Inori von Mathieu Aubert und Théo Rivière – erschienen bei den Space Cowboys
INORI hat einen gewissen Klang! Hinter diesem Titel muss doch ein tieferer Sinn stecken, oder? Also schnell mal das Wort in die Suchmaschine eingeben ... und nun bin ich ein wenig überrascht. Denn ich hätte mehr Treffer abseits des Brettspiels erwartet. Zumindest habe ich nun gelernt, dass "Inori" ein japanisches Wort ist (祈り) und mit "Gebet" übersetzt wird. Ganz grob passt das irgendwie auch zum Spiel.
Thema... hat nichts mit Japan zu tun, aber mit Altaren, Geistern und – ganz dem Zeitgeist entsprechend- natürlich mit Natur. Wir leben im Inori-Tal unter dem Laubdach des heiligen Großen Baumes. Jedes Jahr errichten wir Altare und bringen den uns umgebenden Waldgeistern Opfergaben dar, um damit ihre Gunst zu erhalten.
Konkreter wird das Thema nicht. Und wie so oft ist das alles lediglich eine Einbettung, um die Mechaniken ansatzweise greifen zu können. Allerdings verfängt das im Fall von INORI nicht, denn auch mit Esoterik wird nicht erlebbar, warum ich nun für die eine Sache Punkte bekomme und für die andere nicht.
Illustrationen... stammen von Suzanne Demontrond und setzen das Thema farbenfroh um. Die Symbole sind auch eindeutig, so dass ich mit der Gestaltung wunschlos glücklich sein könnte – wenn mir dieses ganze Naturgedöns nicht so langsam auf die Nerven gehen würde. Irgendwie bin ich in der Hinsicht müde und deswegen kann ich die Arbeiten leider nicht so würdigen, wie sie es eigentlich verdient hätten.
Ausstattung… kommt auch ohne Kunststoff wohlgeordnet daher. Auf uns warten großformatige Karten, unterschiedliche Holzmarker sowie ein Spielplan, um die Auslage sowie die Siegpunkte zu organisieren. Augenfällig sind vor allem die vielen bunten Gunstmarker aus Holz. Diese sammeln wir im Laufe der Partie, um darüber wiederum während und nach der Punkte zu erhalten.
Anfangs werden auf den Spielplan zufällige Startkarten in die Mitte gelegt. Auf der linken Seite stehen und dauerhafte Aktionen zur Verfügung, über die wir später auch die Wertigkeiten der einzelnen Gunstfarben bestimmen. Dahingegen werden auf der rechten Seite vorerst Figurenmarker von uns platziert, die wir dann im Laufe der Partie noch in unseren Vorrat bekommen.
Ablauf… ist einerseits ganz simpel, andererseits aber auch so verzwickt, dass der Spielverlauf erst einmal verinnerlicht werden will. Im Kern ist INORI ein Worker-Placement-Spiel kombiniert mit Mehrheitenwertungen. Erst im Laufe der Partie legen wir durch Aktionen fest, wie viele Punkte die einzelnen Mehrheiten unserer gesammelten Gunstmarker am Ende ausschütten.
Diese Gunstmarker bekommen wir durch das Einsetzen unsere Figuren auf den einzelnen Karten. Manchmal einfach so, manchmal aber auch nur, in dem wir andere Gunstmarker abgeben. Zusätzlich können wir auf manchen Einsetzfeldern auch direkt Siegpunkt abstauben.
Jede der vier Runden endet dann, wenn wir alle keine Figuren mehr einsetzen können. Jetzt wird überprüft, ob auf den Karte alle Einsetzfelder vollständig belegt sind. Ist das der Fall und bin ich auf der Karte mit einer Figur vertreten, dann bekomme ich Punkte für die dominierende Farbe dieser Karte. Im Anschluss wird für die nächste Runde eine neue Karte gezogen, die am Ende wieder für die eben gewertete Farbe Punkte generiert. Sollte die Karte allerdings nicht vollständig belegt worden sein, werden auch keine Punkte ausgeschüttet und es wird eine Karte nachgelegt, die dann in der nächsten Runde für eine andere Farbe Punkte bringt.
Pro Runde kommt eine zusätzliche Karte ins Spiel, die meistens auch eine zusätzliche Figur von uns frei schaltet. So gibt es immer mehr Auswahl, wir haben aber auch mehr Figuren, um diese nutzen zu können.
Das gefällt mir nicht so gut: Ein Spielelement habe ich bisher noch nicht erwähnt – vielleicht auch, weil ich davon genervt bin. Über ein bestimmtes Aktionsfeld kann ich zufällig ein Runensteinplättchen ziehen, was mir dann im weiteren Verlauf einmalig einen Vorteil ermöglicht. Das können ganz lapidar 2 Gunstmarker einer Farbe sein, ich kann aber auch Figuren verschieben oder mich auf ein bereits besetztes Feld setzen. Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Manchmal hat diese zusätzliche Möglichkeit einen enormen Einfluss, manchmal bleibt das Plättchen wegen Nutzlosigkeit bis zum Ende unaufgedeckt vor mir liegen. So zufällig wie der Erhalt ist auch die Wirkung. Allerdings verändern diese Plättchen meiner Meinung nach zu stark den Charakter des Spiels. Es sind die einzigen verdeckten Informationen in einem Spiel, das ansonsten nur offene Informationen bietet. Der Reiz von INORI ist das Abwägen, das Durchrechnen, das Planen der Mehrheiten – und über all dem schweben nun nicht einschätzbare Sonderplättchen. Wahrscheinlich sollen diese das Spielgefühl auflockern, es weniger berechenbar machen. Aber dadurch wird meiner Meinung nach dem Spiel seine Klarheit und somit seine Stärke genommen.
INORI ist im Grunde ein abstraktes Mehrheitenspiel. Wir sammeln farbige Steine und versuchen darüber Siegpunkte zu gewinnen. Allerdings wird über das aufgesetzte Thema und die überbordende grafische Gestaltung ein Brimborium veranstaltet, dass mehr ablenkt als hilft. Von den einzelnen Spielkarten werden etwa 15 Prozent der Fläche für spielrelevante Informationen genutzt, der Rest sind Illustrationen einer Welt, die in keinem Zusammenhang zur Mechanik steht. Die Aktionen auf der linken Spielfeldseite gehen fast völlig in der rosa-dominierenden Gestaltung des Spielplans unter. Zusätzlich können die weißen Figuren gerne mal mit den hellgelben Figuren verwechselt werden.
Auf mechanischer Ebene funktioniert das Spiel zu zweit. Allerdings ist das wie so oft bei Mehrheitenspielen: mit mehr Personen ist auch mehr Feuer vorhanden. Deswegen spiele ich INORI lieber nicht als Duell. Zu zweit ist mir INORI zu statisch, spiele ich zu sehr meinen eigenen Stiefel herunter. Es besteht die Gefahr, dass wir nebeneinander herspielen und uns gar nicht gegenseitig in die Suppe spucken. Aber auch zu viert überzeugt mich INORI nicht. In dieser Konstellation erhalten wir erst in der vorletzten Runde weitere Figuren. Das ist zu spät. Denn mit mehr Konkurrenz schwindet ohnehin schon der eigene Einfluss auf das Spielgeschehen. Zusätzlich haben die Startkarten für das 4‑Personenspiel für mich noch die unschöne Eigenart, dass alle Karten über zusätzliche Einsetzfelder Runensteine ins Spiel bringen können.
Mir wird gerne scherzhaft vorgeworfen, dass ich dem Deckel einer Spielbox zu wenig Liebe entgegenbringe. Mich interessiert z.B. in keinster Weise die gemeinsame Ausrichtung des Deckels zum Boden. Ist alles Material verstaut? Super, dann Deckel drauf und gut ist! Bei INORI komme ich dabei aber ins Stutzen. Denn der Deckel schließt nicht richtig. Das eigentlich gut durchdachte Inlay ist etwas zu hoch. Nur wenn wir die Karten fest reindrücken, schließt der Deckel kurzzeitig bündig – um sich dann aber von Zauberhand wieder anzuheben. Ist das schlimm? Keinesfalls! Es fällt nur auf.
Das gefällt mir gut: das "gute alte" Mehrheitenspiel ist etwas aus der Mode gekommen – INORI zeigt, dass dieser Mechanismus aber immer noch seine Daseinsberechtigung hat. Natürlich ist das Spielgeschehen etwas denklastig, da die einzelnen Optionen durchdacht werden wollen – zumal die Entscheidungen in INORI alles andere als trivial sind. Oftmals muss ich von der Farbe Gunststeine abgeben, die ich eigentlich am Ende der Runde für die Wertung benutzen will. Der Umweg, sich erst neue Gunststeine in dieser Farbe zu besorgen, kann schnell zu einer Irrfahrt werden, wenn in der Zwischenzeit das anvisierte Einsetzfeld schon besetzt wurde. Oder ich schiele darauf, dass sich in der nächsten Runde die Wertungs-Farbe der Karte ändert und dann wird auf einmal die bestehende Karte doch noch vollständig gefüllt und mein Plan ist zunichte gemacht worden. In den besten Momenten ist INORI ein Hauen und Stechen um die besten Plätze. Dann ist Leben am Tisch, denn selten bleiben die einzelnen Züge unkommentiert. Im Vergleich zu vielen modernen Spielen, die gerne als multisolitär bezeichnet werden, befeuert INORI die selten gewordene direkte Konkurrenz auf dem Spielplan.
Dabei besitzt INORI einen passenden Spannungsbogen. Mit jeder Runde wachsen die Möglichkeiten, wir bekommen dafür aber meist jeweils eine Figur mehr zur Verfügung. Bin ich am Anfang noch auf sehr auf die Mitspielenden angewiesen um Wertungen auszulösen, kann ich diese am Ende auch alleine herbeiführen. Aber ist das effizient? Sollte ich nicht lieber versuchen, bei den Plänen der Anderen mitzuschwimmen?Aber was haben diese denn eigentlich für Pläne? Und wieder muss ich Entscheidungen treffen, die sich bedeutend anfühlen.
Mit der grafischen Gestaltung bin ich nicht ganz glücklich, aber das weitere Porduktdesign ist topp. Das Insert ist durchdacht und und das Material wertig: Holzsteine fühlen sich nun einmal besser an als Pappplättchen oder Plastiktoken. Die Anleitung ist gut strukturiert und lässt im Zusammenspiel mit den verständlichen Symbolen keine Fragen offen.
Fazit: Aufgrund der Vielschichtigkeit bei den Wertungen fühlt sich INORI anfangs etwas sperrig an. Doch spätestens mit der zweiten Partie werden die gegenseitigen Abhängigkeiten erkannt und dann beginnt der Kampf um die besten Plätze und Mehrheiten. Allerdings stört die zu viel Raum einnehmende thematische Einkleidung sowie das Zufallselement der Runensteinen. Zusätzlich ist INORI in meinen Augen nur für das Spiel mit drei Personen überzeugend. Das ist in Summe zu wenig.
Titel | Inori |
---|---|
Autoren | Mathieu Aubert und Théo Rivière |
Illustrationen | Suzanne Demontrond |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | Familienspielrunden |
Verlag | Space Cowboys |
Jahr | 2024 |
Hinweis | Vielen Dank an den Vertrieb Asmodee Germany für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
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