Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Jahr wieder ein abschließendes Fazit zur SPIEL 2024 aufschreiben soll. Eigentlich ist doch vieles schon gesagt und zusätzlich werden wir in unserer nächsten Podcast-Folge ebenfalls noch mal über unsere Eindrücke sprechen. Auf der anderen Seite hat ein solcher Beitrag auch etwas chronistisches. So habe ich eben mit Interesse nochmals meine alten Fazit-Beiträge gelesen. Und da ein Fazit gerne auch kurz ausfallen darf, schreibe dann doch ein paar Gedanken nieder...
ausverkauft
Das heimliche Motto der SPIEL 2024 lautete sicherlich "ausverkauft". Erst waren alle Aussteller-Flächen in den Hallen ausverkauft, dann die Dauer- und nach und nach auch die Tagestickets, schließlich auch viele Neuerscheinungen. Letzteres kennen wir aus den Vorjahren. Aber die ausverkauften Tagestickets haben doch für viel Verwunderung und teilweise auch Entsetzen gesorgt. War man es gewohnt, am ausgewählten Tag bequem eine Eintrittskarte am Ticketschalter zu kaufen, mussten nun spontane Tagesausflüge in Essen und Umgebung geplant werden. Nachvollziehbarerweise war dies dann verbunden mit Gemotze und Gezeter. Allerdings darf man schon fragen, ob ein solches Verhalten – was man schon immer so gemacht haben will – nicht auch etwas naiv war. Unglücklicherweise hat die Messeleitung aber deutlich zu spät die Themen "Kapazitätsgrenzen" und "Kontingentbildung" von sich aus angesprochen, so dass nun auf die harte Tour gelernt wurde. Ich bin jedenfalls gespannt, wie der sich der Ticketverkauf im nächsten Jahr darstellen wird – und ebenfalls, ob der Versuchung widerstanden wird, die Preise deutlich zu erhöhen. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre das sicherlich sinnvoll, aber ich möchte mir den Glauben erhalten, dass auch noch andere Antriebe bestehen.
Durch die vorgegebenen Kontingente war die Messe voll – durch die angepasste Flächenaufteilungen der Stände sind die Wege aber breiter geworden und im Normalfall kam man recht zügig von A nach B. Insbesondere dann, wenn man die Freiflächen als Laufwege nutzt, was nicht nur wegen der Sauerstoffzufuhr zu befürworten ist. Wollte man dahingegen schlendern, so konnte man sich gut von der Masse treiben lassen. Natürlich stockt es dann auch mal an der ein oder anderen Stelle und die langen Donnerstagsschlangen werde ich immer noch nicht verstehen. Warum stelle ich mich dort an, wenn ich vorbestellt habe und die Sachen gemütlich am Nachmittag abholen kann? Aber der Mensch ist ein unergründliches Wesen.
Man merkt trotzdem, dass die Infrastruktur teilweise an die Grenzen stößt. Allerdings haben die Veranstalter wenig Einfluss auf die Anzahl der angebotenen Toiletten und durch langjährige Erfahrung kenne ich glücklicherweise die entsprechenden Geheimtipps. Manchmal war ich von den übervollen Mülleimern genervt – allerdings nur kurz, denn meist waren in der Nähe schon Service-Leute am Werk. Die waren auch in den Toiletten unermüdlich im Einsatz – vielen Dank dafür.
Noch schöner fände ich es aber, wenn am Eingang nochmals darauf hingewiesen wird, dass voluminöse Brettspielrucksäcke verboten sind. Dann muss man sich vielleicht auch als Ordner unbeliebt machen und die Person wegschicken. Aber diese Dinger nerven kolossal, weil die tragenden Personen überhaupt kein Gefühl dafür haben, was in ihrem Ausschwenkbereich hinter ihnen passiert. Bollerwagen, Rollkoffer und Sackkarren finde ich zwar auch nervig, aber damit kann ich eher noch leben.
Trend verpennt?
Auf der Pressekonferenz an Tag 0 wurde verkündet, dass neben dem Dauerthema Natur nun Musik als Trend ausgemacht wurde. Diesen Gedankengang konnte ich nicht nachvollziehen, zumal als Untermauerung von HISTER gesprochen wurde, was nun ja wirklich keine echte Neuheit mehr ist. Davon angestachelt habe ich die Neuheitenshow auch dazu genutzt, Trendthemen herauszufinden. Entgegen der offiziellen Meinung habe ich dabei statt Musik Katzen wahrgenommen. Es gab keinen Gang, an dem nicht mindestens ein Katzen-Spiel präsentiert wurde.
Als Trend-Mechanik habe ich wiederum festgestellt, dass dieses Jahr sehr viele Stichspiele präsentiert wurden. Das scheint vor allem in den USA das große Ding zu sein. Diese Spiele müssen sich nun aber gegen all die in Europa verbreiteten traditionellen Stichspiele behaupten, was meiner Meinung nach nicht einfach wird. Die wenigsten neuen Stichspiele haben mich jedenfalls überzeugt, aber vielleicht bin ich da auch überkritisch.
Zielgruppendurchmischung
Ich muss nochmals kurz auf die Trend-Katze zu sprechen kommen. Denn natürlich war auch das Messe-Maskottchen Meeps omnipräsent. Es gab Selfie-Points, zu kaufende Plüschtiere und auch ein leibhaftiger Meeps wandelte durch die Gänge. In der Hobbyisten-Blase wird das eher abfällig kommentiert. Allerdings empfinde ich dieses Gehabe als abgehoben. Das Messepublikum ist bunt und alles andere als homogen – und das ist auch gut so. Neben den Nerds, die sich selbst vornehmlich in Halle 3 verorten, gibt es eben auch ganz viele andere Menschen, die sich schon von der Vielfalt in Halle 6 erschlagen fühlen. Umso schöner, wenn beide Gruppierungen sich wohlfühlen.
Wenn also die Blase lieber so etwas wie eine Convention hätte (ganz viel Platz zum Spielen und in einer Ecke dürfen sich die Verlage zur Not auch noch präsentieren – und am Ende soll das alles nichts kosten), dann hat das nicht mit dem eigentlich gewollten Messecharakter zu tun, den der Großteil der Besuchenden genau dafür schätzt. Die Mischung macht es und ich hoffe, dass diese auch erhalten bleibt.
Dazu gehört auch, dass die SPIEL nicht nur Gesellschaftsspielen eine Heimat bietet, sondern auch Rollenspielen. Die früheren Comics fehlen zwar, aber trotzdem fand ich es bemerkenswert, wie sehr z.B. der Pegasus-Verlag das Rollenspiel auf der Messe gefördert hat. Ich kann mir zwar kaum vorstellen, in diesem Lärm ein Abenteuer erleben zu wollen. Die stets vollen Kabinen haben aber gezeigt, dass viele Menschen das anders sehen.
Wo geht die Reise hin?
Das ist die spannende Frage. Dies ist die zweite Spiel unter neuer Leitung und die Unterschiede zu den Jahren davor waren überall spürbar. Manche Fehler aus dem Jahr davor (hüstel – Neuheitenshow – hüstel) wurden behoben, Optimierungsbedarf herrscht weiterhin. Ich weiß nicht, wie die Resonanz des diesjährigen Educators Day war. Ich habe aber im Vorfeld vernommen, dass viele Lehrkräfte den Freitag besser fanden, weil dieser als Fortbildungstag genutzt werden konnte. Auf der anderen Seite konnten nun Leute kommen, die früher nicht frei bekommen haben. Das wird sich sicherlich einpendeln, wie viele andere Sachen auch. Ich bin jedenfalls froh, dass die Messe in Bewegung bleibt, dass etwas ausprobiert wird. Vielleicht ist bald auch Halle 7 mit Verlagsständen gefüllt, wenn die Nachfrage von Seiten der auszustellenden Verlage und auch des Publikums weiterhin so hoch bleibt. Vielleicht erlebe ich nochmals ein funktionierendes Parkkonzept, wobei mir bestens bewusst ist, dass sich dieses besser darstellen würde, wenn die Menschen den Anweisungen folgen würden. Ich bin aber zuversichtlich, dass dies im Jahr 2025 besser laufen wird – auch, weil dann vielleicht weniger parallele Veranstaltungen in Essen bestehen und ohnehin kein Feiertag sein wird. Ich mache vieles mit, da ich immer mit tollen Treffen und Begegnungen belohnt werde – und die ein oder andere tolle spielerische Neuerscheinung ist meist auch dabei.
So ende ich wie im letzten Jahr: ich danke allen Beteiligten. Der Messeleitung, den Verlagen, den tollen Erklärbären und den vielen vernünftigen Menschen, die insgesamt eine einzigartige, gelassene Stimmung erzeugen. Danke!
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