04–2025: Doppelagentin Marian (aus Agent Avenue)
Zugegebenermaßen fremdele ich ein wenig mit dem Trend, Spielcharaktere als anthropomorphe Tiere darzustellen. Allerdings kann ich die Verlage schon verstehen, wenn ich manche Diskussionen im Internet verfolge. Warum sollen sie das Risiko eingehen, sich rechtfertigen zu müssen, nur weil sich eine Gruppe angegriffen fühlen will. Wobei diese Wortwahl von mir kritisch zu hinterfragen ist. Denn vielleicht sind die Hinweise auch gerechtfertigt und eine große Masse lediglich ignorant? Wo ist da die Grenze? Welche Seite hat recht und welche unrecht? Das ist nicht einfach aufzulösen und somit sind die anthropomorphen Tiere sicherlich ein geschickter Schachzug – und somit eine gute Überleitung. Bei AGENT AVENUE wissen wir auch nicht, wo wir stehen. Welchen Angeboten können wir trauen und welchen nicht? Hilft uns die Füchsin Marian oder soll sie nur ablenken? So gesehen ist die Metadiskussion um anthropomorphe Tiere ein Abbild der Spielmechanik und die Doppelagentin eine passende Stellvertreterin.
"Marian ist die perfekte Doppelagentin. Stets überaus höflich, immer adrett gekleidet, geistreich in Konversationen – und nie wirklich greifbar. Auf welcher Seite sie nun steht? Hilft sie mir oder schadet sie mir? Kann ich ihr vertrauen oder nicht? Oder ist sie am Ende gar keine Agentin und bewohnt schlicht die Arlington Road ohne Hintergedanken?"
AGENT AVENUE von Christian und Laura Kudahl (erschienen bei Nerdlab Games) erinnert ein wenig an GESCHICKT GESTECKT. Wir machen unserem Gegenüber ein Angebot aus zwei Karten: eine offen, eine verdeckt. Eine davon muss genommen werden, wir erhalten die andere in unsere eigene Auslage. Und wofür machen wir das Ganze? Über die Kartenwerte laufen wir einen Rundkurs entlang und wollen die andere Figur einholen. Dieses sehr anschauliche Spielprinzip ist eine große Stärke von AGENT AVENUE. Denn dieser bildliche Wettlauf ist spannender und emotionaler als wenn wir am Ende lediglich Punkte zusammenzählen würden. Dabei bietet AGENT AVENUE mehr als reines Bluffen, schließlich können wir aktiv Fallen stellen – mit der Gefahr, dass wir selbst in diese tappen werden. Das ist großes Kino im kleinen Kartenspielformat. Leider hat das Spiel auch kleinere Schwächen. Durch eine ungünstige Kartenverteilung kann es passieren, dass ich kaum echte Entscheidungen treffen kann und mich dann versuche irgendwie durchzulavieren. Auch ähneln sich die Partien recht oft, was dann durch die Hinzunahme des Schwarzmarktes unterbunden werden sollte. Dieser kann allerdings manchmal richtig heftig in die ein oder andere Richtung ausschlagen, was auch nicht von allen gemacht wird. Trotzdem ist AGENT AVENUE ein besonderes Spiel, welches insbesondere durch seinen leichten Einstieg überzeugt. Und aufgrund der kurzen Spielzeit wird oftmals eine direkte Revanche eingefordert – und gerne gewährt.
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