London von Martin Wallace – erschienen bei Giant Roc
Machen wir doch mal wieder eine musikalische Einleitung. Der Song von The Clash passt zumindest halbwegs, denn auch das London in dem gleichnamigen Spiel deutet gewisse dunkle Ecken an. Davon zeigt das stylische Cover der 2nd Edition allerdings wenig. Wobei auch schon das Cover der ersten Edition den Mantel des Schweigens über die Armut ausbreitete.
Was bleibt unverändert? Der Kern von LONDON bleibt vollständig erhalten. Weiterhin spielen wir Karten aus, deren Aktion wir dann in einer "Verwaltungsaktion" auslösen – und damit meist auch direkt wieder unbrauchbar machen. Dabei gilt: Je mehr Kartenreihen wir vor uns liegen haben, umso mehr können wir tun. Allerdings sammeln wir auch für alle Kartenreihen Armut an, die uns am Ende ganz schön viel Punkte kosten kann. Die Kunst besteht somit darin, dabei ein gesundes Gleichgewicht zum eigenen Spiel wie zu den Mitspielenden zu finden.
Gleichgewicht ist auch das richtige Stichwort, wenn es um unsere Finanzen geht. In LONDON können wir jederzeit Kredite aufnehmen, die wir später natürlich teurer zurückzahlen müssen. Aber es gibt Situationen, wo eine gezielte Finanzspritze die richtige Medizin zu sein scheint.




Was ist neu? Die erste Edition besitzt einen Stadtplan als Spielplan. Ein solcher fehlt in der zweiten Edition; das Spielbrett fungiert nur noch als Ablage und als Verwaltungshilfe für Siegpunkte. Das bedeutet aber auch, dass die ursprünglich räumliche Komponente mit den einzelnen Bezirken und der verbindenden U‑Bahn entfällt. Allerdings sind beide nicht aus der Welt. Die U‑Bahn taucht als eigener Karteneffekt auf, die Bezirke sind auf eigene Karten ausgelagert. Davon sind immer drei in einer offenen Auslage im Angebot, die wir "erwerben" können. Damit verbunden sind Anpassungen unserer Armut und außerdem erhalten wir meist noch eine Sonderfähigkeit, die so lange aktiv ist, bis unsere Bezirkskarte von einer neuen überdeckt wird – die dann wieder eine eigene Sonderfähigkeit anbietet.
Zusätzlich erfolgten bei der Überarbeitung noch minimale Anpassungen bei einzelnen Karten. Mal wanderte eine Karte von Ära 2 in Ära 1 oder aber die Aktionen mussten auf die neue Bezirksmechanik angepasst werden. Diese Änderungen sind aber marginal, sodass sie kaum auffallen.
Auch wenn sich die Covergestaltungen deutlich voneinander unterscheiden, so ist ein Großteil der Kartenillustrationen unverändert geblieben. Allerdings hat sich das Layout der Karten geändert. Das neue ist schon sehr schick, auch wenn die Schrift unangenehm klein ist. Darüber hinaus mussten in der zweiten Edition noch zusätzliche Illustrationen für die einzelnen Bezirke erstellt werden, die sich sehr gut in den bisherigen Look integrieren.

Wie gefällt mir der neue Anstrich? Ausgesprochen gut. Durch den Verzicht auf den Stadtplan wird LONDON einen weiteren Tick eleganter. Der geniale Kartenmechanismus steht somit noch deutlicher im Fokus. So schlicht dessen Mechanik ist, so vielfältig können wir mit den Möglichkeiten spielen. Oftmals müssen wir mit Handkarten das Ausspielen unserer Karten bezahlen. Diese werden aber nicht etwa abgeworfen, sondern wandern in die offene Auslage. Ich muss demnach abwägen, welche Karten ich zum Bezahlen nutze. Manche möchte ich vielleicht später noch ausspielen, manche meinen Mitspielenden nicht gönnen. So einfach, so verzwickt. Der Verzicht auf den Stadtplan verbessert darüber hinaus auch etwas die Balance, die bisher durch die zentralen Bezirke manchmal etwas unausgewogen war.
Auch hinsichtlich der Ausstattung uns insbesondere bei der gewählten Symbolsprache überzeugt mich die zweite Edition. Wobei weiterhin Verbesserungspotenzial besteht. Immer noch fehlt eine Spielhilfe, die kurz und prägnant die wenigen Aktionen auflistet und erklärt. Ohne diese ist der Einstieg holpriger, als er sein müsste. Ebenfalls wäre eine Anpassung des 2‑Personen-Spiels hilfreich gewesen. Nicht ohne Grund gibt es diverse Tipps, welche Karten aussortiert werden können, damit das Spiel auch in dieser Konstellation knackig und zielstrebig bleibt. Ohne eine solche Reduzierung fühlt sich das Geschehen oftmals zu langatmig an, weil wir doch sehr repetitiv agieren.
Das sich ständig Wiederholende ist ohnehin das größte Manko von LONDON. Natürlich werden die Karteneffekte mit der Zeit mächtiger, aber wirkliche Spannungsbögen bietet LONDON ebenso wenig wie eine lebhafte Interaktion zwischen den Spielenden. Wir brüten oftmals schon sehr solitär vor unserer Auslage und versuchen die einzelnen Elemente optimal miteinander in Einklang zu bringen. Das muss gemocht werden. Ich kann dem viel abgewinnen. Ich finde es reizvoll, wie wir uns als Gruppe mit der Ausbreitung der Armut gegenseitig subtil beeinflussen. Wie wir abwägen, ob sich Kredite noch lohnen oder nicht. Wie wir auf bestimmte Karten hoffen. Das alles komprimiert LONDON in ein elegantes Kennerspiel mit überschaubaren Aktionen.

Titel | London 2nd Edition |
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Autor | Martin Wallace |
Illustrationen | Mike Atkinson, Natalia Borek und Przemysław Sobiecki |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | Kennerspielrunden |
Verlag | Giant Roc |
Jahr | 2024 |
Hinweis | Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
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