Am Dienstag war kalendarischer Herbstanfang. Oder um genau zu sein, der astronomische Herbstanfang (im Gegensatz zum phänologischen, meteorologischen und vor allem dem gefühlten Herbstanfang). Warum ist das für das heutige Speed-Dating wichtig? Ganz einfach deswegen, weil ich ein wenig auf den Sommer zurück blicken möchte. Dieser ist bei uns oftmals die Zeit, in der viele Kartenspiele gezockt werden. Die passen gut in die Schwimmbadtasche oder können vor dem Schlafen gehen nochmal schnell eingeschoben werden – schließlich ist es ja noch hell draußen. Der ganz große Sommerhit war bei uns in diesem Jahr DOUBLEHEAD KIDS, das vor allem im Urlaub an jedem Abend gespielt wurde. Aber vor allem auch KRASS KARIERT und SIMILO wurde oft gefordert. Die Spiele des SHERLOCK-Systems haben natürlich keine große Wiederholung gefunden, aber waren ideale Begleiter für den Biergarten – man weiß ja nie, ob man nicht doch zum Spielen kommt. CATHAM CITY wiederum war die Überraschung des Sommers, weil ich hier kaum Erwartungen hatte und dann doch gut unterhalten wurde...
Similo: Märchen von Martino Chiacchiera, Hjalmar Hach und Pierluca Zizzi – erschienen bei Horrible Guild (bzw. HeidelBär Games)
Was haben Schneewitchen und Glöckchen gemeinsam? Und was Rotkäppchen und die Grinsekatze? Oder geht es gar nicht um Gemeinsamkeiten, sondern vielmehr um Unterschiede? Diese Fragen ergeben sich, wenn man SIMILO spielt.
Ziel ist es nämlich, die Mitspielenden dazu zu bringen, dass aus einer 12 Karten umfassenden Auslage am Ende nur noch das vorher zufällig bestimmte und somit gesuchte Märchenwesen anwesend ist. Dazu spielt man nach und nach aus einem begrenzten Kartenpool eine Karte als Hinweis aus und die Mitspielenden müssen nach dieser Information Karten aus der Auslage minimieren. Doch wie geht das im Detail?
Legt man die Hinweis-Karte hochkant aus, dann hat diese Karte etwas mit der gesuchten Karte gemeinsam. Legt man die Hinweiskarte dahingegen um 90° gedreht aus, dann ist diese konträr zur gesuchten Karte anzusehen. Im ersten Durchgang müssen die Ratenden nur eine Karte aus der Auslage entfernen, dann zwei, dann drei und schließlich sogar vier. Wer jetzt fit im Kopfrechnen ist, weiß, dass danach nur noch zwei Karten in der Auslage liegen. So gibt es also noch ein echtes Finale – sofern nicht vorher die gesuchte Karte abgeworfen wurde und die Partie somit verloren ging.
Im Prinzip geht es also mal wieder um Bilder-Assoziationen. Aber anders als bei DIXIT, MYSTERIUM oder OBSCURIO sind die tollen Illustrationen von Xavier Gueniffey Durin nun nicht irgendwie verschwurbelt, sondern sie kommen klar und eindeutig daher. Somit geht es beim Raten oftmals eher um offensichtliche Merkmale wie Mensch / Tier, weiblich / männlich, gut / böse usw. Trotzdem können auch Äußerlichkeiten wichtig werden. Wie ist der Blick? Wird ein Hut getragen? Gleichen sich Handhaltungen?
Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man die ganzen Figuren aus den Märchen kennt. Bis auf einige Ausnahmen war das bei meinen Mitspielenden immer der Fall. Manchmal muss man noch erklären, welche Rolle diese oder jene Figur einnimmt, aber das setzt sich schnell in den Köpfen fest. Somit ist SIMILO: MÄRCHEN auch wesentlich zugänglicher als die anderen beiden erschienen Editionen. Denn bei GESCHICHTE und MYTHEN ist oftmals nicht bei allen der gleiche Wissensstand vorhanden und vor allem Kinder fühlen sich dann verständlicherweise ausgeschlossen (es sei denn, diese haben alle Percy Jackson Bücher gelesen – dann sind sie aber für MYTHEN schon wieder überqualifiziert).
Doch insbesondere beim Spielen mit Kindern kann SIMILO seine Stärken ausspielen. Die einfache Spielidee ist schnell verstanden und ebenso schnell ist auch eine Partie gespielt. Meistens bleibt es allerdings nicht bei der einen, weil nun die anderen Mitspielenden "erklären" bzw. raten wollen. So kann man sich schon einmal in einen SIMILO-Rausch spielen und ganz schnell ist eine Stunde um. Was gibt es besseres von einem Spiel zu berichten?
Allerdings muss man auch die Schwachpunkte benennen. So dauert es anfangs, bis man sich beim Ablegen der ausgerichteten Karten sicher ist, was nun was bedeutet? Hier wäre vielleicht eine kleine Anzeige über gesonderte Karten mit einem Haken- und einem Blitzsymbol o.ä. hilfreich gewesen. Außerdem ist das Ausschlussprinzip für manche etwas zu sehr um die Ecke gedacht. Bei einem "gleichen" Hinweis, versucht man nun das Gegenteil aus der Auslage zu nehmen. Bei einem "gegensätzlichen" Hinweis, versucht man dahingegen nun äquivalente Karten zu eliminieren. Das sorgt immer mal wieder für Verwechslungen. Zu guter Letzt hat man nach einiger Zeit das Gefühl, das Spiel ist ausgespielt, weil sich bestimmte Muster entwickelt haben. Aber genau dafür existieren die unterschiedlichen Editionen und ich freue mich schon sehr auf die angekündigten Tiere-Editionen mit allerlei lustigen Illustrationen.



Sherlock die Fälle 7 bis 9 von unterschiedlichen Autoren – erschienen bei Abacusspiele
Schon ein paar mehr "Editionen" hat das SHERLOCK-SYSTEM zu bieten. Wie man es aus dem seriellen Fernsehen kennt, unterscheide ich diese gerne in Staffeln. Nach dem überzeugenden Start der Staffel 1 und der mindestens genauso cleveren Staffel 2 sind nun also die Fälle 7 bis 9 auf den Tisch gekommen. Allerdings war ich von denen nicht mehr ganz so begeistert. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass nun mit DECKTECKTIVE ein System auf dem Markt ist, dass auf die elendigen Minuspunkte für falsch ausgespielte Karten verzichtet. Die fand ich schon immer eher doof, nun weiß ich aber, wie man ebenfalls Druck zum Karten abwerfen kreieren kann, ohne mit Minuspunkten um sich werfen zu müssen.
DER BUTLER (von Eugeni Castaño & Dani Seguí; Illustrationen von Amelia Sales) war nicht der Täter, sondern das Opfer. Oder doch ein Täter, der deswegen Selbstmord begangen hat? Das gilt es zu klären und wieder gibt es eine große Schar an Verdächtigen. Dabei hat mich gestört, dass es Minuspunkte für Karten gegeben hat, die eindeutig gewisse Verdächtige ausgeschlossen haben. Ich verstehe, dass es für unbedeutende Nebenhandlungen Punktabzug gibt. Aber dieses Mal hat es mich wirklich gestört, dass ich für eine Sache "bestraft" wurde, die wir als wirklich wichtig empfunden haben – auch nach der Auflösung des ansonsten runden Falles.
GRABESSTILLE (von Alberto Millán; Illustrationen von Pedro Soto) hat mir dahingegen wegen der doch all zu abstrusen Auflösung nicht gefallen. In diesem Fall empfand ich zum ersten Mal die Handlung als viel zu weit hergeholt. Für mich der bisher schwächste Fall der Reihe, auch wenn ich ansonsten die Mischung aus Zeugenaussagen und bildlichen Hinweisen als recht ansprechend empfand.
WER IST VINCENT LEBLANC? (von Josep Izquierdo Sánchez & Martí Lucas Feliu; Illustrationen von Alba Aragón) hat mir von den drei Fällen am besten gefallen. Hier war die Handlung nachvollziehbar und die einzelnen Hinweise abwechslungsreich (Titelblätter von Zeitnungen, Zeugenaussagen, "Fotos"...). So kenne ich doch das SHERLOCK-System!
Auch wenn ich dieses Mal ein wenig von den einzelnen Fällen enttäuscht war, so bleibt das System als solches großartig. Ich bin sehr auf die 4. Staffel gespannt, da diese dann drei Fälle umfasst, die alle im Wilden Westen spielen – und dieses Thema mag ich bekanntlich.


Catham City von Yuri Zhuravljov – erschienen bei Huch!
Auch bei CATHAM CITY geht es um Verbrechen. Ach nein, es geht um Politik – wie konnte ich das nur verwechseln? Jedenfalls versuchen wir Bürgermeister in CATHAM CITY zu werden. Und wie es gerade ein gewisser Amtsinhaber in den USA vormacht, werden hier alle schmutzigen Register gezogen, um schnellst möglichst die gewünschten Machtmarker zu erhalten.
Um an diese Marker zu gelangen, muss man eine bestimmte Anzahl an Karten der gleichen Fraktionen ausspielen. Jede Fraktion hat dabei unterschiedliche Wirkungen. Aktiviert man bspw. die Mafia, dann bekommt man zwei Machtmarker und die Gegner werfen entweder zwei Karten oder einen Marker ab. Mit den Wissenschaftlern ziehe ich dahingegen Karten vom Nachziehstapel zu den zusätzlich verdienten Machtmarkern. Ich versuche also, auf der Hand nur bestimmte Fraktionen zu sammeln, um diese dann als Gruppe auszuspielen.
Dabei sind meine Aktionsmöglichkeiten beschränkt: entweder ich spiele Karten aus oder ich nehme alle Karten einer Fraktion aus der offenen Auslage auf die Hand. Der Haken liegt darin, dass man nur 10 Karten auf der Hand haben darf und dass die offene Auslage, aus der man sich gezielt die Karten nimmt, insgesamt nur 7 Karten umfasst. Zusätzlich gibt es noch einen weiteren Clou: in der Box sind 8 Fraktionen vorhanden. In einer Partie werden aber nur 5 benötigt. So kann man die Fraktionen pro Partie neu zusammenstellen und immer ein neues Setting erschaffen.
CATHAM CITY hat mich durchaus positiv überrascht. Das Spiel ist durch einige Fraktionen ziemlich interaktiv. Dauernd ändern sich dabei die Rahmenbedingungen und man wirft Pläne über den Haufen, weil sich die Auslage gewandelt hat – oder auch die eigene Kartenhand. Am Ende geht es meist recht knapp zur Sache, so dass auch immer alle im Spiel sind und auf ihre Chance lauern. Das macht hinterhältige Freude, besonders wenn ein wenig Trash Talk mit dazu kommt.
Allerdings hat CATHAM CITY auch seine Schönheitsfehler. Damit meine ich nicht die Illustrationen von Yuriy Yarovoy, die mir recht gut gefallen. Nein, ich meine die redaktionelle Entscheidung, auf jede Karte einen schmissigen Spruch zu schreiben. Der ist zwar meistens ganz passend, aber dummerweise nur auf englisch, was meine jüngeren Mitspielenden ziemlich nervig fanden ("das ist doch ein deutsches Spiel"). Mich stört dabei weniger der Spruch als solches, sondern vielmehr die verpasste Chance, die Funktion der jeweiligen Fraktion auf den Karten kenntlich zu machen. Da hätte es schließlich Platz für gegeben. So schaut man in der Spielerhilfe nach – wenn man die richtige an der Hand hat. Denn diese kommen sehr vielsprachig daher und deswegen sucht man sich anfangs einen Wolf. Hat man dann aber die richtige gefunden, fühlt man sich sehr gut an die Hand genommen. Zusätzlich muss ich zugeben, dass man meist recht schnell die Funktionen der Fraktionen verinnerlicht. Aber die Anfangshürde hätte minimiert werden können.
Die Kartenqualität hätte dahingegen übrigens nicht mehr minimiert werden können, denn die ist schon am unteren Level. Somit sind die Karten nicht schön zu handhaben und recht schnell sieht man auch Macken an den Rändern. Für ein reines Kartenspiel hätte ich mir schon eine besser Qualität gewünscht.




Krass Kariert von Katja Stremmel – erschienen bei AMIGO
Über die Kartenqualität von KRASS KARIERT müssen wir dahingegen zum Glück nicht reden – die ist auf dem gewohnt hohen AMIGO-Standard. Trotzdem sehen die Karten aus meinem Exemplar nicht mehr ganz taufrisch aus. Das liegt aber an der häufigen Benutzung und dem hohen Anteil an Outdoor-Einsätzen.
Mit Erschrecken habe ich aber feststellen müssen, dass ich KRASS KARIERT noch gar nicht hier im Blog erwähnt habe. Trotz gewonnenem Fairplay-Preis zum Kartenspiel des Jahres 2018 wird es bei mir im Umfeld noch zu wenig wahrgenommen. Schuld daran ist wahrscheinlich die eher hässliche Aufmachung und der etwas abschreckende Einstieg. Denn man muss schon den ein oder anderen Knoten im Hirn akzeptieren, wenn man das Spiel kennenlernt. Hat man es dann aber verinnerlicht, dann ist großer Spaß Programm.
Ganz kurz versuche ich mich mal an einer Erklärung des Ablaufs. Besonderheit Nummer 1: man darf die Reihenfolge der Karten auf der Hand nicht ändern. Das kennt man von BOHNANZA, ist aber trotzdem noch ein zu seltenes Spielelement. Besonderheit Nummer 2: man hat zwei Karten vor sich ausliegen, die man im Spielverlauf nach und nach auf die Hand nehmen kann. Dabei hat man dann die freie Wahl der Platzierung und sollte das entsprechend mit Bedacht tun. Denn man versucht damit logischerweise Kombinationen zu bilden, die man später beim Ausspielen nutzen kann. Das Ausspielen ist wiederum eine verkappte Art des Stichspiels. Man muss in der aktuellen Runde nach und nach immer höherwertige Kombinationen ausspielen. Auf eine alleinige 8 kann ich eine 12 legen, aber auch eine Folge oder einen Mehrling von bis zu drei Karten. Kann ich das nicht, nehme ich mir eine der offenen Karten – oder ich habe die aktuelle Runde verloren und gebe einen Chip ab. Wer zuerst keine Chips mehr abgeben kann, hat die Partie verloren, alle anderen dürfen sich als Sieger fühlen. Das ist übrigens auch die Besonderheit Nummer 3. Damit noch ein wenig Schwung in die ganze Sache kommt sind drei Sonderkarten integriert, die ein wenig Chaos stiften können, weil dadurch doch alles anders kommen kann, als vorher akribisch geplant wurde.
KRASS KARIERT ist somit ein ziemlich cleveres Spiel, was auch ein wenig anders angegangen werden muss als man das vielleicht gewohnt ist. Ziel ist es bspw. nicht unbedingt, viele Runden zu gewinnen – auch wenn dies das Ausspielen schlechter einzelner Karten erleichtert. Viel wichtiger ist es, am Ende noch handlungsfähig zu sein. Allerdings darf man auch nicht zu langsam mit dem Ausspielen sein. Sind nämlich alle anderen ihre Karten vor mir losgeworden, habe ich wiederum die Runde verloren. Manchmal ergibt es aber auch Sinn, auf eine mögliche Teilnahme am Stich zu verzichten, weil man sich dann durch die aufgenommene Karte eine noch bessere Kombination zusammenstellen kann.
Dieses Aufnehmen der Karten ist für mich ohnehin das Highlight dieses genialen Kartenspiels. So sehr man vielleicht über die anfängliche Kartenhand flucht, so sehr fängt auch das Gehirn an zu rattern, wie diese durch die zwei offenen Karten vor einem noch verbessert werden kann. Doch dann läuft die Runde wieder ganz anders als erwartet und man reißt bestimmte gebildete Kombinationen wieder auseinander, um handlungsfähig zu bleiben. KRASS KARIERT ist somit eine absolute Empfehlung!




Ich bedanke mich bei Abacusspiele und Huch! für die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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