HIT von Ralf zur Linde – erschienen bei Ravensburger
Wahrscheinlich mache ich es nicht zum ersten Mal, aber ich zitiere nachfolgend bekannte schwäbische Wortakrobaten. Bühne frei für Die Fantastischen Vier:
"N Hit is n Hitisn Hitisn Hitisn Hitisn Hitisn Hitisn"
Isn'it?
Thema... gibt es keines – und darüber ärgern wir uns auch nicht.
Grafik-Design... ist von Thomas Ramey und in meinen Augen nicht unbedingt ein Hit.
Ausstattung… ein doppelseitiger Spielplan, vier Pöppel pro Farbe – aber keine Würfel. Stattdessen liegen Karten und kleine Pappmünzen in der Box. Außerdem werden uns noch Spielhilfen angeboten – neben deutsch auch in fünf weiteren Sprachen.
Ablauf… HIT ist ein modernes Pachisi. Wobei es eigentlich noch mehr Ähnlichkeiten mit MENSCH ÄRGERE DICH NICHT hat, was aber wohl aus Lizenzgründen Voldemort-mässig nicht genannt werden darf. Der Elefant im Raum macht sich trotzdem jederzeit bemerkbar.
HIT ist allerdings unbestritten eigenständig. Denn anders als im Klassiker bewegen sich unsere Figuren nicht mit Hilfe eine Würfels. Wie schon bei DOG bzw. TAK nutzen wir dafür Karten. Und nun kommt der eigentliche Clou: HIT ist nämlich ein Deckbau-Spiel. Wir beginnen alle mit dem gleichen Startdeck. Dieses besitzt Karten, mit denen wir unsere Figuren aus dem Wartebereich ziehen und dann über den Spielplan in unser Häuschen bewegen können. Zusätzlich verdienen wir Münzen, mit denen wir uns weitere Karten aus einer offenen Auslage in unser Deck kaufen können. Selbstredend sind diese neuen Karten mächtiger als die Startkarten.
Das Ziel bleibt aber das altbekannte: wir versuchen schneller als die anderen unsere Figuren ins eigene Ziel zu bringen!
Das gefällt mir nicht so gut... Die ganze Aufmachung schreit uns entgegen: ich darf nicht mehr als 20 Euro kosten! Das macht sich bemerkbar an der Qualität der Komponenten. Die Pappe ist dünn, die Karten sind labberig und auch das Grafik-Design wirkt billig. Zudem müffelt es nach Chemie, wenn man den Deckel öffnet. Eigentlich fehlen nur noch die klassischen Kunststoffpöppel aus diversen Spielesammlungen, um vollends zu verschrecken. Wahrscheinlich stört sich aber der anvisierte Massenmarkt noch nicht einmal daran. Ich sehe das allerdings als verpasste Chance an. HIT hat einige interessante Ideen zu bieten und peppt das Spielprinzip von MENSCH ÄRGERE DICH NICHT überzeugend auf. Vor allem ist es eine guter Einstieg in das Deckbau-Genre, den der Ravensburger Verlag auch mit MYCELIA geschafft hat. Doch diesem Spiel ist deutlich mehr Liebe mit auf den Weg gegeben worden, weswegen es auch in Hobbykreisen für Interesse sorgte. HIT wiederum lässt in diesen Kreisen alle Abwehrmechanismen hochfahren und hat somit gar nicht die Chance, mit den inneren Werten zu überzeugen.
Normalerweise versuche ich die grafische Aufmachung nicht all zu sehr zu werten, da diese doch oftmals Geschmackssache ist. Vielleicht gefällt mir etwas nicht, aber die Details ergeben aus diesen oder jenen Gründen Sinn. Bei HIT fällt mir diese Zurückhaltung schwer. Natürlich kann ich anerkennen, dass bspw. versucht wird, wichtige Informationen auf dem Spielplan zu zeigen. Aber zu selten ist die Symbolik selbsterklärend. Was sollen diese verunglückten Farbverläufe auf dem Spielplan und die dominierende schwarze Fläche? Alles ist total unruhig und lenkt vom eigentlichen Kern des Spiels ab. Und gab es jemals schon langweiligere Münz-Plättchen als diese nun?
Im spielerischen Kern ist HIT auch weiterhin ein Laufspiel, bei dem man sich gegenseitig rauswerfen kann. Daran ändern auch die vielen gedrehten Stellschrauben nichts. Wenn dieses Prinzip Kindheitstraumata wiederaufleben lässt, dann sollte man die Finger von HIT lassen. Bei mir ist das allerdings anders. Denn ich verbinde damit viele Erinnerungen an meine Oma und bin deswegen auch gerne offen für vergleichende Erfahrungen.
Das gefällt mir gut... HIT entrümpelt die alten Pachisi-Klassiker mit Wumms. Im Spiel zu viert spielen wir lediglich mit drei Figuren, damit keine Endlospartien entstehen. Danke dafür! Zu dritt sind wir ohnehin auf einem kleineren Spielplan unterwegs. Ebenfalls eine gute Idee. Oder noch ein Beispiel: Um mit einer Figur raus kommen zu können, muss nicht ewig auf einen Würfelwert oder die richtige Karte gewartet werden. Zur Not kann ich dafür einfach zwei beliebige Karten abwerfen und schon kann ich loslaufen. Natürlich ändert sich dadurch nicht die Charakteristik der Vorlage, aber HIT vermeidet geschickt unnötige Frustrationen.
Dabei kommt auch der Deckbau-Aspekt nicht zu kurz. Denn die jeweiligen Karten bieten interessante Aktionsmöglichkeiten, die weit über die Bestimmung hinaus gehen, wie viele Felder ich nun laufen kann. Ich kann mich mit manchen Karten vor dem Rauswerfen schützen. Ich kann Rückstände mit Karacho aufholen. Ich kann die Schrittvorgabe auf mehrere Figuren aufteilen. Und natürlich kann ich auch mehr Münzen erhalten, um wieder tollere Karten zu kaufen. Doch wann ist was angesagt? Nicht ohne Grund sind viele Deckbau-Spiele verkappte Rennspiele. Bei HIT wird dieser Wettkampf durch den bekannten Spielplan bildlich gemacht.
Glücklicherweise wurde bei der Entwicklung darauf geachtet, dass die Kartenmechanik nicht überfordert. Lediglich drei Karten habe ich auf der Hand, die ich nacheinander in meinem Zug ausspiele. Meistens ist die Abfolge egal, manchmal sollte man aber schon ein wenig Grips dafür aufwenden. Das überfordert nicht, fordert aber auch Erfahrene genug, damit HIT nicht banal wirkt.
Fazit... Die Anpassungen des Klassikers an die Gegenwart überzeugen. Leider kann die Präsentation nicht mit den frischen Ideen des Autors mithalten. Mich lässt nun die Frage nicht mehr los, was Schmidt Spiele wohl aus HIT gemacht hätte: Wäre das einem ähnlichen Preisdiktat unterworfen gewesen oder hätte man es hübsch als MENSCH ÄRGERE DICH NICHT 2.0 präsentiert?
Titel | HIT |
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Autor | Ralf zur Linde |
Illustrationen | Thomas Ramey |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | sich ärgernde Familienpielrunden |
Verlag | Ravensburger |
Jahr | 2024 |
Hinweis | Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
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