Space Escape von Matt Leacock – erschienen bei Game Factory
Viele Kindergartengruppen oder Grundschulklassen sind nach Tieren benannt. Da gibt es die Pandaklasse, die Eichhörnchengruppe oder die Füchse-Kids. Bisher ist mir dabei allerdings nie der Nacktmull über den Weg gelaufen. Kein Wunder, denn dieses Tier habe ich erstmals bei SPACE ESCAPE kennengelernt. Aber wer weiß, vielleicht wird das Spiel so erfolgreich, dass uns in ein paar Jahren auch die Nacktmullklasse ganz normal vorkommt...
Thema... ist durchaus speziell. So speziell, dass ich entgegen meiner Gewohnheit mal die Anleitung zitiere. Denn wahrscheinlich würde man mir sonst nicht glauben, was ich mir da zusammen phantasiere:
In einer Raumstation irgendwo im Weltall sind die fleißigen Nacktmull-Astronauten bei der Arbeit. Eines Morgens wird ihr Frieden jäh gestört, als die Alarmsirenen ertönen – EINDRINGLINGE! Schlangen haben sich in der Station eingenistet und kriechen frei herum! Die Nacktmulle schweben in großer Gefahr – könnt ihr sie retten? Können du und deine Mitspieler die Nacktmulle beim Einsammeln ihrer Notfallausrüstung unterstützen? Schafft ihr es gemeinsam zur Rettungskapsel, bevor die Zeit abläuft?
Illustrationen… sind von Jim Paillot, der mir bisher gänzlich unbekannt war. Allerdings hoffe ich, dass sich das ändern wird. Denn Paillot hat die irrwitzige Idee von Nacktmullen als Astronauten frisch und frech umgesetzt. Aber nicht nur die Illustrationen sind knuffig, sondern die gewählte Gestaltung ist darüber hinaus klar gegliedert und alle Spielelemente sind gut zu begreifen.
Ausstattung… ist ein wenig ambivalent. Einerseits lachen uns tolle Nacktmullen-Astronauten als große Spielfiguren an. Andererseits kommt die restliche Ausrüstung ein wenig karg daher. Die einzusammelnde Ausrüstungsgegenstände sind genauso wie die Gegenspieler der Nacktmullen – die Schlangen – lediglich dünne Pappplättchen. Bei der Ausrüstung ist das allerdings nachvollziehbar, schließlich muss diese in den Rucksäcken der Astronauten verstaut werden können. Auffällig auf dem Spielplan sind die vielen Leitern und Rutschen. Scheinbar ist die Raumstation eine Art Stufenpyramide mit der Rettungskapsel auf der Spitze.
Viel wichtiger für die Spielmechanik sind allerdings die Spielkarten. Diese sind (meistens) zweigeteilt. Auf der oberen Hälfte sind die Bewegungsmöglichkeiten der Nacktmullen verzeichnet, die unter Hälfte gibt die Bewegungen der Schlangen vor (bzw. bringt neue Schlangen ins Spiel). Außerdem liegt noch ein geheimnisvolle Umschlag in der Box – Matt Leacock kann es einfach nicht lassen.
Ablauf… SPACE ESCAPE ist ein kooperatives Spiel. Gemeinsam versuchen alle Beteiligten, die vier ausliegenden Ausrüstungsgegenstände einzusammeln und mit allen vier Nacktmullen die Rettungskapsel in der Mitte zu erreichen.
Dafür müssen im Spielverlauf die Leitern erklommen und den Schlangen ausgewichen werden. Denn trifft man auf eine Schlange, dann wird man gebissen. Für einen Biss hat man noch einen individuellen Notfallkoffer parat. Der liegt allerdings in der anfänglichen Schlafkoje, weswegen man dorthin versetzt wird und wieder den ganzen Weg zur Kapsel neu starten muss. Ein zweiter Biss beendet die Partie dann bissschlagartig (nicht zu Gunsten der Spieler). Ebenfalls endet eine Partie erfolglos, wenn eine Schlange in die Rettungskapsel gelangt oder ein Nacktmull durch eine Rutsche in den Weltraum abdriftet. Diese Rutschen in den Weltraum sind dahingegen für die Bekämpfung der Schlangen von Vorteil, weil man diese so aus der Station entsorgen kann.
Gesteuert werden die Bewegungen mittels der Karten. Davon erhält jeder Spieler eine und legt diese offen vor sich ab. Somit sind sämtliche vorhandenen Informationen allen Spielern bekannt. Und diese Informationen sollte man auch entsprechend nutzen! Der Kartenstapel ist übrigens ein weiteres begrenzendes Element, da kein neuer Nachziehstapel gebildet wird. Sind alle Karten ausgespielt und noch nicht alle Nacktmullen in der Rettungskapsel, dann hat man ebenfalls verloren.
Das gefällt mir nicht so gut: Manchmal hat man leider nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bzw. zwischen Biss und Rutsche ins Weltall – was dann eben keine Wahl mehr ist. Im Extremfall fühlt man sich dann gespielt. Allerdings treten solche Situationen selten auf und dann meist auch erst am absehbaren Ende des Spiel. Da SPACE ESCAPE keinesfalls zu leicht ist, passiert es schon öfters, dass man auch mal verliert. Das ist für Kinder nicht immer einfach und manchmal frustrierend – aber eine gute Schule. Und da man gemeinsam verliert, ist das auch nicht wirklich schlimm (zumal die Motivation hoch ist, es nochmals zu versuchen). Natürlich ist die Gefahr des Alphaspielers (ein Spieler, der meint, für alle anderen die Entscheidungen treffen zu müssen) groß. Aber mit diesem Nachteil muss man leben, wenn die Regeln nicht zu komplex werden sollen.
Nicht ganz glücklich bin ich mit der Ausstattung. Die Karten haben ein Qualitätsproblem, da sie zumindest bei uns gerne an den Ecken auseinander gingen. Ohnehin haben sie eine komische Struktur, die sie nicht angenehm anfassen und mischen lässt. Bei den Schlangen oder auch den Notfallkoffern hätte ich mir gewünscht, dass diese als kleine Holz- oder Plastikscheiben daher kämen – das würde haptisch einfach mehr Spaß machen. Die jetzige Lösung ist definitiv funktional. Aber wenn man die tollen Figuren betrachtet, dann wird der Wunsch nach mehr geweckt.
Die Struktur der Anleitung ist leider etwas gewohnheitsbedürftig. Im Endeffekt ist alles beschrieben und es ist bspw. auch eine sehr hilfreiche Ereignistabelle eingefügt. Allerdings hätte ich mir eine solche Auflistung auch gerne für die Endbedingungen gewünscht. Mir und meinen Gruppen fehlte etwas die Übersicht. Insbesondere Kinder waren teilweise damit überfordert zu filtern, was eine wichtige Regel und was eher Beiwerk ist. Hier wäre in meinen Augen eine deutlicher Gliederung hilfreich, auch wenn dann das Regelwerk etwas weniger peppig daher käme.
Das gefällt mir gut: Bisher habe ich es erfolgreich vermieden, SPACE ESCAPE mit dem GEISTER, GEISTER, SCHATZSUCHMEISTER zu vergleichen – dabei sind die Ähnlichkeiten auffallend. Kooperativ, etwa die gleichen Einstiegshürden und in beiden Spielen kann man die Rücksäcke der tollen Plastikfiguren beladen. Da GEISTER, GEISTER, SCHATZSUCHMEISTER recht erfolgreich war (u.a. Kinderspiel des Jahres 2014), gibt es bestimmt schlechtere Referenzen. Das Spielgefühl ist jedenfalls sehr ähnlich, auch wenn bei SPACE ESCAPE der Zufall ausschließlich über die Bewegungskarten ins Spiel kommt.
So kommt auch bei SPACE ESCAPE große Spannung auf und es muss definitiv zusammen gespielt werden, will man am Ende das Spiel besiegen. Dabei ist vor allem die Zuspitzung durch die Pyramidenform gelungen. Um die Rettungskapsel herum werden die Felder ganz schön knapp. Hier fiebert man dann richtig mit, ob man die Schlangen und auch die Rutschen ins Weltall umgehen kann. Ganz großes Kino! Die Aufmachung von SPACE ESCAPE ist vielleicht etwas verrückt, aber das stört Kinder (und auch Erwachsene) wenig. Vielmehr freut man sich, dass bekannte Themenstrukturen aufgebrochen werden und somit schon eine gewisse Leichtigkeit ins Spiel transportiert wird. Man muss nicht alles ernst nehmen, das ist ein Spiel!
So kommt dann große Freude auf, wenn man eine Schlange wieder über eine Rutsche ins Weltall befördert. Oder wenn endlich die eigentlich ungeliebte Zahnbürste eingesammelt wird. Die Gestaltung unterstützt jedenfalls diese Leichtigkeit. Der spacige Spieletitel mit Glitzereffekt weckt Erwartungen, die glücklicherweise eingehalten werden. Dabei sind auch die gewählten Symbole gut verständlich. Anfangs war den meisten Kindern nicht klar, dass man Leitern nur nach oben läuft und nicht wieder nach unten. Aber selbst das versucht die Grafik mit den unterschiedlichen Enden der Leitern unterstützend darzustellen.
Einen ganz großen Reiz übt natürlich auch der verschlossene Umschlag aus. Dieser darf erst geöffnet werden, wenn 3 Partien siegreich beendet wurden. Das ist dann ein recht hoher Anreiz, nach verlorenen Partien sofort einen erneuten Versuch anzugehen. Wie schon geschrieben, waren die meisten Partien immer sehr knapp. Das ist auch gut so, weil somit ein anhaltender Wiederspielreiz gegeben ist.
In meinen Augen kann man nicht eindeutig die Grenze zwischen Familienspiel und Kinderspiel ziehen. In welche Schublade soll man SPACE ESCAPE stecken? Aber ist diese Frage denn überhaupt wichtig? Vom Thema her werden sicherlich Kinder angesprochen. Diese sind ab einem gewissen Alter (ab 7 Jahren) sicherlich auch nicht überfordert. Aber ich habe ein Problem damit, SPACE ESCAPE ausschließlich als Kinderspiel zu bezeichnen. Auch deswegen, weil wir damit in reinen Erwachsenengruppen unseren Spaß hatten und durchaus auch gefordert wurden. Wenn ich SPACE ESCAPE mit dem zeitgleich erschienenen FORBIDDEN SKY vergleiche (ein ebenfalls kooperatives Familienspiel von Matt Leackock), dann würde ich jedenfalls immer ein gut funktionierendes Nacktmullenspiel dem technischen Schnickschnack von FORBIDDEN SKY vorziehen.
Fazit: Mit den vielen Leitern und Rutschen erinnert SPACE ESCAPE an die alten Leiterspiel-Brettspielklassiker. Das kooperative Spielprinzip ist dahingegen definitiv im Hier und Jetzt und weiß sehr zu gefallen. Nacktmullen als Astronauten werden wiederum wohl eine Zukunft sein, die wir Menschen so schnell nicht erleben werden. Aber bis dahin können wir noch ganz viel spielen – Generationen übergreifend gerne SPACE ESCAPE!
Titel | Space Escape |
Autor | Matt Leacock |
Illustrationen | Jim Paillot |
Dauer | ca. 20 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | kooperative Familienspieler |
Verlag | Game Factory |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei Game Factory für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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