Pirates of Maracaibo von Alexander Pfister, Ryan Hendrickson und Ralph Bienert – erschienen bei Game's Up
Mein Blog-Beitrag zu MARACAIBO offenbarte erstmals meine Vorliebe für spielerische Cocktails, die mittlerweile deutlich ausgeprägter präsentiert wird. Dieses Konzept nochmals auf PIRATES OF MARACAIBO anzuwenden, fand ich allerdings etwas zu lieblos. Zusätzlich wüsste ich gar nicht so genau, wo ich dabei ansetzen müsste. Denn auch wenn PIRATES OF MARACAIBO etwas reduzierter daher kommt, ist es immer noch ein vollmundiger Cocktail und kein kleiner schneller Shot.
Thema... wir segeln als Piraten gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch die Karibik und machen das, was von uns erwartet wird: wir erbeuten Schätze und verbuddeln diese auf einsamen Inseln. Zusätzlich ertüchtigen wir kontinuierlich unser eigenes Schiff und erfüllen nebenbei noch die ein oder andere Quest – und ganz am Ende haben wir hoffentlich genug Geld, um uns irgendwo in eine Residenz einzukaufen und dort unseren Rum zu schlürfen.
Illustrationen... sind ein Gemeinschaftswerk von Odysseas Stamoglou und der Fiore GmbH, die auch schon zusammen an der Erweiterung MARACAIBO: DER AUFSTAND gearbeitet haben. Der grundsätzliche Stil des Ahnenvaters wird beibehalten, aber insgesamt wirkt alles etwas vielfältiger und lebhafter. Das passt auch gut, denn Ruhe ist nicht unbedingt eine passende Charaktereigenschaft für dieses Spiel. Gerne hätten die Illustrationen auf den Karten auch größer präsentiert werden dürfen, um besser wirken zu können. Aber wahrscheinlich ist der blaue Rand auch wichtig, damit die Auslage zumindest ansatzweise wie ein Meer aussieht. Schade nur, dass manche Ränder aufgrund des vielen Mischens schon recht früh etwas abgewetzt aussehen können.
Ausstattung… ist ähnlich üppig wie das ursprüngliche MARACAIBO. Auf einen großflächigen zentralen Spielplan wird allerdings verzichtet. Stattdessen füllen wir den Tisch mit einer Auslage von vielen Karten und drei Schatzinsel-Tableaus. An das eine Ende dieser Auslage stellen wir zu Beginn unsere Schiffe, an das andere Ende das Entdecker-Tableau. Dieses zeigt das Ziel unserer Segelreise an sowie das Hinterland, auf dem wir mit unsere Entdeckerfiguren voranschreiten lassen. Außerdem werden darüber auch unsere Siegpunkte festgehalten.
Was wären Piraten ohne entsprechende Schiffe? Nichts! Deswegen besitzen wir auch alle ein eigenes Schiff-Tableau, auf dem unsere Ausbauten dokumentiert werden. Wichtig sind aber auch unsere Versteck-Tableaus. Diese zeigen an, welche Schätze wir im Verlauf der Partie von den Schatzinseln eingesammelt und bestenfalls auch vergraben haben. Ansonsten füllen noch eine Menge kleiner farbiger Holzmarker, Papp-Dublonen und andere Marker die kompakte Spielbox – sowie drei farbige Kaperwürfel. Und dann müssen wir auch noch eine Menge Karten verwalten. Die Anfangsauslage wird aus Orten, Residenzen und Meereskarten gefüllt, die dann im Verlaufe der Partie durch andere Karten ersetzt werden. Zusätzlich wartet noch ein Stapel von Quest-Karten auf uns.
Ablauf… wie schon bei MARACAIBO schippern wir durch die Karibik. Allerdings nun nicht entlang eines festgelegten Rundkurses auf einem Spielplan, sondern in maximal drei Bewegungsschritten vom Start bis zum Ziel über mehrere ausliegende Karten. Zeigen diese Karten eine Insel, können wir dort eine spezifische Aktion durchführen und zusätzlich noch unser Schiff verbessern. Auf den anderen Karten können wir entweder ein wenig Geld verdienen oder aber stattdessen die Karte kaufen und in unsere eigene Auslage legen. Damit verbunden sind Sofort-Aktionen oder Vorteile für später. Die zu genommenen Karten werden dann durch neue ersetzt.
Im Vergleich zu MARACAIBO fällt somit jegliches Handkartenmanagement weg. Auch unterstützen wir nun auch nicht mehr fremde Nationen in ihrem Kolonialismus. Stattdessen können wir Kaperwürfel werfen und je nach Augenzahl dann Beute machen: Smaragde, Gold und Perlen warten auf uns! Wie viele Punkte uns diese am Ende einbringen, erinnert an die Nationenwertung aus MARACAIBO. Denn schon wieder bestimmen wir gemeinsam über den finalen Wert dieser Schätze. Je mehr Perlen auch bei den anderen liegen, um so weniger sind meine eigenen etwas wert – weswegen ich auf magische Weise dafür sorgen soll, dass auf einmal wieder die entsprechenden Schätze auf ihre Inseln gelegt werden. Thematisch ist das Unsinn. Allerdings ist das ein spielmechanisch sinniger Kniff. So pendeln sich – von uns beeinflusst – Angebot und Nachfrage ein. Diese Schätze will ich dann übrigens noch bei mir im Versteck vergraben. Im Erdreich versenkt sind sie später nämlich mehr Punkte wert und zusätzlich kann ich dann die Oberflächen-Boni häufiger nutzen.
Auf dem Entdecker-Tableau bewege ich in gewohnter Weise meinen Entdecker fort. Dort erhalte ich dann Boni oder Siegpunkte – oder beides. Ohnehin mangelt es PIRATES OF MARACAIBO nicht an diese Arten der Belohnung. Auch am Ende der Partie, nach drei absolvierten Start-Ziel-Einläufen, erhalten wir noch massenhaft Punkte für unsere gekauften Karten, für erfüllten Aufträge Questen und für vielleicht besetzte Residenzen, in denen wir uns dann zur Ruhe setzen.

Das gefällt mir nicht so gut: Mich interessiert die Motivation, warum aus MARACAIBO nun PIRATES OF MARACAIBO wurde. Wenn der Gedanke vorherrschte, wir machen aus dem System nun ein zugänglicheres Spiel, dann kann ich diesem nur bedingt einen Erfolg attestieren. PIRATES OF MARACAIBO ist zugegebenermaßen etwas weniger hakelig, denn ich muss keine Karten mehr auf der Hand und in meiner Reserve managen und auch die Schiffs-Verbesserungen sind zugänglicher. Aber PIRATES OF MARACAIBO wuchert immer noch mit vielen kleinen Regeldetails. Meiner Ansicht nach wurde die Chance vertan, das Regelwerk deutlich zu entschlacken. Die Menge an Symbolen erschlägt immer noch, was auch durch ein zweiseitiges Symbolglossar verdeutlicht wird. Und kaum wurde ein Element aus dem Grundspiel weggenommen, schon tauchen auf einmal Schatzplättchen auf. Diese sollen wohl die Gesandten aus dem Basisspiel imitieren, sind aber ein Beispiel dafür, dass die mögliche Entschlackung nicht wirklich geglückt ist. Vielleicht waren die ersten Ideen zu diesem Spiel auch radikaler und das Ergebnis fühlte sich dann zu wenig nach MARACAIBO an. In der aktuelleb Version schmeckt PIRATES OF MARACAIBO zwar noch ganz viel nach MARACAIBO, aber das Spiel erklärt mir nicht, warum ich denn nun diese Variante spielen soll und nicht den sehr guten Ursprung.
Das liegt auch daran, dass mich das Themengewand nicht überzeugt. So gut ich es finde, dass wir nun nicht mehr europäische Mächte bei der Kolonialisierung der Karibik unterstützen – so richtiges Piratengefühl kommt nicht auf. Das Hüpfen über die geometrisch angeordnete Seekarten entlockt mir kein Gefühl von Freiheit auf den Meeren. Statt als Freibeuter zu agieren und andere Schiffe zu überfallen, versuche ich würfelnd Edelsteine, Perlen oder Gold abzubauen, in dem ich entsprechende Zahlenwerte erreiche. Da fühle ich mich eher wie Kapitän Zahlenbart aus der ersten Grundschulklasse als wie ein gefürchteter Freibeuter in der Karibik. So ergeht es mir auch mit den Questen. Bei diesem Wort erwarte ich Abenteuer und Spannung, die sich hier aber nur dadurch ergibt, ob ich am Spielende die notwendigen Dinge vorweisen kann, um entweder ein paar oder noch ein paar mehr Punkte zu erlangen. Okay, die Summe macht es am Ende doch aus, aber trotzdem fühle ich mich mehr als Karibik-Unternehmer denn als gefürchteter Pirat.
Auch mit der Handhabung einzelner Materialien bin ich nicht ganz glücklich. Die Schilde entlang der Siegpunktleiste verrutschen gerne mal und die kleinen Punkte-Marker erinnern unrühmlich an die Geldmarker aus NUSFJORD, auch wenn wir diese zugegebenermaßen deutlich seltener benutzen. Nervig wird es auch, wenn wir Karten austauschen und uns dabei anstrengen müssen, nicht wie ein Hurrikan zu wirken und die anderen Schiffe durch die Karibik zu schleudern.
Das gefällt mir gut: PIRATES OF MARACAIBO lernt aus manchen Fehlern von MARACAIBO. Das fällt deutlich bei der Gestaltung auf. Löblich wurde auf Diversität geachtet und auch bei der Themenwahl hat man Fingerspitzengefühl walten lassen. Das Schiffstableau wurde neu konzipiert, was ein echter Gewinn ist. Statt zu kleine Scheiben erst stapeln und dann häppchenweise abarbeiten zu müssen, reicht nun ein einfaches Klötzchen, welches auch noch perfekt in die bereitgestellte Aussparung passt. Zusätzlich können wir nun unsere Schiffe auch noch mit Galionsfiguren aufhübschen, womit wir uns in bestimmte Bereiche spezialisieren. Dafür stehen uns einige anfangs zur Verfügung und hier kann ein kleines Wettrennen um die schönste, aber vor allem auch nützlichste Galionsfigur stattfinden.

Ohnehin wird Variabilität in PIRATES OF MARACAIBO groß geschrieben. Dafür sorgen nicht nur die vielen Karten, sondern auch etliche mögliche Module. Für manche davon steht zusätzliches Material bereit, andere sind lediglich Regelzusätze. Wenn wir das wollen, dürfen wir dann auch gegnerische Schiffe angreifen und es kommt zu dem ein oder anderen Piratenscharmützel, wodurch das Thema endlich auch greifbar wird. Die Kaperwürfel sind übrigens ein großer Gewinn für das Spielgefühl. Würfel sind nun einmal ein Emotionsverstärker! Statt schnöde ein Kampfplättchen aufzudecken und abzuhandeln, darf ich nun selbst aktiv werden. Da wird großspurig die gelbe Sechs angekündigt und geflucht, wenn es doch nur eine Eins wird.



Segen und ein wenig Fluch ist das sich nicht veränderte besondere Gefühl von MARACAIBO. Wir spüren wieder den Zeitdruck, wenn andere Schiffe nur so durch die Meereswogen rauschen und schnell den Zielhafen erreichen wollen. Dann beginnt es im Kopf zu rattern, denn wir wollen doch noch so viel machen und dafür werden wir wohl nicht ausreichend Zeit haben. Wir spüren auch die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten an Siegpunkt zu kommen. Lieber viele Questkarten erfüllen oder teure Karten kaufen? Den Entdecker vorschnellen zu lassen oder lieber Schätze sammeln? Aber dann bitte nur die, die am Ende viel wert sind – was mir meine Mitspielenden aber nicht gönnen und dann wie die Aasgeier ebenfalls auf diese Sorten spekulieren. Diese vielfältigen Wege sind genauso ein Segen wie der hohe Grad an indirekter Interaktion – ohne dass die einzelnen Züge in Denkorgien ausarten. Doch den Fluch habe ich schon angesprochen: all das kann ich auch in MARACAIBO mit etwas mehr Tiefe erleben – zumindest dann, wenn mich das Thema nicht zu sehr abstößt. Dort habe ich sogar noch die Möglichkeit, eine Kampagne zu spielen, die dann das Thema auch wieder etwas einordnet.
Fazit: PIRATES OF MARACAIBO weckt in mir Lust – allerdings hauptsächlich auf MARACAIBO. Dort kann ich mehr Tiefe erleben. Und das dortige Mehr an Regeln ist gar nicht so abschreckend, weil auch PIRATES OF MARACAIBO schon viele an Bord hat. In meinen Augen wurde die Chance vertan, noch mehr Ballast abzuwerfen, um geschmeidiger durch die Karibik zu schiffen und etwas eigenständiger zu wirken.
Titel | Pirates of Maracaibo |
---|---|
Autoren | Alexander Pfister, Ryan Hendrickson und Ralph Bienert |
Illustrationen | Odysseas Stamoglou und Fiore GmbH |
Dauer | 25 Minuten pro Person |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | planende Kennerspielrunden |
Verlag | Game's Up (im Vertrieb von dlp games) |
Jahr | 2023 |
Hinweis | Vielen Dank an den Vertrieb dlp games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
Kommentar hinzufügen