Archeos Society von Paolo Mori – erschienen bei den Space Cowboys
Das kann man wohl mal Transformation nennen: aus Riesen werden Botaniker, aus Zwergen Fotografinnen und aus Skeletten Söldner – was sonst eher genau anders herum der Fall ist. Allerdings ist dafür keine berufliche Weiterbildung verantwortlich, sondern ein Verlagswechsel von CMON zu den Space Cowboys. Somit wurde aus ETHNOS nun ARCHEOS SOCIETY und aus einem Fantasy-Mehrheitenkampf ein archäologischer Wettstreit.
Was bleibt unverändert? Die grundsätzliche Spielmechanik. Wir sammeln nach und nach Karten und spielen diese dann später farb-rein aus (z.B. ein Set aus grünen Karten). Oder wenn das nicht klappt, können wir auch gemischte Farbgebungen ausspielen – wenn stattdessen die Funktionen aller Karten übereinstimmen. Zwei Besonderheiten sind dabei zu beachten: ich kann die besondere Funktion einer ausgespielten Karte nutzen, was verschiedene kleine Aktionen oder Boni nach sich zieht. Außerdem muss ich meine Handkarten, die nicht in mein Set passten, nach Ausspielen des Sets in eine offene Auslage legen. An dieser offenen Auslage können sich dann alle beim Ziehen der Karten bedienen, wofür ansonsten auch ein verdeckter Nachziehstapel zur Verfügung steht.
Insgesamt stehen zwölf unterschiedliche Kartendecks mit ihren besonderen Funktionen zur Verfügung. Allerdings werden davon für eine Partie immer nur sechs Decks benutzt, sodass diesbezüglich eine hohe Kombinationsmöglichkeit besteht.
Was ist neu? Natürlich das Thema. Statt Stämme anzuführen und Mehrheiten in Königreichen zu erlangen, sind wir nun im archäologischen Dienst unterwegs und entdecken Kulturdenkmäler. Dieser Themenwechsel macht sich aber auch spielerisch bemerkbar. Denn in ARCHEOS SOCIETY gibt es im Gegensatz zu ETHNOS keinen Spielplan mehr, auf dem verschiedene Gebiete zu sehen sind. Statt sich dort um Mehrheiten zu streiten, schreiten wir jetzt konfliktarm auf sechs unterschiedlichen Leisten voran. Dort erhalten wir dann schrittweise Boni und vor allem an Ende der Runde Punkte.




Bei ARCHEOS SOCIETY spielen wir bei geringerer Spieleranzahl nur noch zwei statt drei Durchgänge, deren Ende durch das Auftauchen der drei weltberühmten Affen im Kartennachziehstapel ausgelöst werden. Bei ETHNOS waren es drei Drachen in festen drei Runden. Die meisten Kartenfunktionen sind unverändert, bei manchen mussten aber kleine Anpassungen an die Rahmenbedingungen vorgenommen werden.

Natürlich hat sich auch einiges am Material geändert. Statt stapelbarer Spielscheiben sind wir indessen mit unterschiedlich standfesten Transportmitteln ausgestattet, die wir auf die Leisten und die Zähltafel ablegen und fortbewegen. Die Leisten wiederum sind doppelseitig bedruckt und unterscheiden sich dabei ein wenig in ihren Eigenarten. Neben der anfänglichen Frage, welche Kartenfunktionen wir benutzen wollen, muss sich nun also auch noch entschieden werden, welche Orte wir erforschen wollen. Formal gesehen wird somit ARCHEOS SOCIETY abwechslungsreicher.



Wie gefällt mir der neue Anstrich? Geht so. Wenn es bei dieser Frage aber nur um den eigentlich "Anstrich" gehen sollte, dann wäre mein Fazit deutlich positiver. Denn die Gestaltung der Karten und Ortschaften ist dank der Arbeiten von John McCambridge schon sehr gelungen. Und mir gefällt auch das neue Thema besser, weil ich nicht schon wieder in einem Fantasy-Reich verschiedene generische Stämme gegeneinander antreten lassen muss.

Allerdings fehlt mir in ARCHEOS SOCIETY die Interaktion mit den Mitspielenden. Bei ETHNOS zofften wir uns um Mehrheiten in den Gebieten. Wenn jemand einen Stein in Althea legte, dann hatte das für mich wahrscheinlich Konsequenzen. Wenn jedoch jemand sein Fahrzeug bei Rapa Nui vorzieht, dann ist mir das meist egal, weil das für mich keine direkten Auswirkungen hat. Entsprechend weniger nehme ich emotional Anteil an den Zügen der Mitspielenden. Natürlich hoffe ich, dass bald wieder Karten in die offene Auslage kommen oder stöhne auf, wenn mir dort vor meiner Nase eine erhoffte Karte weggenommen wird. Aber ansonsten fühlt sich ARCHEOS SOCIETY deutlich solitärer an als ETHNOS. Damit liegt das Spiel zugegebenermaßen im aktuellen Trend, aber ich vermisse ein wenig das vertraute Hauen und Stechen um Mehrheiten.
Ein negativer Abschluss erfolgt übrigens immer zum Ende der Runde, wenn wir unsere Fahrzeuge auf der Wertungsleiste voranschreiten müssen. Die Anordnung dieser Felder kommt aus der Grafiker-Hölle. Ich habe wohl noch keine Partie erlebt, bei der keine Fehler beim Voranschreiten gemacht wurden. Ähnlich umständlich ist übrigens auch die Anleitung, der es leider an Klarheit und Übersichtlichkeit fehlt.
Die kleinen redaktionellen Veränderungen in ARCHEOS SOCIETY sind durchaus nachvollziehbar. So können wir bspw. nun zwei Karten vom verdeckten Nachziehstapel ziehen, wenn die Auslage leer ist. Allerdings ist diese Regel auch deswegen notwendig, weil die Anfangsauslage weniger Karten umfasst und gefühlt öfter die Auslage leer ist. Es fehlen etwas die Anreize, auch kleine Sets auszuspielen, weswegen mehr bis zum Handkartenmaximum gesammelt wird. Das Spiel verläuft somit etwas wellenförmig.
Was bleibt ist der interessante Kartenmechanismus, bei dem man bereits gesammelte Karten wieder abwerfen muss. Dies bedeutet, dass stets Entscheidungen getroffen werden müssen, die auch von Bedeutung sind, weil sich immer mal wieder neue Gelegenheiten ergeben. Enttäuschenderweise ist die große Veränderung der fehlenden Mehrheitenwertung in meinen Augen eine Verschlimmbesserung. Dadurch fehlt dem Spiel ein fordernder Spannungsbogen. Es plätschert den Großteil der Zeit vor sich hin und mir fehlen die Emotionen, die ich bei ETHNOS erleben kann.


| Titel | Archeos Society |
|---|---|
| Autor | Paolo Mori |
| Illustrationen | John McCambridge |
| Dauer | 60 Minuten |
| Personenanzahl | 2 bis 6 Personen |
| Zielgruppe | friedliebende Familienspielrunden |
| Verlag | Space Cowboys |
| Jahr | 2023 |
| Hinweis | für die Besprechung wurde vom Vertrieb Asmodee Germany ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |











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