Corinth von Sébastien Pauchon – erschienen bei Days of Wonder
Von Isfahan nach Korinth sind es Luftlinie etwa 3.200 km. Laut Google Maps würde man zu Fuß etwa 600 Stunden benötigen – wobei mir dabei nicht klar ist, wie dabei die Fährfahrt über die Ägäis eingerechnet ist. Auch fehlt die Angabe über die Reisezeit mit einem Kamel. Aber warum sollte mich das überhaupt interessieren? Korinth ist schon offensichtlich – schließlich behandelt dieser Beitrag das Brettspiel CORINTH. Aber Isfahan? Die Älteren unter den Mitlesern können sich vielleicht noch an YSPAHAN erinnern. Und jetzt kommt das Aha-Erlebnis: CORINTH wurde nicht grundlos lange Zeit während der Entwicklung als YSPAHAN – DAS WÜFELSPIEL bezeichnet. Aus dem Brettspiel von damals wurde nun ganz zeitgemäß ein Roll-and-Write-Spiel. Allerdings fehlen nun die Kamele!
Thema... als Händler in Corinth bieten wie unsere Waren feil, schicken einen treuen Gehilfe durch das Gewirr der Marktstände und züchten nebenbei Ziegen. Am Spielende sind wir dann vielleicht der erflogreichste Kaufmann aller Zeiten. Oder so ähnlich, denn ein wirkliches Gefühl für das Thema kommt beim Spielen nicht auf. Im Endeffekt setzt man ganz abstrakt Würfel ein und versucht so viele Punkte wie möglich zu machen.
Illustrationen… sind Julio Cesar (unter Mithilfe von Cyrille Daujean) und gefallen mir recht gut. Alles wirkt frisch und ohne den Ballast einer 13-jährigen alten Vorlage. Allerdings fehlen Kamele – da kann selbst die freche Ziege nichts dagegen machen.
Ausstattung… ist, wie es sich für ein Roll-and-Write-Spiel gehört, überschaubar – trotz einer eher großen Box. Die Größe der Box wird hauptsächlich durch die großformatigen Spielerbögen bestimmt, die die Würfelergebnisse festhalten. Leider fehlen nicht nur Kamele im Spiel, sondern auch hilfreiche Stifte in der Box. Dafür sind Würfel vorhanden, die erstaunlich kantig daher kommen. Ganz im Geiste von YSPAHAN sind einige davon auch gelb eingefärbt.
Zusätzliche Spielerbögen gibt es übrigens als Download direkt beim Verlag.
Ablauf… nimmt den genialen Würfelauswahlmechanismus von YSPAHAN auf. Der aktive Spieler würfelt alle Sechskanter und verteilt diese auf dem Tableau. Alle Würfel mit dem kleinste Wert kommen nach unten, alle Würfel mit dem höchsten Wert (meist die 6, manchmal aber auch die 4) werden ganz oben abgelegt. Die restlichen Werte werden von unten nach oben aufgefüllt. Der aktive Spieler nimmt sich nun alle Würfel eines Feldes und macht dafür entsprechende Kreuze auf seinem Spielerbogen. Reihum dürfen dann die Mitspieler nachziehen.
Zwei Besonderheiten sind dabei noch zu beachten. Als aktiver Spieler kann man sich zusätzliche gelbe Würfel hinzukaufen, die dann nur für einen selbst gelten. Alle gelben Würfel werden dann nach der eigenen Wahl von der Ablage entfernt. Statt die Würfel in Waren, Münzen oder Ziegen umzutauschen, kann man alternativ auch den Statthalter bewegen. Dieser belohnt einen mit kleinen Boni oder aber mit zusätzlichen Siegpunkten.
Ansonsten gilt es, schneller als die Mitspieler viele Waren einer Art zu sammeln, da man dann mit einem Bonus belohnt wird. Hilfreich bei der eigenen Strategie sind übrigens die Gebäude, die man im Laufe der Partie errichten kann – wofür man Geld und Ziegen abgeben muss.
Das gefällt mir nicht so gut: Eine Partie CORINTH ist vergleichsweise langweilig. Es ist meist ziemlich offensichtlich, was man im eigenen Zug machen muss. Das Motto "viel hilft viel" trifft recht deutlich auf CORINTH zu. Eigentlich muss man sich lediglich zu Anfang der Partie entscheiden, ob man nun Punkte über den Statthalter oder über die einzelnen Warengruppen machen will. Hat man sich für eine der beiden Optionen entschieden, sollte man tunlichst diesem Weg folgen, um am Ende um den Sieg mitzuspielen.
Die Statthalter-Strategie ist dabei etwas weniger frustig, weil man dann weniger von den einzelnen Würfeln abhängig ist – insbesondere wenn man das dazu passende Gebäude gebaut hat. Denn kommt man bei der Würfelauswahl spät dran, muss man sich meist noch mit einem kläglichen Rest begnügen – und kann sich somit vom Spiel gespielt vorkommen. Anders als bei YSPAHAN fehlt bei CORINTH eine Notaktion für eine schlechte Auswahl. Bei YSPAHAN konnte man immer hilfreiche Karten ziehen, bei CORINTH ärgert man sich nur.
Somit ist der eigentlich geniale Auswahlmechanismus der Würfel mit recht wenig positiven Emotionen verbunden – was sehr sehr schade ist. Interessanterweise hatte ich damals bei YSTAPHAN immer das Gefühl, dass das Spiel eigentlich noch viel besser sein könnte, als es schon war. Man müsste nur den Auswahlmechanismus mit noch interessanteren Entscheidungen kombinieren. CORINTH macht aber leider genau das Gegenteil. Denn nun fehlt jegliche direkte Interaktion und die Emotionen verflachen im Sande. Gab es bei YSTAPHAN noch die Drohkulisse des Aufsehers, der Waren in die Wüste (respektive zur Karawane) schickte, fehlt CORINTH ein solches Element völlig. Es ist mir ziemlich egal, was meine Mitspieler machen, so lange ich meiner Strategie halbwegs folgen kann.
Über die fehlenden Stifte ärgere ich mich übrigens wirklich. Bei kleineren Boxen kann ich das vielleicht noch verzeihen, aber bei CORINTH wäre dafür noch mehr als ausreichend Platz in der Box gewesen. Man muss sich vor Augen führen, dass somit das Spiel als solches nicht benutzbar ist. Wenn ich den Gedanken weiterspinne, dann kann zukünftig auch auf Würfel verzichtet werden – davon haben die Leute sicherlich auch ein paar im Haushalt herumliegen. Und wenn ich schon bei der Ausstattung bin: doppelseitig bedruckte Bögen fände ich auch gut – dann spart man nämlich Ressourcen. Wer es übrigens noch nicht gemerkt hat: mir fehlen Kamele! Deren Aufgabe haben zwar nun die Ziegen übernommen, was ich als FC-Fan an für sich auch ganz sympathisch finde. Aber in meiner eigenen Brettspielwelt verbinde ich nun einmal YSPAHAN mit Kamelen.
Das gefällt mir gut: Der Statthalter hat durchaus seinen Reiz. Dieser kommt besonders bei den Spielern gut an, denen der Aufseher bei YSPAHAN zu bösartig war. Durch beide Elemente werden jedenfalls echte alternative Sieg-Strategien möglich – was so nicht unbedingt bei jedem Roll-and-Write gegeben ist.
Mir hat CORINTH am besten als 2‑Personen-Spiel gefallen. Hierbei darf der aktive Spieler noch ein zweites Mal pro Runde eine Würfelgruppe wählen. Dadurch kommt bei der ersten Auswahl eine kleine zusätzliche taktische Prise ins Spiel. Schließlich kann man nun ein wenig darauf zocken, dass der Mitspieler meine eigentlich erste Wahl gar nicht will und man nimmt zuerst die zweite Wahl. Auf alle Fälle funktioniert CORINTH zu zweit sehr gut und ist dabei noch ein Ticken schneller als ohnehin schon.
Fazit: Ich habe mir von CORINTH mehr erhofft, weswegen nun die Enttäuschung wahrscheinlich so groß ist. Objektiv gesehen ist CORINTH ein solides Roll-and-Write-Spiel, dass durch die frische Aufmachung zu gefallen weiß. Allerdings habe ich weiterhin das Gefühl, dass der geniale Auswahlmechanismus der Würfel ein besseres Spiel drumherum verdient hätte.
Titel | Corinth |
Autor | Sébastien Pauchon |
Illustrationen | Julio Cesar (und Cyrille Daujean) |
Dauer | ca. 20 bis 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | würfelnde Familienspieler |
Verlag | Days of Wonder |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Asmodee Germany als deutschen Vertriebspartner von Days of Wonder für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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