Die Gärten von Versailles von Lena und Günter Burkhardt erschienen bei Schmidt Spiele

Immer wieder schön zu sehen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Denn bei DIE GÄRTEN VON VERSAILLES liegt nun das erste Spiel von Lena Burkhardt vor – das sie zusammen mit ihrem in der Szene etablierten Vater entwickelt hat. Es ist jetzt nicht neu, dass sich ein Familienteam bildet – aber ich finde es trotzdem immer wieder schön (und somit erwähnenswert).
Thema... ist Zielgruppen gerecht nichts außergewöhnliches. Die Spieler wetteifern um die Gunst des Königs indem sie die tollsten Gärten pflanzen. Dabei spielt aber Symmetrie nur eine untergeordnete Rolle (im Gegensatz zum originalen barocken Schlossgarten). Viel mehr kommt der Leitspruch "viel hilft viel" zum Einsatz. Denn am Ende entscheiden Mehrheiten von verschiedenen Gartentypen über Sieg oder Niederlage.
Illustrationen... sind von Anne Pätzke und sehr wohlgefällig. Alles nichts außergewöhnliches, aber definitiv auch nichts zu kritisieren. Aufgrund der kleinen Gartenplättchen kommen die durchaus filigranen Illustrationen aber auch nicht wirklich zur Geltung.

Ausstattung... neben den Gartenplättchen aus Pappe fallen vor allem die durchaus großformatigen Mehrheitenchips auf – da weiß man wirklich, wer diese aktuell besitzt. Zusätzlich sind 55 durchnummerierte Zahlenkarten im Spiel und es grüßt noch ein alter Bekannter als König (jedenfalls dann, wenn man OHNE FURCHT UND ADEL besitzt, was aktuell wieder als CITADELS veröffentlicht wurde).
Ablauf... ist recht einfach. Wieder einmal gilt die Familienspiel-Formel: schnell verstanden, schnell los gespielt. Ziel von DIE GÄRTEN VON VERSAILLES ist es, die Gartenplättchen so anzubauen, dass große gleichfarbige Teilflächen entstehen. Denn im Verlauf des Spiels wird immer wieder überprüft, wer die größte zusammenhängende Fläche von bspw. roten Gartensegmenten besitzen. Dieser bekommt dann den entsprechenden Mehrheitenmarker, der wiederum Siegpunkte wert ist.
Gespielt wird über zwei Runden. Nach der ersten Runde gibt es eine Zwischenwertung, bei der die Merheitenchips gezählt werden aber auch die Segment-Anzahl der beiden größten farbigen Flächen. Am Spielende wiederum werden die drei größten Flächen ausgewertet und es gibt nun auch Siegpunkte für die zweit meisten Segmente einer Farbe (wobei nun der Marker für die meisten mehr Siegpunkte wert ist).

Alles schön und gut, doch wie kommt man an die Gartenplättchen? Das ist nämlich der Hauptmechanismus – und dieser erinnert ein wenig an den Kartenspiel-Klassiker 6 NIMMT! von Wolfgang Kramer. In jeder Runde liegen als fortlaufende Reihe sieben Gruppen von Plättchen aus, die jeweils der Spieleranzahl entsprechen (also bei vier Mitspielern sind das sieben mal vier Plättchen). Der König läuft nun diese Gruppen ab und verteilt dabei jeweils ein Plättchen an die Mitspieler.
Allerdings erfolgt die Verteilung nicht willkürlich, sondern nach einer festen Regel. Dazu legen alle Mitspieler vorher verdeckt eine ihrer Zahlenkarten ab (von den Karten hat man zehn pro Durchgang vorher zugeteilt bekommen). Diese werden dann gleichzeitig aufgedeckt. Der Spieler mit der niedrigsten Zahl bekommt das Plättchen, was am nächsten am König liegt. Der Spieler mit der nächst höheren Karte nimmt sich das nächste Plättchen usw.
Nun müssen die Plättchen angelegt werden, was aber leicht ist, da eigentlich nur die Regel besteht, dass an bereits anliegende Plättchen angelegt werden muss. Dabei dürfen auch Löcher entstehen. Ziel dabei ist es natürlich, große gleichfarbige Flächen zu erlangen. Dabei helfen können auch die mächtigen Jockerfelder, da diese gleichzeitig für alle Farben gelten!


Das gefällt mir nicht so gut: Der Bietmechanismus der Plättchen ist spannend – allerdings ist man dabei natürlich stark von der bestehenden Kartenauswahl abhängig. Hat man nur Karten im mitteleren Bereich, dann ist das Ganze sehr willkürlich und man fühlt sich eher gespielt. Das liegt natürlich in der Natur der Sache. Auch bei 6 NIMMT! gibt es diesen Zusammenhang. Jedoch wird hier meist über mehrere Runden gespielt und diese bauen nicht aufeinander auf. Hat man bei DIE GÄRTEN VON VERSAILLES in der ersten Runde eine ungünstige Kartenhand, dann wird es schwer, gezielt auf Mehrheiten zu spielen. Und hechelt man nun hinterher, dann ist man meist chancenlos, im weiteren Spielverlauf diesen Rückstand wieder aufzuholen.
Ohnehin wirkt die abschließende Mehrheitenwertung altbacken. Hier hätte ich etwas gerne etwas "frischeres" erlebt und nicht eine schnödes Abzählen von Gartenelementen, was man schon vor 30 Jahren so gemacht hat. Warum nicht versuchen, Symmetrien herzustellen, um somit auch mehr im Thema "barocker Garten" verhaften zu sein? Zusätzlich ist das Problem bei den Mehrheiten, dass diese sich auch recht zufällig zusammen stellen. Die Anzahl der ins Spiel kommenden Felder ist nur bei Vollbesetzung gleich verteilt – und wie diese sich dann in der Auslage verteilen ist auch glücksbehaftet.
Ein Problem gab es noch bei der Gestaltung. Ein Mitspieler leidet unter Farbblindheit, weswegen es ihm schwer fällt, rot von grün zu unterscheiden. Unglücklicherweise ähneln sich aber die roten und grünen Gartenelemente sehr (das eine sind arrangierte Blumen, das andere Hecken). Hier gab es immer wieder berechtigte Rückfragen bzw. Spielfehler. Hier hätte ich mir etwas mehr Sensibilität für diese Problematik gewünscht.

Das gefällt mir gut: Trotz der Kritikpunkte, kommt DIE GÄRTEN VON VERSAILLES in der Zielgruppe der Familienspieler meist sehr gut an – und das auch zurecht! Eine Partie ist kurz und knackig. Dauernd hat man kleine Entscheidungen zu treffen. Welches Plättchen will ich haben? Welche die Mitspieler? Wie kann ich das erhoffte Plättchen einbauen – und wie das, was ich letztendlich bekommen habe? Dabei ist der Spielablauf sehr flüssig und es entstehen kaum Wartezeiten.
Dabei weckt vor allem die Zuteilung der Plättchen viele Emotionen und diese wird meist lautstark kommentiert. Dabei wird geflucht, geflachst und gefeixt. Es ist immer wieder schön zu erleben, wie dieser einfache Mechanismus die Mitspieler gefangen nimmt.
So erleben die meisten Mitspieler ein schönes Spielgefühl – zumindest, wenn es ihnen nicht primär ums gewinnen geht. Es wird etwas aufgebaut und manchmal wetteifert man mit einem Mitspieler um die Mehrheitenchips (wobei es dann meist einen lachenden Dritten gibt). Dabei wird nichts dem Mitspieler zerstört und es gibt keine bewussten Gemeinheiten auszuhalten.

Habe ich eine durchmischte Hand, dann sind auch interessante taktische Entscheidungen zu treffen (und bei 10 Karten zur Auswahl, von denen man 7 spielt, ist die Auswahl häufiger eher gut als schlecht). Habe ich eine sehr kleine Karte und will ein Plättchen von vorne nehmen, dann reserviere ich mir diese für die entsprechende Gruppe. Ähnlich geht es mit gewünschten Plättchen am Ende der Reihe und hohen Karten. Aber wie komme ich am Besten an mittlere Karten? Und wie sicher ist meine 2, wenn doch auch theoretisch eine 1 im Spiel sein kann. Entsprechend groß sind die Emotionen, wenn man ein sicher geglaubtes Plättchen nicht bekommt. Auch gefallen mir die Situationen, wenn ich ein Plättchen nicht bekommen habe, aber der Mitspieler mit diesem Plättchen doch viel lieber das haben wollte, was ich nun habe. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Fazit: DIE GÄRTEN VON VERSAILLES vermittelt ein harmonisches Spielgefühl, was besonders in der Zielgruppe der Familienspieler sehr gut ankommt. Ich wurde jedenfalls positiv überrascht. Durch die Mehrheitenwertung war ich anfangs dem Spiel eher abgeneigt, mittlerweile stehe ich aber eigentlich immer für eine schnelle Partie zur Verfügung.
Titel | Die Gärten von Versailles |
Autor | Lena und Günter Burkhardt |
Illustrationen | Anne Pätzke |
Dauer | 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler (auch wenn die Packung von nur bis zu 4 Spieler spricht) |
Zielgruppe | Familienspiel |
Verlag | Schmidt Spiele |
Jahr | 2017 |
Ich bedanke mich bei Schmidt Spiele für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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