In meinen bisherigen Speed-Datings ging es hauptsächlich um kleinere Spiele und Erweiterungen. Die kann man schnell erklären, das passt gut zusammen. Aber ist das nicht unfair gegenüber den Schwergewichten? Wollen die nicht auch ins Rampenlicht? Müssen diese sich etwa wegen ihrer ausufernden Maße schämen? Kann ich das wirklich mit meinem Gewissen vereinbaren, wo ich doch auch Farbe zu Toleranz bekenne? Und müssen diese Einzelgänger, die alle auch solo spielbar sind, nicht mal raus unter Leute? Deswegen gibt es heute eine Sonderausgabe für die etwas üppiger ausgestatteten Spiele – also eine Art Big Size Dating. So stellen sich heute DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK vor, ein EVERDELL will seine Reize zeigen, CLOUDAGE verspricht ein luftiges Erlebnis und BONFIRE will uns erleuchten.
Die verlorenen Ruinen von Arnak von Mín und Elwen – erschienen bei Czech Games Edition (bzw. HeidelBär Games)
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK ist ein interessanter Mechanismen-Cocktail: als Basis fungiert ein Kartenmanagment per Deckbuilding, im Spielverlauf müssen dann in bester Worker-Placement-Manier Aktionsorte besetzt werden und zusätzlich schreitet man auf einer Entwicklungsleiste fort, um damit am Ende massig Punkte zu machen. Wobei, das nur auf den ersten Blick so zu sein scheint. Denn es gibt durchaus unterschiedliche Wege, um später den Siegpunkt-Sieg einfahren zu können. Somit ist DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK ein klassisches Eurospiel mit aufgesetztem Thema und aufgemotztem Material – und so etwas mag ich bekanntlich gerne.
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK mixen also fröhlich viele bekannte Elemente zusammen. Allerdings ist das Ergebnis dafür erstaunlich homogen. Alle Hobby-Spielenden finden sich sehr schnell rein, weil alles so schön vertraut ist. Alle anderen werden sich aber aufgrund der guten Anleitung ebenfalls schnell zurecht finden. Einzig die grafische Gestaltung hätte in meinen Augen gerne noch etwas klarer sein können. Denn es fällt schon schwer, sich bei diesem bunten Reigen zurecht zu finden. Alles ist so bunt und unübersichtlich. Zugegebenermaßen passt das aber gut zum Thema, schließlich durchforschen wir einen Dschungel. Den passenden Schlapphut und die Peitsche gibt es übrigens als Gegenstands-Karten zu kaufen...
Diese Gegenstände sind wichtig, da sie uns helfen effizienter zu werden – und um nicht zu oft verflucht zu werden. Denn die meisten neu entdeckten Orte werden von Wächtern bewacht, die dann mit Fluch-Karten unser Deck zumüllen. Die Wächter muss man allerdings nicht wirklich bekämpfen (dann wäre wohl noch ein Kampf-Würfel-Mechanismus integriert worden), sondern es reicht aus, diese mit Gütern wie Geld, Kompasse, Steintafeln, Pfeilspitzen oder Rubine zu bestechen. Der Großteil dieser Güter ist übrigens nicht als Pappplättchen vorhanden, sondern ist aus Plastik. Manche finden das doof, andere freuen sich an der Haptik. Mir wäre übrigens Holz am liebsten. Aber eigentlich stört mich mehr, dass das Material nicht einheitlich, sondern als Mix vorhanden ist. Ansonsten muss man aber das durchdachte und wertige Material loben – damit spielt man einfach gerne.
Das Spiel selbst fesselt anfangs sehr. Man will unbedingt neue Orte und Wächter entdecken und schaut sich auch jede neu ins Spiel kommende Karte ganz genau an. Nachdem sich diese Anfangs-Euphorie gelegt hat, wird einem aber klar, wie mechanisch DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK am Ende doch sind – was überhaupt kein Makel sein muss. Aber mit Erfahrung geht es eben deutlich mehr darum, wie man viele eigene Aktionen ermöglicht und weniger, nun Orte und Wächter zu erforschen. Hat man dann das Gefühl, immer das Gleiche zu tun, bietet der Spielplan glücklicherweise einen Twist an. Denn dieser ist doppelseitig bedruckt und zeigt auf der Rückseite eine neue Herausforderung mit anders angeordneten Orten und einer veränderten Forschungs-Leiste. Zusätzlich ist mittlerweile auch schon die erste Erweiterung angekündigt. Ohnehin ist die Arnak-Spielewelt ein lebendiger Kosmos, was sich beispielsweise auch an der formidablen Solo-Kampagne zeigt.
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK sind vielleicht nicht das innovativste Spiel des Jahres. Aber es ist absolut rund und bedient sich vieler Sachen an, die ich an Eurospielen mag. Kein Wunder also, dass mir dieses Spiel auch gut gefällt.
Die verlorenen Ruinen von Arnak | Mín und Elwen| 30 Minuten pro Person | 1 bis 4 Personen | Czech Games Edition (bzw. HeidelBär Games)
Everdell von James A. Wilson – erschienen bei Pegasus Spiele
Eines vorweg: EVERDELL ist wunderschön! Also wirklich, ein so schönes Spiel habe ich selten gesehen. Es ist einfach ... ach ... schön!
Mehr aber auch nicht! Denn spielerisch hat es mich wenig überzeugt und das Handling ist ein Graus! Denn so wunderschön dieser große Papp-Baum auch aussieht: er ist total unpraktisch. Ersteinmal muss man den jedes Mal mühselig zusammenbauen und dann dafür auch noch einen Platz am Tisch finden, was bei vier Mitspielenden gar nicht so einfach ist. Hat man ihn erfolgreich an den Rand gedrängt, wird er nicht nur mit tollen kleinen Holzfiguren und überragend schönen Rohstoffen bestückt, sondern auch mit Karten – deren Schrift kein normaler Mensch auf eine gewisse Entfernung lesen kann. Wir gingen am Ende dazu über, die dort liegenden Karten mit dem Smartphone abzufotografieren, damit man diese am eigenen Platz vor Augen hatte. Doch auch die Kartentexte der anderen Karten im Spiel kann man schwerlich erkennen. Was man aber tun sollte. Denn einerseits soll man sich diese im Spielverlauf aus einer offenen Auslage nehmen, andererseits sollte man auch wissen, was bei den Mitspielenden schon für Karten ausgespielt liegen – sei es, um diese bestenfalls selbst nutzen zu können oder zumindest zu verhindern, dass dort tolle Kombinationen aufgebaut werden. Nein, Übersichtlichkeit ist etwas anderes.
Doch vielleicht sollte ich erst einmal einen Schritt zurück gehen. Was machen wir bei EVERDELL? Wieder einmal ist Worker Placement angesagt. Wir platzieren unsere Figuren auf Orte auf dem Spielplan oder auf Karten und führen damit eine Aktion aus. Oder wir spielen Handkarten gegen Abgabe von Rohstoffen in unsere Auslage aus, die allerdings nur begrenzt Platz hat. Anfangs denkt man sich, wo darin ein Problem liegen soll, da man in der ersten Phase kaum etwas ausspielen kann. Aber das ändert sich. Zum einen kann man Karten später umsonst ausspielen, wenn man schon das passende Gegenstück bei sich liegen hat (7 WONDERS lässt bspw. grüßen). Zum anderen werden die einzelnen Runden immer länger und länger, da man pro Spielphase zusätzliche Figuren zur Verfügung gestellt bekommt. Somit entsteht das Spielgefühl eines sich ziehenden Kaugummis. Anders als bspw. bei FLÜGELSCHLAG, bei dem das Tempo durch die sich verringernden Aktionsmöglichkeiten immer weiter anzieht, passiert bei EVERDELL das Gegenteil. Im Extremfall beendet eine Person schon ihr Spiel, während die anderen noch munter eine halbe Stunde weiterspielen. In dieser Zwischenzeit kann man sich aber zumindest noch an dem wunderschönen Material laben...
Ebenfalls gefällt mir nicht, dass man schon sehr stark von der anfänglichen Kartenhand abhängig ist. Hat man hier Glück und es passt viel zusammen, dann hat man einen deutlichen Startvorteil. Natürlich kann sich das im Laufe der Partie noch anpassen, aber ungleich sind die Voraussetzungen trotzdem (es sei denn, man führt noch eine anfängliche Drafting-Phase ein). Aber vielleicht denke ich auch viel zu wettbewerbsorientiert. Ich sollte wohl eher die wunderschöne Ausstattung genießen und mich daran erfreuen, wie sich die putzigen Tiere ihre kleine Stadt bauen. Dass diese dann am Ende Siegpunkte abwirft, wen kümmert das schon? Denn nicht die Siegpunkte sind das Thema, sondern die erlebten Geschichten der Waldbewohner, was auch opulent in der Anleitung mit vielen unterschiedlichen Texten behandelt wird. EVERDELL ist ein Liebhaberprojekt. Da durften sich die Macher ausleben und konnten ganz in ihrer Welt aufgehen. Vielen scheint dieses Gesamtkunstwerk aufgrund des zur Schau gestellten Detaillierungsgrades auch zu gefallen. Ich gehöre nicht dazu.
Everdell| James A. Wilson | 40 bis 80 Minuten | 1 bis 4 Personen | Pegasus Spiele
CloudAge von Alexander Pfister und Arno Steinwender – erschienen bei Nanox Games (bzw. dlp games)
Auch CLOUDAGE weist ein besonderes Thema aus, was vielleicht weniger utopisch ist, als wir uns das alle wünschen. Die Erde ist ausgetrocknet, die Menschheit steht unter einer Schreckensherrschaft. Wir bewegen uns als kleine unabhängige Gruppe mit Luftschiffen über die Einöde und zu vereinzelten Städten – immer auf der Suche nach Wasser und Metall. Später können wir dann aber dafür sorgen, dass wieder die ein oder andere Pflanze den tristen Spielplan schmückt. Allerdings wird unser Engagement von der Wolkenmiliz nicht so gerne gesehen, weswegen wir auch noch den ein oder anderen Kampf erleben.
Das alles ist von den beiden Autoren in ein überraschend schnelles Kennerspiel gepackt worden. Nach und nach verbessern wir dabei die Fähigkeiten unserer Luftschiffe und spielen Projektkarten aus, die ganz entfernt an TERRAFORMING MARS erinnern – wahrscheinlich deswegen, weil darüber ein kleiner Engine Builder entsteht. Die Hauptmechanik ist aber eine andere, denn es wird mal wieder Deckbau betrieben. Allerdings weist CLOUDAGE noch mit einem großen Clou auf: die neu zu erwerbenden Karten werden zu Beginn in Kartenhüllen gesteckt. Die haben die Besonderheit, dass dort Wolken abgebildet sind, die dann Teile der Kartenabbildungen verdecken. Das ist deswegen spannend, weil bei dem Auswahlprozess der Karte alle Mitspielenden an den dort abgebildeten Rohstoffen partizipieren. Wie viel man allerdings wirklich von dem jeweiligen Rohstoff bekommt, kann man nur erahnen.
Dabei spielt sich CLOUDAGE recht stringent – sogar etwas zu sehr, so dass bei mir nach einer anfänglichen Begeisterung relativ schnell die Luft draußen war. Alle Partien haben sich irgendwie gleich angefühlt. Man muss schon enormes Pech oder sich doof angestellt haben, wenn man die ständigen Kämpfe verliert. Da diese über die Spielgeschwindigkeit bestimmen, spielt man effektiv eine feste Rundenanzahl – auch wenn die Regel das eigentlich offen lässt. So versucht man nun in der kurzen Zeit das Optimum aus seinen Handkarten zu machen. Das macht Spaß und fordert auch, aber es fehlt bei mir ein wenig die Langzeitmotivation.
Die hatte ich mir eigentlich von der beigefügten Kampagne erhofft, da mich eine solche bspw. bei MARACAIBO doch ziemlich gut abgeholt hat. Aber bei CLOUDAGE passiert auch hier zu wenig Neues. Es kommen ein paar zusätzliche Karten und Plättchen ins Spiel, aber das Spielgeschehen als solches änderte sich zu wenig. Hier hätte gerne mehr passieren dürfen. Trotzdem ist eine solche Kampagne natürlich toll, weil diese zumindest eine kleine Geschichte erzählt. Da erwarte ich auch keine literarischen Bestseller-Qualitäten, mir reicht es schon, wenn manche Bilder im Kopf entstehen können.
CLOUDAGE ist somit in meinen Augen ein solides Kennerspiel. Alles passt, alles funktioniert, aber mit fehlt das emotionalisierende Etwas. Der Mechanismus mit den Kartenhüllen ist klasse und den könnte ich mir noch in dem ein oder anderen Familienspiel vorstellen, in dem dieser dann mehr im Mittelpunkt steht und noch mehr Emotionen aus den Mitspielenden herauskitzelt. Bis dahin ist dann hoffentlich auch eine Möglichkeit gefunden, die Aufkleber für die Hüllen vernünftig in die Spielbox einzupacken. Denn bei meinem Exemplar waren diese beim Auspacken schon ziemlich zerknittert, was das folgende Bekleben der Hüllen zu einer Strafarbeit werden ließ. Aber ich gehe davon aus, dass die Beteiligten daraus gelernt haben. Man darf nämlich nicht vergessen, dass CLOUDAGE das gelungene Erstlingswerk des Verlages ist. Vielleicht hätte eine erfahrenere Redaktion hier noch etwas mehr herauskitzeln können, aber auch das Gebotene bietet insbesondere am Anfang Freude am Entdecken.
CloudAge | Alexander Pfister und Arno Steinwender | 60 bis 100 Minuten | 1 bis 4 Personen | Nanox Games (bzw. dlp games)
Bonfire von Stefan Feld – erschienen bei H@ll Games
Von zu wenig redaktionellen Schliff darf man bei BONFIRE nicht ausgehen. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, denn BONFIRE ist als Gesamtpaket richtig schön rund: verständliche Anleitung, tolle Ausstattung, spannende grafische Gestaltung und eine bunte Mischung aus verschiedenen Mechanismen. Das alles ergibt ein Spiel, das bei mir vor allem ein Manko aufweist: es ist zu schnell vorbei! Oftmals ist es bei Expertenspielen (und als solches würde ich BONFIRE einordnen) anders herum, aber bei diesem Spiel würde ich mir gerne noch die ein oder andere Extrarunde wünschen. Dann stünde vielleicht auch der Aufbauaufwand in besserer Relation zum Spielspaß. Ich übertreibe nun maßlos, aber gefühlt braucht man für das ganze Vorsortieren und Anordnen des üppigen Materials genauso lange wie für das Spiel selbst.
Hinzu kommt noch ein weiterer Kritikpunkt. Der eigentliche Kernmechanismus ist spannend, kommt allerdings zu versteckt daher. Für alle Aktionen, die ich aus dem Potpourri der Möglichkeiten auswähle, muss ich kleine Pappmarker ausgeben. An diese gelangt man, in dem man vorher längliche Pappstreifen clever aneinander puzzelt. Bildet man dabei gleichfarbige Flächen, bekommt man auch mehr entsprechende Marker. Und natürlich bekommt man auch noch Boni, wenn man am Rand des möglichen Rasters puzzelt. Zusätzlich habe ich dabei aber nur zwei Streifen zur Auswahl. Diese kommen zumindest nicht zufällig daher, sondern liegen offen aus und dementsprechend kann man vorplanen. Das sollte doch eigentlich für ein knackiges Kennerspiel ausreichen, oder? Allerdings ist das nur der Motor, für das eigentliche Spiel. Denn über die so generierten Marker kann man nun die eigentlichen Aktionen freischalten: man kann mit dem Schiff fahren, Tempelpriesterinnen einsammeln, Opfergaben ablegen, hilfreiche Gnome anheuern, das titelgebende Bonfire verschieben, Tempelgänge freischalten und, und, und...
Ja, BONFIRE ist komplex und verschnörkelt. Aber durchaus noch auf eine Art, die beherrschbar ist, wenn man sich an solche Gewichtsklassen heran traut. Großer Pluspunkt ist die helfende Gestaltung von Dennis Lohausen, die vieles nebenbei erklärt und eine riesige Hilfe im ganzen Wirrwarr der Möglichkeiten darstellt. Man fühlt sich also gut mitgenommen und erfreut sich an der großen Freiheit, sich auf die ein oder andere Sache spezialisieren zu können. Damit lassen sich auch toll verschiedene Strategien erforschen, weil es natürlich mehr als nur einen Weg zum Sieg gibt.
Über all diesen Wegen schwebt aber ein gewisser Zeitdruck. Denn gefühlt steht immer eine Person dauerhaft auf dem Gaspedal und macht Druck. Statt in Ruhe genießen zu können, wie dieser und jener Plan langsam seine Früchte treibt, treibt einen das Spiel zur Eile an. BONFIRE ist meist deutlich schneller vorbei, als einem das lieb ist. Ganz selten hatte ich das wohlige Gefühl, all das geschafft zu haben, was ich mir so vorgenommen habe. Deswegen fühle ich mich oftmals bei BONFIRE gestresst – und das ist nicht das schönste Gefühl bei einem Spiel. In der Summe ist es mir deswegen ein bisschen zu überdreht. Einerseits was die vielen Mechanismen betrifft, andererseits was den Zeitdruck angeht. Mir persönlich wäre die Reduktion auf weniger Möglichkeiten lieber gewesen, vielleicht könnte ich dann die vorhandene Spieltiefe auch besser genießen.
Bonfire | Stefan Feld | 60 bis 90 Minuten | 1 bis 4 Personen | H@ll Games
Hinweis: für die Besprechung von BONFIRE wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt
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