Jedes Jahr fällt es mir schwerer, ein Fazit zur zurückliegenden SPIEL zu schreiben. Hauptsächlich habe ich das Gefühl, mich dabei zu wiederholen. Denn seien wir mal ehrlich: im Großen und Ganzen ähneln sich die jeweiligen Events. So könnte ich beispielsweise wieder problemlos über Toiletten-Warteschlangen schreiben oder über überfüllte Parkplätze. Trotzdem bringe ich es nicht übers Herz, diese Tradition einschlafen zu lassen. Denn selbst mir macht es Spaß, meine alten Fazit-Beiträge nochmals rückblickend durchzugehen. Das vermittelt ein Gefühl, als wenn ich alte Fotoalben durchblättern würde. Oder als ob ich Tagebuch geschrieben hätte – was wir dieses Jahr in Form eines Audio-Mitschnittes tatsächlich gemacht haben. Ohnehin wird sich die nächste Podcast-Folge nochmals intensiv mit der SPIEL auseinandersetzen. Bis dahin aber ein paar Gedanken zu den letzten Tagen: mein Fazit zur SPIEL 2025 in Essen ...
noch schneller ausverkauft
Im letzten Jahr durften wir erstmalig ein "ausverkauft" nicht nur bei Neuheiten erleben, sondern auch bei Tagestickets für die SPIEL. Dieses Jahr waren schon deutlich früher die jeweiligen Kapazitätsgrenzen erreicht und tatsächlich war dann im Laufe des Sonntags auch dieser komplett ausverkauft. Das ist sicherlich ein wirtschaftlicher Erfolg für die Messe, hat aber genauso sicherlich auch für das ein oder andere verstimmte Gesicht gesorgt. Spontan mal als Familie auf die Messe fahren? Das ist nicht mehr. Natürlich kann man dem entgegnen, dass dies für viele Veranstaltungen (Konzerte, Sportveranstaltungen und ja, auch Freizeitparks) gelten mag. Mit dem verherrlichten Blick auf die Vergangenheit ist es trotzdem immer noch ungewohnt – auch ich kann mich noch erinnern, wie ich mir morgens am Schalter ein Ticket gekauft habe. Auf alle Fälle wurde das Thema dieses Jahr frühzeitig kommuniziert. Schon im Sommer wurde deutlich gemacht, dass es nur noch Online-Tickets geben würde und es wurden auch regelmäßig Wasserstandmeldungen abgegeben.
Zusätzlich sind die Dauerkarten weggefallen. Das hat bei manch treuen Gruppen ebenfalls für Verstimmung gesorgt, weil das effektiv auch eine deutliche Kostenerhöhung mit sich brachte, wollte man alle vier Tage die Hallen besuchen. Allerdings waren für mich die Argumente der Messe (neben dem sicherlich nicht ungewollten monetären Aspekt) nachvollziehbar: mit dieser Regelung konnten mehr Menschen ein Angebot gemacht werden. Denn oftmals wurden die Dauertickets nicht für alle vier Tage genutzt, womit anderen Menschen die Möglichkeit verbaut wurde, die Messe besuchen zu können. Ich bin jedenfalls gespannt, ob sich das Publikum aufgrund dieser Änderungen langfristig verändern wird. Meiner Meinung nach fallen wohl Spontanbesuche der "Muggel" weg und die Veranstaltung ist nur noch für Hobby-Spielende zugänglich. Ist das ein Problem? Wahrscheinlich nicht. Erstens wächst diese Zielgruppe weiterhin und zweitens gibt es auch für Spiele-Muggel weiter ausreichende andere Angebote. Die SPIEL besitzt nun einmal Messe-Charakter und Messen sprechen meist gezielt die eigenen Interessengruppen an.
Professionalisierung – und Profitmaximierung?
Eines vorweg: der Merz-Verlag als Ausrichter der SPIEL in Essen ist ein Wirtschaftsunternehmen. Die Mitarbeitenden wollen über das Jahr fair bezahlt sein und es verlangt niemand, dass die Messe zum Allgemeinwohl kostenfrei angeboten werden soll. Seit dem Verkauf des Merz Verlages an die Spielwarenmesse eG ist vieles professioneller geworden. Zum Großteil wird das auch geschätzt. Ein Beispiel dafür war die neue Bühne in Halle 4. Ich weiß nicht, wie die Verlage im direkten Umfeld auf diese reagiert haben. Aber ich fand deren Beschallung auch nicht lauter als die HITSTER-Demorunden. Somit wurde jedenfalls das nicht zu verachtende Rahmenprogramm etwas prominenter präsentiert. Ich bin gespannt, wie diese Bühne in Zukunft bespielt werden wird und wie die Resonanz darauf ist.

Trotzdem vernimmt man auch ein Grummeln. Hauptsächlich bei den Verlagen oder Gruppierungen, die bisher kleine Messestände betrieben haben. Die Kosten für diese sollen deutlich in die Höhe gegangen sein und vermehrt habe ich gehört, dass ernsthaft überlegt wird, im nächsten Jahr nicht wieder dabei zu sein. Von vielen ist diese Frage schon ablehnend beantwortet worden. Auch wenn die Messe in der Fläche wächst, die Anzahl der Aussteller ist geringer geworden. Das lässt sich so erklären, dass die großen Player gerne mehr Fläche buchen und diese auch professionell bespielen. Es fallen dabei allerdings einige kleine Verlage aus dem Raster. Nostalgisch denkende Menschen haben nun die Angst, dass der Charakter der SPIEL verloren gehen wird. Denn oftmals sind es die vielen kleinen Verlage, die besonderen Charme versprühen. Die Spiele von Asmodee, Kosmos, Ravensburger oder Pegasus sieht man zuhauf im Einzelhandel. Die kleinen Geheimtipps wollen entdeckt werden – übrigens auch von den eben genannten Großen, die ihr Portfilio gerne mit Lokalisationen aufhübschen. In diesem Punkt sehe ich eine große Herausforderung für die Zukunft. Die Internationalen Spieletage sollen bunt bleiben – und dafür braucht es auch viele kleinere Verlage!

Eher verstörend finde ich dahingegen die alljährlichen Unkenrufe, dass die SPIEL nicht mehr lange in Essen sein wird. Geschäftsführerin Carol Rapp hat mal wieder versucht, solchen Gerüchten auf der eröffnenden Pressekonferenz den Wind aus den Segeln zu nehmen. Erfolglos, denn schon wieder wird teilweise geraunt, dass die SPIEL nur an größeren Messestandorten eine Zukunft haben wird. Ich glaube aus mehreren Gründen nicht daran. Erstens besteht durchaus noch Wachstumspotenzial in Essen und zweitens wissen alle Beteiligten den traditionellen Standort zu schätzen. Das Ruhrgebiet mit seiner Bevölkerungsdichte und Infrastruktur ist ein nicht zu unterschätzendes Pfund. Angrenzende Länder sind nicht allzu fern und die Anzahl an Parkplätzen sollte jetzt nicht ausschlaggebend sein.
Trendbarometer
Eines der schönsten Gesprächsthemen auf der Messe ist das Nachspüren des diesjährigen Trends. Und was kann ich von dieser Front berichten? Wenig. Ganz spontan hätte ich von Ameisen gesprochen. Sozusagen der Trend im Trend. Denn natürlich sind wieder jede Menge Spiele mit Naturthemen erschienen. Aber auch das nicht mehr als im letzten Jahr. So richtig einen Themen-Trend habe ich demnach nicht erkennen können.
Bei der Mechanik sind weiterhin Legespiele beliebt. Gerne eher solitär etwas entstehen lassen, als sich gemeinerweise etwas wegnehmen. Erstaunlich klein ist die Gruppe an Roll-and-Write-Spielen geworden, nachdem die doch in den letzten Jahren sehr ausgeprägt vertreten waren. Außerdem sind weiterhin ganz viele 2‑Personen-Spiele auf dem Markt. Vielleicht, weil sich diese einfacher testen lassen.
Ungebrochen ist der Trend, dass viel auf der SPIEL gekauft wird. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Spiele in diversen Tüten, Koffern und sonstigen Transportmöglichkeiten über die Messe transportiert werden. Die Anzahl an Brettspielrucksäcken ist dabei glücklicherweise zurückgegangen. Die großen Plastiktüten aus Ami-Land sehen zwar eindrucksvoll aus, halten aber zu selten Belastungstests stand. Gut angenommen wird anscheinend der Versandservice, den ich auch für eine gute Sache halte. Dieser darf gerne in Zukunft noch mehr beworben werden.



Klassentreffen
Die SPIEL ist und bleibt ein gefühltes Klassentreffen. Manchmal wird der Eindruck erweckt, die vielen Neuheiten sind eher Mittel zum Zweck, um sich mal wieder zu sehen. Und mir geht es ähnlich. Manche Menschen sehe ich leider nur einmal im Jahr auf der SPIEL – entsprechend groß ist die Freude, genau das auch zu tun.
Und über die Jahre wird diese Gruppe immer größer. Dabei können sich seltsame Rituale bilden, wie beispielsweise das Händeschütteln mit dem Brettspielminister. Mittlerweile scheinen schon Verlage diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen.


Marketing
Früher war mehr Lametta! Irgendwie fehlte mir dieses Jahr das Besondere. Okay, Maskottchen Meeps überzeugt und ist vor allem bei Kindern sehr beliebt. Aber ob wirklich ein Gesicht für die Messe benötigt wird, wage ich immer noch anzuzweifeln. Mháire Stritter als SPIELbotschafterin hat ihre Sache gut gemacht. Mich stört aber immer noch, dass nun schon zum zweiten Mal eine Person in Mittelaltertracht mich als Spielenden symbolisieren soll. Mir ist schon klar, dass ein Andreas Jung aus dem Spieletreff Detmold visuell nicht unbedingt einen Anker darstellt. Aber wird mit diesen Cosplay-Kostümen wirklich das Bild vom modernen Brettspiel vermittelt? Ich weiß nicht! Warum nicht mal eine "normalere" Person nehmen, von der bekannt ist, dass sie gerne spielt. Marc-Uwe Kling würde mir da beispielsweise einfallen.
Ansonsten war ich dankbar für jede kleine Eventisierung. Spielen im Zelt? Warum nicht. Ist doch durchaus lebensnah, auch wenn meine Knie das so nicht mitmachen würden. Ein Fest waren auch die Jungs von 7 WONDER DICE, die am Abend die zum Ausgang strömenden Menschen mit Würfel-Cocktails unterhalten haben. Von solchen Aktionen darf es gerne mehr geben!


Essen in Essen
Im letzten Jahr hatte ich diese Kategorie ausgelassen. Vielleicht aus Trauer, weil mein geliebter Baumstritzel-Stand nicht mehr vorhanden war. Aber ich habe neue süße Träume entdecken können. Ohnehin empfand ich das diesjährige Angebot wieder gut. Das schlechte Wetter hat zwar die Besuche an den Außenständen auf ein Minimum reduziert, aber die Vielfalt des Gebotenen war angenehm. Dass dabei Messepreise verlangt werden, ist auf einer Messe nicht verwunderlich. Und solange man sich auch noch die selbst geschmierte Stulle mitbringen kann, ist man auch nicht gezwungen, diese Angebote zu nutzen. Gut fand ich, dass nun auch in den einzelnen Hallen vereinzelte Stände aufzufinden waren. Das kann für die direkt anliegenden Verlage geruchstechnisch vielleicht etwas anstrengend sein, aber so mussten die Verlagsleute auch nicht stundenlang über die Messe huschen, um einen warmen Kaffee zu bekommen.


Abschluss
Zum Abschluss ende ich wie im letzten Jahr: ich danke allen Beteiligten von Herzen! Der Messeleitung, den Verlagen, den tollen Erklärbär:innen und den vielen vernünftigen Menschen, die insgesamt eine einzigartige, gelassene Stimmung erzeugt haben. Danke!








Ich bin empört, dass staatstragende Tätigkeiten hier als seltsame Rituale abgetan werden!
Endlich sagts mal jemand, ich finde die Botschafter auch sympatisch, aber sehr nerdig. Fühle mich aber auch nicht von Menzels Plüschtier repräsentiert ♂️ wo ist der kaukasische Mann um 45 mit Bauch? Das wäre doch das Maskottchen
P.S.
Schönes Fazit, Dank Messeerkältung kann ich all die schönen Nachberichte lesen...