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kritisch gespielt: Wilmot's Warehouse

Wilmot's Warehouse von Ricky Haggett, Richard Hogg und David King – erschienen bei CMYK

Wilmots Warehouse - Box
Bild: Asmo­dee

Nach mei­nem Abi habe ich im Ver­sand­la­ger einer Kalen­der­fa­brik gejobbt. Dabei muss­ten wir die gan­ze Zeit voll­ge­pack­te Palet­ten umor­ga­ni­sie­ren, weil nie ganz klar war, wann die­se von wel­chem Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men abge­holt wur­den. Neben­bei wur­den aber auch Mate­ria­li­en ange­lie­fert, die dann zusätz­lich noch doof her­um­stan­den. An die­se Zeit füh­le ich mich bei WILMOT'S WAREHOUSE zurück­er­in­nert – auch, weil wir durch­aus wäh­rend der Arbeit ganz schön viel Blöd­sinn gemacht haben.

The­ma: Von Mon­tag bis Frei­tag wer­den Waren ange­lie­fert. Die­se müs­sen wir sofort in unse­rem Lager ver­stau­en. Am Sams­tag kom­men dann die Kun­den und wol­len die Waren abho­len, die wir nur mal schnell aus dem Lager holen müs­sen. Doch wo haben wir die­se abge­stellt? Dum­mer­wei­se schei­nen wir die Lie­fer­schei­ne weg­ge­wor­fen zu haben und alle Palet­ten sehen von außen gleich aus. Nur gut, dass wir uns gemerkt haben, wo wir was abge­legt haben. Haben wir doch, oder?

Illus­tra­tio­nen: Die Illus­tra­tio­nen von Richard Hogg sind der heim­li­che Star von WILMOT'S WAREHOUSE. Auf­grund des gewähl­ten Stils habe ich mich bei der Betrach­tung der ein­zel­nen Waren­plätt­chen ganz ent­fernt an mein dama­li­ges Kin­der-MEMO­RY erin­nert gefühlt. Aller­dings sind die ein­zel­nen Sym­bo­le nun deut­lich hin­ter­grün­di­ger. Ist das ein Zahn oder eine Höh­le? Eine Nudel oder ein Rohr? Von die­sen Dop­pel­deu­tig­kei­ten lebt das Spiel­prin­zip von WILMOT'S WAREHOUSE.

Wilmots Warehouse - Ausstattung
bunt und aufgeräumt

Aus­stat­tung: Ich füh­le mich ein wenig in die Bau­haus-Ära zurück­ver­setzt: Form fol­lows func­tion. Denn auf Klim­bim wird dan­kens­wer­ter­wei­se ver­zich­tet. 150 Waren­plätt­chen und ein Sack, der groß genug ist, um die Plätt­chen dar­in mischen zu kön­nen. In einer klei­nen Papp­box wer­den noch die pas­sen­den 150 Kun­den-Kar­ten sowie 30 wei­te­re Ideen-Kar­ten gela­gert. Noch ein Spiel­plan, eine Anlei­tung und Deckel drauf!

Wilmots Warehouse - Lagerhaus
die­ses Lager will gefüllt werden

Ablauf: Auf mecha­ni­scher Ebe­ne ist WILMOT'S WAREHOUSE staub­tro­cken: in fünf Run­den decken wir nach und nach sie­ben Waren­plätt­chen auf und posi­tio­nie­ren die­se angren­zend an bestehen­de Plätt­chen im Ras­ter des Spiel­plans. Dabei wer­den geleg­te Plätt­chen sofort wie­der umge­dreht, sodass wir nur die graue Rück­sei­te sehen. Nach die­ser ers­ten Pha­se erhal­ten wir alle etwa gleich vie­le Kun­den-Kar­ten und müs­sen die­se nun so schnell wie mög­lich auf die ver­deck­ten Waren­kar­ten-Zwil­lin­ge legen. Am Ende wird über­prüft, wie schnell wir waren und wie vie­le Feh­ler wir gemacht haben, um dann eine ver­ba­le Ein­ord­nung unse­rer Leis­tung zu erhalten.

Wilmots Warehouse - Aufgaben
Die Auf­ga­ben kom­men stil­echt per Faxgerät!

Die Wirk­lich­keit am Tisch ist glück­li­cher­wei­se deut­lich leb­haf­ter, als die Mecha­nik ver­mu­ten lässt. Denn wir müs­sen uns gegen­sei­tig hel­fen, die Waren­kar­ten in unser Gedächt­nis ein­zu­prä­gen. Dazu fan­ta­sie­ren wir uns Geschich­ten und Anknüpf­punk­te zusam­men – immer damit begin­nend, dass wir erst ein­mal gemein­sam fest­le­gen, was das über­haupt für eine Ware sein soll, die auf der Kar­te zu sehen ist. Zusätz­lich erhal­ten wir zu Beginn einer Run­de noch eine zusätz­li­che Auf­ga­be, die wei­te­re Wür­ze ins Spiel­ge­sche­hen bringt: mal müs­sen wir bei­spiels­wei­se den Plan dre­hen, ein ande­res Mal nur ein­sil­bi­ge Wor­te nutzen.

Das gefällt mir nicht so gut: Das Kon­zept der Anlei­tung ist unge­wohnt. Erst wird sehr aus­führ­lich das Spiel­prin­zip erklärt, dann kom­men die Details. Aller­dings kön­nen sich bis dahin so vie­le Fra­ge­zei­chen ange­sam­melt haben, dass eher Ver­wir­rung vor­herrscht als das Wis­sen, was über­haupt zu tun ist. Humo­ri­ge Anspie­lun­gen sol­len das Regel­er­ler­nen auf­lo­ckern, aber es fehlt dabei ein hilf­rei­cher roter Faden. Auch die Bei­spie­le kön­nen ver­wir­ren: mal sind alle Kar­ten in den Bei­spie­len auf­ge­deckt, dann wie­der ver­deckt. Sel­ten hat­ten mei­ne Grup­pen das Gefühl, alles auf Anhieb rich­tig­zu­ma­chen. Aller­dings wur­de sich auch sel­ten dar­an gestört. Außer­dem ist das Spiel­prin­zip robust genug, um klei­ne Feh­ler zu ver­zei­hen. Im Zwei­fel wird das Spiel etwas leich­ter oder schwie­ri­ger. Das ist aber oft uner­heb­lich, denn bei WILMOT'S WAREHOUSE ist der Weg das Ziel. Uns inter­es­siert mehr, wie wir zur End­wer­tung kom­men als wie die­se dann aus­sieht. Zumal die End­wer­tung ohne­hin an der man­geln­den Ska­lie­rung krankt. Es macht nun ein­mal einen erheb­li­chen zeit­li­chen Unter­schied, ob wir zu zweit 150 Kar­ten durch­ge­hen oder zu sechst.

Die ein­zel­nen Tages­auf­ga­ben wer­den sehr unter­schied­lich wahr­ge­nom­men. Je nach Grup­pe kön­nen die­se eine inter­es­san­te Her­aus­for­de­rung sein oder Unfug. Das hängt auch ein wenig von der Art der Auf­ga­be ab. Sel­ten funk­tio­nie­ren die Auf­ga­ben, bei denen die ein­tref­fen­den Waren einer bestimm­ten Kate­go­rie zuge­ord­net wer­den sol­len (bei­spiels­wei­se nur Lebens­mit­tel oder Wes­tern-Kram). Die­se künst­li­che Beschrän­kung der Krea­ti­vi­tät läuft dem eigent­li­chen Spiel­prin­zip etwas zuwi­der und wird des­we­gen ger­ne – bewusst oder unbe­wusst – recht schnell ignoriert.

Wilmots Warehouse - funktioniert nicht alles
nicht alle Tages­auf­ga­ben überzeugen

Ein wenig kann ich die­se Auf­ga­ben­art jedoch nach­voll­zie­hen. Durch die­se Ein­schrän­kung soll ver­hin­dert wer­den, dass eine Kar­te immer mit dem glei­chen Begriff asso­zi­iert wird. Aller­dings: Der Zahn sieht bei uns nun ein­mal aus wie ein Zahn. So wird dann meist in einem aus­führ­li­chen Plä­doy­er auf­ge­zeigt, war­um der Zahn streng rie­chen kann, nass ist oder doch irgend­wie ein futu­ris­ti­sches Ding dar­stellt. Und selbst wenn wir den Zahn dann nicht als Zahn bezeich­nen, im Kopf wird er dann als "Zahn, der eine Höh­le sein soll" abge­spei­chert. Aber ich habe mit die­ser Fest­le­gung der Sym­bo­le ohne­hin kein Pro­blem. Zuge­ge­be­ner­ma­ßen sind Erst­par­tien mehr von einem Stau­nen beglei­tet, wie irr­wit­zig die ein­zel­nen Sym­bo­le sind. Aber selbst bei ein­ge­schlif­fe­nen Bezeich­nun­gen bleibt die eigent­li­che Denk-Her­aus­for­de­rung wei­ter­hin bestehen.

Wilmots Warehouse - erste Karten
Wie soll das zusam­men­pas­sen – vor allem, wenn man die Kar­ten gar nicht mehr sieht?

Das gefällt mir gut: WILMOT'S WAREHOUSE lebt von den irr­wit­zi­gen Geschich­ten, die wir uns erzäh­len: Das Schiff segelt unter dem Son­nen­un­ter­gang in eine Höh­le, in der ein Mons­ter lebt. Die­ses Mons­ter hat eine rie­si­ge Nase und kann gemol­ken wer­den. Außer­dem isst es zum Früh­stück ein Spie­gelei mit einer gro­ßen Gabel. Und das war erst der Anfang!

Inter­es­san­ter­wei­se muss aber im Vor­feld oft­mals erst Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet wer­den. Denn kaum stel­le ich das Spiel als "Memo-Auf­ga­be" vor, wird im gro­ßen Stil abge­wun­ken. Dar­auf haben erstaun­lich wenig Leu­te Lust. Wenn das Spiel aller­dings mal auf­ge­baut ist und dau­ernd Geläch­ter pro­du­ziert, wird glück­li­cher­wei­se in der Nach­bar­schaft doch Neu­gier geweckt. Dann erweist sich die Gestal­tung als Segen. Denn selbst wenn man sich als unbe­tei­lig­te Per­son nichts mer­ken will und muss: Senf zu den mög­li­chen Bedeu­tun­gen der For­men wird trotz­dem abge­ge­ben. Und schon ist Inter­es­se vorhanden.

Selbst­re­dend wird sel­ten nach einer Par­tie mit der glei­chen Grup­pe eine zwei­te Run­de erfol­gen. WILMOT'S WAREHOUSE ist unbe­streit­bar Kopf­ar­beit und nach 35 gemerk­ten Begrif­fen wol­len wir meist etwas ande­res machen. Somit ist das Spiel sicher­lich auch nicht dafür geeig­net, jeden Abend auf den Tisch zu brin­gen. Trotz­dem hat es in mei­nen Augen einen hohen Wie­der­spiel­reiz – nur eben mit ent­spre­chen­den Pau­sen dazwi­schen. Dabei ist es fas­zi­nie­rend, wie sehr sich man­che Geschich­ten ein­bren­nen. Ich bin in der Vor­be­rei­tung zu die­sem Bei­trag eini­ge Fotos von End­si­tua­tio­nen durch­ge­gan­gen und konn­te mich noch an erstaun­lich vie­le Her­lei­tun­gen erinnern.

Wilmots Warehouse - Auflösung
Waren wir gut!

WILMOT'S WAREHOUSE besitzt einen über­zeu­gen­den Span­nungs­bo­gen. Die Waren kom­men häpp­chen­wei­se ins Lager – regel­mä­ßig unter­bro­chen von den ein­zel­nen Tages­auf­ga­ben. Kurz vor der gefühl­ten Über­las­tung der eige­nen Gedächt­nis­leis­tung wird die span­nen­de Aus­lie­fe­rungs­pha­se ein­ge­lei­tet. Kön­nen wir die kom­plet­te Nach­fra­ge befrie­di­gen? Machen wir kei­ne Feh­ler bei ähn­li­chen Sym­bo­len? Bekom­me ich Unter­stüt­zung von mei­nen Mit­spie­len­den? Und will ich mich vom Timer unter Druck set­zen las­sen? Oft­mals, zur gro­ßen Über­ra­schung aller Betei­lig­ten, ten­diert die Feh­ler­quo­te gegen null. Das ergibt dann das woh­li­ge Gefühl, rich­tig cle­ver zu sein – und das waren wir auch!

In WILMOT'S WAREHOUSE steckt spür­bar viel Lie­be. Die iro­ni­sche Rah­men­hand­lung setzt einen Ton, der sich durch das gesam­te Spiel durch­zieht. Am Ende erhal­ten wir über eine Tabel­le eine die­sem Ton ent­spre­chen­de kur­ze Leis­tungs­be­ur­tei­lung. Wenn wir einem Link fol­gen, wird die­se per Video noch aus­führ­li­cher zele­briert, wofür sich der Ver­lag Unter­stüt­zung von Shut Up & Sit Down besorgt hat. Lei­der fehlt dazu aller­dings eine gute deut­sche Syn­chro­ni­sa­ti­on, was ein ech­tes Sah­ne­häub­chen gewe­sen wäre.

Wilmots Warehouse - Varianz
ana­lo­ges Spie­len stärkt Gesellschaft

Fazit: WILMOT'S WAREHOUSE basiert auf dem gleich­na­mi­gen Com­pu­ter­spiel von den­sel­ben Autoren. Die­se haben es geschafft, das zugrun­de­lie­gen­de Memo-Prin­zip in ein gesell­schaft­li­ches Erleb­nis umzu­wan­deln. Im Brett­spiel steht die gemein­sa­me Lust am Fabu­lie­ren im Vor­der­grund und setzt damit einen will­kom­me­nen Kon­tra­punkt zum digi­ta­len Ursprung.

Titel Wilmot's Warehouse
AutorenRicky Hag­gett, Richard Hogg und David King
Illus­tra­tio­nenRichard Hogg
Dau­er30 45 Minuten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 6 Personen
Ziel­grup­pemerk­be­gab­te Familienspielrunden
Ver­lagCMYK
Jahr2025
Hin­weisVie­len Dank an den Ver­trieb Asmo­dee Ger­ma­ny für
die Bereit­stel­lung eines Rezensionsexemplars!

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