Ein Blick in meinen Garten bestätigt es: die Natur kreucht und fleucht! Somit wird es Zeit, endlich wieder Rosen zu verteilen. Oder anderes gesagt: es ist Speed-Dating-Zeit! Ich bin gespannt, ob ich es dieses Mal ansatzweise schaffe, kurz und ohne viel Geschwafel über vier Spiele zu berichten. Da ich bei DECKTECTIVE: DER LETZTE WILLE und DECKSCAPE: DRACULAS SCHLOSS lediglich Fortsetzungen bekannter Systeme vorstelle, kann ich mir dabei glücklicherweise Regelerklärungen sparen. Um aber nicht nur auf Altbekanntes aufzusatteln, habe ich auch noch SEASTEAD und DOLLARS WANTED zum Speed-Dating eingeladen. Doch auch wenn ich aufgrund des Frühlings genügend Rosen zum Verteilen dabei habe, so heißt das nicht, dass auch alle Spiele ein solch heiß begehrtes Symbol meiner Zuneigung erhalten...
Seasted von Ian Cooper und Jan Gonzalez – erschienen bei Strohmann Games
Ich sage ja immer, dass Spielen bildet. Nicht ohne Grund habe ich auf dem Blog ein Wikipedia-Plug-In installiert, damit ich immer gleich auf die entsprechenden Artikel verweisen kann. Wenn jemand also genauso ahnungslos beim Thema "Seasteading" ist, wie ich es vor dem Schreiben des Artikels war, der darf sich nun gerne weiterbilden.
Bei SEASTEAD baut man an vier solcher schwimmenden Städte – die hier "Flotillas" genannt werden. Flotilla? War da nicht was? Ja, denn SEASTEAD ist ein Ableger von FLOTILLA, einem Spiel von J.B. Howell und Michael Mihealsick. Mehr als diese Information weiterzugeben kann ich allerdings auch nicht tun. Denn FLOTILLA fand ich vom Äußeren zwar ungemein reizvoll, aufgrund der Covid-19-Situation und der damit verbundenen eingeschränkten Spielegruppen, kam ich aber bisher noch nicht dazu, es auch mal zu spielen. Da es einen sehr eigenen Charakter haben soll, habe ich bislang von einem Blindkauf abgesehen.
Anders sah das bei SEASTEAD aus. Denn dieses Spiel legt nicht nur ebenfalls einen reizvollen optischen Auftritt hin (dank der Arbeiten von Bartek Fedyczak, Jennifer Tatti und den Gong Studios), sondern ist als reines 2‑Personen-Spiel auch deutlich zugänglicher als FLOTILLA. Zusätzlich ist das Grundprinzip auch recht einfach, da man sich nur zwischen zwei möglichen Aktionen entscheiden muss: will man tauchen, um an Rohstoffe zu gelangen, oder will man gesammelte Rohstoffe ausgeben, um dafür Gebäude zu bauen. Diese Gebäude haben dann bestimmte Effekte. Außerdem gibt es noch Ortseffekte zu beachten und die Effekte der Personen und die Effekte, bei vollständig befreiten Spalten und Reihen, und... Es wird deutlich, dass die eigentliche Tiefe von SEASTED nicht durch die einfache Spielmechanik entsteht, sondern durch die verzahnten Effekte der einzelnen Elemente.
Somit ist SEASTEAD auch deutlich komplexer als das der erste Blick auf die Kurzregel erwarten lässt. Das kann man schon erahnen, wenn man mit dem Aufbau beschäftigt ist: erst die vier schwimmende Städte platzieren, dann noch Dock-Plättchen und Spezialistenkarten auslegen, die Ressourcenmarker bereit legen, die Spieltableaus bestücken und wenn man mit den B‑Seiten der Flotillas spielt, kommen auch noch Beschlusskarten hinzu. Da muss man schon mal durchschnaufen. Aber keine Angst. Wenn man alle verzweigten Regeln verinnerlicht hat, spielt sich SEASTEAD angenehm flüssig. Interaktion entsteht durch die Konkurrenz der knapp bemessenen Bauplätze und durch den Tauchvorgang. Bei diesem deckt nämlich die aktive Person eine Tauchkarte auf. Diese zeigt immer zwei sichere Belohnungen, wobei die aktive Person bestimmt, wer welche erhält. Das ist ein einfaches Teilungs-Prinzip, was aber durchaus seinen besonderen Reiz hat. Gerade wegen der bestehenden Interaktion kam ich übrigens erst gar nicht auf die Idee, den beigefügten Solo-Modus auszuprobieren. Ob der überzeugt, kann ich also nicht beurteilen.
Mir gefällt SEASTEAD ausgesprochen gut. Der Würfelschubser in mir freut sich über ein schön verzahntes Eurospiel, das eher mechanisch als thematisch glänzt – wobei am meisten glänzt es durch die tolle Ausstattung. Die Spieltableaus sind klasse, das Material ist wertig und als i‑Tüpfelchen überzeugt auch noch das durchdachte Insert. SEASTEAD ist jetzt sicherlich nicht ein absoluter Überflieger im Segment der 2‑Personen-Spiele wie TARGI oder 7 WONDERS DUEL, aber in diesem Jahrgang ist mir kein besseres 2‑Personen-Spiel bekannt. Somit hat es sich seine (See-)Rose mehr als verdient.
Seastead | Ian Cooper und Jan Gonzalez | 30 Minuten | 1 bis 2 Personen | Strohmann Games
Dollars Wanted von Anna Oppolzer und Stefan Kloß – erschienen bei HUCH!
Wer bitte schön möchte keine Dollars? Okay, es gibt vielleicht das ein oder andere Land, in dem diese Währung aktuell vielleicht nicht gerade beliebt ist. Aber unabhängig davon, sind viele Dollars doch doll. Da diese aber nicht unbedingt auf der Straße herumliegen, muss man schon aktiv werden, um an welche zu gelangen. Manch eine Person denkt da an harte Arbeit und Karriere, manch andere Person dahingegen an Stemmeisen, Pistolen und Dynamit. Warum hart dafür arbeiten, wenn man sich das Geld mit diesen kleinen Hilfsmitteln doch auch einfach bei der Bank holen kann?
Genau das machen wir bei DOLLARS WANTED. Wir schicken harmlos aussehende Menschen zu einzelnen Gebäuden. Diese Bauten geben eine bestimmte Anzahl an Werkzeugen vor und sobald diese über die Personen mitgebracht werden, wird das Gebäude auseinander gebaut und man macht die Baustoffe zu Geld. Oder so ähnlich. Also eigentlich zeigen die Werkzeuge, was man benötigt, um die Gebäude erfolgreich auszurauben. Der Clou ist aber folgender: die dort tätigen Personen werden verdeckt an die Bauwerke abgelegt. Man weiß also nicht, ob die erste Person nun Dynamit dabei hat oder doch die Spitzhacke. Und ob diese Werkzeuge nur einmal oder schon mehrmals vorhanden sind. Zusätzlich gibt es noch Spezial-Karten, die bspw. als Joker fungieren, die Werkzeuge verdoppeln oder aber gespielte Karten wieder entfernen.
Wenn man am Zug ist, legt man zwei seiner Karten verdeckt an die drei ausliegenden Gebäude an. Bevor man wieder die Handkarten auf sechs nachfüllt, darf man noch ein Gebäude ausrauben. Dazu deckt man alle Karten auf und handelt eventuelle Effekte ab. Ist die Vorgabe danach erfüllt, erhält man das Gebäude und damit Dollars. Ist die Vorgabe dahingegen nicht erfüllt, bleiben die Karten offen liegen – und die Mitspielenden wissen nun genau, welche notwendigen Gegenstände noch fehlen.
DOLLARS WANTED ist also ein kleines Bluffspiel. Ich lege Karten in Reihen und hoffe entweder, dass die Mitspielenden sich auf andere Gebäude konzentrieren oder aber genau dieses Gebäude ins Auge fassen, weil ich dort meinen Geier platziert habe. Wahllos die Personenkarten an den Gebäuden aufdecken will ich dabei nicht, da offene Karten ein Informationsvorsprung für die mir Nachfolgenden sind, die dann gezielt die Dollars abgreifen können.
In der Standardversion werden alle Handkarten zusammen gemischt und zufällig verteilt. Dabei können dann manche unglücklichen Verteilungen entstehen. Wenn man dauernd nur Kojoten auf die Hand bekommt, dann fühlt man sich ein wenig hilflos. Deswegen empfehle ich, die Variante mit den zugeordneten Kartenfarben zu spielen. Dann haben alle ein gleiches Deck an Karten zur Verfügung und man kann nun noch Strafen verteilen, wenn jemand ein nicht passendes Werkzeug abgelegt hat. Das macht dann DOLLARS WANTED ein ganz klein wenig taktischer.
Aber machen wir uns nichts vor. Das Spiel ist ein kleines Bluff- und Ärgerspiel – nicht mehr will es sein. Somit ist es für einen schnellen Auftakt oder als Absacker gut geeignet. Allerdings wird man es nicht vermissen, wenn man stattdessen etwas anderes gespielt hat. Für mich ist DOLLARS WANTED etwas zu belanglos, um es aktiv gerne auf den Tisch zu bringen. Da gefallen mir andere Spiele dieser Art deutlich besser. Zu meiner Abneigung trägt übrigens auch die grafische Gestaltung bei. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber die von der Fiore GmbH und Sabine Kondirolli gezeichneten Personen haben für mich keinen Charme und kommen arg hölzern daher.
So kann ich nur zusammenfassen, dass Dollars zwar jederzeit gerne gesehen sind, DOLLARS WANTED aber in diesem Speed-Dating keine Rose erhält.
Dollars Wanted | Anna Oppolzer und Stefan Kloß | 15 Minuten | 2 bis 5 Personen | HUCH!
Decktective: Der letzte Wille von Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino – erschienen bei Abacusspiele
Nachdem uns vor kurzem das SHERLOCK-System schon ins Mittelalter geführt hat, schickt uns auch der neueste DECKTECTIVE-Fall auf eine Zeitreise. Um genau zu sein in das Jahr 1698 und in das Arbeitszimmer von Cornelius Kloos, einem Händler in den Niederlanden. Allerdings einem toten Händler. Zusätzlich steht noch der Safe offen und darin liegt der letzte Wille für alle zugänglich. Das ist doch verdächtig, oder? Und so stellen sich bekannte Fragen: verstarb er durch Fremdverschulden? Und wenn ja, warum?
Dieses interessante Setting wird nun im Folgenden mit Leben gefüllt. Wir lernen nach und nach die Mitglieder des Haushalts kennen – und damit eine Menge Verdächtige und Motive. Dabei wird aufgrund der nummerierten Karten der Fall stringenter erzählt als bei der zufälligen Anordnung der Karten in der SHERLOCK-Reihe. Somit fühlt man sich manches mal ein wenig gelenkt. Allerdings erfährt man somit auch ein paar Plot-Twists und man fragt sich noch intensiver, welches denn die Karten sind, die man besser abwerfen anstatt offen auslegen sollte. Denn natürlich werden im Verlauf des Falles falsche Fährten gelegt – ohne dass man mit Minuspunkten bestraft wird, wenn man diesen folgt. Stattdessen fehlen einem dann "nur" Informationen und das ist dann Strafe genug.
Bei den bisherigen Fällen waren wir immer recht sicher, welche Karten wir abwerfen mussten und welche nicht. Bei DER LETZTE WILLE war das nun anders. Wir hatten lange kein Gefühl für den Fall und haben nach allen ausgespielten Karten sicherlich noch 20 Minuten über die Auslage diskutiert, bevor wir uns den finalen Fragen stellten. Entweder der Fall ist wirklich undurchsichtiger oder wir haben uns dieses Mal einfach doof angestellt. Vom Prinzip ist das auch egal, denn wir hatten dadurch auch mehr Spaß – schließlich will man auch gefordert werden. Zumal wir bei der finalen Auflösung immer noch gut dabei waren und diese uns schlüssig erschien. Diese finale Abfrage ist wie immer der Höhepunkt eines Krimispiel. Das dabei verwendete System mit den Büroklammern ist so genial simpel und effektiv, dass man DECKTECTIVE ohne weitere Hilfsmittel spielen kann.
Wieder einmal verändert sich der 3D-Aufbau übrigens recht wenig. Er sollte aber auf keinen Fall außer acht gelassen werden. Denn die visuelle Komponente (gut unterstützt durch die stimmigen Illustrationen von Cristiana Leone) sind für die richtige Auflösung des Falles unbedingt zu beachten. Der 3D-Aufbau ist also nicht nur eine Spielerei, sondern bietet einen echten Mehrwert.
So bleibt der erste Fall BLUTROTE ROSEN zum Glück weiterhin die Ausnahme und bekäme ironischerweise als einziger Fall keine Rose von mir. DER LETZTE WILLE hat sich diese dahingegen redlich verdient.
Decktective: Der letzte Wille | Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino | 60 Minuten | 1 bis 6 Personen | Abacusspiele
Deckscape: Draculas Schloss von Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino – erschienen bei Abacusspiele
Okay, die Luft ist raus! Ich hatte die Hoffnung, dass die Qualität der DECKSCAPE-Reihe nach der etwas ernüchternden Erfahrung mit DIE PIRATENINSEL wieder ein wenig anzieht. Aber leider ist DRACULAS SCHLOSS nun mein persönlicher Tiefpunkt dieser Reihe. Da auch das Thema des nächsten Abenteuers (Alice im Wunderland) mich so rein gar nicht interessiert, schließe ich nun mit meiner selbst auferlegten Chronistenpflicht für diese Reihe ab.
Das fällt mir allerdings nicht schwer, da DRACULAS SCHLOSS eine echte Enttäuschung war. Hier stimmte weder die Stimmung, die hanebüchene Geschichte noch die Qualität der Rätsel. Alles fühlte sich lieblos zusammen gestückelt an – und die grafische Gestaltung tat ihr übriges. Erstmals musste ich ein DECKSCAPE-Abenteuer alleine zu Ende spielen, da mir meine Mitspielenden während der Partie abhanden gekommen sind. Diese waren schlicht gelangweilt vom Einstieg – und ich hatte leider keine wirklichen Argumente, um sie vom Bleiben zu überzeugen.
Alle anderen DECKSCAPE-Abenteuer hatten einen besonderen Clou. Nicht immer überzeugte dieser, aber zumindest hatte man das Gefühl, dass etwas Neues versucht wurde. Somit konnten auch gut die Schwächen des Systems überspielt werden, da man zumindest mit einem in sich stimmigen Gesamtprodukt belohnt wurde. Erstmals hatte ich nun bei DRACULAS SCHLOSS aber das Gefühl, dass die Autoren mit ihren Ideen in einer Sackgasse stecken. Vielleicht ist mein Urteil auch deswegen so hart, weil ich vor kurzem erst das EXIT – DAS SPIEL + PUZZLE DAS DUNKLE SCHLOSS auf meinem Tisch hatte. Dort ist die Geschichte ähnlich gezwungen, aber zumindest waren die Rätsel interessant und passten ansatzweise zum Thema. Dieses Gefühl hatte ich in DRACULAS SCHLOSS leider zu keiner Zeit. Nein, dieses Spiel bekommt keine Rose!
Deckscape: Draculas Schloss | Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino | 60 Minuten | 1 bis 6 Personen | Abacusspiele
Hinweis: für die Besprechung wurden von den Verlagen Rezensionsexemplare bzw. vergünstigte Kaufexemplare zur Verfügung gestellt
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