In den letzten Jahren fand die SPIEL in Essen Anfang Oktober statt. Das hatte den Vorteil, dass das Wetter noch Richtung Spätsommer tendierte und nicht so eklig nass wie in diesem Jahr war. Aber ein später Termin hat andere Vorteile. Mit etwas Glück wird die Zeit umgestellt und die zusätzliche Stunde Schlaf kann sehr wertvoll sein. Außerdem haben die Verlage mehr Zeit, ihre Spiele rechtzeitig zur Messe zu transportieren. Und auch diese frühzeitig schon zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls hatte ich dieses Jahr das Gefühl, dass ich im Vorfeld bereits einen Riesenbatzen an Neuheiten kennenlernen durfte. Trotzdem gibt es natürlich weiterhin eine Vielzahl von Neuheiten, die ich auf der Messe erstmals gespielt habe. Und – die Tradition verlangt es – somit kann ich nun die positiven Überraschungen der SPIEL 2025 vorstellen.
Dabei habe ich mich größtenteils auf deutschsprachige Neuheiten beschränkt. Einige der großen Messehits kannte ich schon oder erhalten an anderer Stelle ausreichend Aufmerksamkeit. Deswegen habe ich nachfolgend ein paar Spiele ausgesucht, die vielleicht noch nicht im Fokus stehen. Dabei bin ich selbst gespannt, wie diese Titel sich im Laufe der Zeit bewähren werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass manche nachhaltig zu überzeugen wissen und manche den guten Ersteindruck leider nicht bestätigen können. Um das herauszufinden, gilt wie immer: spielen, spielen, spielen!
LIMIT von Alexandre Poyé (erschienen bei Ludonaute bzw. Spielworxx)
Die Grundidee von LIMIT basiert auf der der Studie "Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit". Somit beinhaltet das Spiel einen besonderen Clou. Denn oberflächlich gesehen ist LIMIT ein klassisches Zivilisationsspiel mit unterschiedlichen Entwicklungen in den Bereichen Bevölkerung, Produktion und auch Militär. Allerdings sind Ressourcen der Welt endlich und mit reiner Punkteoptimierung erhalte ich ein fragiles System und löse Krisen aus, die alle Mitspielenden betreffen. Augenscheinlich ist LIMIT somit weniger typisches Enginge-Buildung, sondern eher eine Spielwiese für mögliche Simulationsläufe. Was wird passieren, wenn ich anfangs nicht in Bildung, sondern direkt nur in die Wirtschaft investiere? Wenn ich nicht nur die reiche Klasse unterstütze, sondern auch die ärmste?
Auf der Messe habe ich nur lediglich Runden von LIMIT gespielt und meine Erfahrung beruht lediglich auf dieses Erlebnis und eine erhaltene Regelerklärung. Aber das Erlebte hat mich beschäftigt und ich habe sehr großes Interesse, dieses System genauer kennenzulernen. Das Spiel wird noch faszinierender mit dem Wissen, dass dies das letzte Spiel aus dem Hause Ludonaute ist – die unter anderem deswegen den Verlag schließen wollen, weil sie keine Lust mehr auf das Hamsterrad Brettspielindustrie haben. Ist das vielleicht eine direkte Auswirkung? Haben sie sich so intensiv mit diesem Thema befasst und damit die eigene Rolle hinterfragt?
KILIA von Lars Ehresmann (erschienen bei Huch!)
Es soll Menschen geben, die mit der grafischen Gestaltung von KILIA wenig anfangen können: alles schreit nach JASE (diese Abkürzung steht ketzerisch für "just another soulless Eurogame")! Und weil das so ist, hatte ich großes Interesse an diesem Spiel. Denn als bekennender Würfelschubser habe ich überhaupt kein Problem mit JASE, sofern das Spiel als solches überzeugt.
Und das machte KILIA in seinem Erstkontakt als fluffiges Kennerspiel. Eigentlich wollten wir bloß ein paar Runden anspielen. Weil es aber so geschmeidig flutschte, haben wir es dann doch schnell bis zum Ende durchgespielt. Die ganz große Innovation suchen wir vielleicht vergeblich, aber die verwendeten Mechanismus-Zutaten sind stimmig aufeinander abgeschmeckt. Weil dabei auch der Zufall eine Rolle spielt, müssen wir oftmals taktisch agieren, auch wenn wir das ein oder andere übergeordnete Ziel nicht aus dem Blick verlieren sollten.
Nun wird die Zukunft zeigen müssen, wie unterschiedlich sich die einzelnen Partien spielen. Der Erstkontakt hat zumindest dafür gesorgt, dass ich diesen Prozess aktiv erleben will. Und ich finde die grafische Gestaltung übrigens sehr passend und schön!
NINETY NINE von Reinhard Staupe (erschienen bei KENDi)
Klassische Kartenablegespiele erfreuen sich dauerhaft an Beliebtheit. Meistens laden diese Spiele dazu ein, stakkatohaft Karten in die Mitte zu kloppen und damit Nachfolgende zu ärgern. NINETY NINE ist ähnlich, hat dabei aber einen ganz eigenen Rhythmus. Denn in meinem Zug spiele ich idealerweise alle meine sechs Handkarten ab, bevor ich darauf warte, wieder an der Reihe zu sein
Die Kunst von NINETY NINE liegt darin, die vielfältigen Ablegemöglichkeit im Auge zu haben und optimal auf meine Kartenhand anzuwenden. Denn auf die zwei Karten umfassende Ablage darf ich immer Karten legen, die die gleiche Farbe aufweist, deren Wert die Zielkarte um genau 1 überschreitet oder die zusammen mit der Zielkarte den Summenwert 10 ergibt. Auf den ersten Blick glaubt man gar nicht, was damit für Kombinationen möglich sind. Doch mit ein wenig Übung erkennt man schnell mögliche Optionen.
NINETY NINE kann vielleicht darunter leiden, dass in manchen Gruppen das Thema Downtime eine Rolle spielen wird. Der Erstkontakt hatte noch nicht das Problem, sodass wir uns gut unterhalten gefühlt haben.
BIDDLE von Ralf zur Linde und Carsten Rohlfs (erschienen bei AMIGO)
Das Prinzip der Stichansage ist nun im Würfelspiel angekommen. Ähnlich wie bei KÖDER (eine Neuheit des Ostia Verlages) sollen wir in BIDDLE prophezeien, wie gut wir später würfeln werden. Zu Beginn einer Runde wird uns eine Aufgabe angezeigt und schrittweise können wir uns dann mit den zur Verfügung stehenden Versuchen unterbieten.
Das Besondere dabei ist, dass sich dabei dauernd neue Teams zusammenfinden. Habe ich eben noch mit Tine zusammen gebibbert, dass wir im letzten zur Verfügung stehenden Wurf noch eine 1 würfeln, feuere ich in der nächsten Runde lauthals die Würfel an, damit Tine mit dem letzten Versuch scheitern wird.
Somit ergibt sich in BIDDLE eine interessante Gruppendynamik. Das ist ein Fest für Table Talk und bestenfalls eine gesellige Würfelorgie.
TAILOR MASTER: NEW CHALLENGE 4+ EXPANSION von Splash Duang (erschienen bei Whales Entertainment)
Ein kleines englischsprachiges Nischenspiel habe ich auch noch im Angebot. Im Normalfall blocke ich vieles ab, was noch nicht in deutscher Sprache veröffentlicht wird – irgendwie muss ich mit der begrenzten Ressource Zeit zurechtkommen. Aber natürlich schaue ich gerne über den Tellerrand, wofür sich insbesondere die Neuheitenshow anbietet. Und dabei bin ich dieses Jahr über TAILOR MASTER gestolpert. Am Stand habe ich dann schnell lernen müssen, dass die ausgestellte Version lediglich eine Erweiterung des Basisspiels ist. Allerdings mit der kostensparenden Eigenschaft, dass dafür das Grundspiel nicht wirklich benötigt wird. Aufgrund der schöneren Farbgestaltung habe ich dann lediglich diese Erweiterung gekauft.
Das Prinzip von TAILOR MASTER ist altbekannt: ich suche auf einer bunten Auslage das passende Muster, damit ich darüber die entsprechende Aufgabenkarte gewinne. Das Besondere ist in meinen Augen die stimmige Aufmachung. Denn zum Thema passend ist die Auslage ein Stofftuch – schließlich sollen wir Hosen und Hemden schneidern. Eine entsprechende Schablone legen wir dann auf das Tuch und wenn wir darin das richtige Muster wiedererkennen, haben wir schon die Aufgabe gelöst.
Wie gesagt, innovativ ist das nicht und sicherlich auch nicht preiswürdig. Aber als kleine Besonderheit im heimischen Spieleregal war mir das einen Kauf wert.


















Kommentar hinzufügen