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kritisch gespielt: The Great Split

The Great Split von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva – erschienen bei Horrible Guild

The Great Split - Box
Bild: Hor­ri­ble Guild

Da ich kein Ein­zel­kind bin, muss­te ich mich schon früh mit dem The­ma "gerech­tes Tei­len" aus­ein­an­der­set­zen. Dabei gab es – je nach per­sön­li­chen Vor­lie­ben für das jewei­li­ge Objekt – sehr unter­schied­li­che Vor­ge­hens­wei­sen. Zumin­dest ist dabei aber kein Ereig­nis der­ma­ßen in Erin­ne­rung geblie­ben, dass wir auf Fami­li­en­fei­ern von einem "The gre­at Split"erzählen. Aber viel­leicht haben wir alle die Erin­ne­rung dar­an nur erfolg­reich ver­drängt und in spä­te­ren Jah­ren kommt dann doch noch eine pas­sen­de Anek­do­te zum Vorschein.

The­ma... wahr­schein­lich sind wir aber schlicht in der fal­schen Gesell­schafts­schicht unter­wegs. Denn will man der Rah­men­hand­lung von THE GREAT SPLIT glau­ben, dann müss­ten wir nur unend­lich reich und berühmt sein – und schon wären wir Gäs­te der exklu­sivs­ten Gala­nacht des Jah­res! Dort ver­su­chen wir dann auf die Schnel­le eine Samm­lung von Luxus­gü­tern auf­zu­bau­en, in deren Glanz die ande­ren vor Neid erblas­sen. Dabei machen wir uns gegen­sei­tig Ange­bo­te, denen nie­mand wider­ste­hen kann.

The Great Split - Charaktere
Cha­rak­te­re mit Charakter

llus­tra­tio­nen… sind unver­kenn­bar von Weber­son Sant­ia­go. In sei­nem ihm eige­nen Stil glän­zen haupt­säch­lich die weni­gen Cha­rak­ter­kar­ten. Ansons­ten ver­mit­telt die Gestal­tung bei mir das Gefühl der Bel­le Épo­que. Wahr­schein­lich schla­gen nun Kunst­in­ter­es­sier­te mit ent­spre­chen­dem Exper­ten­wis­sen die Hän­de über dem Kopf zusam­men, aber ich bin dies­be­züg­lich auch wahr­lich ein Banause.

The Great Split - Ausstattung

Aus­stat­tung… passt ziem­lich gut zum The­ma, da deut­lich mehr geklotzt als gekle­ckert wur­de. Für sie­ben Mit­spie­len­de ste­hen dop­pel­la­gi­ge Tableaus zur Ver­fü­gung. Dar­auf sind ganz vie­le Leis­ten abge­bil­det, auf denen wir dann klei­ne Res­sour­cen­mar­ker aus Holz ver­schie­ben wer­den. Auch der zen­tra­le Spiel­plan ist dop­pel­la­gig aus­ge­führt, weil dort eine Zeit­leis­te mit einem Mar­ker bedient wird. Der dort abge­bil­de­te Kunst­markt wird eben­falls durch eine Schie­be­leis­te verändert.

Das ist aller­dings alles nur Ver­wal­tungs-Bei­werk. Denn der eigent­li­che Motor des Spiels sind die Res­sour­cen­kar­ten. Die­se tau­schen wir im Spiel mit unse­ren Mit­spie­len­den, wofür alle extra noch ein klei­ne Umschlä­ge bei­lie­gen, die aller­dings nicht so ein­fach zu ver­schlie­ßen sind.

The Great Split - Start
das Spiel beginnt

Ablauf… inner­halb von sechs Run­den ver­su­chen wir auf unse­ren Leis­ten so weit wie mög­lich nach rechts zu wan­dern, um damit ganz viel sieg­brin­gen­de Pres­ti­ge­punk­te zu sam­meln. Der Weg dort­hin ist ein­fach, aber doch auch ver­zwickt. Aus unse­rem Hand­kar­ten­an­ge­bot stel­len wir zwei Pake­te zusam­men, die wir so nach links wei­ter­ge­ben. Die Split-Kar­te sorgt dafür, die bei­den Pake­te unter­schei­den zu kön­nen. Die somit beschenk­te Per­son sucht sich nun eines die­ser bei­den Kar­ten­pa­ke­te aus und gibt mir das ande­re mit der Split-Kar­te zurück. Zeit­gleich bekom­me ich von rechts eben­falls die Aus­wahl an zwei unter­schied­li­chen Kar­ten­pa­ke­ten und behal­te eines davon. So habe ich am Ende der Run­de zwei klei­ne Kar­ten­sta­pel, die ich nun ein­zeln abhan­de­le. Dazu gehe ich pro ange­zeig­tem Sym­bol auf den ent­spre­chen­den Leis­ten auf mei­nem Tableau vor. Sto­ße ich dabei ans Ende an, habe ich Pech gehabt, kann aber als Notak­ti­on für die Kar­te noch einen Pres­ti­ge­punkt oder eine Geld­ein­heit erhal­ten. Zusätz­lich darf ich für mei­ne Split-Kar­te auf einer belie­bi­gen Leis­te auch noch einen Schritt voranschreiten.

The Great Split - Spielbrett
das zen­tra­le Spiel­brett führt durch die Partie

Nach der drit­ten und vier­ten Run­de gibt es jeweils zwei Zwi­schen­wer­tun­gen für die ein­zel­nen Berei­che. Die­se Wer­tun­gen wer­den am Ende noch­mals wie­der­holt und dann folgt noch die fina­le Endwertung. 

Vor jeder Run­de zie­hen wir übri­gens noch neue Res­sour­cen­kar­ten nach und müs­sen auch wel­che abwer­fen, wenn wir ein ste­tig wach­sen­des Hand­kar­ten­li­mit über­schrit­ten haben. Dabei wer­den die nach­zu­zie­hen­den Kar­ten ten­den­zi­ell wer­ti­ger, so dass eine stu­fen­wei­se Stei­ge­rung erfolgt.

Das gefällt mir nicht so gut: Das Spiel­ge­fühl wird von der Mecha­nik domi­niert. Das The­ma kommt zu kei­ner Pha­se des Spiels in den Köp­fen der Spie­len­den an. Ob die lila­far­be­ne Leis­te nun Kunst­wer­ke oder statt­des­sen alte Foli­an­ten dar­stel­len soll, ist völ­lig uner­heb­lich. Die somit kaum vor­han­de­ne Immersi­on wird unter­schied­lich wahr­ge­nom­men. Ich als beken­nen­der Wür­fel­schub­ser habe damit kein Pro­blem und ich erfreue mich an der Mecha­nik. Aber ein nicht uner­heb­li­cher Teil mei­ner Mit­spie­len­den hat etwas Fleisch auf den Kno­chen gefehlt. Die­se Per­so­nen wären lie­ber spür­ba­rer in eine The­ma­tik ein­ge­bun­den gewe­sen, damit ihre Ent­schei­dun­gen sich bedeu­ten­der anfüh­len, als ledig­lich auf einer Leis­te von links nach rechts zu rücken.

The Great Split - Angebot
Nein, die Mäpp­chen müs­sen nicht geschlos­sen werden!

Die vor­der­grün­di­ge Nüch­tern­heit der Gestal­tung unter­stützt das Gefühl, dau­ernd ledig­lich Ver­wal­tungs­ar­bei­ten durch­zu­füh­ren. Ich selbst neh­me das Art­work anders war. Mir gefal­len die wei­ßen Flä­chen mit den weni­gen Akzen­ten und ich fin­de die ein­zel­nen Spiel­ele­men­te dadurch sehr gut zu lesen. Aber auch bei die­sem Aspekt kann ich die gegen­tei­li­ge Mei­nung nach­voll­zie­hen, zumal wei­ße Klötz­chen auf wei­ßem Hin­ter­grund nicht gera­de die cle­vers­te Ent­schei­dung ist. Bis auf die Cha­rak­ter­kar­ten, die ledig­lich am Anfang einen Start­bo­nus und am Ende einen Punk­te-Mul­ti­pli­ka­tor ein­füh­ren, lenkt nichts von der domi­nie­ren­den Mecha­nik ab und es kann das Gefühl auf­kom­men, vor einer Tabel­len­kal­ku­la­ti­on am Bild­schirm zu sit­zen. Es fehlt etwas die Ver­spielt­heit, die in der Cover­ge­stal­tung ange­deu­tet wird, sich dann aber als fal­sche Ver­spre­chung ent­puppt. Und nein, in die­sem Zusam­men­hang sind die klei­nen Umschlä­ge eher hin­der­lich und för­dern kei­ne Immersi­on. Denn wer möch­te ernst­haft die­se Din­ger jedes mal schlie­ßen und dann wie­der auf­fud­deln wollen?

Ähn­lich wie bei 7 WONDERS inter­agie­re ich ledig­lich mit mei­nen direkt benach­bar­ten Mit­spie­len­den. Was an ande­rer Stel­le des Tisches pas­siert, ist mir ziem­lich egal. Die Tat­sa­che, dass ich Kar­ten immer nur in eine Rich­tung wei­ter­ge­be, ver­stärkt die­ses iso­lier­te Gefühl. Aber ich kann schon nach­voll­zie­hen, war­um zwi­schen den Run­den kein Rich­tungs­wech­sel pas­siert und die Inter­ak­ti­on beschränkt ist. Denn nur so kön­nen sich die ein­zel­nen Kar­ten­decks ent­wi­ckeln. Zusätz­lich bin ich schon aus­rei­chend damit beschäf­tigt, mich in mei­ne lin­ke und rech­te Sei­te hin­ein­zu­ver­set­zen. Ich hät­te ein Pro­blem, wenn ich nun auch noch Über­lun­gen für wei­te­re Mit­spie­len­de tref­fen müsste.

Die Cha­rak­ter­kar­ten geben etwas die Rich­tung vor, in die ich mich bewe­gen soll­te. Gibt mir die­se Kar­te am Ende bspw. zusätz­li­che Bücher, dann soll­te ich die­sen Bereich nicht völ­lig ver­nach­läs­si­gen. In der Pra­xis kann aber genau das pas­sie­ren, wenn par­tout nicht die ent­spre­chen­den Kar­ten bei mir ankom­men wol­len. Ent­we­der, weil die­se an ande­rer Stel­le gehor­tet wer­den oder weil sie schlicht noch im Nach­zieh­sta­pel ver­steckt sind, wenn man in klei­ne­ren Grup­pen spielt. Die­ser Glücks­an­teil ist vor­han­den. Aller­dings emp­fin­de ich die­sen nicht als zu stö­rend – zumal ich mehr davon genervt wäre, vor jeder Par­tie erst ein­mal alle Kar­ten an die teil­neh­men­de Per­so­nen­an­zahl anpas­sen zu müssen.

The Great Split - Detail
Leis­ten­schie­ben nicht als Selbstzweck

Das gefällt mir gut: In der Recher­che zu die­sem Bei­trag bin ich auf einen span­nen­den Arti­kel auf Spek­trum gesto­ßen. Die­ser beschreibt das Prin­zip des neid­frei­en Tei­lens unab­hän­gig von der Per­so­nen­an­zahl. Den dort vor­ge­stell­ten Algo­rith­mus müs­sen wir bei THE GREAT SPLIT aber gar nicht nut­zen und wir kön­nen uns auf das Prin­zip beschrän­ken, das der besag­te Arti­kel schon der Bibel (1. Buch Mose) zuschreibt: Abra­ham zieht eine Gren­ze und Lot wählt, wel­ches Stück Land er besit­zen will. Den ver­blei­ben­den Teil erhält dann Abra­ham. Die­ses "Kuchen­tei­lungs-Prin­zip" nach dem Mot­to "ich schnei­de, du wählst aus" fin­den wir immer mal wie­der in Spie­len (DYNASTIES: HEIRATE & HERRSCHE oder auch ABER BITTE MIT SAHNE etc.) – und immer wie­der fin­de ich die Ent­schei­dun­gen dabei span­nend. Denn dau­ernd gilt es, die rich­ti­gen Ange­bo­te abzu­wä­gen. Das ist auch der eigent­lich Kern von THE GREAT SPLIT und die­ser wird gut getrof­fen. Ja, ich muss Ver­wal­tungs­auf­wand betrei­ben und Mar­ker auf Leis­ten ver­schie­ben. Aber in ers­ter Linie bin ich den Groß­teil mei­ner Zeit am Abwä­gen, was ich und mei­ne Mit­spie­len­den gebrau­chen kön­nen und was nicht.

Beson­ders gut an THE GREAT SPLIT gefällt mir die Dyna­mik. Durch die ste­tig ins Spiel dazu­kom­men­den Kar­ten habe ich das Gefühl, das mei­ne Ent­schei­dun­gen immer wich­ti­ger wer­den. Denn schließ­lich wer­den die Beloh­nun­gen auch immer grö­ßer. Auf der ande­ren Sei­te schafft es das Spiel aber auch, im rich­ti­gen Moment auf­zu­hö­ren. Die sich wie­der­ho­len­de Mecha­nik wür­de sich bestimmt nicht län­ger als die etwa 30 bis 45 Minu­ten der sechs Spiel­run­den tra­gen. So aber kom­men nach und nach die Zwi­schen­wer­tun­gen hin­zu, bis kurz danach schon die End­wer­tung auf uns war­tet. Und weil wir alle bei der Ver­wal­tung nicht auf­ein­an­der war­ten müs­sen, kann die­se auch gut gleich­zei­tig durch­ge­führt wer­den, womit kaum Pau­sen auf­tre­ten. Die­ses neben­ein­an­der spie­len kann auch nega­tiv bewer­tet wer­den. Ich freue mich dahin­ge­gen, dass mal wie­der ein Spiel für bis zu sie­ben Per­so­nen das in die­sem Seg­ment eher maue Ange­bot bereichert.

The Great Split - Karten
die Kar­ten als allei­ni­ger Motor rei­chen völ­lig aus

Eine Stär­ke von THE GREAT SPLIT ist, dass es sich weit­ge­hend auf die Stär­ke des Kuchen­tei­lungs-Prin­zips ver­lässt. Die­ses ist viel­leicht nicht jeder­pöp­pels Sache, aber mir fehlt kein wei­te­rer Mecha­nis­mus, der das Spiel nur kom­pli­zier­ter macht. Bis auf die weni­gen zusätz­li­chen Boni-Schrit­te auf dem Tableau wird das Spiel nur durch sei­ne Kar­ten und unse­re Ent­schei­dun­gen getragen.

THE GREAT SPLIT funk­tio­niert übri­gens auch über­ra­schend gut zu zweit. Die Regeln blei­ben größ­ten­teils unver­än­dert, ledig­lich am Anfang der Run­de kön­nen wir eine Kar­te mehr zie­hen. So sind etwas mehr Kar­ten im Umlauf und die Wahr­schein­lich­keit einer unglück­li­che Ver­tei­lung wird etwas redu­ziert. Uner­fah­re­ne Run­den sind recht schnell in das Spiel inte­griert, auch wenn denen die Zwi­schen­wer­tun­gen bei der Erklä­rung meist etwas zu kom­pli­ziert sind – da die­se lei­der auch nicht durch das Mate­ri­al erklärt wer­den. Nach­dem die­se dann aber ein­mal durch­ge­führt wur­den und es klick gemacht hat­te, wur­de meist im Anschluss noch eine Revan­che-Par­tie gefordert.

Fazit: Von außen betrach­tet ist THE GREAT SPLIT nur ein Leis­ten­ge­schie­be – und das nicht wirk­lich vor­han­de­ne The­ma unter­stützt die­se The­se. Aller­dings darf nicht ver­ges­sen wer­den, wie viel in der eigent­li­chen Spiel­pha­se in unse­ren Köp­fen pas­siert. Wer sich dar­auf ein­las­sen kann, wird meist mit span­nen­den Spiel­ver­läu­fen belohnt. Mir per­sön­lich gefällt das Gesamt­pa­ket trotz klei­ner Schwä­chen gut – auch wenn ich wahr­schein­lich nie in die Ver­le­gen­heit kom­me, bei einer exklu­si­ven Gala­nacht mit mei­nen Neu­erwer­bun­gen prot­zen zu können.

TitelThe Gre­at Split
AutorHjal­mar Hach und Loren­zo Silva
Illus­tra­tio­nenWeber­son Santiago
Dau­er45 Minu­ten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 7 Personen
Ziel­grup­petei­len­de Familienspielrunden
Ver­lagHor­ri­ble Guild (im deut­schen Ver­trieb bei Hei­del­Bär Games)
Jahr2022
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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