Les Poilus bzw. The Grizzled von Fabien Riffaud und Juan Rodriguez erschienen bei Sweet November

LES POILUS (oder oft auch durch die englischsprachige Ausgabe THE GRIZZLED genannt) hat die zweifelhafte Ehre, in zwei aufeinander folgenden Jahren von der Internet-Comunity unknowns.de zum jeweiligen Geheimtipp des Jahres gewählt worden zu sein. Also wenn der erstmalige Gewinn nicht dazu ausgereicht hat, das Spiel dem Geheimtippstatus zu nehmen, dann muss man hinterfragen, ob diese Auszeichnung nicht auch eher ein Geheimtipp ist. Aber im Grunde genommen haben die Abstimmenden schon recht: erstens ist LES POILUS ein besonderes Spiel und zweitens immer noch ein Geheimtipp. Auch wenn das Spiel mittlerweile auf deutsch erhältlich ist, steht es leider noch nicht im großen Lichte der Öffentlichkeit.
Thema... ist durchaus ungewöhnlich fernab der Wargame-Szene. Hier lohnt es sich einmal den Verlag direkt zu zitieren:
Es ist der 2. August 1914: Auf dem Dorfplatz liest eine Gruppe unzertrennlicher Freunde ungläubig ein Plakat, das am Rathaus angeschlagen ist. Es ist der Befehl zur Generalmobilmachung. Seit mehreren Wochen wurden die Presseberichte immer beunruhigender, aber die Härte dieser Ankündigung erstaunt jeden. Ohne auch nur die leiseste Idee von der Hölle zu haben, in die sie eintauchen werden, geben sich die Freunde ein Versprechen: Sie werden in dem, was auf sie zukommt, zusammenhalten und gemeinsam zurückzukehren. Leider wird die Realität, die sie dort erleben, ihre schlimmsten Ängste übertreffen.
Grafik... ist von Tignous, der leider bei den Terroranschlägen im Januar 2015 auf das Satiremagazin Charlie Hebdo ermordet wurde. Somit werden wir leider nicht mehr mit ähnlichen ausdrucksstarken Illustrationen verwöhnt werden. Sehr sehr Schade!

Ausstattung... besteht hauptsächlich aus Karten und ein paar Pappplättchen. Die Karten sind leider etwas empfindlich, weswegen Liebhaber sie besser in Kartenhüllen stecken sollten. Puristen könnten dem mit dem Hinweis widersprechen, dass es gut zum Gesamtkonzept des Spieles passt, wenn die Karten verschlissen aussehen.
Ich selbst habe das Spiel 2015 direkt über den Verlag geordert und kam somit schon damals zu einem Kartensatz in deutscher Sprache. Zusätzlich gab es dazu auch fünf deutsche Freunde, die allerdings nicht mehr von Tignous gezeichnet werden konnten und somit alle einen etwas unterschiedlichen Grafikstil haben. Welche Karten in der aktuellen deutschen Ausgabe sind, habe ich leider noch nicht sehen können.
Ablauf (aufgrund des Geheimtipp-Status heute mal etwas ausführlicher)... ist im Grunde genommen recht einfach. Es gibt eine gemeinsame Auslage, in die jeder Spieler Karten ablegen muss. Ziel des Spiels ist es, dass alle Mitspieler keine Handkarten mehr haben bevor der Nachziehstapel an Karten aufgebraucht ist. Das klingt nicht sehr schwierig und recht mechanisch – ist es aber zum Glück nicht. Warum?

Hier kommt die starke thematische Einbettung zum Tragen. Diese Auslage in der Mitte zeigen das Niemandsland zwischen den Fronten und ist Schauplatz der gemeinsamen Missionen der Spieler. Werden diese erfolgreich absolviert, dann ist man dem Kriegsende ein Stück näher gekommen. Scheitern Sie aber, dann ist die Gefahr groß, dass die Freunde den Krieg nicht überleben werden. Deswegen werden die auszuspielenden Karten auch als Bedrohungskarten bezeichnet.
Schauen wir uns diese Bedrohungskarten mal genauer an. Auf den Karten sind unterschiedliche Bedrohungen abgebildet:
- Gasmaske (wegen eines Giftgasalarms),
- Granate (weil man unter Beschuss steht)
- Trillerpfeife (die zum gefürchteten Angriff bläst)
- und/oder bedrohliche Umgebungen (Nacht, Regen oder Schnee)
Gemeinerweise sind aber immer mindestens zwei dieser sechs Bedrohungen auf einer Karte zu sehen. Manche Karten zeigen auch noch rote Rechtecke. Das sind sogenannte Fallen, die ich gleich nochmals näher erläutere. Ebenfalls sind in den Bedrohungskarten auch sogenannte schwere Schläge vorhanden, welche die Spieler erleiden und es nicht einfacher machen zu überleben.
Wie verläuft nun genau eine Partie? In der Vorbereitungsphase werden 25 Bedrohungskarten auf die Friedenskarte gelegt. Die restlichen Karten wandern auf das Kriegerdenkmal. Das Spiel ist gewonnen, wenn der Stapel der Friedenstaube abgespielt ist und kein Spieler mehr eine Bedrohungskarte auf der Hand haben: der Krieg ist zu Ende und die Spieler haben überlebt. Anders sieht es aus, wenn die Karten vom Kriegerdenkmal verschwunden sind und selbiges sichtbar wird. Auf dem Denkmal sind die Namen der Freunde aufgeführt – sie sind also im Verlauf des Spiels verstorben!
Anfangs einer Runde wägt der Gruppenleiter (= wechselnder Startspieler) das Risiko der anstehenden Mission ab und verkündet, wieviele Karten jeder Spieler vom Friedensstapel auf die Hand nimmt. Danach werden abwechselnd von den Spielern jeweils eine Karten ausgespielt. Bedrohungskarten kommen in das Niemandsland in der Mitte, schwere Schläge kommen direkt vor dem Spieler und gelten ab sofort (z.B. hat man ein Nachttrauma, so dass schon eine Nachtbedrohung ausliegt – es geht aber noch viel schlimmer). Dabei ist aber darauf zu achten, dass keine Bedrohung mehr als zweimal im Niemandsland zu sehen ist. Passiert dies doch, ist die Mission gescheitert und alle während der Mission ausgelegten Karten werden zurück in den Bedrohungsstapel auf dem Kriegerdenkmal gemischt.

Damit das nicht passiert (weil man nur noch Bedrohungen auf der Hand hat, die nicht mehr passen), kann ein Spieler sich auch zurückziehen. Er behält seine Handkarten und legt ein Rückhaltplättchen verdeckt vor sich ab. Alternativ kann man auch eine motivierende Rede halten (einen sogenannte Aufruf machen). Dabei benennt man eine Bedrohung. Haben die Mitspieler nun Karten mit dieser Bedrohung auf der Hand, darf jeder davon eine aus dem Spiel nehmen. Leider sind nur sehr wenige Aufrufe möglich (diese sind abhängig von der Spieleranzahl).
Bedrohungskarten kommen auch aus dem Spiel, wenn alle Spieler sich rechtzeitig zurückgezogen haben. Dann werden alle ausgespielten Karten im Niemandsland aus dem Spiel genommen und es werden nun abhängig von den verbliebenen Handkarten bei den Spielern Karten vom Kriegerdenkmalstapel auf den Friedenstaubenstapel umgeschichtet.
Das klingt einfacher, als es dann ist. Insbesondere die Fallen (also die roten Rechtecke auf den Bedrohungskarten) machen es neben den Schweren Schlägen unplanbar, denn immer wenn eine solche Karte ausgespielt wird, muss sofort die oberste Karte vom Kriegerdenkmalstapel in das Niemandsland abgelegt werden.

Haben sich alle Spieler zurückgezogen, dann haben auch alle Spieler Rückhaltplättchen gespielt. Was bedeutet das? Jeder Spieler entscheidet beim Rückzug für sich geheim, welchem Freund er Rückhalt geben wird. Am Ende der Runde werden alle gelegten Plättchen aufgedeckt und entsprechend der Anweisung darauf an die Mitspieler weitergegeben. Hat ein Spieler eine Mehrheit an Plättchen bekommen, dann kann dieser sich wieder von zwei schweren Schlägen erholen. Das ist wichtig, weil man auch dann das Spiel auch verliert, wenn ein Spieler mehr als drei schwere Schläge aufweist. Eine weitere Möglichkeit ist, seinen Glücksbringer wieder zu bekommen. Diesen Glückbringer konnte man vorher einmalig einsetzen, um eine Bedrohungskarte aus dem Spiel zu nehmen.

Das gefällt mir nicht so gut: Es ist zwar ein kooperartives Spiel, aber kein kommunikatves. Denn die Kommunikation untereinander ist äußerst beschränkt. Die eigenen Informationen sollen geheim gehalten werden. Man hat nicht das Gefühl, dass man gemeinsam über ein Problem berät, sondern man windet sich beim Ausspielen seiner Karten, weil man nur hofft, dass man damit die Probleme nicht vergrößert. Natürlich ist den Gruppen ein gewisses Maß an Freiheit gelassen, aber ich denke schon, dass sich die Autoren etwas dabei gedacht haben. Ich hätte es gerne etwas kommunikativer, kann aber verstehen, dass es das nicht ist. Bildlich gesprochen: wenn ich im Schützengraben sitze muss ich mich auch alleine entscheiden und kann nicht alles in einer Gruppe ausdiskutieren. Das ist teilweise deprimierend – aber das ist konsequent dem Thema geschuldet.
Das gefällt mir gut: Das Spiel ist schwer, sehr schwer. Leider wird dadurch sehr gut dargestellt, wie schwierig es ist, einen Krieg zu überleben (und wenn, dann hat man noch diese Traumata). Hier wird also ein sensibles Thema spürbar gemacht. Natürlich abstrahiert das Spiel und im Endeffekt werden Symbolkarten ausgespielt, aber durch das gesamte Spielkonzept wird ein hohes Maß an Empathie geweckt. Man kann die Hilflosigkeit spüren und hadert mit schweren eigenen Schicksalsschlägen. Man freut sich aber auch über die Unterstützung der eigenen Freunde und hofft auf einen gut getimten Aufruf (und wie sehr freut man sich über den einzig positiven schweren Schlag: die Weihnacht).

Insbesondere die Gestaltung ist dabei maßgeblich für das Spielgefühl verantwortlich. Durch die liebevollen Details (man achte auf den Text der Aufrufplättchen oder das Schachtelinlay) wird man immer an das Thema erinnert. Dafür müssen aber nicht grauenvoller Bilder herhalten – das Grauen passiert eher im Kopf, wenn man in Ruhe darüber nachdenkt. Für mich ein stimmigeres Konzept als bspw. andersherum bei THE GAME (was aber auch ein gutes kooperatives Spiel ist).
Fazit: Für mich ist LES POILUS ein Erlebnis. Ich sehe darin aber auch kein Kartenspiel mit ein paar Symbolen, sondern versuche mich in das Thema reinzudenken. Dann wird man mit einem faszinierenden kooperativen Spiel belohnt, bei dem gemeinsames Gewinnen Glücksgefühle auslöst – auch, weil es so selten passiert. Außerdem finde ich es gut und wichtig, dass ein derartiges Thema im Spiel behandelt wird. Spiele dürfen gerne mehr sein als nur pure Unterhaltung – insbesondere dann, wenn eben kein mahnender Zeigefinger im Spiel ist, sondern wenn Empathie spielerisch vermittelt wird.
Titel | Les Poilus / The Grizzled |
Autor | Fabien Riffaud und Juan Rodriguez |
Illustrationen | Tignous |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | Sweet November |
Jahr | 2015 |
Kommentar hinzufügen