Faiyum von Friedemann Friese – erschienen bei 2F-Spiele
Halten wir die Einleitung kurz: Ja, ich hatte vorher keinerlei Ahnung, für was Faiyum steht. Für mich klang das im ersten Moment wie eine KRAZY WORDS Kreation. Nicht ganz falsch der Gedanke, wie die erfolglose Eingabe von Faiyum in Suchmaschinen zeigte. Das Cover bringt einen aber auf die richtige Spur. Denn erst wenn man ein wenig an den Buchstaben schraubt, findet man bei Wikipedia einen passenden Eintrag.
Thema... vor langer langer Zeit wurde das Faiyyum-Becken in Ägypten urbanisiert – und wir dürfen diese Entwicklung nachspielen. Also werden Krokodile vertrieben, Ackerland hergestellt und Straßen und Siedlungen errichtet. Ganz klassische Spielmanns-Kost also – zumindest wenn man das grundsätzliche Thema betrachtet. Allerdings gibt es schon feine Nuancen, die zu beachten sind. Wir bauen nämlich im Auftrag des Pharao an einer gemeinsamen Infrastruktur und somit stehen von mir errichtete Städte und Wege auch allen anderen zur weiteren Verfügung.
Illustrationen... entstammen der Feder von Harald Lieske und kommen entsprechend in seinem bekannten Stil daher. Somit darf man keine knalligen Farben und all zu viel verspielte Details erwarten. Auch wenn manche Mitspielenden die grafische Aufmachung als hässlich empfunden haben, passt meiner Meinung nach dieser reduzierte Stil sehr gut zum Thema. Außerdem wird man beim Spielen nicht durch all zu viel Schnörkel abgelenkt und man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Ausstattung... ist wie die Grafik ein wenig Old School: viel Holz, viele Karten und ein paar Pappmarker. Dabei sind die Krokodile und die Waren allerdings keine kleinen bunte Würfelchen, sondern schön modellierte Holzteile. Die Wege und Brücken sind auch noch als solche erkennbar, Siedlungen, Städte und Betriebe kommen allerdings eher abstrakt daher (und glücklicherweise nicht als Plastikminis). Der eigentliche Treibstoff des Spiels sind allerdings die Karten. Diese sind nummeriert und bis auf die jeweiligen Startkarten einzigartig, so dass auch ein eigener Almanach für diese Karten beiliegt. Im Spiel gibt es einen Markt, über den man sich mit neuen Karten versorgen kann. Dabei liegen immer die 4 Karten mit den niedrigsten Nummern in der aktuellen Auslage und 4 weitere Karten als zukünftiges Angebot bereit. Wird eine Karte aus der Auslage genommen oder entfernt, dann werden neue Karten nachgezogen und über deren Nummer in die richtige Reihenfolge gebracht.
Ablauf... im Kern ist FAIYUM ein Deckbau-Spiel. Ist man an der Reihe, spielt man eine Karte offen aus und führt die damit verbundene Aktion aus. Bspw. spielt man einen Bauern, in dem man eine Arbeiterfigur auf ein Getreidefeld stellt und dafür Weizen als Rohstoff einnimmt. Als Alternativen dazu kauft man sich entweder eine neue Karte vom Markt direkt auf die Hand oder sorgt dafür, dass die ausgespielten Karten wieder auf die Hand zurück kommen. Genau bei diesem Punkt setzt aber eine Besonderheit ein. Denn man bekommt kostenlos lediglich die letzten drei ausgespielten Karten wieder zurück, jede weitere muss man bei Einhaltung der Reihenfolge zusätzlich bezahlen. Mit dieser nicht grundlos als Verwaltung bezeichneten Aktion erhält man auch Einkommen und es werden Karten aus dem Markt entfernt. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, auf dem Spielplan eingesetzte Arbeiter wieder in den allgemeinen Vorrat zu befördern.
Diese Arbeiter sind Teil der zweiten Besonderheit von FAIYUM: man besitzt kein eigenes Spielmaterial! Alle Arbeiter, Straßen, Siedlungen usw. kommen aus dem allgemeinen Vorrat. Sind dort keine Arbeiter mehr vorhanden, kann ich auch keine Aktion mehr spielen, die dafür das Setzen eines Arbeiters benötigt. Später kann ich Punkte über Wege generieren, die ich vielleicht selbst gar nicht gebaut habe.
Es wird immer einmal der gesamte Kartenstapel der 60 Aktionskarten durchgespielt. Wann welche Karten jedoch auf dem Markt angeboten werden, ist dem Zufall überlassen. Das Spielende wird eingeleitet, wenn bestimmte Karten aus einem vorher zur Seite gelegten "Letzte-Züge"-Nachziehstapel aufgedeckt wurden. Dann können alle noch ihre Handkarten ausspielen oder für eine bestimmte Punktanzahl passen – so ist es bestimmt nicht von Nachteil, wenn man vorher noch Karten wieder auf die Hand genommen hat.
Das gefällt mir nicht so gut: Aufgrund der zufälligen Verteilung der Aktionskarten können "unrunde" Partien entstehen. Dann schließen sich manche Spielweisen aus bzw. manche Strategien werden übermächtig. Dem hätte man Einhalt gebieten können, wenn man bspw. die Karten in drei Sektionen unterteilt hätte, womit sichergestellt wäre, dass anfangs nur niedrige Kartennummern im Markt autauchen. Aber so entwickelt Friedemann Friese seine Spiele nicht. Dieses leicht chaotische Element ist gewollt. Dabei muss man auch die ein oder anderen Unwucht erleben. Man kann sich aber mit dem Gefühl trösten, dass wohl jede Partie einzigartig ist. Im seltenen Extremfall verleidet einem dieses Chaos aber schon mal eine Partie. Das muss man abkönnen, was aber aufgrund der Spieldauer von gut zwei Stunden manchmal leicht dahin gesagt ist. Ich selbst sehe dieses Element eher gelassen, da für mich auch solche speziellen Partien ein Erlebnis sind. Ich kenne aber auch Personen, mit denen ich aufgrund dieser Designentscheidung kein FAIYUM spielen würde.
Zusätzlich muss allen klar sein, dass eine erste Partie lediglich eine Kennenlernpartie darstellt. Dort kann man kein gezieltes Spielen erwarten. Alle Punkte werden im Laufe der Partie über die Karten erzeugt, die man anfangs noch nicht kennt. Es gibt keine ausufernde Endwertung mit Belohnungen für diese oder jene Ressourcen. Das bedeutet, dass man mit der Zeit ein Gefühl für die im Spiel befindlichen Karten entwickeln muss. Erst wenn man darüber einen Überblick hat, wandelt sich das Spiel von rein taktischen Entscheidungen hin zu Entwicklungen von Strategien. Das ist sicherlich etwas ungewöhnlich und bedarf einer gewissen Entdeckungsfreude. Auch in diesem Punkt habe ich eine gewisse Ablehnung erlebt, da manche gerne von Anfang an erfassen wollten, in welche Richtung sie zu spielen haben.
Nicht ganz glücklich bin ich aber mit einem Detail. Vor allem bei Partien mit vier oder fünf Personen werden gerne einmal die Arbeiter knapp, da diese alle recht zügig auf dem Spielplan verteilt sind. Diese werden dort erst wieder geräumt, wenn einzelne Personen ihre Verwaltungsaktion durchführen. Dabei kann man dann bis zu zwei Arbeiter wieder zurück in den Vorrat legen – und anderen damit eine wunderbare Vorlage geben. Bei uns ist es dann öfters vorgekommen, dass man darauf verzichtet hat, da man selbst nichts mehr davon hätte. Wenn das allgemeiner Konsens ist, dann gerät das Spiel etwas in Schieflage. In diesem speziellen Fall hätte ich es besser gefunden, wenn man so viele Arbeiter abräumen kann, wie auch Personen am Spiel teilnehmen. Dann wäre sichergestellt, dass man selbst zumindest noch einen Arbeiter setzen kann – und eine solche Partie wäre weniger destruktiv.
Ansonsten ist man anfangs gerne etwas verwirrt, wie das nun mit den Details zu "bebaut", "benachbart", "verbunden" und "getrennt" ist. Irgendwie fehlt vielen diesbezüglich die Griffigkeit, damit es im Kopf klick macht. Die goldene Regel heißt: ein Feld gilt als bebaut sobald sich etwas anderes als ein Arbeiter oder ein Krokodil darauf befindet. Vielleicht hätte man für diese Begrifflichkeiten nochmals eine zusätzliche Übersicht beilegen sollen, die kurz und prägnant solch Vokabular erklärt.
Der Solo-Modus hat mich übrigens nicht überzeugt. Dieser funktioniert, erzeugt aber ein ganz anderes Spielgefühl als die Mehrpersonenspiele – und dieses Solo-Gefühl gefällt mir nicht. Der Solo-Modus ist in erster Linie eine knackige Optimierungsaufgabe. Dabei fehlen dann jedoch die ganzen interaktiven Elemente, für die ich FAIYUM schätze. Wahrscheinlich wäre somit als Solo-Modus ein Automa besser geeignet gewesen als die vorliegende Highscore-Kampagne.
Das gefällt mir gut: FAIYUM verlangt ein gewisses Umdenken beim Deckbau. Ähnlich wie auch bei AEONS END muss man sich Gedanken machen, in welcher Reihenfolge man die Karten ausspielt und somit ablegt. Karten mit starken Aktionen spielt man natürlich gerne frühzeitig – aber dann liegen diese ziemlich weit unten in der Ablage, womit es teuer werden kann, diese wieder auf die Hand zu nehmen. Wartet man aber zu lange mit der Aktion, kann man sie vielleicht gar nicht mehr nutzen, da das Feld mittlerweile belegt ist oder keine Arbeiter mehr zur Verfügung stehen. Somit ist es ein ständiges Abwägen, was man nun am besten in welcher Reihenfolge macht. Außerdem muss man sich mit der Zeit entscheiden, welche Karten man nur deswegen spielt, damit sie von der Hand sind und nicht mehr aufgenommen werden. Dieses daraus entstehende spezielle Spielgefühl finde ich sehr reizvoll.
Ebenso wägt man auch ziemlich bei der Markt-Aktion ab. Die Nachrückkarten sind bestimmt attraktiv, aber man kann sich nicht sicher sein, ob sie auch wirklich schon in der nächsten Zeit ins Angebot rücken. Also das Geld sparen und auf die Karte warten oder lieber doch vorher schon eine andere Karte kaufen? Schließlich ist Geld meistens knapp und der Markt manchmal recht dynamisch. Denn schnell kann es passieren, dass eine anvisierte Karte von einer anderen Person gekauft oder durch eine durchgeführt Verwaltung aus dem Spiel genommen wurde. Mit ein wenig Spielerfahrung versucht man, immer eine ausreichend große Menge Geld zurück zu halten, um vermeintlich starke Karten sofort kaufen zu können. Allerdings darf man dieses Verhalten auch gerne kritisch hinterfragen. Denn natürlich zockt man dabei, da man nicht weiß, wann diese Karten überhaupt ins Spiel kommen. Vielleicht wäre es also besser, sich mit dem Spatz in der Hand zu begnügen und die weniger starke Aktion dafür öfters durchführen zu können.
Zusätzlich ist FAIYUM recht interaktiv. Es ist von großer Bedeutung, was die anderen am Tisch machen. Bauen sie Strukturen, die ich bald nutzen kann? Werden sie gleich eine Verwaltung durchführen? Wird eine Karte am Markt gekauft, so dass ich mir meine Wunschkarte auf einmal doch leisten kann? Wird gleich das Spielende eingeleitet und sollte ich mir noch schnell meine Karten wieder auf die Hand holen? In FAIYUM spielt niemand einfach nur vor sich hin und zu fünft spielt es sich deutlich anders als wenn man es zu zweit spielt. Das liegt auch am besonderen Thema. Wir bauen nicht für uns, sondern zusammen für den Pharao! Das sollte man verinnerlichen. Denn dementsprechend gibt es auch fast alle Siegpunkte über das Bauen. Je größer und prestigeträchtiger das Bauwerk ist, umso mehr Punkte gewinne ich. Alles andere wie Ressourcen erwerben, Krokodile vertreiben, Waren tauschen usw., das ist nur Mittel zum Zweck. Ich will für den Pharao bauen! Wer dies beherzt thematisch spielt, wird erfolgreich spielen.
Die grafische Gestaltung empfinden manche als altbacken. Allerdings fördert dieser reduzierte Stil die Konzentration auf das Wesentliche, zumal der auch der ägyptische Bezug gewahrt bleibt. Die Symbolsprache ist anfangs vielleicht etwas verwirrend, aber dennoch logisch und nachvollziehbar. Besonders angetan bin ich von der liebevollen Ausstattung. Auch wenn der goldene Palast maximal nur zweimal gebaut werden kann, so liegen konsequenterweise auch zwei kleine vergoldete Holzhäuschen bei. Zusätzlich möchte ich auch noch die Anleitung loben – insbesondere die darin integrierte Nervensäge Roland, die immer die richtigen Zwischenfragen stellt, welche dann auch prompt beantwortet werden.
Fazit: FAIYUM kommt auf den ersten Blick relativ gewöhnlich daher, weist aber doch einige Raffinessen auf. Um diese vollumfänglich erleben zu können, benötigt man Spielerfahrung und eine gute Kenntnis der Karten. Somit will FAIYUM nach und nach erkundet werden und man wird dabei vielleicht auch mal "unrunde" Partien erleben. Somit ist FAIYUM auch ein typischer Friedemann Friese Titel. Durchaus an die Bedürfnisse der Hobbyspieler angepasst, trotzdem aber auch Überraschungen auf Lager habend. Bleibt nur die Frage, warum der Pharao auf dem Titel keine grünen Haare hat?
| Titel | Faiyum |
|---|---|
| Autor | Friedemann Friese |
| Illustrationen | Harald Lieske |
| Dauer | 120 Minuten |
| Personenanzahl | 1 bis 5 Personen |
| Zielgruppe | Kennerspielrunden der Sharing-Generation |
| Verlag | 2F-Spiele |
| Jahr | 2020 |
| Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |



















> Ausstattung... ist wie die Grafik ein wenig Old School
Das liebe ich an diesem Spiel. Natürlich mag das nicht jeder, aber ich bevorzuge Holz und klares Design.
> Dem hätte man Einhalt gebieten können, wenn man bspw. die Karten in drei Sektionen unterteilt hätte, womit sichergestellt wäre, dass anfangs nur niedrige Kartennummern im Markt autauchen.
Das wirklich eine Partie total aus den Fugen gerät, weil ziemlich früh im Spiel eine hohe Karte kaufbar ist, haben wir in einem dutzend Spiele noch nicht erlebt. Denn es liegen ja immer acht Karten aus, und nur die vier niedrigsten können gekauft werden. D.h. es müssen schon fünf von acht Karten "zu hoch" sein. Außerdem werden ja schon bei Spielbeginn einige Karten in den "Endspielstapel" gemischt.
Ich kann mir die Situation aber vorstellen, auch wenn wir sie noch nicht erlebt haben. Die Karten vorher in zwei oder drei Stapel zu teilen ist sicherlich eine praktische Hausregel, wenn man das Rikiso eliminieren möchte. Oder man minscht mehr hohe Karten in den Endspielstapel.
> Vielleicht hätte man für diese Begrifflichkeiten nochmals eine zusätzliche Übersicht beilegen sollen, die kurz und prägnant solch Vokabular erklärt.
Absolut. Ich wünsche mir auch sowas wie ein FAQ oder eine Seite mit häufig vergessenen Regeln oder sowas.
Es sind zwar natürlich alle Regeln in der Anleitung erklärt, doch wie man u.A. im BGG Forum sieht, gibt es immer wieder Unklarheiten, was den Straßenbau angeht.