Tipperary von Günter Burkhardt – erschienen bei Lookout Spiele
Wie es sich für eine gute Einleitung gehört, müsste ich jetzt etwas über die Stadt Tipperary bzw. etwas über die gleichnamige Grafschaft schreiben. Oder mindestens kulturell ebenbürtig etwas über den Song It’s a Long Way to Tipperary. Leider ist mir letzteres nicht möglich, weil ich als FC-Fan dann immer abschweife...
Thema... Wir sollen eine irische Bilderbuchlandschaft erschaffen. Inmitten von saftig grünen Wiesen liegt unsere kleine Stadt. Wir vergrößern dann unsere Weiden für die Schafherden, finden dabei aber auch Moore und mystische Steinkreise. Außerdem legen wir Getreidefelder an, deren Ertrag wir auch gleich nutzen, um in Brennereien Whiskey zu produzieren. Nicht zu vergessen sind die mittelalterliche Ruinen, die ganz anschaulich durch auseinanderfallende Papptürme dargestellt werden.
Illustrationen… sind von einem Team erstellt. Anna-Katharina Block hat sich um die Cover-Gestaltung gekümmert und Klemens Franz um das das weitere Spielmaterial. Glücklicherweise findet dabei aber kein stilistischer Bruch statt, so dass alles so harmonisch wirkt, wie es auch das Thema vorgibt.
Ausstattung… ist geprägt von ganz vielen "wilden" Landschaftsteilen, die in den unterschiedlichsten rechteckigen Formen und Größen daher kommen. Wesentlich aufgeräumter sind die kleinen quadratischen Bonusteile, um damit später Lücken füllen zu können. Diese Aufgabe übernehmen auch die Türme, die wir nicht nur anfangs zusammenbasteln müssen.
Das spielerisches Herz ist aber der Spielplan mit einer Drehscheibe. Die dort angezeigten Wappen erkennen wir bei den fünf Heimatorten wieder. Dort wird dann anfangs noch ein kleines Whiskey-Fass auf eine entsprechende Leiste abgelegt, wobei ein Fass noch als Rundenanzeiger am Fluss benötigt wird. Zu guter Letzt warten noch einige Holz-Schafe auf ihren Einsatz im Spiel.
Ablauf… TIPPERARY ist ein puzzliges Legespiel. Über mehrere Durchgänge hinweg erhalten wir Landschaftsteile und müssen damit unser Gebiet vergrößern. Denn am Ende bekommen wir mächtig Punkte für unser größtes zusammenhängende Rechteck, das keine Lücken aufweist. Aber wir erhalten auch Punkte für unsere größte Schafherde, für produzierten Whiskey sowie für erkundete Steinkreise und eine umschlossene Stadt.
Zu Beginn eines jeden Durchgangs werden die Freiräume an der Drehscheibe so bestückt, dass dort zufällig zwei Landschaftsteile liegen. Dann schnippt man die Drehscheibe an und nach deren Stillstand zeigen nun die Wappen an, welche der zwei Landschaftsteile uns zur Auswahl stehen. Nur eines davon dürfen wir dann in unsere Auslage puzzlen.
Dabei müssen wir natürlich einiges beachten. Bspw. erhalten wir kleine Bonusplättchen, wenn wir zwei Moorfelder als Schutzgebiet miteinander verbinden. Oder unser Whiskeymarker rückt voran, wenn nun ein Getreidefeld neben einer Brennerei liegt. Manchmal erhalten wir auch ein Holzschaf, welches wir auf leere Wiesen stellen, um Herden abgebildeter Schafe miteinander zu verbinden. Am Ende erhalten wir vielleicht auch noch Türme, mit denen wir Lücken füllen können.
Das gefällt mir nicht so gut: Aufgrund der Drehscheibe ist es zufällig, welche Landschaftsteile wir zum Einbauen zur Verfügung haben. Dadurch ist TIPPERARY deutlich zugänglicher als das durchaus ähnliche PLANET UNKNOWN – allerdings auch deutlich weniger planbar. Mein Spiel ist davon geprägt, zu hoffen, dass ich die passenden Teile noch bekommen werde. Wenn die Drehscheibe aber immer an den falschen Segmenten stehen bleibt, dann kann ich nichts daran ändern. Das kann zu Jubelstürmen führen, aber auch zu frustigen Momenten. Dabei ist die Drehscheibe übrigens ein widerborstiges Ding, da diese doch anfangs weniger flutscht, als wir das im ersten Moment dachten. Mit der Zeit wurde die Drehbewegung aber rasanter. Zusätzlich sollte in jedem Durchgang eine andere Person die Drehscheibe in Bewegung setzen. Dadurch wird besser vermieden, dass das Wappen nicht immer an den gleichen Segmenten zum Stehen kommt und eine Abwechslung bei der Auswahl gesichert ist.
Von den kleinen Nummern auf den Landschaftsteilen sollte man sich nicht verwirren lassen. Welche Bedeutung diese haben? Keine Ahnung, denn ein Almanach für jedes einzelne Teil ist nicht vorhanden auch nicht notwendig. Vielleicht kann dadurch aber ein möglicher Ersatzteilservice vereinfacht werden. Fast genauso gut auf den Landschaftsteilen versteckt hat sich dummerweise das Symbol für das mögliche Extra-Holzschaf. Dieses Symbol ist manchmal kaum zu erkennen und sorgt dann für Unsicherheit. Irgendwann schweift nämlich mein Blick über meine Landschaft und dann frage ich mich schlimmstenfalls, ob ich nun ein dabei entdecktes Extra-Schaf erhalten habe oder nicht. Dann wird gemeinsam alles durchgezählt – und meist festgestellt, dass ich tatsächlich ein Schaf vergessen habe. Das hätte also trotz ästhetischer Ansprüche gerne deutlicher dargestellt sein dürfen.
Über den beiliegenden Beutel habe ich bisher den Mantel des Schweigens gelegt. Das liegt vor allem daran, dass dieser von uns nicht benutzt wird, da er viel zu klein ist. Wir können darin gerade mal so alle Landschaftsteile lagern. Aber diese darin zu mischen, um dann zufällig etwas auszuwählen, ist nicht möglich. Das ist natürlich ein Fehler, der auch dem Verlag aufgefallen ist. Zukünftige Ausgaben haben sicherlich einen größeren Beutel an Bord. Allerdings kann man auch problemlos ohne diesen spielen, in dem man die Landschaftsteile aus dem Deckel zieht.
Die Türme sind ein netter 3D-Effekt. Weil diese erst am Ende der Partie eingebaut werden, verdecken sich dankenswerterweise auch keine Informationen. Allerdings hätte der Verlag sich nicht zu sehr dem Thema verpflichtet fühlen müssen. Denn aufgrund des nicht haltenden Verschlusses fallen die Türme schnell wieder auseinander und bilden somit tatsächlich eher den Schutt einer Ruine ab. Schade! In diesem Fall hätte ein einfaches 1*1‑Plättchen völlig ausgereicht – so wie auch die Bonusteile für ein vergrößertes Moor daherkommen. Bei diesen ärgert mich übrigens etwas die Zufälligkeit. Denn diese können super in mein Konzept passen oder auch gar nicht. Damit wird der Glückscharakter weiter gestärkt, aber ich hätte auch überhaupt kein Problem damit gehabt, wenn man diese aus einer offenen Auslage wählen könnte. So würde nämlich dieses eher unscheinbare Element etwas aufgewertet.
Und ach, nur so nebenbei: Manche Selbstbeschreibungen der Verlage erstaunen mich. So wird TIPPERARY von Lookout auf der Website als "heiteres" Familienspiel angepriesen. Mit Familienspiel gehe ich voll mit, aber was daran heiter sein soll, habe ich immer noch nicht verstanden.
Das gefällt mir gut: Und heiter muss TIPPERARY auch gar nicht sein, denn es hat viele andere Stärken: in knackiger Zeit müssen wir viele kleine Entscheidungen treffen. Diese sind im positiven Sinne überschaubar und durchaus reizvoll. Denn wir stehen vor einem kleinen Dilemma, welches durch die Endwertung erzeugt wird. Ich erhalte nämlich einen großen Batzen meiner Punkte durch die größte zusammenhängende Fläche. Die gedachte Konsequenz lautet: immer her mit den großflächigen Landschaftsteilen! Dummerweise passen diese aber nie genau in mein Puzzle und außerdem sind die kleinen Teile meist die wertvolleren. Ebenso clever ist das Spielprinzip bei den Anschlüssen. Ich versuche Moorflächen miteinander bzw. Felder mit Brennereien zu verbinden. Also lege ich diese Seiten besser nach außen, damit ich dort anschließen kann. Meist muss ich damit dann aber auf eine andere Sachen verzichten. Und wieder stehe ich vor der Frage: was soll ich nun machen?
TIPPERARY fühlt sich dabei aber nie bestrafend an. Denn ich bin eigentlich immer produktiv. Klappt die Moorvergrößerung nicht, dann wird vielleicht aber meine Schafherde größer. Somit kann ich auch mit dem bestehenden Zufall ganz gut umgehen. Vielleicht kann ich keinem großen Plan folgen, aber dafür kann ich viele kleine Projekte direkt umsetzen. Dabei gehe ich zwar die ein oder andere Wette ein, aber diese erzeugen dann auch die Emotionen, die ich am Spieltisch erleben will.
Zumal TIPPERARY sehr gut den Punkt findet, wie lange das Spielprinzip trägt. Es bricht die Auswahl so weit herunter, dass kaum Längen entstehen. Denn das jeweilige Angebot ist sinnvoll beschränkt, da ich mich nur zwischen genau zwei Teilen entscheiden muss. Ich kann beide in die Hand nehmen und an meiner Auslage tüfteln. Durch das Wappen an der Drehscheibe weiß ich immer, wo ich das verschmähte Teil wieder ablegen muss. Da wir das alles simultan machen, entstehen auch keine langen Wartezeiten und eine Partie dauert selten länger als eine Dreiviertelstunde. Manchmal beäugen wir uns zwar, wenn es um die Vorherrschaft der größten Schafherde geht, aber im Großen und Ganzen ist auch TIPPERARY eines dieser vielen modernen Multiplayer-Solitärspiele.
Gut gefällt mir übrigens auch die durchaus thematische Einbettung. Darüber lässt sich schon einiges recht gut erklären und die stimmige Gestaltung fügt sich gut ein. Zumal der finale Anblick in uns ein wolliges wohliges Gefühl aufkommen lässt, bei dem die finale Endabrechnung gar nicht mehr so wichtig ist.
Fazit: Allein das Thema bei TIPPERARY kann bei mir schon punkten. Glücklicherweise weiß das Spiel hinter dem Thema ebenfalls zu überzeugen, auch wenn es die ein oder andere kleine gestalterische Schwäche hat.
Titel | Tipperary |
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Autor | Günter Burkhardt |
Illustrationen | Anna-Katharina Block (Cover) und Klemens Franz (Spielmaterial) |
Dauer | 45 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 5 Personen |
Zielgruppe | puzzelnde Familienspielrunden |
Verlag | Lookout Spiele |
Jahr | 2023 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Vertrieb Asmodee ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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