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kritisch gespielt: Camargue

Camargue von Timo Diegel – erschienen bei ABACUSSPIELE

Camargue - Box
Bild: ABACUSSPIELE

Wenn ich aktu­ell aus dem Fens­ter schaue, sehe ich viel Grau und Feuch­tig­keit. Die Tem­pe­ra­tu­ren düm­peln im ein­stel­li­gen Bereich und dum­mer­wei­se hat der Win­ter noch nicht ein­mal begon­nen. Auch wenn die Jah­res­zei­ten alle ihre beson­de­ren Rei­ze haben, so ertap­pe ich mich schon dabei, wie ich mich über mehr Son­nen­schein und etwas mehr Wär­me freu­en wür­de. Und mehr Far­ben dür­fen mich auch ger­ne beglü­cken! So ein Spät-Früh­ling in der Cam­ar­gue, das wäre schon was...

The­ma... gemein­sam erschaf­fen wir Plätt­chen für Plätt­chen ein Abbild der Cam­ar­gue. So ent­ste­hen Laven­del- und Getrei­de­fel­der, die berühm­te Was­ser­land­schaft sowie Wäl­der und Städ­te. Und wenn wir es auf beson­ders vie­le Punk­te abge­se­hen haben, dann strei­chen wir die Mehr­zahl – denn eine gro­ße Stadt bringt uns mehr Punk­te als vie­le klei­ne. Das gar nicht so weit ent­fern­te CARCASSONNE lässt grüßen.

Illus­tra­tio­nen… sind das beein­dru­cken­de Ergeb­nis der Arbeit von Micha­el Men­zel. In unnach­ahm­li­cher Art und Wei­se ent­fal­tet sich die beson­de­re Land­schaft der Cam­ar­gue und wir füh­len Urlaubs­ge­lüs­te. Das kommt sicher­lich nicht von unge­fähr. Denn gerüch­te­wei­se hat Micha­el Men­zel beim gemein­sa­men Pro­to­typ-Spie­len dem Ver­lag die­ses The­ma vor­ge­schla­gen, nach­dem er kurz vor­her den Süden Frank­reichs besucht hat.

Camargue - Übersicht
klas­si­scher Inhalt eines Legespiels

Aus­stat­tung… kon­zen­triert sich auf das Wesent­li­che: knapp hun­dert qua­dra­ti­sche Plätt­chen war­ten auf uns. Die­se zei­gen meist einen Land­schafts­typ mit einem Wege­ver­lauf sowie rechts oben ein immer glei­ches Wap­pen. Die­ses gibt im Spiel­ver­lauf vor, wie die Kar­ten aus­zu­rich­ten sind, so dass wir die Plätt­chen nicht dre­hen und schon gar nicht wen­den dür­fen. Man­che Plätt­chen zei­gen aller­dings kei­nen Weg und statt­des­sen zwei Land­schaf­ten. Das sind die soge­nann­ten Hel­fer­plätt­chen, die aber pas­sen­der Schma­rot­zer­plätt­chen hei­ßen sollten.

Zur Haus­hal­tung der Punk­te erhal­ten alle Mit­spie­len­den ein eige­nes klei­nes Punk­teta­bleau, auf dem die 100er‑,10er- und 1er-Wer­te durch ein klei­nes Holz­klötz­chen fest­ge­hal­ten werden. 

Ablauf… wir haben drei zufäl­lig gezo­ge­ne Plätt­chen auf der Hand und legen eines davon an einen bestehen­den Weg an. Dafür erhal­ten wir dann Punk­te und zie­hen, wenn mög­lich, wie­der ein Plätt­chen aus dem ver­deck­ten Vor­rat nach.

Camargue - anlegen
anfangs noch über­schau­ba­re Punkte

Die Bestim­mung der Punk­te ist sehr ein­fach: wir mul­ti­pli­zie­ren alle Plätt­chen der von uns erwei­ter­ten Flä­che mit der Anzahl der Kan­ten, die das ange­leg­te Plätt­chen berührt. Das kann im ungüns­tigs­ten Fall der Wert 1 sein, wenn ich ein grü­nes Plätt­chen an ein blau­es lege und das grü­ne Plätt­chen ledig­lich nur die­ses ande­re Plätt­chen berührt. Spä­ter kann es mir durch die­se Wer­tungs­form aber gelin­gen, sehr vie­le Punk­te zu erzeu­gen. Denn wenn ich bspw. eine lila Flä­che von 13 auf 14 Plätt­chen erwei­te­re und dabei dass Plätt­chen pass­ge­nau zwi­schen drei ande­re lege, dann erhal­te ich 3×14 = 42 Punkte.

Spä­tes­tens dann flie­gen von der Sei­te noch Hel­fer­plätt­chen auf den Tisch. Denn durch die­se kann ich bei ande­ren Wer­tun­gen mit punk­ten. Dafür muss auf mei­nem Hel­fer­plätt­chen die eben gewer­te­te Land­schaft zu sehen sein und als Aus­gleich muss ich die nächs­te Run­de aus­set­zen. Alter­na­tiv kann ich auch ein Hel­fer­plätt­chen als eigent­li­chen Zug abwer­fen und erhal­te dafür dann zehn Punkte.

Camargue - Zählleiste
hat den Charme eine Abakus

Das gefällt mir nicht so gut: Das Punk­teta­bleau von CAMARGUE erin­nert mich an die Grund­schul­zeit mei­ner Kin­der. Dort wur­den die ver­schie­de­nen Zah­len­räu­me mit ver­gleich­ba­ren Hilfs­mit­tel dar­ge­stellt. Aller­dings ist das kei­ne posi­tiv besetz­te Asso­zia­ti­on. Es ist schon fas­zi­nie­rend zu sehen, wie vie­le Men­schen Pro­ble­me bei den ein­zel­nen Über­gan­gen vom 1er- in den 10er-Zah­len­raum bzw. vom 10er- in den 100er-Zah­len­raum haben. Hier habe ich öfter den Wunsch nach einer klas­si­schen Zähl­ta­fel gehört, weil die­se als unkom­pli­zier­ter wahr­ge­nom­men wird. Und so wirk­lich hel­fen die Aus­spa­run­gen auch nicht vor Unge­schick­lich­kei­ten. Ich habe öfters beob­ach­ten kön­nen, wie sich ein­zel­ne Wer­tungs­stei­ne unab­sicht­lich selbst­stän­dig gemacht haben.

Camargue - Helferplättchen
mehr Blau als hilfreich

Auch bei den Hel­fer­plätt­chen habe ich nicht erwar­te­te Beob­ach­tun­gen gemacht. Des öfte­ren wur­den die­se bei der Wer­tung der Was­ser­flä­chen gewor­fen, weil der Him­mel die Illus­tra­ti­on des Hel­fer­plätt­chens domi­niert und dann blau mit blau gleich­ge­setzt wur­de. So schön die ein­zel­nen Illus­tra­tio­nen auch sind, eine ein­deu­ti­ge Zwei­tei­lung wäre hilf­rei­cher gewesen.

Das gefällt mir gut: Die Hel­fer­plätt­chen wer­den ohne­hin unter­schied­lich wahr­ge­nom­men. Für man­che brin­gen sie genau die rich­ti­ge Wür­ze ins Spiel, ande­re ver­sal­zen sie den Spiel­spaß. Denn die­se Plätt­chen sind mäch­tig – und deren Ver­tei­lung ist rein zufäl­lig. Habe ich in einer Par­tie vie­le davon auf der Hand, kann ich sehr geschickt mit­wer­ten ohne selbst viel machen zu müs­sen. Das fühlt sich unfair an. Aller­dings wird dabei ger­ne ver­ges­sen, dass mir die­se Plätt­chen auch Optio­nen weg­neh­men. Habe ich ein sol­ches Plätt­chen lan­ge auf der Hand, dann habe ich über die­sen Zei­raum weni­ger Aus­wahl bei den rest­li­chen Plätt­chen und ver­pas­se somit viel­leicht genau das eine, was mir eine fet­te Punkt­zahl ein­ge­bracht hät­te. Ich bin also eher das Team "Wür­ze". Denn ich mag den dadurch statt­fin­den­den Table Talk, das Gestöh­ne und Gehöh­ne, wenn die Plätt­chen flie­gen oder ausbleiben.

Camargue - Ende
blin­de Fle­cken in der Camargue

Mög­li­cher­wei­se wäre über regel­tech­ni­sche Ver­ren­kun­gen eine fai­re­rer Ver­tei­lung der Hel­fer­plätt­chen mög­lich gewe­sen. Aber dar­auf wur­de wohl im Sin­ne des ein­fa­chen Zugangs ver­zich­tet – und die­se Ver­zicht zeigt Wir­kung. Denn CAMARGUE kommt ohne gro­ßen Regel­ba­last daher. Das Spiel kann aus­ge­packt wer­den und spä­tes­tens nach fünf Minu­ten Erklä­rung begin­nen die ers­ten Züge. Durch die­se Regel­schlank­heit sind die eige­nen Optio­nen auch über­schau­bar. Man­che Mit­spie­len­den fühl­ten sich unter­for­dert und bemän­gel­ten die feh­len­den Optio­nen, weil viel­leicht nur eines der eige­nen drei Plätt­chen über­haupt aus­zu­spie­len sind. Sie fühl­ten sich dann gespielt und die­ser Ein­druck ist nicht von der Hand zu wei­sen. Aller­dings habe ich genü­gend ande­re Mit­spie­len­de erlebt, die genau die­se Ein­fach­heit zu schät­zen wuss­ten. Die woll­ten kei­ne anspruchs­vol­le Kopf­ar­beit leis­ten, son­dern sich von der Schön­heit der Illus­tra­tio­nen und der Schlicht­heit des Spiels len­ken las­sen. Da kann ger­ne Bru­der Zufall ein stän­di­ger Beglei­ter sein; hat man so doch auch eine berech­tig­te argu­men­ta­ti­ve Rück­fal­l­e­be­ne, wenn es heu­te nicht so läuft. Zumal es auch stimmt, sind wir doch sehr von den gezo­ge­nen Plätt­chen abhän­gig. Glück und Pech kön­nen somit sehr nah bei­ein­an­der lie­gen. Aber dadurch bleibt CAMARGUE auch fluf­fig und über­for­dert zu kei­ner Zeit.

Camargue - Detail
unspek­ta­ku­lär – aber ver­traut schön

Fazit: Die Stär­ken von CAMARGUE sind der ein­fa­che Zugang und die hei­me­li­gen Illus­tra­tio­nen. Im Ide­al­fall kann es zum Wohl­fühl­spiel wer­den, bei dem der Kopf nicht all zu sehr zum Rau­chen gebracht wer­den soll. Und viel­leicht wird es somit auch zum Ein­stieg zu etwas anspruchs­vol­le­ren Spie­len – der Weg nach CARCASSONNE ist dann schon ein­mal geebnet.

Titel Cam­ar­gue
AutorTimo Die­gel
Illus­tra­tio­nenMicha­el Menzel
Dau­er45 Minu­ten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 6 Personen
Ziel­grup­peent­spann­te Familienspielrunden
Ver­lagABACUSSPIELE
Jahr2024
Hin­weisVie­len Dank an den Ver­lag für die Bereit­stel­lung
eines Rezen­si­ons­exem­plars!

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