"Licht aus, Spot an!" Unter diesem Motto hätte gut das gestrige Pegasus Presse-Event 2018 stehen können. Da dieses Jahr aber SHOWTIME die große Familienspielveröffentlichung ist, stand das Event unter diesem Motto. Wie schon auf der Spielewarenmesse in Nürnberg wurde man deswegen beim Pegasus Verlag mit viel Kinoflair begrüßt. An den Wänden hingen neben echten Kinoplakaten auch Plakate von allen Spiele-Neuheiten im gleichen Stil. Überall verschönerten weitere Kino-Utensilien das aufgebaute Zelt und natürlich gab es auch frisches Popcorn und Nachos – nur das Eiskonfekt fehlte.
In den Pausen ist man nicht nur auf die Toilette gegangen, sondern hat sich natürlich auch mit den vielen netten Menschen aus der Szene unterhalten können. Im Mittelpunkt standen aber natürlich die Spiele. Da Pegasus als Vertriebspartner ein großes Portfolio anbietet, konnte ich natürlich nicht alle Neuheiten ausprobieren. Aber man will ja auch noch in Essen einen Grund haben, an den Stand von Pegasus zu gehen (mal abgesehen vom dortigen Popcorn). Folgende Neuheiten konnte ich jedenfalls anspielen...
CROWN OF EMARA von Benjamin Schwer
Gleich vorab: CROWN OF EMARA kann als Archetyp eines seelenlosen Eurogames dienen. Das Setting ist aufgesetzt und austauschbar, es steht nur die Mechanik im Vordergrund. Ich habe damit glücklicherweise als bekennender Würfelschubser überhaupt kein Problem, aber wer so etwas nicht mag, kann gleich zum nächsten Spiel weiterspringen.
Mechanisch ist CROWN OF EMARA deshalb interessant, da es zwei voneinander unabhängige Spielpläne gibt. Auf dem einen erhält man Rohstoffe, auf dem anderen wandelt man diese in Siegpunkte um. Dabei gibt es zwei Arten von Siegpunkten: Personenpunkte und Baupunkte. Am Spielende zählt dabei der kleinere Wert, so dass man im Spiel versuchen sollte, beide Arten zu generieren. Gesteuert werden die eigenen Spielfiguren auf den Plänen über ein eigenes Spielertableau und als Spieler muss man sich nun entscheiden, will man nun die Figur auf dem einen oder dem anderen Plan bewegen.
Ich hatte beim Spielen immer den Wise Guys Song "Der Mann der alles zweimal machte" im Ohr*. So ganz sicher bin ich mir nicht, ob durch CROWN OF EMARA nicht so langsam das Rasierklingen-Phänomen in der Brettspielszene einhält: Wenn mir nichts mehr neues einfällt, dann preise ich mein Produkt damit an, dass es nun eine Klinge mehr besitzt – auch wenn sich dadurch beim Verbraucher kaum etwas ändert. Denn bei CROWN OF EMARA fühlte sich alles so spannungsarm vertraut an, was auch an der schönen Grafik von Dennis Lohausen lag. Irgendwie fehlte dabei der besondere Kick. Wobei die zwei unterschiedlichen Siegpunktarten schon ein forderndes Element sind, was meiner Meinung nach dem Spiel eine eigene Note gibt. CROWN OF EMARA ist somit ein Kandidat, der noch näher erkundet werden will. Vorteilhaft dabei ist sicherlich, dass es auch einen Solo-Modus gibt.
SPIRIT ISLAND von R. Eric Reuss
Ist ein kooperatives Expertenspiel, was letztes Jahr erfolgreich als Crowdfunding-Projekt auf den Markt kam. Wir haben es nur recht kurz angespielt, da wir uns am Tisch einig waren, das dies nicht unbedingt das ideale Spiel für so ein Presse-Event ist. Da auch keine Regel auslag, konnten wir nicht wirklich etwas während des Spielens nachschlagen und das ganze war somit ein etwas zähe Angelegenheit. Aufgrund der fehlenden Regel ist es für mich nun schwierig abzuschätzen, wie sich beim Spiel die Schwierigkeit skalieren lässt. Anscheinend haben wir auf der einfachsten Stufe gespielt (wenn ich richtig zugehört habe von elf möglichen).
Mechanisch ist es vergleichbar mit vielen anderen kooperativen Spielen. Man ist einer Bedrohung von außen ausgesetzt, die regelrecht den Spielplan überflutet. Unser Ziel ist es, diese Flut einzudämmen. Den besonderen Reiz erhält SPIRIT ISLAND aber durch die Thematik. Denn die Bedrohung von außen sind Invasoren auf einer Insel, die sich dort breit machen und die Ureinwohner bekämpfen. Wir Spieler sind nun Naturgeister, die den Ureinwohnern helfen. Wir verbreiten Furcht und Schrecken und zerstören die Dörfer und Städte der feindlichen Eroberer. Jeder Geist hat dabei seine speziellen Eigenschaften. Diese machen das Spiel wohl recht variabel, da sich jeder Geist anders spielt. Das ist wohl insbesondere für Solo-Spieler interessant.
Mir hat SPIRIT ISLAND vor allem thematisch gut gefallen. Das Spielmaterial und manches Symbol fand ich etwas fummelig klein und mich hat zum Beispiel die ein oder andere Bezeichnung ziemlich gestört (die hellblauen Wasserflächen habe ich nicht als Sumpf interpretiert). Wobei beim Material der schöne Kniff dabei war, dass die negative Elemente alle aus Plastik sind und die guten Ureinwohner aus Holz. Ob da wohl eine tiefere Botschaft versteckt ist?
BLACKOUT HONG KONG von Alexander Pfister – erscheint bei eggertspiele
Mit der recht kurzfristigen Ankündigung von BLACKOUT HONG KONG ist eggerstpiele ein kleine Coup gelungen. Denn wohl auch dadurch schnellte es ganz nach oben auf die hotlist von bgg. Auch auf meiner Vorfreude-Liste fehlte es aus diesem Grund.
Nach einem ersten Anspielen kann ich nur sagen: BLACKOUT HONG KONG fehlt aber "so etwas von" auf meiner Liste! Denn dieses Spiel war im Nachhinein das Highlight des Tages. Wenn man sich ein wenig auskennt mit den Spielen von Alexander Pfister, dann kommt man recht schnell rein in BLACKOUT HONG KONG. Da sind schon diverse Ähnlichkeiten zu MOMBASA oder GREAT WESTERN TRAIL. Ich glaube zwar, dass BLACKOUT HONG KONG nicht ganz die strategische Tiefe dieser beiden Spiel erreichen wird, aber spielenswert ist es trotzdem.
Im Vergleich zu den beiden genannten Spielen erscheint BLACKOUT HONG KONG nämlich etwas glücksabhängiger (Würfel und verdeckte zufällige Plättchen). Zu Anfang einer jeden Runde werden drei Rohstoffwürfel für alle Spieler gewürfelt. Zwar kann man diese durch Modifikationen austricksen, aber auf Dauer ist das sehr teuer. So gesehen ist man schon von diesen Würfeln abhängig. Allerdings gibt es auch noch genug Spiele-Speck um diese Würfel herum, so dass BLACKOUT HONG KONG nicht zum reinen Glücksspiel verkommt. Ich hatte mich durch einen Fehler bspw. recht schnell aus einer guten Ausgangssituation heraus genommen, was in meinen Augen aber mehr für als gegen das Spiel spricht.
Thematisch und grafisch geht eggertspiele neue Wege – wobei man durchaus das Gefühl hatte, dass das Thema komplett austauschbar ist. Aber das Setting ist mal etwas anderes und so sieht man auch mal einen neuen Look. Wobei die folgenden Fotos mit Vorsicht zu genießen sind. Auf dem Presse-Event war lediglich ein Handmuster vorhanden. Die ganzen Materialien entsprachen somit nur einem Prototyp-Status. Die Lust darauf, dass fertige Spiel bald in der Hand zu halten, hat das erste Anspielen aber auf alle Fälle geweckt.
ROLL PLAYER von Keith Matejka
Auch ROLL PLAYER ist ein erfolgreich finanziertes Crowdfunding-Spiel, welches nun als deutsche Retail-Version bei Pegasus ins Programm aufgenommen wurde. In der Szene wird es gerne mit SAGRADA verglichen, was ebenfalls bei Pegasus erschienen ist (dazu schreibe ich die Tage auch ein wenig mehr).
Bei ROLL PLAYER werden vor allem ehemalige Rollenspieler angesprochen. Denn es geht darum, die Vorgaben bei der Erstellung eines Charakters zu erfüllen. Das "roll" in ROLL PLAYER ist übrigens keine denglische Übersetzung, sondern der Clou am Spiel ist, dass geworfene Würfel clever auf einem eigenen Tableau eingebaut werden müssen. Dabei bedient man sich aus einem allgemeinen Vorrat und versucht im Spielverlauf bestimmte Vorgaben zu erfüllen. Zusätzlich kann man sich am Ende der Runde noch mit Waffen und Rüstungen eindecken und zusätzlich Fähigkeiten erwerben. Am Ende hatte ich somit z.B. einen rebellischen Ork, der Krieger und Schatzjäger ist. Mit der Intelligenz war er nicht ganz gesegnet, dafür war er aber stark!
Wie gesagt, (ehemalige) Rollenspieler kommen bei ROLL PLAYER ziemlich auf ihre Kosten. Aber auch Spieler, die dem Genre nichts abgewinnen können, werden gut bedient. Mir war es allerdings ein wenig zu kleinteilig. Dauernd musste man einen besonderen Effekt beachten und man war so mit sich selbst beschäftigt, dass man kaum einen Blick auf die Mitspieler werfen konnte. Mir fehlte etwas die Einfachheit und Eleganz. Aber wer es etwas komplexer mag, ist sicherlich mit ROLL PLAYER gut bedient.
FARBEN von Apoline Jove – erscheint bei Edition Spielwiese
Wer bei FARBEN ein kartenbasiertes Sammelspiel erwartet, könnte falscher nicht liegen. Denn bei diesem Kommunikationsspiel geht es darum, zu bestimmten Wörtern zu erklären, warum man damit diese oder jene Farbe assoziiert. Gespielt werden 10 Begriffe, so dass jeder 10 Farben ablegt und dazu 10 kleine Geschichten erzählt. Und diese sollte man sich merken. Denn am Ende bekommt jeder Spieler ein solches Begriff-Farben-Paket und soll dann von jedem Spieler die richtigen Farben nennen. Das wird mit Punkten belohnt, wobei diese natürlich für den eigentlichen Spielspaß kaum von Belang sind.
Denn interessanter sind natürlich die Assoziationen und die Geschichten. Dabei ist immer wieder erstaunlich, wie viel man sich am Ende doch behalten kann. Was mir an FARBEN aber besonders gut gefällt ist die sehr reduzierte Aufmachung des Materials und des Covers. Hier geht die Edition Spielwiese wieder begrüßenswerte mutige Wege. Und selbst an Farbfehlsichtige wurde gedacht...
AZUL – DIE BUNTGLASFENSTER VON SINTRA von Michael Kiesling – erscheint bei Next Move Games
Nachdem AZUL schon auf dem letztjährigen Presse-Event das große Thema war (und wie sich gezeigt hat zurecht), wurde natürlich dieses Jahr auch eifrig AZUL – DIE BUNTGLASFENSTER VON SINTRA gespielt. Dabei erkennt man einiges wieder, anderes ist neu – also alles so, wie man sich das von einer Fortsetzung erwartet.
Neu ist dabei auch nicht der Eindruck, dass die Qualität des Vorgängers nicht wirklich erreicht wird. Möglicherweise liegt das an der Vertrautheit von AZUL, weswegen man nun mit den BUNTGLASFENSTER VON SINTRA noch ein wenig fremdelt. Aber mir fehlte da doch so einiges. Ja, die DIE BUNTGLASFENSTER VON SINTRA sind vielleicht etwas zugänglicher, weil die Wertung leichter zu verstehen ist. Aber es entsteht dahingegen am Ende nicht so ein schönes Fliesengebilde – und damit fehlt letztlich die Legespiel-Mechanik von Azul mit der gewissen Befriedigung eines erfolgreichen Bauens am Ende. Auch die Spielsteine, die doch sehr an die Lutschbonbon von Campino erinnern, haben nicht mehr diese tolle wertige Haptik des Originals. Schön dahingegen, dass endlich eine praktikable Lösung für die wieder zurück zu legenden Steine geschaffen wurden. Diesen Auffangturm würde ich mir auch sehr für mein AZUL wünschen.
ADVENTURE ISLAND von Michael Palm und Lukas Zach
Wer kennt das nicht. Da fährt man mit dem Schiff nach Indien und das sinkt auf einmal. Mit viel Glück gelangt man auf eine Insel – und von nun an beginnt der gemeinsame Kampf um das Überleben. ADVENTURE ISLAND ist somit ein kooperatives Spiel. Und ja, ROBINSON CRUSOE lässt grüßen.
Allerdings ist bei ADVENTURE ISLAND der Zugang wesentlich einfacher. Wir haben zwar nur das erste Kapitel gespielt (und versagt), aber das hat im Vergleich zum sehr komplexen großen Bruder auch nur recht kurz gedauert, so dass man mit der Niederlage nicht all zu sehr grämte. Vor allem hat sie sofort das Bedürfnis geweckt, es nun besser zu machen. ADVENTURE ISLAND könnte genau die Art storygebundenes Familienspiel sein, welches ich schon seit längerer Zeit auf dem Markt vermisse. So freue ich mich sehr, diese Insel in Zukunft noch näher zu erkunden. Definitiv geht auch bei ADVENTURE ISLAND der Daumen hoch!
TALISMAN – LEGENDÄRE ABENTEUER von Michael Palm und Lukas Zach
Ebenfalls von Michael Palm und Lukas Zach sowie kooperativ geht es bei TALISMAN – LEGENDÄRE ABENTEUER zu. Die im Hause Pegasus bestehende Lizenz soll auf den Markt gebracht werden. Dafür wurde ein kooperatives Familienspiel entwickelt, was mich allerdings nicht begeistern konnte. Auch frage ich mich, welche Familie zu einem Spiel mit einem derartigen Cover greift. Das ganze passt in meinen Augen nicht ganz zusammen.
Spielerisch passierte mir bei TALISMAN – LEGENDÄRE ABENTEUER zu wenig. Schön fand ich die Idee, den Bag-Building-Mechanismus (den ich sehr schätze) in ein Familienspiel zu integrieren. Aber ansonsten kam kaum Abenteuer-Feeling auf. Das lag vielleicht auch an der suboptimalen grafischen Gestaltung und den nervigen Pappstandies, die dauernd ihre Basis verloren haben. Mich wundert, dass diese Pappstandies bei Pegasus immer noch benutzt werden. Gefühlt ist in jedem Jahr ein Spiel mit diesen im Programm (ASTERIX UND OBELIX – MISSION ZAUBERTRANK in 2017, CHARIOT RACE in 2016...) – und immer wieder erzeugen sie nur unnötig Frust und Ärger.
[Nachtrag: wie mir Autor Michael Palm berichtete, waren das anscheinend noch nicht die endgültig fertig produzierten Pappstandies. Die fertige Version des Spiels, die dann auf der SPIEL erhältlich ist, soll diese Probleme nicht mehr haben.]
Abschließen möchte ich mich nochmals bei Pegasus bedanken. Der Pegasus Presse-Event 2018 war wieder sehr gut organisiert und es gab genügend Zeit und Raum zum Spielen. Aber auch zum Fachsimpeln und einfach nur zum miteinander Spaß haben. Nun freue ich mich auf die SPIEL in Essen und schaue gespannt auch zu Pegasus, ob noch alle Spiele rechtzeitig fertig produziert werden. Ich drücke die Daumen!
* = Und hier noch der oben angesprochene Wise-Guys-Song. Live haben die Jungs diesen Song immer zweimal hintereinander gesungen – und nach eigener Aussage sich dabei kaputt gelacht, als sie in den Gesichtern der Zuhörer immer diese Erwartung sahen, dass sich da doch noch etwas ändern müsste. Was aber nie passierte...
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