Lions of Lydia von Jonny Pac – erschienen bei Spielefaible
Durch LIONS OF LYDIA und ein wenig Wikipedia-Zeit habe ich wieder eine Menge gelernt. Mir war vorher Lydien unbekannt und Krösus kannte ich lediglich als Metapher. Nun habe ich mir aber gemerkt, dass schon in der Antike dem lydischen Reich unter König Krösus die Erfindung der Münzprägung zugeschrieben wird. Diese Entwicklung wird auch spielerisch aufgegriffen, so dass LIONS OF LYDIA durchaus ein Thema für Boardgame Historian oder die Ur-Brettagogen sein könnte.
Thema... als Herrscher eines nicht benannten Gebietes schicke ich meine Kaufleute aus, damit diese kräftig Tauschhandel treiben. Mit deren Hilfe vermehre ich meine Ressourcen, mit denen ich dann neue Ländereien erwerben kann – womit ich beim nächsten Tauschhandel mehr Ressourcen erhalte. Zusätzlich kommen mit der Zeit auch Münzen ins Spiel, die als Joker für alle Ressourcen gelten. Das Ganze klingt erst einmal stimmig, hinkt allerdings trotzdem ein wenig. Denn warum "besitzt" ein Herrscher Kaufleute? Warum betreibe ich "Tauschhandel", wenn ich doch Ressourcen ohne direkte Gegenleistung bekomme? Ein wenig mehr thematischer Feinschliff wären schön gewesen. Zumindest die Einführung der Münzen überzeugt mich aber inhaltlich.
Illustrationen… stammen von Darryl T. Jones und sind in meinen Augen sehr gelungen. All zu viel Spiele habe ich von Jones noch nicht gezeichnet gesehen, aber bisher gefällt mir sein Stil sehr gut. Die Szenerien wirken lebendig und man kann sich schön in einigen Details verlieren. Auch die gewählte Symbolsprache ist verständlich, so dass die grafische Gestaltung insgesamt sehr lobenswert ist.
Ausstattung… man merkt LIONS OF LYDIA an, dass es ein ehemaliges Crowdfunding-Projekt ist. Hier wird eher geklotzt als gekleckert. Nicht nur die Spielfiguren sind aus Holz, sondern auch die Münzen. Die Beutel, aus denen man im Spielverlauf die Spielfiguren zieht, sind praktischerweise rund und auch wertig. Von den Länderei-Karten gibt es mehr als genug und die Tableaus kommen natürlich nicht nur rechteckig daher, sondern sind leicht geschnörkelt. Die Ressourcen-Marker sind bedruckt und alles zusammen ist einfach nur schön! Zusätzlich sind auch schon acht zusätzliche Module enthalten, die das Grundspiel jeweils minimal erweitern.
Ablauf… ist äußerst einfach und zugänglich. Bevor es losgeht, werden die eigenen Beutel mit vier Kaufmännern bestückt und die Auslage der zu erwerbenden Ländereien gebildet, die später nicht mehr nachgefüllt wird. Im Spielverlauf zieht man zufällig aus dem eigenen Beutel einen farbigen Kaufmann und stellt diesen entweder an eines der vier Stadttore oder an den zentralen Brunnen des Spielplans. Danach führt man entweder die Tor-Aktion oder die Brunnen-Aktion aus. Am Ende des eigenen Zuges nimmt man sich einen offen ausliegenden Kaufmann vom Brunnen und schon ist die nächste Person an der Reihe.
Die beiden möglichen Aktionen sind schnell verstanden. Durch das Setzen des Kaufmanns an den Toren erhält man abhängig von den dort vertretenen Spielfiguren und den eigenen Ländereien Ressourcen oder Münzen. Die Ressourcen hält man auf dem eigenen Tableau fest und stoßen dabei die entsprechenden Marker an den rechten Rand, dann erhält man jeweils einen Bonus. Nutzt man dahingegen die Brunnen-Aktion kann man neue Ländereien gegen Abgabe der Ressourcen bzw. Münzen kaufen oder bestehende aufwerten. Sobald eine bestimmte Anzahl aufgewerteter Landschaften von einer Person erreicht wurde, endet die Partie LIONS OF LYDIA. Dann erhält man Punkte für diese Ländereien und durch bestimmte Karten auch noch für andere Komponenten.
Die einzelnen Modul-Erweiterungen bringen ein wenig Varianz in diesen stringenten Ablauf. Mal erhält man dadurch mehr Ressourcen, mal mehr Auswahlmöglichkeiten bzgl. des aus dem Beutel gezogenen Kaufmanns. Ein neues Spielgefühl entsteht dabei aber nicht.
Das gefällt mir nicht so gut: LIONS OF LYDIA ist absolut rund. Alles funktioniert, es ist kein unnötiger Schnickschnack vorhanden und wenn der Motor des (Ländereien-)Engine Builders läuft, dann flutschen die Ressourcen nur so über das Tableau. Was fehlt sind die Emotionen, die Ecken und Kanten. Die Interaktion mit den Mitspielenden besteht eigentlich nur darin, den Anderen den gewünschten farbigen Kaufmann wegzulotsen oder die ein oder andere Karte wegzuschnappen. Das passiert am Besten im Spiel zu viert, da die Karten nicht nachgefüllt werden und somit dann die Konkurrenz am größten ist. Aber selbst dann hat man anfangs noch ziemlich viele Optionen, so dass dieser äußere Eingriff meist nur mit einem Schulterzucken hingenommen wird. Erst gegen Spielende können Emotionen auftreten, wenn eben keine Karten mehr im Angebot sind. Was fehlt ist die Aussicht, dass am Ende ein Plan mit viel Vorbereitung aufgeht, dass man einen genialen Spielzug macht, der die Partie auf den Kopf stellt, dass man den Mitspielenden eine Nase ziehen kann, weil man denen effektiv Sand ins Getriebe geworfen hat. LIONS OF LYDIA ist grundsolide, aber nun einmal kein spielerischer Höhepunkt. Alle spielen das ohne Murren mit, alle loben die Ausstattung und die grafische Gestaltung – aber ich bin mir sicher, dass mich niemand in einem Jahr fragen wird, ob wir das nicht mal wieder auf den Tisch bringen könnten.
Leider schafft es LIONS OF LYDIA nicht, mich richtig in das Spielgeschehen zu ziehen. So richtig kann ich das gar nicht an bestimmten Punkten festmachen. Denn an für sich ist auch die Kombination aus Bag Building und Engine Builder reizvoll. Aber vielleicht liegt genau in dieser Fusion auch ein wenig das Problem begründet. Man baut seine Maschinerie darauf auf, dass man favorisierte Farben aus dem Beutel zieht und an bestimmte Orte legt. Meist bilden sich dabei bei den Spielenden unterschiedliche Schwerpunkte. So konzentriere ich mich auf die blauen Figuren während bspw. meine Mitspielenden lieber auf rote oder grüne Figuren spielen. Es kommt somit kaum zu einer Konkurrenz. Mein Beutel ist aufgrund der überschaubaren Grundmenge schon nach kurzer Zeit nur mit den Farben gefüllt, die ich auch gut gebrauchen kann, so dass mich keine echten Rückschläge mehr ereilen werden. Dadurch verliert das Spiel aber seinen Reiz.

Nicht glücklich bin ich auch mit den Boni für die anschlagenden Ressourcen. Diese sind nicht zu unterschätzen und somit ein wichtiges Ziel. So versucht man anfangs beim Kauf neuer Karten nur wenig von den maximalen Ressourcen auszugeben, damit man so schnell wie möglich wieder den nächsten Bonus einstreichen kann. Das fühlt sich irgendwie falsch an. Wahrscheinlich würde es mir besser gefallen, wenn beim Kauf von Karten alle Ressourcenmarker wieder auf 0 verschoben würden (wie es bspw. SPACE BASE clever vormacht). Dann stünde man von eine ganz anderen Aufgabe und wäre gezwungen, deutlich effizienter zu agieren. Aufgrund der eher kurzen Spielzeit ist ein Zeitverlust durch ein komplett leeres Lager kaum aufzufangen. Da lohnt es sich einfach mehr, auf die leicht verdienten Boni zu gehen.
So sehe ich auch die verschiedenen Erweiterungs-Module als verpasste Chance an. Diese hätten gerne noch etwas mehr das Spielprinzip aufbohren und etwas innovativer sein können. Schön, dass es sie gibt, aber wirklich bereichern tun sie das Spiel auch nicht. Ausnahme davon ist das Wagenrennen, was endlich ein wenig Interaktion zwischen den Mitspielenden fördert und neue taktische Anreize schafft. Von dieser Art hätten es gerne noch mehr Module geben können (bspw. das gemeinsame Bauen an einer Stadtmauer oder eine Seuche, die bestimmte Ressourcen verfaulen lässt).
Leider muss ich auch noch ein Wort zur Anleitung verlieren. So sehr ich mich darüber freue, dass LIONS OF LYDIA auf deutsch erschienen ist, so sehr hätte ich dem Verlag doch geraten, nochmals ein Lektorat über den Text schauen zu lassen. Ich weiß, dass ich diesbezüglich ein wenig im Glashaus sitze, da meine Texte bestimmt nicht fehlerfrei sind und sprachlich bestimmt auch noch Verbesserungsbedarf besteht. Aber ich mache das hier auch nur als Hobby und mach damit keinen Umsatz. Deswegen kann ich von einem Verlag etwas mehr Sorgfalt erwarten (auch wenn dies noch ein junger Klein-Verlag ist). Die Anleitung von LIONS OF LYDIA ist jedenfalls grenzwertig zu lesen. Der unglückliche didaktische Aufbau wurde sicherlich vom ursprünglichen Verlag übernommen, aber ich bin mir sicher, dass bspw. der wilde Gender-Mix erst beim Übertrag ins Deutsche entstanden ist.
Das gefällt mir gut: Auch wenn das Thema nicht ganz stimmig ist, so wird doch der Wechsel vom anfänglichen Handel mit den Ressourcen zum späteren Geldfluss sehr gut aufgezeigt. Münzen haben den großen Vorteil, dass man diese immer anstatt der Ressourcen benutzen kann. Damit wird etwas begreifbar gemacht, an das wir uns in Zeiten von Kryptowährungen schon ganz lange gewöhnt haben. Das ist vielleicht nur ein kleiner Aspekt in einem Spiel, aber solche Aha-Momente kann es eigentlich nie genug geben.
Gerne lobe ich nochmals die Ausstattung und die Aufmachung. Vor allem die hölzernen Münzen haben mich fasziniert, da ich diese in der Art noch nicht kannte. Allerdings soll das nicht als vergiftetes Lob aufgefasst werden. LIONS OF LYDIA ist kein Blender, der über die Ausstattung von inhaltlichen Schwächen ablenken will. Denn im Kern ist LIONS OF LYDIA eine runde Komposition, die sich sehr flüssig spielen lässt. Mir persönlich fehlen vielleicht die emotionalen Höhepunkte, aber dadurch wird es nicht zu einem schlechtem Spiel. Es ist durchaus reizvoll, das Zusammenspiel von Karten und Figureneinsatz zu optimieren und vor allem zu Beginn der Partie kommt auch der Bag Building Mechanismus noch zu tragen. Das relativ konfliktarme Zusammenspiel wird sicherlich in harmoniebedürftigen Runden geschätzt. Mir ist das aber in der Summe zu eintönig und ich habe nicht das Gefühl, auf Dauer gefordert zu werden.
Fazit: Leider hat LIONS OF LYDIA nicht ganz meine Erwartungen erfüllt. Ich hatte die Hoffnung, dass Autor Jonny Pac nach der cleveren Neu-Interpretation des Mancala Mechanismus in A FISTFUL OF MEEPLES nun auch diesen Mechanismus-Mix mit spannendem Leben füllt. LIONS OF LYDIA ist sehr hübsch anzusehen, bleibt aber letztendlich nur solide Brettspiel-Kost.
Titel | Lions of Lydia |
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Autor | Jonny Pac |
Illustrationen | Darryl T. Jones |
Dauer | 30 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | tauschende Familienspielrunden |
Verlag | Spielefaible |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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