Die Zwerge Big Box von Michael Palm und Lukas Zach – erschienen bei Pegasus Spiele
Der Trend der letzten Jahre geht bei Brettspielen zu weißen Covern. Die sehen meist so schön edel und einladend aus. DIE ZWERGE BIG BOX zeigt aber, dass auch schwarze Cover diese Funktion eindrucksvoll übernehmen können. Ich bin jedenfalls froh, dass nicht die ursprüngliche Gestaltung übernommen wurde, denn die hatte mich damals tatsächlich abgeschreckt. Ganz anders wirkt nun diese mit Ornamenten versehene Axt, die geheimnisvoll und spannend aussieht. Zusätzlich gibt es noch einen netten Nebeneffekt: ich kann der Big Box außerdem auch noch das Label "frisch gestrichen" verpassen.
Thema... Monster (Orks, Trolle und Albae) plätten und Zwergenreich retten. Das hat schon die zugehörigen Bücher von Markus Heitz gefüllt, damit kann man auch Spiele machen. Konsequenterweise ist DIE ZWERGE ein kooperatives Spiel, weswegen es auch Wir Zwerge hätte heißen können.
Illustrationen... sind von Jarek Nocoń und äußerst stimmungsvoll. Ich habe keine Ahnung, in wie weit die Literaturvorlage schon mit Illustrationen aufwarten kann, denn ich habe lediglich die Hörbücher gehört. Aber wenn ich die Gestaltung des Spiels mit den Covern der Bücher vergleiche, dann gewinnt das Spiel eher mein Herz.
Ausstattung... Big-Box heißt zum Glück nicht, dass die Box überdimensioniert groß ist. Vielmehr ist damit gemeint, dass alles bisher zum Spiel Veröffentlichte nun in einer Box vereint ist: das Grundspiel, die MIT VEREINTEN KRÄFTEN – ERWEITERUNG, die CHARAKTER-ERWEITERUNG, die SAGA-ERWEITERUNG, die ALBAE-MINI-ERWEITERUNG sowie die DER TRIUMPH DER ZWERGE MINI-ERWEITERUNG.
Dementsprechend üppig ist das Material. Wie schon aus der SAGA-ERWEITERUNG bekannt, gibt es nun neben dem Spielplan ein eigenes Zwergen-Rat-Tableau als Kartenablage. Die gegnerischen Unholde sind nicht mehr lediglich Holzklötzchen, sondern stimmige Holzminiaturen. Unsere Helden sind dahingegen schön gestaltete Plastikminiaturen. Davon gibt es eine Menge zur Auswahl, denn schließlich sind auch die Helden aus der CHARAKTER-ERWEITERUNG vorhanden. Wem dieses Angebot nicht ausreicht, kann zusätzlich noch mit Goimgar und Djerun zwei ganz neue, weitere Helden im Fachhandel erwerben. Auch die drei Spielmarker sind schön modellierte Plastik-Miniaturen.
Zusätzlich sind neben Würfeln, Lebensmarkern, Szenariosteinen und ganz vielen unterschiedlichen Plättchen auch noch über 200 Szenario‑, Abenteuer‑, Bedrohungs- und Ausrüstungskarten in das funktionale Insert zu verteilen. Mit diesem ganzen Material kann man alle fünf Bücher nachspielen bzw. das erste Buch mit deutlich mehr Varianz als im ursprünglichen Basisspiel erleben. Ganz aktuell erschien im Herbst 2021 mit Die Rückkehr der Zwerge der sechste Band, der natürlich noch nicht berücksichtigt werden konnte. Ich bin gespannt, ob dadurch nochmals eine zusätzliche Mini-Erweiterung entwickelt wird. Glücklicherweise ist noch ein wenig Platz in der Box...
Ablauf... ist glücklicherweise schnell verinnerlicht. Nachdem ein kleines vorhersehbares Ereignis eingetreten ist, führt man selbst zwei Aktionen aus einem Pool von vier Möglichkeiten aus: entweder bewegt man sich, kämpft gegen die feindlichen Armeen, legt eine Fähigkeitenprobe ab oder versucht den Ratsmarker auf dem Begleit-Plan zu verschieben.
Gemeinsam versuchen wir die Aufgaben des Szenario zu erfüllen, bevor der Helden- und der Untergangsmarker sich auf der Untergangsleiste treffen oder bevor einer unserer Zwerge stirbt. Das kann im Kampf passieren, wenn wir dabei zu oft unglücklich würfeln. Aber ohne Kampf geht es auch nicht, da im Laufe einer Partie feindliche Armeen Würfel gesteuert unser Land fluten und die Landschaft in Totes Land verwandeln. Das wird über einen cleveren Ausbreitungsmechanismus simuliert, der anschaulich aufzeigt, dass man sich nicht all zu viel Zeit lassen sollte, die Aufgaben der einzelnen Szenariokarten zu erfüllen.
Die Aufgaben sehen vor, dass man bestimmte Orte aufsucht oder erfolgreich eine bestimmte Anzahl von Fähigkeitenproben oder Kämpfe durchführt. Dummerweise kommen aber im Laufe einer Partie immer mehr Bedrohungskarten ins Spiel, mit denen man sich auch auseinander setzen sollte. Da ist es von Vorteil, wenn man ausreichend Ausrüstung besitzt bzw. zwischendurch die Fähigkeiten der einzelnen Charaktere auflevelt.
Das gefällt mir nicht so gut: Man darf nicht mit falschen Erwartungen an das Spiel heran gehen. Im besten Sinne fühlt man sich in die alte Rollenspiel-Zeit zurück versetzt, denn die einzelnen Aufgaben sind jetzt nicht unbedingt von strategischer Tiefe geprägt. Man bewegt sich wo hin und versucht dort sein Würfelglück. Zwischendurch muss man ganz viele Gegner plätten, wofür man auch wieder eine Menge würfelt. Das macht Spaß, wenn man genau das erleben will. Wer aber in diesem Genre lieber tiefsinniger plant sollte in ähnlicher Gewichtsklasse vielleicht eher zu DIE LEGENDEN VON ANDOR greifen. Dort zieht man eher maßvoll in den Kampf und rechnet sehr genau aus, wie man effizient vorzugehen hat. In DIE ZWERGE geht man eher weniger subtil vor. Oder anders ausgedrückt: man verhält sich zwergischer. Gib mir einen Gegner, den vermöbel ich! Das macht mir durchaus auch ab und zu mal Spaß, aber im Normalfall mag ich es lieber etwas differenzierter.
Wenn ich aber schon mal in der richtigen Laune bin, dann möchte ich DIE ZWERGE allerdings nicht zu sechst spielen wollen. Denn schließlich möchte ich selbst aktiv sein und nicht fünf Runden lang den anderen zuschauen müssen. Die ideale Personenanzahl sehe ich bei drei oder vier Personen. Zu zweit sind die Wege manchmal etwa zu lange und zu fünft oder sechst die Pausen, bis man selbst wieder an der Reihe ist.
Ansonsten kann ich nur noch ein wenig am Material herum mäkeln. So ist das Insert an für sich schon sehr praktisch. Allerdings hätte man dort gerne noch eigene Unterteilungen für die Mini-Erweiterungen MIT VEREINTEN KRÄFTEN und ALBAE vorsehen können, um noch schneller die einzelnen Kartenpacks sortieren zu können.
Ein wenig verschlimmbessert finde ich auch die Holzminiaturen für die gegnerischen Armeen. Als bekennender Würfelschubser habe ich nämlich überhaupt kein Problem damit, wenn diese lediglich nur mit kleinen Holzklötzchen dargestellt werden, wie es im ursprünglichen Basisspiel der Fall war. Nun sind vor allem die Trolle so groß, dass sie dauernd umfallen und zudem auch noch den Blick auf manche Spielplaninhalte verdecken. Die Miniaturen sehen zwar zugebenermaßen besser aus, sind aber in der Aufmachung unpraktischer für das Spielerlebnis.
Der Pegasus Verlag hatte damals bei der Kickstarter-Kampagne versprochen, dass die besonders gestalteten Kampfwürfel exklusiv sind. An dieses Versprechen wurde sich gehalten – auch wenn das schade ist, da diese wirklich toll aussehen und perfekt zum Spiel passen würden. Interessanterweise habe ich die Würfel auf anderem Weg erhalten, was diese künstliche Einschränkung etwas konterkariert. Aber es ist schon richtig, dass man Versprechen einhält.
Ein wenig stört es mich, dass man nun zwar eine BIG BOX herausgegeben hat, aber gleichzeitig zwei neue Charaktere auf den Markt kamen, die nicht in dieser Box enthalten sind. Das mag als Marketing-Maßnahme vielleicht clever sein, aber irgendwie verwässert es den Gedanken einer Big Box, die alles Veröffentlichte beinhaltet. Natürlich sind auch ohne die beiden zusätzlichen Helden völlig ausreichend viele unterschiedliche Charaktere in der Box, so dass deren Fehlen überhaupt nicht auffällt. Bei Komplettisten bleibt aber ein komisches Gefühl bestehen.
Das gefällt mir gut: Ich zitiere mich mal selbst von oben: "Im besten Sinne fühlt man sich in die alte Rollenspiel-Zeit zurück versetzt, denn..." Das trifft das Spielgefühl von DIE ZWERGE meiner Meinung nach ganz gut. Man kann in überschaubarer Zeit ein paar Aufgaben gemeinsam lösen und sich dabei mächtig über das Würfelpech aufregen oder über das gegenteilige Glück freuen. Ich glaube auch nicht, dass ein anderer Anspruch besteht. Es sollen keine tiefgründigeren Überlegen angestellt und endlos möglichen Strategien diskutiert werden. Sondern man soll einfach eine schöne Zeit mit spannenden Würfelorgien haben.
Spannung ist dabei das richtige Wort. Denn durch den Ausbreitungsmechanismus des toten Landes zieht das Tempo des Spiels immer mehr an. Anfangs sind nur wenige gegnerische Armeen zu bekämpfen, am Ende überfluten sie den Spielplan und die eigene Bewegungsfreiheit ist arg eingeschränkt. Somit entsteht ein gewisser Druck und man fiebert den letzten Spielzügen entgegen. Dieser Druck wird durch den separaten Rat der Zwerge noch hoch gehalten, da man tunlichst vermeiden will, von dort noch weiteren Sand ins Getriebe gestreut zu bekommen.
Toll sind natürlich die vielen verschiedenen Charaktere. Ich bin zu wenig Kenner der Bücher und es ist schlicht zu lange her, dass ich die ersten zwei Bände davon gehört habe. Zu mehr konnte ich mich nicht motivieren, da mir die Geschichte doch etwas zu schlicht war. Trotzdem habe ich aber die ein oder andere Figur wieder erkannt. Doch selbst ohne dieses Wissen, ist die große Auswahl an unterschiedlichen Charakteren ein dickes Plus. Denn alle haben besondere Eigenschaften und man kann somit unterschiedliche Herangehensweisen ausprobieren. Mal ist man die starke Kämpferin, mal eher die geschickte Handwerkerin.
Genauso groß ist mittlerweile auch die Vielfalt an Szenario-Karten. Das Basisspiel krankte damals ein wenig daran, dass man eigentlich immer das Gleich erlebt hat. Dieses Problem hat die BIG BOX definitiv nicht mehr. Auch hier bin ich zu wenig Kenner der Bücher, um fundiert darüber berichten zu können, wie gut oder schlecht die Handlung nach erlebt wird. Aber zumindest kann ich bestätigen, dass man sich gut beim Durchspielen der einzelnen Szenarien unterhalten gefühlt hat.
Fazit: DIE ZWERGE BIG BOX ist der perfekte Bier & Bretzel Ableger eines kooperativen Fantasy-Abenteuer-Spiels. Ein wenig muss man schon taktieren, aber viel mehr steht der Spaß am Würfeln im Vordergrund. Das ist beste Unterhaltung, wenn man sich mal nicht zu sehr gedanklich abmühen will. Durch die nun prall gefüllte Big Box hat man kompakt ein komplettes Spielsystem zur Verfügung. Da kann man nur hoffen, dass Markus Heitz nicht mehr all zu viele Bücher nachlegt und man in ein paar Jahren nicht eine neue Big Box benötigt.
Titel | Die Zwerge Big Box |
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Autoren | Michael Palm und Lukas Zach |
Illustrationen | Jarek Nocoń |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 6 Personen |
Zielgruppe | würfelnde kooperative Kennerspielrunden |
Verlag | Pegasus Spiele |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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