Am Ende des Jahres gibt es wieder jede Menge Top-Listen, in denen die persönlichen Spiele des Jahres aufgelistet werden. Somit gibt es wieder eine Menge Leute, die sich darüber aufregten, dass jemand wieder Top-Listen heraus haut, weil diese doch ohnehin nur billig erzeugter Content sind. Glücklicherweise habe ich nicht die Zeit, mich mit solch fundierter Kritik zu befassen. Deswegen kann auch ich problemlos eine Top-Liste veröffentlichen. Allerdings stelle ich meine Jahrgang-Highlights immer im Sommer vor, weswegen ich mich nun einem andern Thema annehmen muss. So geht es bei mir dieses Mal um das Zeitmanagement in Spielen.
Machen wir es kurz, da Zeit bekanntlich ein kostbares Gut ist. Hier meine persönliche Rangfolge:
- GENTES von Stefan Risthaus (erschienen bei Spielworxx bzw. Game Brewer)
- KITCHEN RUSH von Vangelis Bagiartakis und Dávid Turczi (erschienen bei Pegasus Spiele)
- DIE LEGENDEN VON ANDOR von Michael Menzel (erschienen im KOSMOS Verlag)
- RALLYMAN von Jean-Christophe Bouvier (erschienen bei Rallyman bzw. Holy Grail Games)
- FRESCO von Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck (erschienen bei Queen Games)
Auf meinem ersten Platz steht GENTES von Stefan Risthaus. Ich hatte damals die Erstauflage bei Spielworxx verpasst und war deswegen froh, dass schon nach kurzer Zeit bei Game Brewer eine Neuauflage erschien – zumal diese auch noch in einer Deluxe-Ausgabe daher kam. Bekanntlich spielt das Auge mit, weswegen mir nun GENTES doppelt Spaß macht. Denn einerseits macht das Spielen mit den Deluxe-Komponenten Spaß und andererseits ist das Spiel als solches ein tolles Erlebnis – zumindest für Liebhaber von klassischen Eurospielen. Noch besser dran sind Personen, die gerne Worker-Placement-Spiele mögen.
Denn dies ist bei GENTES der zentrale Spielmechanismus. Allerdings kommt noch ein Clou hinzu, der dazu führt, dass GENTES Teil dieser Top-Liste ist. Denn man kann für Aktionen unterschiedlich viel Zeit investieren. Man steht vor der Frage, wie dringend nun diese oder jene Sachen ist. Kann ich es mir erlauben, wenig Zeit zu verbrauchen und nur die schwächere Aktion zu nutzen? Oder gehe ich in zeitliche Vorleistung, auch wenn mich das in der nächsten Runde ziemlich einschränken wird? Oftmals ist bei Worker-Placement-Spiele das Timing wichtig, der richtige Rhythmus. GENTES treibt das auf die Spitze und macht Zeit zu einer eigenen Ressource. Somit ist es eine klare Empfehlung für all die Würfelschubsenden da draußen.
Geht es bei GENTES eher bedächtig zu, ist das Spielgefühl bei KITCHEN RUSH ein ganz anderes. Hier wird es hektisch, da Sanduhren das Hauptelement des Spiels sind. Gemeinsam versuchen wir uns als Betreiber eines Restaurants – und die Aufgaben sind vielfältig. Neue Gäste empfangen, Bestellungen aufnehmen, Essen kochen. Aber man sollte auch Teller spülen und rechtzeitig die Lager auffüllen. Alle Aktionen kosten Zeit, welche ganz bildlich durch die einzelnen Sanduhren durchgeführt werden.
Somit steht KITCHEN RUSH stellvertretend für einige andere Spiele. Da ist einerseits die große Gruppe von Zeitmanagement-Spielen mit Sanduhren. Meinen Erstkontakt dieser Art hatte ich mit SPACE DEALER (bzw. TIME 'N' SPACE) von Tobias Stapelfeld. Ganz aktuell ist PENDULUM von Travis P. Jones in vielerlei Munde was mich unter anderem jedoch durch das unnötig viele Plastik abschreckt. Am überzeugendsten finde ich in diesem Genre aber KITCHEN RUSH. Andererseits vertritt es aber auch die Gruppe kooperativer Echtzeitspiele, von denen ich unbedingt SPACE ALERT von Vlaada Chvátil erwähnen will.
Kooperativ sind auch DIE LEGENDEN VON ANDOR. Allerdings geht es hier wieder deutlich ruhiger und kopflastiger zu. Gemeinsam müssen wir Abenteuer bestehen. Dafür dürfen wir in der Tag-Phase aktiv sein, während nachts die gefährlichen Kreaturen immer näher rücken. Dummerweise hat so ein Tag nur eine begrenzte Stundenanzahl, so dass man seine Aktionen diesem Rhythmus anpassen muss. Manchmal kann man zwar auch mal Überstunden machen, allerdings zehrt das doch mächtig an den Kräften. Da man diese aber meist für den finalen Endkampf benötigt, sollte man sich schon ausreichende Ruhephasen gönnen.
Dieses Prinzip des Zeitmanagement ist so schlüssig, dass man es sehr gut intuitiv erfasst und auch akzeptiert. Das fühlt sich nicht wie eine künstliche Beschränkung an, sondern ist eine logische Konsequenz. Für mich ist das ein wenig vergleichbar mit dem Zeitmanagement der anderen Art bei VILLAGE von Inka und Markus Brandt. Auch dort simuliert man das Leben – allerdings auch mit der Konsequenz, dass ein Leben zu Ende gehen wird. Das wird so selbstverständlich in das Spiel eingebaut, dass es VILLAGE nur ganz knapp nicht in die Top‑5 geschafft hat.
RALLYMAN ist dahingegen der Vertreter der ganzen Rennspiele. Bei keinem anderen ist aber der Zeit-Mechanismus so überzeugend dargestellt wie bei dieser Rally-Simulation. Denn hier werden tatsächlich Sekunden gesammelt und am Ende zusammen gezählt. Es gewinnt nicht zwangsläufig die Person, die zuerst die Strecke wieder verlassen hat. Denn durch geschickteres Fahren können später Startende schneller sein – vor allem dann, wenn sie aufmerksam die anderen analysiert haben. Allerdings kann es passieren, dass dann die Strecke schon verschmutzt ist und man doch nicht mehr auf der Ideallinie fahren kann. Da alles allerdings mit einem Push-Your-Luck-Mechanismus versehen ist, spielt das Würfelglück wahrlich keine untergeordnete Rolle. Das muss man schon mögen.
Ein wenig besser umgesetzt empfinde ich den Mechanismus bei RALLYMAN GT, was mir somit mehr Spaß macht. Aber bezüglich des Zeitmanagements ist das originale RALLYMAN der stärkere Vertreter. Viele andere Rennspiele haben natürlich auch einen gewissen Zeitmechanismus, aber keinen empfinde ich als so direkt wie bei RALLYMAN.
FRESCO hat für mich ebenfalls ein ganz lebensnahes Zeitmanagement-System. Wer früher anfängt zu arbeiten hat die meiste Auswahl an Möglichkeiten – aber auch schlechte Laune! Sehr sympathisch dieser Ansatz. Aber das ist nicht nur nachvollziehbar, sondern reguliert auch wunderbar die unterschiedlichen Interessen der Mitspielenden. So muss man sich überlegen, wann man in den sauren Apfel beißt und früh aufsteht, um am Markt gut einkaufen zu können. Oder ist der saure Apfel eher der, bei dem man zu lange im Bett liegt?
Ein wenig ähnlich empfinde ich auch die Regelung der Zugreihenfolge bei VITICULTURE von Jamie Stegmaier. Dort wird das aber nicht so schön plastisch mit der schlechten Laune symbolisiert.
Natürlich fehlen wieder einige bekannte Vertreter auf dieser Liste. Viele hätten hier sicherlich ein JENSEITS VON THEBEN erwartet. Das habe ich aber zu meiner Schande nie gespielt und kann es deswegen auch nicht berücksichtigen. Stattdessen könnte ich nun LEGENDS nennen, aber das hat mich nicht nachhaltig begeistern können. Zudem bin ich kein großer Fan von GLEN MORE, auch wenn das ebenfalls einen cleveren Zeitmechanismus besitzt – mir gefällt aber das Legespiel drumherum nicht so. Zu guter Letzt müsste man auch die ganzen Escape Spiele nennen, bei denen man innerhalb einer bestimmte Zeitspanne aus einer brenzligen Situation entkommen muss. An erster Stelle nenne ich dabei gerne die EXIT-Spiele, aber auch die UNLOCK-Reihe möchte ich gerne erwähnen.
Kommentar hinzufügen