12 Rivers von Romain Caterdjian – erschienen bei BGNations
Schon oft genug habe ich erzählt, dass ich mich bei Neuerscheinungen hauptsächlich auf den deutschen Markt konzentriere. Nur in Ausnahmefällen verlasse ich diese gewohnten Pfade. Die Gründe dafür sind vielfältig, hängen aber zum Großteil auch mit meinen mangelnden Sprachkenntnissen zusammen. Mir ist es aufgrund der fehlenden Übung oftmals schlicht zu anstrengend, mich mit fremdsprachigen Anleitungen abzuquälen. Das mache ich schon mal, wenn ich schwer von einem Verlag genervt bin und deswegen lieber gleich zum Original greife. Oder wenn mich ein Spiel durch seine Optik dermaßen anspricht, dass ich nicht auf eine mögliche Lokalisierung warten möchte. 12 RIVERS ist dafür das Paradebeispiel. Als ich die ersten Bilder davon auf Instagram sah, war es um mich geschehen: dieses Spiel wollte ich so schnell wie möglich ausprobieren!
Thema... aufgrund der mangelnden Sprachkenntnis bin ich mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Vielleicht ist die Spielgeschichte aber auch wirklich so phantastisch abgedreht: in einer Parallelwelt lebt die Menschheit im Einklang mit den Naturgöttern, die uns jährlich kostbare Ressourcen als bunte Perlen zur Verfügung stellen. Diese sammeln wir mit unseren Alpakas im Gebirge der 12 Flüsse auf und verteilen sie an bedürftige Dorfbewohner. Oder so ähnlich. So richtig trägt das Thema mit Feen und Götter nicht. Aber auch bei einem realistischeren Thema wäre es schwer gewesen, das ein oder andere Spiel-Element sinnvoll zu erklären. Außerdem ist möglicherweise der asiatische Kulturkreis einem solchen Thema näher als wir hier in West-Europa.
Illustrationen... sind wunderschön erstellt von Dofinn. Wenn ich das richtig recherchiert habe, ist das eine taiwanesische Illustratorin, die zumindest in unseren Breitengrade keine große Bekanntheit aufweist. Trotz kleiner Mängel beim Grafikdesign hat sie definitiv dafür gesorgt, dass 12 RIVERS ein Hingucker ist.
Ausstattung... bietet ebenfalls einen Hingucker: denn der Spielplan ist eine schiefe Ebene, auf der bunte Plastikperlen in den 12 Flüssen hinunter zum finalen See kullern. Zwischendurch kann man allerdings hölzerne Barrieren einfügen. Ermöglicht wird das durch Aussparungen im Spielplan, der aus einer Art Foamcore gefertigt ist. Der Materialmix wird komplementiert durch einen Stoffsack, um die Perlen daraus zu ziehen, sowie Papier und Pappe für Karten, Spielhilfe, Feenplättchen, Alpakas und Dorfbewohner. Die beiden letztgenannten Elemente weisen zudem Vertiefungen auf, weil dort die kleinen Perlen zwischen- bzw. endgelagert werden.
Ablauf... zu Beginn einer Runde wird an den Quellen eine Barriere gelegt und dann, je nach Menge der mitspielenden Personen, eine bestimmte Anzahl von Flussläufen mit zufällig gezogenen Perlen bestückt. Außerdem werden neben den Flüssen einzelne Feenplättchen verteilt. Nun setzen wir nacheinander Barrieren, in dem wir die fälligen Baukosten mit unseren Karten bezahlen. Diese sind höher, je weiter oben am Berg gebaut wird – und im Flaschenhals vor dem See erhalten wir sogar neue Karten anstatt sie ausgeben zu müssen. Zusätzlich erhalten wir hilfreiche Feenplättchen, wenn diese neben unserer gebauten Barriere liegen. Wir können aber unsere Barrieren auch in das Dorf bringen, wofür wir teilweise sogar ebenfalls neue Baukarten erhalten.
Sind alle Barrieren gesetzt, werden diese nun von oben nach unten und von links nach rechts abgehandelt. Dazu nehme ich mir eine der Perlen, die an meiner Barriere liegt. Je höher das ist, umso mehr Kontrolle habe ich über die Auswahl. Aber auch der See am Ende ist reizvoll, denn aus diesem kann ich mir alle übrig gebliebenen Perlen nehmen – sofern mein Alpaka genügend Stauraum zur Verfügung hat. Dieser ist dummerweise auf 6 Perlen beschränkt. Glücklicherweise gibt es am Ende der Runde noch eine Verladephase, in der ich Perlen von meinem Alpaka auf vorher genommene Dorfbewohner-Plättchen verteilen kann. Um an diese zu gelangen, setze ich meine Barrieren ins Dorf. Auch hier gilt: je früher ich mich positioniere, um so besser ist meine Auswahl. Für die nachfolgenden Runden ist dann noch zu beachten, dass die Zugreihenfolge umgekehrt zu den in der aktuellen Runde aktivierten Barrieren ist, was anschaulich auf dem Spielplan visualisiert wird.
Nach fünf gespielten Runden werden die eigenen Sammlungen abgerechnet. Dabei sind die selteneren Perlen mehr wert als die häufigeren. Zusätzlich geben vollständig befüllte Dorfbewohner (die somit eine Art Auftrag versinnbildlichen) ebenfalls Punkte. Wollen wir gerne noch etwas verzwickter abrechnen, dann können wir noch auf die Fahnen der Dorfbewohner achten und für unterschiedliche Sets ebenfalls Punkte vergeben.
Das gefällt mir nicht so gut: 12 RIVERS ist toll ausgestattet, aber ein paar Kleinigkeiten stören mich doch am Material. Das beginnt mit den kleinen Plastikperlen. Diese sehen nicht nur so aus, als ob sie aus einem Backsortiment-Regal entstammen – zumindest haben sie eine große Ähnlichkeit zu den Zucker-Deko-Kügelchen, die von meiner Tochter gerne in ihren Joghurt gerührt werden. Die Spiel-Perlen sind ähnlich leicht und haben den gleichen Drang auf den Boden zu fallen und dann kaum gefunden zu werden. Leider ist durch die gewählten Pastellfarben auch die Unterscheidung nicht so einfach. Ob nun grüne oder blaue Kugeln an der Quelle liegen, lässt sich bei ungünstiger Beleuchtung nicht so einfach sagen. Auch die farbliche Zuordnung der Perlen bei den Dorfbewohnern ist schwierig und man muss bei den Rot- und Lilatönen ebenfalls sehr genau hinschauen. Somit hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn die Perlen etwas farbintensiver wären – und gerne auch etwas größer.
Denn die kleinen Kügelchen machen es leider auch nicht leichter im Sitzen etwas zu erkennen. Vom Prinzip ist es begrüßenswert, wenn man sich auch am Spieletisch etwas bewegt. Bei 12 RIVERS ist viel Bewegung gegeben, weil oft aufgestanden wird, um sich die Kugeln hinter der Barriere anzusehen. Idealerweise wäre diese aus Plexiglas gefertigt, so dass man die Kugeln dahinter erkennen kann. Aber vielleicht wäre eine bessere Erkennbarkeit schon mit größeren Kugeln gegeben. Und diese würden sich dann auch weniger oft auf dem Weg nach unten blockieren. Da die Reihenfolge nicht relevant ist, kann man solche Blockaden problemlos händisch auflösen, aber es ist schon augenfällig, wie oft sich die Kügelchen auf den Weg nach unten stauen.
Die Karten als Bezahlmittel sind etwas unpraktisch und ich hätte es besser gefunden, wenn stattdessen Pappmünzen benutzt würden. Wahrscheinlich wollte der Autor so verhindern, dass die Mitspielenden erkennen können, wie viel "Geld" besessen wird. Das hätte man bei Münzen aber notfalls auch über kleine Sichtschirme lösen können. Wobei man die Münzen ohnehin größtenteils in der Hand hielte und man dort auch nicht die Menge erkennt. So hantiert man stattdessen dauernd mit den Karten und fächert diese am Ende auf, damit man sie besser abzählen kann – womit der gewünschte Effekt etwas verpufft. Und auch wenn die Karten hochwertig produziert sind, so erkennt man doch recht schnell Abnutzungserscheinungen, weil sie unbedingt randlos schön gestaltet wurden. Zimperliche Seelen greifen nun bestimmt zu Sleeves.
Zu guter Letzt ist das Grafikdesign bei den zu bezahlenden Karten nicht eindeutig. Wenn man Karten erhält, dann wird das mit einem roten Zelt und einem Pluszeichen vor der Zahl angezeigt. Wenn man dahingegen Karten bezahlen muss, dann steht nun nicht etwas ein Minuszeichen, sondern nun kommt das Malzeichen zum Einsatz, was anfangs für Verwirrung sorgte. Auch die Symbolsprache der Feen-Plättchen ist nicht immer intuitiv zu erfassen. Zu guter letzt wäre es hilfreich gewesen, wenn schon auf dem Spielplan die Zonen mit Baukosten vermerkt wären und nicht nur in der Spielhilfe. So etwas darf man trotz künstlerischem Anspruch gerne tun, denn es hilft im Spiel ungemein – und darum sollte es in erster Linie gehen.
Das gefällt mir gut: Doch kommen wir mal weg von den Äußerlichkeiten – auch wenn genau diese für das Grundinteresse an dem Spiel gesorgt haben. Glücklicherweise überzeugt mich 12 RIVERS aber vor allem spielerisch! Auch wenn vielleicht die großen spielmechanischen Innovationen fehlen, so sind die einzelnen Elemente harmonisch zusammengesetzt und es entsteht ein schöner Spielfluss. Dieses Wortspiel musste sein, denn natürlich wird das positive Spielerlebnis durch den 3D-Aufbau der Flusslandschaft maßgeblich unterstützt. Das Material sieht aber nicht nur gut aus, sondern hilft auch unnötige Verwaltungsarbeit zu vermeiden. So hätte man den Lauf der Perlen auch problemlos auf einer plan auf dem Tisch liegenden Landschaft nachbilden können. Dann müsste man händisch Perlenmarker von der Quelle zum See verschieben. Aber wie viel toller ist es, dass dies nun automatisch passiert? Dass wir direkt erfahren können, wie das Wasser die Perlen mit ins Tal nimmt? Dass wir erleben, wie Barrieren wirken? Ich besitze zwar schon den aufgemotzten 3D-Plan für WASSERKRAFT, aber wenn ich 12 RIVERS vor mir habe, wächst in mir ein Traum...
Es wäre allerdings unfair, 12 RIVERS nur auf die Ausstattung zu reduzieren. Denn unabhängig davon sind viele reizvolle Entscheidungen zu treffen, die alle für sich genommen eine Relevanz haben. Welche Perlen benötige ich dringend? Kann ich darauf spekulieren, dass diese Perlen noch im unteren Flusslauf abzufischen sind oder muss ich meine raren Karten aufbrauchen, um ganz oben meine Barriere zu setzen? Welche Dorfbewohner stehen im Angebot? Wie kann ich meine Feenplättchen optimal nutzen? Und welche Feenplättchen liegen bei den anderen? Das ist nicht unwichtig, denn 12 RIVERS hat durchaus interaktive Elemente. Man kann schon für einige laute Unmutsbekundungen sorgen, weil man auf einmal zwei statt nur einer Perle aus dem Fluss fischt. Oder weil man genau diesen Dorfbewohner genommen oder genau jene Barriere gesetzt hat. Allerdings bleiben alle diese kleinen Gemeinheiten auf einem angenehmen Level. Man steht in Konkurrenz, was das Spiel spannend macht. Aber man zerstört keine Pläne und es gibt immer noch genug andere Stellschrauben, um bei Unbillen entgegensteuern zu können.
Dabei lässt sich ganz gut ein Schwierigkeitslevel einstellen. Man kann auf die zusätzlichen Bedingungen bei den Dorfbewohnern verzichten, weil diese die eigentlich einfache Punktewertung unnötig kompliziert machen. Trotz dieser Vereinfachung wird 12 RIVERS dadurch aber nicht banal. Denn die unterschiedlichen Phasen sorgen dafür, dass man planvoll vorgehen muss. Es ist ärgerlich, Karten für eine Barriere ausgegeben zu haben, wenn man gar keine freien Lama-Kapazität für die Perlen besitzt. Auch die Vorlieben der einzelnen Dorfbewohner wollen gezielt bedient werden. Und dann ist da noch die clevere Bestimmung der Zugreihenfolge...
Das Regelwerk ist leider nicht immer ganz eindeutig. So habe ich bspw. keinen Hinweis gefunden, zu welchem Zeitpunkt die Dorfbewohner wieder aufgefüllt werden müssen. Aber solche Kleinigkeiten lassen sich mit Spielerfahrung problemlos gemeinsam aus der Welt schaffen. Spannend fand ich dahingegen, wie konsequent die englischsprachige Anleitung gegendert ist. In unseren Breitengraden scheint das Thema für manche unverständlicherweise ein riesiges Problem zu sein. Da ist es durchaus Augen öffnend, wenn man sieht, wie ein Verlag aus Taiwan mit dieser Frage umgeht.
Fazit: 12 RIVERS sieht nicht nur umwerfend schön aus, sondern weiß auch spielerisch auf voller Linie zu überzeugen. Ich bin gespannt, ob ich das Spiel irgendwann in einer deutschen Lokalisation erleben werde – die Qualität, auf dem umkämpften Markt zu bestehen, hätte es.
Titel | 12 Rivers |
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Autor | Romain Caterdjian |
Illustrationen | Dofinn |
Dauer | 45 bis 75 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | gehobene Familienspielrunden |
Verlag | BGNAtions |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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