fjelfras.de

kritisch gespielt: Dice Throne

Dice Throne von Manny Trembley und Nate Chatellier – erschienen bei Grimspire

Dice Throne - Staffel 2-1 - Box
Bild: Grims­pi­re

Es kur­sie­ren im Netz eini­ge Fotos von Leu­ten aus der Brett­spiel­b­la­se, die auf einem selbst gebau­ten Thron sit­zen, der kom­plett aus Spiel­bo­xen auf­ge­baut wur­de. Aller­dings habe ich dabei noch kei­nen "Dice Thro­ne" gese­hen. Also ihr da drau­ßen: klaubt all eure Wür­fel zusam­men und fangt an zu bauen!

The­ma... hier könn­te ich jetzt gut den Ruhr­pott-Poe­ten Stop­pok zitie­ren: "Gewalt ist kei­ne Lösung ... wenn man nur dar­über redet!"Somit hau­en wir uns bei DICE THRONE so lan­ge gegen­sei­tig auf die Glo­cke, bis fast alle wei­nen ver­lie­ren. Natür­lich gibt es noch ein auf­ge­setz­tes The­ma von irgend­ei­nem Thron, aber eigent­lich herrscht purer über­tra­ge­ner Dar­wi­nis­mus.

Illus­tra­tio­nen... sind von Man­ny Trem­bley und gefal­len mir rich­tig gut. Mir ist DICE THRONE erst­mals im Jahr 2018 bei der ent­spre­chen­den Crowd­fun­ding-Kamp­gne auf­ge­fal­len – haupt­säch­lich auf­grund der fri­schen Optik. Damals konn­te ich mich noch zurück­hal­ten, aber wie das meist mit die­sen Crowd­fun­ding-Sachen so ist: was gut ist, wird irgend­wann schon noch im nor­ma­len Han­del erhält­lich sein. Und dabei wur­de glück­li­cher­wei­se nichts an den Illus­tra­tio­nen geändert.

Aus­stat­tung... doku­men­tiert die Crowd­fun­ding-Ver­gan­gen­heit. Denn wie­der ein­mal gilt das Mot­to: klot­zen statt kle­ckern. Statt gewöhn­li­che Wür­fel zu benut­zen, sind die­se bei­spiels­wei­se für jeden Cha­rak­ter ein­zeln geprägt. Cha­rak­te­re? Was für Cha­rak­te­re? Für DICE THRONE gibt es ver­schie­de­ne Boxen, in denen jeweils immer das Mate­ri­al für zwei unter­schied­li­che Cha­rak­te­re vor­han­den ist. Ich habe hier die Box REVOLVERHELDIN VS. SAMURAI und VERFLUCHTE PIRATIN VS. TÜFTLER lie­gen. Bei­des sind Boxen aus der Staf­fel 2, die noch wei­te­re zwei ver­gleich­ba­re Boxen im Ange­bot hat. Zusätz­lich gibt es auch eine Staf­fel 1, die eben­falls vier Boxen bzw. acht unter­schied­li­che Cha­rak­te­re umfasst.

Jede die­ser Box ent­hält eine all­ge­mei­ne Anlei­tung und zwei Abla­ge­käs­ten, die wie­der­um das gan­ze Mate­ri­al für einen Cha­rak­ter auf­neh­men: einen Über­blick über die Son­der­ei­gen­schaf­ten, ein gro­ßes aus­falt­ba­res Tableau, die oben schon genann­ten Wür­fel, Kampf­kar­ten sowie unter­schied­li­che Mar­ker. Außer­dem gibt es noch zwei Dreh­schei­ben-Anzei­gen. Eine davon doku­men­tiert die eige­nen Lebens­punk­te, die ande­re die Anzahl der eige­nen Kampfpunkte.

Ablauf... KNIFFEL trifft MAGIC: THE GATHERING! Durch das Wür­feln von bestimm­ten Kom­bi­na­tio­nen kann man den Geg­nern Scha­den zufü­gen und manch­mal viel­leicht auch eige­nen hei­len. Um beson­ders wir­kungs­voll zu sein, hat man noch ein eige­nes Kar­ten­deck und darf die­se gegen Abga­be von Kampf­punk­ten aus­spie­len. Damit erzielt man bspw. Sofort­ef­fek­te, kann aber auch das eige­ne Tableau ver­än­dern, so dass ein­zel­ne Effekt der Wür­fel­kom­bi­na­tio­nen ver­stärkt werden.

Dice Throne - Tableau-Aufwertungen
Die Funk­tio­nen des Tableaus kön­nen auf­ge­wer­tet werden.

Im Kern ist DICE THRONE ein 2‑Per­so­nen-Spiel. Wenn man aber meh­re­re Boxen besitzt, kann man auch in unter­schied­li­chen Vari­an­ten mit einer Grup­pe von bis zu 6 Per­so­nen spielen.

Das gefällt mir nicht so gut: Auch wenn DICE THRONE in einer ers­ten Beschrei­bung wie eine wit­zi­ge, schnel­le Wür­fel­kei­le­rei klingt, so muss gewarnt wer­den: der Ein­stieg ver­läuft recht holp­rig! Die all­ge­mei­ne Anlei­tung benutzt vie­le Wor­te ohne dabei so rich­tig auf den Punkt zu kom­men. Mir war lei­der beim ers­ten Lesen erstaun­lich wenig klar. Erschwe­rend kommt dabei hin­zu, dass die Anlei­tung uni­ver­sal für alle Boxen gilt. Bei den Bei­spie­len tau­chen somit nicht unbe­dingt die vor­han­de­nen Cha­rak­te­re auf, da man fast immer nur die Revol­ver­hel­din sieht – auch ein Grund, war­um die REVOLVERHELDIN VS. SAMURAI Box für den Ein­stieg emp­feh­lens­wert ist. Die eigent­li­chen Son­der­fä­hig­kei­ten der Cha­rak­te­re wer­den dann auf der eige­nen Über­sicht vor­ge­stellt. Dort kann dann der Platz für Erklä­run­gen manch­mal etwas knapp wer­den, zumal auch hier das ein oder ande­re feh­len­de Bei­spiel hilf­reich wäre. Zusätz­lich macht mich übri­gens die Unter­über­schrift "Anlei­tung Ver­si­on 2.2_1" ner­vös. Das ist eigent­lich nur ehr­lich, aber trotz­dem fra­ge ich mich sofort, ob ich somit über­haupt die aktu­el­le Ver­si­on vor mir lie­gen habe. Und wie kom­me ich an Aktualisierungen?

Dice Throne - Würfelkombination
nicht bloß eine Stra­ße, son­dern hier wird der Revol­ver entfächert

Aber auch die Regeln des Spiel­sys­tems sind erstaun­lich klein­tei­lig. Ich weiß nicht, wie lan­ge ich gebraucht habe, um die ein­zel­nen Scha­dens­ar­ten von­ein­an­der unter­schei­den zu kön­nen. Denn es gibt den "nor­ma­len Scha­den", den "nicht abwehr­ba­ren Scha­den", den "rei­nen Scha­den", den "kol­la­te­ra­len Scha­den" und den "ulti­ma­ti­ven Scha­den". Und wie hän­gen die­se nun mit den Eigen­schaf­ten "abwehr­bar", "ver­meid­bar" und "auf­wert­bar" zusam­men? Da rauch­te mein Kopf, bevor ich auch nur den ers­ten Scha­den abbe­kom­men habe! Auch bei einem Neu­ein­stieg muss ich immer wie­der neu nach­schau­en, was es mit die­ser Unter­schei­dung auf sich hat. Die­se Unsi­cher­heit hemmt aller­dings sehr, dass Spiel aus dem Regal zu neh­men, wenn man nur mal schnell einen klei­nen Kampf erle­ben will. Die nicht zu unter­schät­zen­de Ein­stieghür­de kon­ter­ka­riert somit ein wenig die Idee, mit vie­len unter­schied­li­chen Cha­rak­te­ren spie­len zu wol­len. Denn man braucht ein paar Par­tien, um sich mit den Spe­zi­al­fä­hig­kei­ten und den jewei­li­gen Kar­ten­decks ver­traut zu fühlen.

Mir ist das Sys­tem somit lei­der etwas zu auf­ge­bläht. Wahr­schein­lich bin ich mit der fal­schen Erwar­tungs­hal­tung an DICE THRONE her­an gegan­gen. Ich habe mir eine schnel­les Wür­fel­du­ell im Stil eines BANG: THE DICE GAME erhofft und habe nun ein beein­dru­ckend nuan­cen­rei­ches Uni­ver­sum gefun­den, in das ich mich aber erst rein­fuch­sen muss. Mir hät­te es gereicht, wenn ich durch mei­ne Wür­fel­ak­tio­nen Scha­den ver­tei­len kann und dabei noch die ein oder ande­re klei­ne Spe­zi­al­fä­hig­keit beach­ten muss. Aber so nervt es mich bspw., dass es direkt nach mei­nem Angriff erst noch eine Ver­tei­di­gungs­pha­se zu beach­ten gibt, bevor ich mei­nen Zug dann final been­de. Das hemmt mit zu sehr den Spiel­fluss und geht in eine Detail­tie­fe, die ich so gar nicht gebraucht hätte. 

Das gefällt mir gut: Die­se Detail­tie­fe ist etwas wie der Fluch von DICE THRONE – aber natür­lich auch ein Segen. Denn es ist schon fas­zi­nie­rend zu sehen, wie unter­schied­lich die ein­zel­nen Cha­rak­te­re sich spie­len las­sen. Da ste­cken so vie­le tol­le Ideen drin! Die Pira­tin hat bspw. kei­ne Kar­ten in ihrem Deck, um damit das Tableau aus­zu­bau­en. Hat sie gar nicht nötig, denn wenn sie erst ein­mal ver­flucht ist, dreht man das Tableau um und spielt dann einen stark modi­fi­zier­ten Cha­rak­ter. Die Kunst ist es dabei, den rich­ti­gen Zeit­punkt die­ses Wech­sels zu fin­den. Jeder Cha­rak­ter hat somit sei­ne Beson­der­hei­ten und for­dert her­aus, einen Zugang zu finden.

Doch bei all die­ser Regel­tie­fe darf man natür­lich nicht ver­ges­sen, dass der Zufall ein stän­di­ger Begleit­ge­nos­se ist. Wel­che Wür­fel­wer­te ich am Ende vor mir lie­gen habe ist genau­so wenig plan­bar wie die Fra­ge, wel­che Kar­te ich dem­nächst zur Ver­fü­gung habe. Ich fin­de das gut. Natür­lich beißt sich das etwas mit der Regel­fül­le, aber trotz­dem wird dadurch eine all zu hohe Kopf­las­tig­keit ver­hin­dert. Am Ende ist es gar nicht so ent­schei­dend, wel­chen Cha­rak­ter man spielt. Hat man Pech beim Wür­feln, ist es rela­tiv egal, ob man nun Schwert­kämp­fer oder Pira­tin ist. Mit die­sem Wis­sen lässt sich locke­rer spie­len. Man muss sich nicht in die ein­zel­nen Fähig­kei­ten ver­bei­ßen, son­dern lie­ber den beson­de­ren Geist des Spiels genießen.

Zum Genie­ßen lädt auch das Mate­ri­al ein. Damit zu han­tie­ren ist schon eine Freu­de. Natür­lich ist das in gewis­ser Wei­se völ­lig über­pro­du­ziert. Aber wenn Aus­stat­tung und Gestal­tung Hand in Hand gehen, dann macht das Spie­len damit ein­fach ein wenig mehr Spaß, als wenn man ganz gewöhn­li­che Wür­fel und einen Anschreib­block zum Haus­hal­ten der Lebens­punk­te hätte.

Fazit: Wenn die Ein­stiegs­hür­de nicht so hoch wäre (und auf­grund der tol­len Aus­stat­tung auch nicht der Preis), dann hät­te ich wahr­schein­lich das glei­che Pro­blem wie bei mei­ner DVD-Samm­lung: ich kau­fe Seri­en immer kom­plett. Doch auch wenn die Viel­falt bei DICE THRONE beein­dru­ckend ist, kann man ohne schlech­tes Gewis­sen erst ein­mal nur mit einer Box anfan­gen. Dann wird man recht schnell erken­nen, ob das Spiel­sys­tem einem zusagt oder nicht. Für mich hät­te die­ses jeden­falls ger­ne noch etwas fluf­fi­ger und weni­ger regel­las­tig sein dürfen.

TitelDice Thro­ne
AutorNate Chatel­lier und Man­ny Trembley
Illus­tra­tio­nenMan­ny Trembley
Dau­er20 bis 40 Minuten 
Per­so­nen­an­zahl2 (bis 6) Personen
Ziel­grup­pesich duel­lie­ren­de Kennerspielrunden
Ver­lagGrims­pi­re
Jahr2021
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag eine Box
als Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

Kommentar hinzufügen