Remember Our Trip von Saashi und Daryl Chow – erschienen bei dlp games
So langsam komme ich in ein Alter, in dem es mit den richtigen Erinnerungen nicht mehr ganz so einfach ist. Aber wenn ich ehrlich bin, dann ist dieses Alter schon seit 10 Jahren erreicht. Jedenfalls bekomme ich nicht mehr alle Ereignisse richtig zugeordnet und verwechsle gerne mal den Ort bzw. den Zeitpunkt. Somit bin ich jedenfalls im richtigen Alter für REMEMBER OUR TRIP, da ich das gewählte Thema voll nachvollziehen kann.
Thema... wir erinnern uns an unsere Ausflüge nach Kyoto bzw. Singapur: "Wir haben in einem luxuriösen Winkel-Hotel übernachtet. Tagsüber waren wir am Wasser shoppen und Abends waren wir im Schatten des Fernsehturms in einem Restaurant, bevor wir danach noch in den angrenzenden Park gingen." "Na ja – fast! Das Hotel war eher ein langer Riegel und nicht die Geschäfte waren am Wasser, sondern das Restaurant!" Was nach einem Gespräch der Großeltern klingen mag, ist der Grundgedanke von REMEMBER OUR TRIP. Gemeinsam schwelgen wir in Urlaubserinnerungen, sind uns dabei aber nicht mehr hundertprozentig sicher, wie die Gegend vor Ort tatsächlich aussah. So werden nun alte Fotos heraus gekramt und man überprüft, wer sich am besten erinnern kann.
Illustrationen… sind von Takako Takarai, dem Haus-Illustrator des Verlages Saashi & Saashi, bei dem REMEMBER OUR TRIP ursprünglich erschienen ist. Im ersten Moment macht der Stil viele etwas sprachlos – manche vor Entsetzen und manche vor Begeisterung. Ich zähle mich dabei eher zur zweiten Gruppe. Dabei finde ich die Illustrationen nicht wirklich schön, aber sie sind auf alle Fälle etwas besonderes. Hat man sich an diesen Stil gewöhnt, weiß man auch dessen Praktikabilität zu schätzen. Denn man kann somit gut auf dem ersten Blick die einzelnen Plättchen unterscheiden.
Ausstattung… kommt erfreulich kompakt daher. In einer eher kleinen Box finden wir ziemlich viel Material, was vor Beginn einer Partie erst einmal gut geordnet werden muss. Am einfachsten geht das noch mit den 120 Bilderplättchen, da man diese einfach in den Beutel werfen muss. Dann bekommen alle einen eigenen Übersichtsplan und ein eigenes Stadt-Tableau, was man bei Bedarf mit einem kleinen Papierstreifen noch einengen kann. In die Mitte wird dann der gemeinsame Spielplan gelegt, der entweder Kyoto oder Singapur darstellen soll. Daneben legt man dann ein Tableau aus, welches mit den allgemeinen Ortsmarkern für die Sehenswürdigkeiten, Hotels, Parks, Geschäfte und Restaurants bestückt wird. Zusätzlich sucht man noch einen Platz für das Aktions- und das Wertungs-Tableau, auf das die kleinen hölzernen Punktescheiben der Mitspielenden sowie eine der zehn Auftragskarten abgelegt werden. Jetzt habe ich nur noch nicht die Erinnerungskarten erwähnt – doch, habe ich nun. Genauso wie die sechs Sehenswürdigkeitenmarker, die mit Hilfe ihres Standfußes ein wenig 3D-Gefühl aufkommen lassen sollen.
Ablauf… am Anfang einer Runde wird eine Erinnerungskarte aufgedeckt. Diese zeigt ein bestimmtes Baufenster und gibt zusätzlich vor, wie viele Bilderplättchen aus dem Beutel auf die Aktionsfelder gelegt werden. Reihum werden sich nun die Plättchen von diesen Feldern genommen und bei sich auf dem eigenen Stadt-Plan abgelegt. Dabei dürfen die Plättchen nur so verteilt und angeordnet werden, wie es das Baufenster auf der Karte vorgibt. Alles was man nicht ablegen kann, landet auf dem eigenen Müll.
Warum macht man das? Bei REMEMBER OUR TRIP versucht man, aus den einzelnen Plättchen zusammenhängende Gebilde zu schaffen. Am einfachsten geht das mit Parks, da dafür nur zwei gleiche Plättchen nebeneinander liegen müssen. Dabei gilt allerdings die Einschränkung, dass nur gleiche Park-Symbole (Bank, Denkmal oder Brunnen) auch zusammengehören. Bei Hotels müssen es schon drei Plättchen sein und bei den Sehenswürdigkeiten vier – und das auch noch in speziellen Formen. Restaurants und Geschäfte sind da flexibler, allerdings lohnen sich diese erst ab einer gewissen Größe.
Hat man ein entsprechendes Gebilde zusammen, dann wertet man die Plättchen und schaut dann auf den gemeinsamen Stadtplan. Waren die bisherigen Felder unbelegt, so wird dort nun ein entsprechender Ortsmarker abgelegt. Liegt dort schon ein Ortsmarker, dann hofft man, dass dieser vom gleichen Bautyp ist. Denn ist das der Fall, erhält man neben den normalen Baupunkten noch Zusatzpunkte, da die eigene Erinnerung mit der Realität übereinzustimmen scheint. Wobei man hier natürlich anmerken muss, dass die Realität nur eine gefühlte ist, da diese letztendlich von der schnellsten Person bestimmt wird. Somit bekommt man aber auch ganz sicher die Zusatzpunkte, wenn man solche Ortsmarker auf den Stadtplan legen darf.
Das alles macht man zwölf Runden lang, bis alle Erinnerungskarten zum Zuge kamen. Danach gibt es noch eine Schlusswertung, bei der man belohnt wird, wenn man die Auftragskarte und bestimmte Feldvorgaben erfüllt hat. Außerdem wird man mit Punktabzug bestraft, wenn man die meisten Bildplättchen besitzt, die man nicht einbauen konnte.
Das gefällt mir nicht so gut: Die Anleitung macht es einem nicht leicht, dass Spiel zu erfassen. Dass das Spiel bunt daher kommt, befürworte ich. Aber die Anleitung übertreibt es etwas mit bunten Textboxen und Pfeilen. Diese Aufmachung gepaart mit einer Unmenge an Text sorgt dafür, dass man kaum ein Gefühl für das Spiel aufbauen kann. Wahrscheinlich hätte dem Ganzen mehr zugestandener Platz oder mehr Mut zur Lücke gut getan, denn aktuell wurde versucht, so viele Informationen wie möglich auf engem Raum darzustellen. Dabei werden kleinste Details zu einem Zeitpunkt beschrieben, die ich anfangs noch gar nicht erfassen lassen. Das erschwert auch später ein schnelles Nachschlagen bei zwangsläufig auftretenden Regelfragen. Zusätzliche wäre es auch eine bessere Entscheidung gewesen, das hilfreiche Abflussdiagramm eines Spielzugs am Ende der Anleitung oder auf eine gesonderte Spielhilfe zu platzieren. Stattdessen geht dieses mitten in der Anleitung im Gewusel unter. Insgesamt ist die Anleitung leider schwach und wird nicht dem tollen Spiel gerecht.
In meiner Auflage gab es leider auch einen kleinen Druckfehler. So ist auf den Bildplättchen der Parks fälschlicherweise angegeben, dass diese aus vier zusammenhängenden Feldern gebildet werden (dabei sind es nur zwei). Auch fehlt in der deutschen Anleitung der Hinweis, welche 30 Bildplättchen im 2‑Personen-Spiel aussortiert werden. Diese werden nämlich auf der Rückseite des Aktions-Tableaus angezeigt und nicht etwa zufällig bestimmt.
Diese Pappaufsteller der besonderen Sehenswürdigkeiten braucht übrigens kein Mensch. Das ist ein netter, aber völlig unnötiger Gag. Mit diesen wird lediglich der klare Blick auf den Gemeinschaftsplan erschwert, weswegen die Dinger spätestens nach der ersten Partie nicht mehr genutzt werden.
Das gefällt mir gut: Im Gegensatz zu vielen anderen Puzzle-Spielen bietet REMEMBER OUR TRIP etwas ungewöhnliches: Interaktion! Normalerweise puzzeln alle gemütlich vor sich hin und es gibt höchstens mal Gerangel bei der Auswahl der einzelnen Elemente. Bei REMEMBER OUR TRIP ist das anders. Hier wird dauernd nach rechts und nach links geschaut. Was die anderen wohl so machen? Stimmt deren Bild mit meiner Zielvorstellung überein? Denn einerseits befindet man sich in Konkurrenz um bestimmte Ortsmarker, andererseits will man auch von den Bauten der anderen profitieren. Wenn jemand also schon ein Hotel gebaut hat, dann ist das keine schlechte Idee von mir, auf den gleichen Feldern ebenfalls ein Hotel zu bauen.
Oder aber ich versuche mein Gebäude schneller auf dem Gemeinschaftsplan abzulegen, damit die anderen keine Zusatzpunkte erhalten. Was nach einem super easy Plan klingt, wird aber durch die Erinnerungskarten deutlich schwerer, als man das wahrhaben will. Denn diese geben doch sehr genaue Vorgaben, wo man die Plättchen ablegen muss. Wer bei den Erinnerungskarten den Überblick verliert, wird es schwer haben, am Ende erfolgreich zu sein. Jeder Karte ist nur zweimal vorhanden und manche Karten haben wirklich ein ekliges Grundmuster. Somit hat man meist nicht nur einen Plan im Kopf, sondern gleich drei oder vier. An dieser Stelle soll das Hotel entstehen, dort ein Park und die Restaurants sollen auch noch zusammen gefügt werden. Dann kommt endlich die perfekte Erinnerungskarte – aber es werden die falschen Bildplättchen auf die Auslage gelegt!
REMEMBER OUR TRIP hat somit auch viel mit Glück zu tun. Zur richtigen Zeit als erstes auswählen zu können – das ist schon sehr hilfreich! Ich empfinde das aber nicht als Makel. Im Gegenteil, fördert das doch die Emotionen, wegen denen ich spiele. Bei einer Spielzeit von nur etwa 30 bis 45 Minuten kann man problemlos noch eine Revanche fordern, wenn man der Meinung ist, vom Pech verfolgt gewesen zu sein. Aber auch mit Glück ist REMEMBER OUR TRIP kein Selbstläufer. Man muss schon wissen, was man will. So ist man auch dauernd einem Entscheidungsdruck ausgesetzt. Soll ich jetzt an dieser Stelle wirklich das Hotel-Plättchen ablegen? Dann kann ich später dort aber kein Geschäft mehr bauen und dass, wo dort gerade eine lukrative Shopping-Mall entsteht. Auf der anderen Seite kann ich dann aber den allgemeinen Auftrag erfüllen und wird mir das später auch noch gelingen?
Zusätzlich bietet REMEMBER OUR TRIP auch sehr viel Varianz: zwei verschiedene Ortspläne (die sich durch das nicht bebaubare Wasser und besonders geformte Sehenswürdigkeiten unterscheiden), zehn unterschiedliche Aufgabenkarten und zusätzlich noch die Abgrenzstreifen, die ein Gebiet enger und noch anspruchsvoller machen können. Das alles hätte es gar nicht nötig gehabt, da schon die Ausgangsbasis anspruchsvoll genug ist. Aber natürlich freut man sich darüber, immer mal einen anderen Fokus einstellen zu müssen.
Die Optik von REMEMBER OUR TRIP ist übrigens nicht nur ungewöhnlich, sondern sie hilft auch ungemein beim Spielen. Natürlich kommt alles ziemlich abstrakt daher und wenig bildlich. Aber so ist sicher gestellt, schon auf den ersten Blick den Gemeinschaftsplan und die Tableaus der anderen erkennen zu können. Diese Optik, kombiniert mit dem ungewöhnlichen Thema, erweckt das Gefühl, etwas ganz neues, etwas ungewohntes zu spielen. Dieses Gefühl hatte ich nicht oft in den letzten Jahren.
Fazit: REMEMBER OUR TRIP hat etwas von einem hässlichen Entlein. Man muss sich wegen der Optik vielleicht überwinden und sich durch eine nicht optimale Anleitung kämpfen. Hat man beides hinter sich gelassen, wird man aber mit einem der besten Puzzle-Brettspiele belohnt, die es aktuell im Angebot gibt.
Titel | Remember Our Trip |
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Autoren | Saashi und Daryl Chow |
Illustrationen | Takako Takarai |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | puzzelnde Kennerspielrunden |
Verlag | dlp games |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Hallo Tobias,
wieder eine sehr schöne Spielvorstellung und Rezension, vielen Dank dafür!
Das Spiel stand schon "damals" nach den ersten, kurzen "Messe"-Ankündigungen auf meiner Beobachtungsliste. Ich konnte mir das Spielprinzip zwar noch nicht wirklich vorstellen, aber irgendwie klang es neuartig und reizvoll für mich.
Leider gibt es bisher nur sehr wenige (deutschsprachige) Rezensionen zu dem Spiel.. und die auf mich sehr abstrakt wirkende Materialoptik hat mich eher abgeschreckt, auch wenn sie sicher für bessere Übersichtlichkeit sorgt.
Übrigens super, dass Du auch die Fehler/Fehldrucke Deiner Version beschreibst, denn so kann man nach dem Kauf sein Exemplar überprüfen und ggf. die Plättchenbeschriftungen korrigieren und braucht außerdem nicht lange zu suchen, wo steht, welche Plättchen im Zweierspiel aussortiert werden.
Zwei Anmerkungen habe ich noch:
1.) Muss man bei dem Spiel auch die Kanalisation der Stadt berücksichtigen, oder meintest Du im Kapitel "das gefällt mir nicht so gut" mit dem Ausdruck "Abflussdiagramm" eher ein Schaubild zum Spielablauf? 😀 😉
2.) Vielleicht habe ich Deine Info dazu überlesen, aber ist auch im Spiel zu zweit genügend Spannung und Spielspaß gegeben, oder sollten es doch 3 oder 4 Spieler sein?
Liebe Grüße!
Daniel
Servus Daniel!
Kurz zu deinen Anmerkungen:
1). Da war wohl wieder Kuddelmuddel in meinem Kopf und mein Hirn musste sich zwischen Flussdiagramm und Ablaufplan entscheiden – und kam zur Schnittmenge Abflussdiagramm. Da habe ich in meinem Studium wohl zu viel Zeit mit Siedlungswasserwirtschaft verbracht... Eigentlich müsste das jetzt anpassen, aber dann gibt dein lieber Kommentar keinen Sinn mehr. Mal schauen, wie ich das auflöse. Erst einmal das Hirn wieder entknoten.
2.) Ich empfinde die ideale Personenanzahl zwischen 2 und 3 Personen, da man dann auch als nachfolgende Person noch etwas Auswahl hat. Im Spiel zu viert muss man als letzte Person nehmen was übrig bleibt – und das ist meist nichts schönes. Ansonsten sehe ich keine Unterschied zwischen den verschiedenen Besetzungsgraden. Im 2‑Personen-Spiel geht es etwas taktischer und berechnender zu, aber auch nicht zu sehr, so dass sich das Spielgefühl nicht all zu sehr unterscheidet. Also deswegen habe ich das auch nicht extra erwähnt, da das für mich keinen wesentlichen Unterschied ausmacht.
Liebe Grüße zurück, bleib gesund!
Tobias
Hallo Tobias,
ich habe soeben zufällig entdeckt,
dass ich damals anscheinend gar nicht mehr auf Deine
ausführliche und sehr nette (und bei Punkt 1 sehr amüsante)
Beantwortung meiner Fragen reagiert hatte. Das tut mir leid!
Darum jetzt mit ganz leichter^^ Verspätung:
Vielen lieben Dank!
Ich hoffe, es geht Dir soweit gut?
LG! Daniel