Sieg­be­din­gun­gen und erstreckt sich über vie­le Sonderfunktionen.

Yokohama - Aufträge
Fern­han­del heißt das Zauberwort

Im Kern geht es dar­um, sich Waren zu besor­gen, um mit die­sen dann Auf­trä­ge zu erfül­len. Die­se Waren (und auch Auf­trä­ge) gibt es in den ver­schie­de­nen Gebie­ten, die die jewei­li­gen Aktio­nen aus­lö­sen. Je mehr Assis­ten­ten in einem Gebiet sind, umso ertrag­rei­cher ist die Akti­on. Aus die­sem Grund kann man in den Gebie­ten auch Geschäf­te bzw. Han­dels­häu­ser bau­en, da die­se dann als dau­er­haf­te Assis­ten­ten vor Ort ange­se­hen wer­den (und ent­spre­chend die "Grund-Stär­ke" erhö­hen). Wie man erkennt, sind also sowohl Assis­ten­ten wie auch Gebäu­de wich­tig. Davon hat man eini­ge zu Beginn im eige­nen Vor­rat, im Lau­fe des Spiels kann und man wei­te­re frei­schal­ten – wobei das Wort "kann" bes­ser mit "muss" zu erset­zen ist.

Yokohama - Technologien
aus dem Aus­land wird Know-how für die Tech­no­lo­gien eingekauft

Neben Auf­trä­gen kann man aber auch neu­ar­ti­ge Tech­no­lo­gien erwer­ben, die man­che Aktio­nen ver­stär­ken bzw. Grund­re­geln außer Kraft set­zen. Da ist z.B. die Grund­re­gel, dass man nie sei­nen eige­nen Prä­si­den­ten zu einem frem­den Prä­si­den­ten in ein Gebiet set­zen darf. Durch das Gebiet zie­hen ist erlaubt (kos­tet aller­dings Geld), Assis­ten­ten dort zu plat­zie­ren auch (kos­tet eben­falls Geld). Was aber eben nicht geht, das dort zwei Prä­si­den­ten zusam­men ste­hen – womit man als Gegen­spie­ler schö­ne Blo­cka­den auf­bau­en kann. Gegen die­se wie­der­um kann man sich mit der rich­ti­gen Tech­no­lo­gie wehren.

Yokohama - Ende
ein Teil der End­ab­rech­nung: wur­de mit allen aus­län­di­schen Natio­nen Han­del getrie­ben oder Tech­nik ausgetauscht?

Dann gibt es noch eini­ge zusätz­li­che Ele­men­te, die ich gar nicht detail­liert beschrei­ben will, da sie ansons­ten den Rah­men spren­gen. So sind bspw. die Auf­trä­ge und Tech­no­lo­gien Län­dern zuge­ord­net, über die man wie­der­um Län­der­ver­tre­ter akti­vie­ren kann. Die­se ermög­li­chen einem einen zusätz­li­chen Zug, was natür­lich eine fei­ne Sache ist. Denn auch YOKOHAMA ist in gewis­ser Wei­se ein Renn­spiel, da oft­mals ein ers­ter Zugriff auf Spiel­ele­men­te zusätz­lich belohnt wird.

Das gefällt mir nicht so gut: Auch wenn man YOKOHAMA nicht mit ISTANBUL ver­glei­chen soll, so macht man es trotz­dem – so sind wir Men­schen wohl gestrickt. Dabei fällt jeden­falls auf, wie ele­gant ISTANBUL kon­zi­piert ist. Dort wird mit rela­tiv wenig Regeln ein inten­si­ves Spiel­ge­fühl erzeugt. Das kann YOKOHAMA auch schaf­fen. Aller­dings ist dafür ein wesent­lich umfang­rei­che­res Regel­werk von­nö­ten. Bis man sich sicher in die­sem Regel­werk fühlt, muss eini­ge Zeit ver­ge­hen. YOKOHAMA weist so viel Schnör­kel auf, dass einem manch­mal der Blick für das Wesent­li­che fehlt. Wenn man sei­ne Vor­ur­tei­le frei­en Lauf las­sen will, könn­te man sagen: mit ande­rer Gra­fik hät­te ich das Spiel eher ita­lie­ni­schen Autoren zuge­ord­net – und nicht Japa­nern, die doch so bekannt sind für ihre Micro­ga­mes. Wie gesagt: plat­te Vorurteile!

Die­se vie­len Schnör­kel fin­den man­che Spie­ler ganz toll, weil das Spiel somit auch vie­le ver­schie­de­ne Wege bestrei­tet lässt (wie schon beschrie­ben gibt es fünf ver­schie­de­ne Sieg­be­din­gun­gen). Aller­dings fällt es mir dadurch schwer, alles halb­wegs im Blick zu behal­ten. In der Kon­se­quenz küm­me­re ich mich wenig dar­um, was mei­ne Mit­spie­ler so machen und kon­zen­trie­re mich mehr auf mei­nen eige­nen Plan. Damit hat YOKOHAMA trotz Mehr­hei­ten­re­ge­lun­gen und Geschwin­dig­keits­bo­ni etwas von einem Mul­ti-Soli­tär. Aller­dings darf man dann nicht über­rascht sein, wenn man auf ein­mal mit der Situa­ti­on kon­fron­tiert wird, dass man in sei­ner Bewe­gung durch die Mit­spie­ler geblockt wur­de – teil­wei­se sogar ohne böse Absicht, da die­se eben­falls nur ihrem eige­nen Plan fol­gen. Man muss da schon eine gewis­se Frust­to­le­ranz an den Tag legen können.

Yokohama - Startaufstellung
ich fin­de das Mate­ri­al in Ordnung

Über die Aus­stat­tung gibt es unter­schied­li­che Mei­nun­gen. Man­che fin­den die recht klei­nen Papp-Plätt­chen zu fud­de­lig und sind der Mei­nung, dass vor allem die auf die Gebie­te geleg­ten Geschäf­te über­se­hen wer­den kön­nen. Das kann ich so für mich nicht unter­schrei­ben. Ich fand die Fotos der Delu­xe-Aus­ga­be eher abschre­ckend, da die­se mir das Gefühl gaben, dass hier wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen auf den Plä­nen von den recht gro­ßen Holz­ge­bäu­den abge­deckt wer­den. Wahr­schein­lich wäre ein Mit­tel­weg zwi­schen bei­den Aus­ga­ben der Königs­weg gewe­sen – wobei dann natür­lich hin­ter­fragt wer­den muss, ob die­ser den preis­li­chen Rah­men nicht gesprengt hät­te. Ich kann jeden­falls mit der bestehen­den Aus­stat­tung gut leben. Pro­ble­ma­tisch sind aber die gewähl­ten Farb­tö­ne. Wer eine aus­ge­präg­te Rot-Grün-Seh­schwä­che hat, der wird bei YOKOHAMA nicht glücklich.

Yokohama - Auslage
nicht für den Cam­ping­tisch geeig­net – dafür aber eine hohe Variabilität

Das gefällt mir gut: Es besteht eine sehr hohe Varia­bi­li­tät. Das beginnt bei der Anord­nung der Gebiets­aus­la­ge, geht wei­ter über die zufäl­li­ge Aus­la­ge der Auf­trä­ge und Tech­no­lo­gien und selbst für die bis­her noch uner­wähn­ten Errun­gen­schaf­ten gibt es eine zufäl­li­ge Aus­wahl (über die Errun­gen­schaf­ten kann man noch zusätz­li­che Sieg­punk­te machen, wenn man bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfüllt). Die Wahr­schein­lich­keit, zwei­mal das glei­che Set­up zu spie­len, soll­te äußerst gering sein.

Durch die­se Varia­bi­li­tät gibt es auch nicht die eine sieg­brin­gen­de Stra­te­gie. Mal pas­sen zu Beginn die Tech­no­lo­gien gut zu den Auf­trä­gen bzw. zu der Gebiets­aus­la­ge, mal eben nicht von Anfang an. Ohne­hin lässt einem YOKOHAMA viel Raum zum Ent­de­cken und Aus­pro­bie­ren. Man muss sich nicht gleich zu Beginn auf eine Stra­te­gie fest­le­gen und die­se bedin­gungs­los her­un­ter­spie­len. Hier darf man auch mal einen etwas ungüns­ti­gen Zug machen (frei­wil­lig oder erzwun­gen), ohne dass dadurch jeg­li­che bis­he­ri­ge Pla­nung über den Hau­fen gewor­fen wird. Ganz ohne stra­te­gi­sche Pla­nung geht es natür­lich nicht, aber zur Not muss man eben noch einen klei­nen Umweg neh­men oder man macht­ei­ne nicht ganz so star­ke Akti­on. Trotz Wett­renn-Cha­rak­ters kann man auch lang­sam begin­nen und hof­fent­lich spä­ter das Feld noch von hin­ten aufrollen.

Das Spiel selbst läuft wie auch bei ISTANBUL über erstaun­lich schnel­le Züge. Man plat­ziert sei­ne Assis­ten­ten, läuft mit sei­nem Prä­si­den­ten und führt dann die Gelän­de­ak­ti­on aus. Zusätz­lich kann man noch sei­ne Auf­trä­ge ein­lö­sen oder Errun­gen­schaf­ten bean­tra­gen. Trotz­dem kann manch­mal die Geschwin­dig­keit etwas sto­cken, wenn näm­lich die lie­ben Mit­spie­ler auf ein­mal Blo­cka­den bil­den. Denn YOKOHAMA bie­tet durch­aus Mög­lich­kei­ten der direk­ten Inter­ak­ti­on. Durch das Plat­zie­ren des eige­nen Prä­si­den­ten kann ich die Züge der Mit­spie­ler maß­geb­lich beein­flus­sen. Aber auch die abschlie­ßen­den Mehr­hei­ten­wer­tun­gen in ver­schie­de­nen Berei­chen soll­ten beach­tet werden.

Trotz des oben ange­spro­che­nen Raum zur Ent­wick­lung, ist eine gute Pla­nung natür­lich hilf­reich. Wer so etwas nicht mag, spielt wahr­schein­lich ohne­hin nicht ger­ne Exper­ten­spie­le. Bei YOKOHAMA soll­te man schon wis­sen, wohin man sich die nächs­ten zwei-drei Züge set­zen will. Zusätz­lich ist auch die eige­ne Vor­rats­pla­nung immer zu berück­sich­ti­gen. Man soll­te immer über genü­gend Assis­ten­ten sowie Geschäf­te ver­fü­gen – und sich die­se ent­spre­chend recht­zei­tig vor­her frei­schal­ten. Schön fin­de ich, dass man für man­che Vor­tei­le Assis­ten­ten dau­er­haft abge­ge­ben muss. Somit gilt es sich gut zu über­le­gen, ob man wirk­lich schon eine Errun­gen­schaft erlan­gen bzw. Plät­ze in der Kir­che oder dem Import­la­ger beset­zen will.

Yokohama - Skalierung
gute Ska­lie­rung auf Mitspieleranzahl

Auch die Ska­lie­rung auf die unter­schied­li­che Spie­ler­an­zahl funk­tio­niert aus­ge­spro­chen gut. Je weni­ger mit­spie­len, des­to klei­ner ist die Aus­la­ge (und auch die Sieg­be­din­gun­gen ändern sich ein wenig). Trotz­dem liegt es natür­lich in der Natur der Din­ge, dass im 4‑Per­so­nen-Spiel mehr Inter­ak­ti­on vor­han­den ist als im 2‑Per­so­nen-Spiel. Mir macht aber YOKOHAMA in jeder Beset­zung Spaß.

Fazit: Ich hat­te mir damals YOKOHAMA aus dem Bauch her­aus gekauft, weil ich die gan­ze Auf­ma­chung inter­es­sant fand – und ich habe den Kauf nicht bereut! An die Ele­ganz und Klar­heit eines ISTANBULS kommt es nicht her­an (das gilt im Übri­gen für sehr vie­le Spie­le), aller­dings spie­len bei­de Spie­le sowie­so in ande­ren Gewichts­klas­sen. Wenn ich Zeit und Lust für mehr Raum habe, dann spie­le ich sehr ger­ne YOKOHAMA.

TitelYoko­ha­ma
AutorHisa­shi Hayashi
Illus­tra­tio­nenRyo­ko Hiyashi
Dau­er90 bis 120 Minuten
Spie­ler­an­zahl2 bis 4 Spieler
Ziel­grup­peExper­ten­spiel
Ver­lagdlp games
Jahr2017

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