Auch dieses Jahr wieder: meine positiven Überraschungen der SPIEL.digital 2020

Ja, die diesjährige SPIEL war anders als sonst. Das "digital" in ihrem Namen war leider allzeit präsent. Dementsprechend viel wird aktuell auf den verschiedenen Kanälen diskutiert, was nun gut und was schlecht war. Auch ich werde die Tage das alljährliche Fazit ziehen. Bevor ich dazu aber meine Gedanken geordnet habe, gehe ich heute einer anderen Tradition nach: ich möchte gerne meine spielerischen Überraschungen der SPIEL.digital 2020 präsentieren.
Wenn ich im Rückblick auf die entsprechende Liste des letzten Jahres schaue, dann war diese fast schon eine vorweggenommene Liste zum diesjährigen Spiel des Jahres. Das wird in diesem Jahr wahrscheinlich anders sein, wobei man bekanntlich niemals nie sagen sollte. Denn zumindest bei einem dieser Spiele würde es mich wundern, wenn es am Ende des nächsten Jahres nicht zu einem Preis nominiert sein wird. Dabei habe ich allerdings eher den innoSPIEL im Blick als einen farbigen Pöppel. Aber wer weiß das schon...
Nun also ein Blick auf die Spiele, die ich noch nicht bei meiner Vorfreude auf der Liste hatte und mich im Ersteindruck überzeugen konnten. Hier nun also meine positiven Überraschungen der SPIEL.digital 2020:
REMEMBER OUR TRIP von Saashi und Daryl Chow (erschienen bei dlp games)

Plättchen-Lege-Puzzle-Spiele haben oftmals das Problem, dass sie recht solitär sind – wobei manche Mitspielende das auch als Vorteil ansehen. Ich bin dabei jedenfalls nur mäßig begabt, spiele aber meist trotzdem ganz gerne (und erfolglos) mit. Allerdings emotionalisieren mich diese Spiele meist überhaupt nicht. Trotzdem steht mit REMEMBER OUR TRIP nun solch ein Plättchen-Lege-Puzzle-Spiel an der Spitze meiner Liste. Das hat sicherlich auch etwas mit dem recht einzigartigen Illustrationsstil zu tun. Denn das Spiel kommt in einem besonderem Look daher, der fernab unserer Sehgewohnheiten liegt. Aber wenn es nur um einen besonderen Look ginge, dann wären schon viele andere Spiele auf meinen Top-Listen gelandet. Nein, REMEMBER OUR TRIP hat auch spielerisch einiges auf dem Kasten. Aus einer offenen aber beschränkten Auslage nimmt man sich kleine Plättchen mit Sehenswürdigkeiten und legt diese nach wechselnden Vorgaben bei sich auf dem Spielertableau ab. Funfact dabei: wie es sich für ein Spiel von dlp games gehört, werden diese Plättchen aus einem Sack gezogen. Hat man mit diesen Plättchen auf der eigenen Auslage bestimmte Formen gebildet, wird dieses fertige Stadtelement auf einen gemeinsamen Plan in der Mitte übertragen. Davon können nachfolgend auch die Mitspielenden profitieren, wenn deren Sehenswürdigkeiten mit dieser Blaupause übereinstimmen. Auf der anderen Seite kann man damit natürlich auch mächtig in manch Süppchen spucken. Somit ist REMEMBER OUR TRIP trotz solitärer Tüftelei recht interaktiv. Man schaut immer nach rechts und nach links, was denn dort auf den Plänen entsteht. Kann ich davon später profitieren? Muss ich mich beeilen? Was für Plättchen sollte ich den anderen nicht gönnen? REMEMBER OUR TRIP sollte man deswegen auf keinen Fall vergessen.
MICROMACRO: CRIME CITY von Johannes Sich (erschienen bei Edition Spielwiese)

Wenn man sich das Spielprinzip von MICROMACRO zu Gemüte führt, dann fragen sich manche sicherlich, wie das Spaß machen soll. Denn bei MICROMACRO starrt man lange auf eine Tapete von Spielplan und versucht dabei winzig kleine Details zu erkennen. Wimmelbild-Anschauen mit Anleitung! Allerdings geht es in der CRIME CITY nicht all zu heimelig zu, so dass Luftballons und Lutscher schon mal Ausgangspunkt eines Mordes sein können. Genau solche Verbrechen müssen wir im Gewimmel finden und uns dann einen Reim aus dem Gesehenen machen. Dabei ist das Besondere, dass in diesem einen Bild mehrere Zeitebenen abgebildet sind. Man verfolgt somit bspw. den Imbisswagenbesitzer, wie er sich von seiner Bude auf dem Weg nach Hause macht – und dabei nicht alleine ist. Nach und nach erkennt man Besonderheiten, die man dann zu einer Auflösung des Falles zusammensetzen muss.
Auch bei MICROMACRO ist die Gestaltung etwas ganz besonderes. Einerseits ist dabei der sehr eigene Illustrationsstil zu nennen, andererseits haben es mir aber auch die kleinen Umschläge angetan, in denen die einzelnen Karten zu den Kriminalfällen stecken. Erste Zusatzfälle gibt es schon und ich kann mir ohnehin sehr gut vorstellen, dass MICROMACRO Vorreiter eines neuen/alten Spielprinzips wird. Das werden bestimmt noch andere Schauplätze folgen.
BOOMERANG: AUSTRALIA von Scott Almes (erschienen bei Grail Games)
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist BOOMERANG: AUSTRALIA eine Weiterentwicklung von BOOMERANG, welches schon 2018 das Licht der Welt erblicktte. Der Australien-Zusatz ist deswegen angebracht, da nun auch schon Europa- und USA-Ableger bestehen, die wiederum mit kleinen Regeländerungen daher kommen.
BOOMERANG selbst ist ein spannendes Crossover zwischen einem Drafting- und einem Roll-and-Write-Spiel. Beginnend mit 7 Karten auf der Hand, behält man immer eine Karte und gibt den Rest weiter, bis man auf diesem Weg insgesamt 7 Karten gesammelt hat. Diese werden abschließend in mehreren Kategorien gewertet, wobei eine Wertung sich darauf bezieht, auf einer Landkarte von Australien besuchte Attraktionen anzukreuzen. Nach 4 gespielten Runden endet dann eine Partie, was problemlos innerhalb von 15 bis 20 Minuten der Fall ist. Mir gefiel an BOOMERANG: AUSTRALIA besonders der stetig anziehende Spannungsbogen. Anfangs kann man sich noch recht breit am Angebot bedienen, gegen Ende hofft man dahingegen auf spezielle Karten, die dann bestimmt nur gemeinsam im Pulk auftreten. Insgesamt überzeugt das Gesamtpaket. Neben der interessanten Vermischung bekannter Mechanismen gefallen mir auch die Illustrationen recht gut.
COATL von Pascale Brassard und Etienne Dubois-Roy (erschienen bei Synapses Games bzw. HeidelBär Games)
Meine anfängliche Begeisterung für COATL hielt sich arg in Grenzen. Die Cover-Illustration ist eher spezieller Natur und der erste Blick auf das Material hat mich abgeschreckt: ganz viel buntes Plastik. Aber nachdem ich ein wenig über das Spiel recherchiert habe, war ich von der Spielidee doch insofern angefixt, dass ich es zumindest einmal ausprobieren wollte.
Und dieses Anspielen hat mich durchaus überzeugt. Aus einer offenen gemeinsamen Auslage bedient man sich an bunten Schlangenelementen, die man im Spielverlauf vor sich zusammensetzt. Damit versucht man Auftragskarten zu erfüllen, womit man logischerweise mit Siegpunkten belohnt wird. Das alles klingt einfach und banal, hat aber durchaus Grübel- und Frustpotenzial, weil natürlich gefühlt alle gegen einen spielen. Ein wenig erinnert mich das Spielgefühl an AZUL, wobei letzteres sicherlich eleganter daher kommt. Trotzdem hat mich COATL positiv gestimmt – und steht genau deswegen auf dieser Liste der Überraschungen der SPIEL.digital 2020.
NINJA CATFOOD AND THE COVERT ACTION von Jun Sasaki (erschienen bei Oink Games)
Glaubt man der Website von Oink Games, dann müssen wir uns beim Covid-19-Virus bedanken, dass es NINJA CATFOOD tatsächlich in die berühmte kleine Schachtel dieses sympathischen Verlages geschafft hat. Denn eigentlich war NINJA CATFOOD für Verlagsgründer Jun Sasaki eher eine Spielerei fernab des Verlagsprogrammes gewesen, da er keine echte Chance auf eine Vermarktung sah. Da aber die geplante Convention ausfiel, auf der NINJA CATFOOD präsentiert werden sollte, rutschte dieses verrückte Teil nun doch in das Verlagsprogramm.
Warum verrückt? NINJA CATFOOD ist schon eine sehr besondere Spielerei: die Mitspielenden befestigen ihr Smartphone an einem Arm und sollen dann ganz vorsichtig kleine Plättchen aus der Mitte einer Auslage klauen. Dabei soll man ein ruhiges Händchen haben, da ansonsten der eingeschaltete Bewegungsmelder des Smartphonse Alarm schlägt. Man will einerseits schneller als die Mitspielenden sein, aber auch nicht zu schnell, damit man nicht bei den Wachen Alarm schlägt.
Zugegebenermaßen habe ich NINJA CATFOOD nicht testen können – wie auch, bei einer solchen digitalen Messe? Aber das ganze Setting finde ich so absurd komisch, dass ich das unbedingt bestellen musste. Gewöhnliche Spiele habe ich genug, da muss man auch mal die etwas abseitigeren Dinge bejubeln.
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