First Class von Helmut Ohley erschienen im Hans im Glück Verlag

Die Kombination Helmut Ohley und Hans im Glück war mit RUSSIAN RAILROADS äußerst erfolgreich. So ist es kein Wunder, dass nun viele bei FIRST CLASS von einem "RUSSIAN RAILROADS Kartenspiel" reden, denn natürlich bleibt Ohley als echter 18XX-Experte "seiner" Eisenbahn treu. Da ich selbst nicht der ganz große Fan von RUSSIAN RAILROADS bin, war ich schon eher skeptisch, als ich mich in den Orient Express setzte. Würde ich wieder einen Siegpunktesalat jenseits der 400 Punkte vorgesetzt bekommen?
Thema... wir Spieler wetteifern mit Georges Nagelmackers (dem Gründer und Initiator des "Orient Express") um prestigeträchtige Strecken gen Orient. Einerseits sollte man sich um die Strecke kümmern, andererseits will man auch die Passagiere in die Züge locken – weswegen es hilfreich ist, diese von Holzklasse-Waggons zu befreien und etwas dem Luxus zu frönen. Und wenn man in einem ganz besonderen Zug sitzt, dann kann dort auch ein Mörder umgehen – Agatha Christie lässt grüßen.
Grafik... ist von Michael Menzel. Mehr muss man eigentlich gar nicht sagen. Die Illustrationen sind entsprechend weich und detailreich. Die Symbolik funktioniert auch tadellos, so dass es nichts zu meckern gibt. Mir persönlich fehlen ein wenig die kleinen Ecken und Kanten – besonders auffällig wird dieses Gefühl, wenn man das Cover von FIRST CLASS mit dem von RUSSIAN RAILROADS vergleicht (was mir unwahrscheinlich gut gefällt).

Ausstattung... Karten, Karten, Karten, ein paar Pappplättchen, Karten, Karten, ein paar Holzfiguren, Karten, Karten... Was war noch einmal das dominierende Element? Aber ich habe noch die Spielertableaus und die Zähltafel vergessen. Alles natürlich in gewohnt guter Hans im Glück Qualität. Und dieses Mal ist auch im Tiefziehteil eine schöne Sortierhilfe dabei (die habe ich mir damals bei DOMINION noch ausdrucken dürfen – damals...). Hier gibt es also so mal rein gar nichts zu meckern!
Hervorzuheben sind aber noch die verschiedenen Module. Pro Partie werden immer 2 der 5 möglichen Module mit dem Basisspiel kombiniert. So kann durch dieses Baukastenprinzip der Komplexitätsgrad angepasst und das Spielgefühl verändert werden.
Ablauf... besteht aus einem zentralen Element: Karten aus einer gemeinsamen Auslage nehmen. Diese Auslage besteht aus 18 Aktionskarten, die in drei Reihen angeordnet sind. Sobald aus einer Reihe so viele Aktionskarten genommen wurden, wie Mitspieler teilnehmen, werden die restlichen Karten abgeräumt. Somit kann in einer Runde jeder Spieler 3 Karten nehmen. Gespielt wird insgesamt nur 6 Runden – was meist kürzer ist, als man das anfangs erwartete (schließlich nimmt man sich somit im Spiel nur 18 Aktionskarten). Nach der 2., 4. und natürlich auch der 6. Runde werden Wertungen ausgelöst. Zusätzlich folgt dann noch eine übersichtliche Endwertung.
Die Aktionskarten sind in mehrere Kategorien zu unterteilen:
- neue Waggons nehmen bzw. bestehende aufwerten: damit werden die beiden Züge der jeweiligen Spieler verlängert bzw. die bestehenden Waggons des Zuges werden wertvoller (diese bringen nämlich Siegpunkte – kennt man ein wenig von den Gleisen bei RUSSIAN RAILROADS)
- Schaffner bewegen: damit die Waggons aber überhaupt Siegpunkte bringen, muss der Schaffner über die Waggonkarten eines Zuges gelaufen sein (es gibt also nur Punkte für schon kontrollierte Fahrgäste). Diese Bewegung wird mit den entsprechende Karten ausgelöst – und zum Glück beginnt der Schaffner nicht immer von vorne. Auch dieses Element kommt einem aus RUSSIAN RAILROADS bekannt vor.
- Strecke erweitern: man muss sich nicht nur um seine Zugausstattung kümmern, sondern idealerweise will man auch eine lange Strecke besitzen, da diese später Boni oder weitere Siegpunkte ausschüttet. Demnach gibt es Karten, die die Strecke verlängern.
- Lokomotive bewegen: ähnlich wie die beiden Schaffner in den Zügen besteht eine Lokomotive, die die Strecke entlang fährt (und so die Boni und die Siegpunkte freischaltet).
- Auftrag nehmen: mit erfüllten Aufträgen kann man weitere Boni freischalten – also ergibt es Sinn, sich auch solche Karten zu nehmen.

Anstatt sich eine Aktionskarte zu nehmen, kann man auch die Startspielerkarte nehmen (und muss dafür dann eine Aktionskarte aus der Auslage nehmen). Wie so oft bei solchen Spielen, ist Startspieler zu sein ein großer Vorteil. Deswegen ist das immer eine bedenkenswerte Alternative – zumal der Startspieler nicht automatisch wechselt.
Zusätzlich kann man eingenommene Münzen noch in Aktionen umwandeln oder damit Spielendekarten kaufen (die zusätzliche Siegpunkte generieren). Weiterhin gibt es Bonuskarten, wenn die Züge eine bestimmte Länge erreicht haben oder ein Schaffner am Zugende (der maximal immer nur aus 10 Waggons besteht) angelangt ist.

Die Chance auf einen Zweiteindruck... ist etwas zwiespältig. Einerseits sehr groß, da ich schon gerne einmal die verschiedenen Module in unterschiedlicher Zusammensetzung spielen würde (insbesondere das Modul "Wer ist der Mörder?" reizt mich sehr). Aufgrund wechselnder Besetzungen habe ich bisher leider immer nur mit den Beginner-Modulen gespielt. Andererseits hat mich dabei FIRST CLASS bisher emotional nicht packen können. Ähnlich wie bei RUSSIAN RAILROADS lohnt es sich, sehr auf eine Strategie zu fokussieren. Durch die ausliegenden (und auch schnell vergänglichen) Karten muss ich dabei aber sehr viel flexibler sein – und es kann auch ganz doof für mich laufen. Aufgrund der kurzen Spielzeit kann ich das noch hinnehmen, aber irgendwie fühlt es sich etwas unbefriedigend an. Zusätzlich gefällt mir das Handling mit den Karten nicht sonderlich. Durch das Aufwerten der Waggons bin ich immer irgendwie dabei, die Karten umzudrehen bzw. auszutauschen. Auch der Platzbedarf auf dem Tisch ist trotz kleiner Karten nicht zu unterschätzen. Demgegenüber stehen die durchaus interessanten Entscheidungen, die man bei der Kartenauswahl zu treffen hat. Gefühlt ist das Spiel eher zu kurz – was in meinen Augen aber immer ein gutes Zeichen ist. Die 400 Siegpunkte sind dieses Mal also nicht zu schaffen, was ich als sehr angenehm finde. FIRST CLASS ist somit vom Spielgefühl kompakter als RUSSIAN RAILROADS und weniger planbar. Insgesamt trifft mal wieder der berühmt-berüchtigte Satz zu: mitspielen gerne, aber ich würde es wohl nicht aktiv vorschlagen.
Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Ersteindruck nach wenigen gespielten Partien! Sehr subjektiv und durchaus auch abhängig von Tageslaune, Mitspielern und sonstigen Einflüssen. Bei grundsätzlichem Interesse empfehle das Lesen "richtiger" Rezensionen oder noch besser: ausprobieren!
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