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kritisch gespielt: Turing Machine

Turing Machine von Fabien Gridel und Yoann Levet – erschienen bei HUCH!

Turing Machine - Box
Bild: Huch!

Alan Turing ledig­lich auf die Ent­wick­lung der namen­ge­ben­den Turing­ma­schi­ne zu redu­zie­ren, ist sicher­lich deut­lich zu kurz gesprun­gen. Auf der ande­ren Sei­te soll­te auch nicht zu sehr sei­ne Homo­se­xua­li­tät in den Vor­der­grund rücken. Heut­zu­ta­ge sind wir glück­li­cher­wei­se etwas wei­ter als noch in den 1950er Jah­ren, so dass die­se Nei­gung eigent­lich kein The­ma mehr sein soll­te – bio­gra­fisch aber lei­der defi­ni­tiv ein wich­ti­ges war. Aller­dings soll­te durch TURING MACHINE auch nicht der fal­sche Ein­druck erweckt wer­den, dass Turing die Loch­kar­ten­tech­nik erfun­den hät­te. Die­se ist schon deut­lich älter, wenn anfangs natür­lich auf einem ande­ren Niveau. Auf alle Fäl­le ani­miert aber das The­ma und die Gestal­tung zu Recherchen.

The­ma... ist Code-Kna­cken. Mit­hil­fe eines ana­lo­gen Com­pu­ters mit Loch­kar­ten über­prü­fen wir getrof­fe­ne Annah­men und ver­su­chen so schnell wie mög­lich den rich­ti­gen Code zu fin­den. Das ist natür­lich auch eine Anspie­lung auf Turings Mit­hil­fe bei der Ent­schlüs­se­lung der Enig­ma im Bletch­ley Park.

Illus­tra­tio­nen... stam­men von Sébas­tien Bizos und sind eher rudi­men­tär als sol­che zu fin­den. Wahr­schein­lich trifft die Bezeich­nun­gen Gra­fik­de­sign mehr auf die Arbei­ten an TURING MACHINE zu. Lei­der ist dabei die gewähl­te Sym­bol­spra­che nicht so leicht zu ler­nen und berei­tet doch eini­gen Mit­spie­len­den Kopf­schmer­zen. Die...

Turing Machine - Übersicht
Innen­le­ben eines Computers?

Aus­stat­tung... erzeugt dahin­ge­gen bei den meis­ten Jubel­stür­me. Denn die Loch­kar­ten üben einen immensen Drang aus, sie in die Hand neh­men zu wol­len und ... ja was eigent­lich? ... und die­se dann spä­ter auf Ergeb­nis­kar­ten zu legen, die mas­sen­wei­se vor­han­den sind. Zusätz­lich sind in der Box noch Prüf­kar­ten, ein sechs­ecki­ges Com­pu­ter-Tableau, Sicht­schir­me und Notizblätter. 

Turing Machine - Testumgebung
Die Test­um­ge­bung ist eingerichtet.

Ablauf... Bevor wir mit den eigent­li­chen Aktio­nen begin­nen kön­nen, müs­sen wir erst ein­mal den Com­pu­ter vor­be­rei­ten. Dafür suchen wir uns eine der 20 Auf­ga­ben aus der Anlei­tung aus oder eine der unzäh­li­gen auf der Web­site des Spiels. Die Auf­ga­ben­stel­lung gibt uns dann vor, wel­che Prüf­kar­ten wir mit wel­chen Lösungs­kar­ten kom­bi­nie­ren müssen. 

Ist die­ser Auf­bau abge­schlos­sen begin­nen die Spiel­run­den. Dabei den­ken wir uns simul­tan einen drei­stel­li­gen Code aus und neh­men uns die dazu pas­sen­den Loch­kar­ten aus dem Hal­ter. Pro Run­de kön­nen wir nun bis zu drei Prü­fun­gen durch­füh­ren. Dazu neh­men wir uns die Lösungs­kar­te von der ent­spre­chen­den Prüf­kar­te und legen die­se hin­ter unse­re Loch­kar­ten­kom­bi­na­ti­on. Durch ein offe­nes Sicht­feld sehen wir nun ent­we­der ein ableh­nen­des Kreuz oder ein zustim­men­des grü­nes Häk­chen. Über die­se Ant­wor­ten kön­nen erge­ben sich Infor­ma­tio­nen über den gesuch­ten Zah­len­code. Bin ich der Mei­nung, ich habe den rich­ti­gen Code her­aus­ge­fun­den, dann über­prü­fe ich am Run­den­en­de mei­nen Tipp. War er falsch, bin ich aus­ge­schie­den. War er rich­tig und habe ich dabei weni­ger Prü­fun­gen durch­ge­führt als mei­ne Mit­spie­len­den, dann habe ich gewonnen.

Das gefällt mir nicht so gut: TURING MACHINE ist im Kern ein Solo-Spiel. Ich bekom­me kei­ner­lei Infor­ma­tio­nen von den ande­ren gelie­fert und prü­fe nur mei­ne eige­nen Vor­her­sa­gen. Ob neben mir nun zwei, drei oder theo­re­tisch 500 ande­re eben­falls Prü­fun­gen durch­füh­ren, hat auf mich über­haupt kei­nen spie­le­ri­schen Ein­fluss! Alle bos­seln allei­ne vor sich hin und irgend­wann wird dann ver­sucht zu lösen. Bis dahin sind mir mei­ne Mit­spie­len­den im Grund egal.

Sind sie aller­dings nicht, denn in ande­ren Berei­chen haben sie sehr wohl einen Ein­fluss: sie erhö­hen die Down­ti­me bzw. set­zen mich unter Druck, wenn ich ein wenig län­ger über­le­gen will. Im Grund stö­ren mich Mit­spie­len­de also nur, da ich die Räs­tel-Lösung nicht in mei­nem eige­nen Tem­po spie­len kann. War­um soll­te ich also mit ande­ren spie­len? Die­se Pro­ble­ma­tik wird noch dadurch ver­schärft, dass von jeder Loch­kar­te ledig­lich drei Exem­pla­re zur Ver­fü­gung ste­hen. Haben wir im Spiel zu viert also bspw. alle die gel­be 2 in unse­rem Hypo­the­sen-Code, dann muss eine Per­son war­ten, bis eine ande­re Per­son all ihre drei Prü­fun­gen durch­ge­führt hat und kann bis dahin nichts tun. Das frustriert.

Turing Machine - Spielhilfen
alles ziem­lich verkopft

Auch in ande­ren Belan­gen ist das Mate­ri­al nicht opti­mal. Die Aus­rich­tung der Kar­ten ist für die Per­so­nen von Nach­teil, die schlecht über den Kopf lesen kön­nen. Dabei wird es aber gar nicht ger­ne gese­hen, wenn ich mir dann die Kar­te zu mir neh­me, um sie in Ruhe lesen zu kön­nen. Und das Bedürf­nis habe ich öfter, da die gewähl­te Sym­bol­spra­che schwer zu ver­ste­hen ist. Immer wie­der wird zur Sicher­heit noch­mals die Anlei­tung an die Hand genom­men. Denn wir wol­len alle ver­mei­den, Feh­ler bei der Inter­pre­ta­ti­on der Prü­fung und deren Ergeb­nis zu machen. Schließ­lich muss ich dar­aus mei­ne Rück­schlüs­se für die Code-Lösung zie­hen und ich soll­te es unbe­dingt ver­mei­den, etwas falsch zu verstehen.

Turing Machine - Prüfkarten
eine Men­ga Kar­ten – die es aus­ein­an­der­hal­ten zu gilt

Die­sem not­wen­di­gen Per­fek­tio­nis­mus ist man übri­gens schon beim Auf­bau aus­ge­setzt, wenn man aus den vie­len, vie­len Kar­ten die rich­ti­gen her­aus­su­chen muss. Mir ist immer noch nicht klar gewor­den, war­um die Lösungs­kar­ten mit vier farb­lich unter­schied­li­chen Num­me­rie­run­gen ver­se­hen sind, deren ein­zi­ges Ziel zu sein scheint, mich beim Auf­bau ver­wir­ren zu wol­len. Vor allem bei den leich­ten Schwie­rigs­keits­stu­fen hat­te ich im Solo-Spiel das Gefühl, dass ich län­ger mit dem Auf­bau als mit dem Lösen des Codes beschäf­tigt war – beglei­tet von dem ket­ze­ri­schen Gedan­ken, ob es nicht bes­ser wäre, das Spiel direkt als digi­ta­le Auf­ga­be vor­lie­gen zu haben. Der Gag, über die Kar­ten Infor­ma­tio­nen zu erhal­ten, ver­pufft schnell, wenn ich zuse­hends von der Hand­ha­bung genervt bin und dau­ernd Ver­wal­tungs­auf­ga­ben durch­füh­ren muss. Zumal ich größ­ten­teils ohne­hin schon online bin, um die Auf­ga­ben­stel­lung her­aus zu suchen. Dabei bin ich übri­gens ver­wirrt, dass mir die Web­site, die ich über den QR-Code auf­su­che, kei­ne deut­sche Sprach­füh­rung anbie­tet. Tip­pe ich die Adres­se dahin­ge­gen hän­disch in den Brow­ser ein, erschei­nen die Tex­te auch auf deutsch.

Zu guter Letzt ist das kom­pe­ti­ti­ve Spiel auch des­we­gen unbe­frie­di­gend, weil selbst­re­dend die Glücks­kom­po­nen­te nicht zu unter­schät­zen ist. Habe ich mei­nen ers­ten Code-Ver­such zufäl­lig gut gewählt, dann bin ich deut­lich schnel­ler bei der Lösung als wenn ich beim ers­ten Ver­such Pech hat­te. Es muss nicht unbe­dingt ein Leis­tungs­ge­fäl­le im Den­ken vor­lie­gen, wenn eine Per­son fünf Ver­su­che und eine ande­re zehn Ver­su­che benö­tigt. Das liegt in gewis­ser Wei­se in der Natur der Din­ge bei Deduk­ti­ons­spie­len. Aber weil bei TURING MACHINE kei­ne Infor­ma­tio­nen öffent­lich wer­den, fühlt sich der Weg zum Ziel zufäl­li­ger an als bei ande­ren Spie­len. Es fehlt ein kor­re­spon­die­ren­des Wis­sen wie bei CRYPTID, AUF DER SUCHE NACH PLANET X oder auch TIWANAKU, um Spie­le aus der jüngs­ten Zeit zu nennen.

Turing Machine - Test
Ha, habe ich es mir doch gedacht!

Das gefällt mir gut: Eines kann ich nicht bestrei­ten: die Loch­kar­ten fas­zi­nie­ren! Es ist immer ein span­nen­der Moment, wenn man das Loch­kar­ten­bün­del über die Lösungs­kar­te hält. Und das fühlt sich schon etwas beloh­nen­der an, als wenn bloß ein yes oder no auf einem Bild­schirm auf­tau­chen wür­de. Zusätz­lich fra­ge ich mich bei der schie­ren Men­ge an Lösungs­kar­ten, wie viel Auf­wand wohl hin­ter der Erfin­dung der ein­zel­nen Auf­ga­ben ste­cken muss. Natür­lich steckt da eine Logik dahin­ter, aber die­se muss auch ent­wi­ckelt wer­den. Mal wie­der kann ich nur mei­nen Respekt für all die Men­schen hin­ter sol­chen Ent­wick­lun­gen aussprechen.

Wie schon ange­deu­tet, hat für uns TURING MACHINE als kom­pe­ti­ti­ves Spiel­erleb­nis kei­nen Reiz ent­wi­ckelt. Dahin­ge­gen ist der koope­ra­ti­ve Modus durch­aus emp­feh­lens­wert, wenn die Grup­pe gemein­sam tüf­telt und rät­selt, wel­che Prü­fung nun durch­zu­füh­ren ist und wie denn eine neue Code-Hypo­the­se lau­ten könn­te. Dabei gilt unbe­dingt zu beach­ten, dass schon die Aus­wahl der Prüf­kar­ten eine Aus­sa­ge ist. Wenn z.B. zu prü­fen ist, ob eine Zahl klei­ner als die ande­ren ist, dann wird es dazu auch eine ein­deu­ti­ge wah­re Aus­sa­ge geben. Man­che Kom­bi­na­tio­nen las­sen sich so schon früh­zei­tig aus­schlie­ßen. Selbst­re­dend muss man dafür ein Gefühl haben bzw. eine Lust zum Lösen mathe­ma­ti­sche Pro­blem­stel­lun­gen besit­zen. Ohne die­ses Inter­es­se ist TURING MACHINE sicher­lich mehr eine Qual als eine Quel­le von Spielfreude.

Turing Machine - Deckel
genia­les Produktdesign

Aller­dings ist fest­zu­stel­len, dass auch Men­schen neu­gie­rig zu TURING MACHINE grei­fen, die nor­ma­ler­wei­se einen Bogen um sol­che Logi­krät­sel machen. Der Grund für die­ses Inter­es­se ist die sehr gelun­ge­ne Auf­ma­chung. Das Mate­ri­al for­dert auf – und das beginnt schon mit der genia­len Idee, dem Deckel der Box eben­falls ein paar Löcher zu gön­nen. In Spie­le­treffs wird unauf­hör­lich um das Spiel her­um­ge­ti­gert, denn alle wol­len das mal in die Hand bekommen.

Fazit: Mich rei­zen an TURING MACHINE die Auf­ga­ben mit dem Her­aus­fin­den des logi­schen Lösungs­wegs. Das ändert aber nichts dar­an, dass in mei­nen Augen eine digi­ta­le Umset­zung als Solo-Spiel für die­se Auf­ga­ben­stel­lung der geeig­ne­te­re Weg wäre. Es gibt schon Grün­de, war­um ein Com­pu­ter digi­tal ist. TURING MACHINE fehlt lei­der ein Ele­ment, was dazu ein­lädt, es gemein­sam als Grup­pe spie­len zu wol­len, wofür sich ana­lo­ge Tref­fen bes­tens eig­nen. So ist es zwar ein tol­les Pro­dukt­de­sign, aber kein über­zeu­gen­des Spiel.

Turing Machine - Lochkarten
löch­ri­ger Spielreiz
TitelTuring Machi­ne
AutorenFabi­en Grid­el und Yoann Levet
Illus­tra­tio­nenSébas­tien Bizos
Dau­er10 bis 20 Minuten
Per­so­nen­an­zahl1 (und zur Not auch bis zu 4 Personen)
Ziel­grup­petüf­teln­de Kennerspielrunden
Ver­lagHUCH!
Jahr2023
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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