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kritisch gespielt: Call to Adventure

Call to Adventure von Chris und Johnny O'Neal – erschienen bei Brotherwise Games

Call To Adventure - Box
Foto: Asmo­dee

Bei sol­chen Cover-Gestal­tun­gen wie bei CALL TO ADVENTURE wün­sche ich mir immer, dass ich frü­her in der Schu­le Kunst-Unter­richt gehabt hät­te anstatt krea­ti­ves Rum­wer­keln mit Far­ben oder Mate­ria­li­en. Denn dann könn­te ich näm­lich bestimmt eine über­zeu­gen­de Bild­be­schrei­bung der Dun­kel-Hell-Kom­po­si­ti­on mit vie­len tol­len Fach­be­grif­fen lie­fern. So kann ich das eben nicht. 

The­ma... auch bei CALL TO ADVENTURE geht es um Bio­gra­phien. Wir erschaf­fen näm­lich nach und nach unse­re eige­ne Legen­de. Dazu stel­len wir uns Her­aus­for­de­run­gen, sam­meln Erfah­run­gen und ver­bes­sern unse­re Fähig­kei­ten. Am Ende haben wir einen Cha­rak­ter vor uns lie­gen, der von Gefah­ren und Hel­den­ta­ten erzäh­len kann – und sich ganz neben­bei auch für die dunk­le oder hel­le Sei­te ent­schie­den hat.

Call To Adventure - Herausforderungen
welch ein­drucks­vol­le Illustrationen

Illus­tra­tio­nen… sind ein ech­ter Augen­schmaus. Unter der Lei­tung von Matt Paquet­te durf­ten eini­ge Künst­ler (Adam J. Marin, Paul Scott Cana­van, Krys­ti­an Bisk­up, Artem Demu­ra, Max Bedu­len­ko, Sean Robin­son, Jor­dan Jar­di­ne, Spen­cer Hidal­go, Chris Cold und Sean Thur­low) ihr erlang­tes Hand­werk demons­trie­ren und zau­ber­haf­te Illus­tra­tio­nen für die Kar­ten schaf­fen. Die­sen Kunst­wer­ken wird auch viel Raum gege­ben, so dass die spie­le­risch wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen lei­der zu sel­ten auf den ers­ten Blick zu erken­nen sind. Aber davon unab­hän­gig sieht CALL TO ADVENTURE ein­fach klas­se aus.

Call To Adventure - Übersicht
auch aus­ge­packt gut sortiert

Aus­stat­tung… kommt auf­grund des durch­dach­ten Inserts sehr auf­ge­räumt daher. Trotz­dem muss das Insert anfangs bestückt wer­den und dafür muss man erst ein­mal ler­nen, wie man die gan­zen Kar­ten unter­schei­det. Denn die Cha­rak­ter­kar­ten ähneln äußer­lich sehr den Legen­den­kar­ten. Bei­de sind unter­grup­piert in drei Far­be­sche­men, die mit­ein­an­der kor­re­spon­die­ren. Dann gibt es noch die klei­ne­ren Hel­den- bzw. Anti­hel­den­kar­ten sowie Kar­ten für die koope­ra­ti­ve bzw. soli­tä­re Spielvariante.

Der Grund, war­um ich über­haupt auf CALL TO ADVENTURE auf­merk­sam wur­de, sind jedoch die 24 Runen-Stei­ne, die in einem eige­nen Sor­tier­kas­ten unter­ge­bracht sind. Die­se sind in acht Grup­pen zu unter­schei­den und haben unter­schied­li­che Vor­der- und Rück­sei­ten. Abge­run­det wird das Mate­ri­al durch Hel­den-Tableaus, klei­nen roten Erfah­rungs­mar­kern, Hel­den­mar­kern sowie einem Wertungsblock.

Call To Adventure - Legende
ein Cha­rak­ter wird geformt

Ablauf… zu Spiel­be­ginn wählt man aus einem sehr beschränk­ten Ange­bot für den eige­nen Cha­rak­ter die Her­kunft, die Moti­va­ti­on und das zu erwar­ten­de Schick­sal aus – wobei letz­te­res für die Mit­spie­len­den ver­bor­gen bleibt. Dann stürzt man sich ins Aben­teu­er und wählt aus einer offe­nen Aus­la­ge eine Her­aus­for­de­rung aus. Anfangs ist die Aus­la­ge aller­dings nur für Kar­ten des 1. Aktes ersicht­lich. Erst wenn eine Per­son drei Her­aus­for­de­run­gen erfolg­reich gemeis­tert hat, wer­den auch die Kar­ten des 2. Aktes ver­füg­bar (und bei sechs Her­aus­for­de­run­gen die des fina­len 3. Aktes).

Call To Adventure - Auslage
im ers­ten Akt ist die Aus­wahl noch überschaubar

Um eine Her­aus­for­de­rung zu bestehen, muss man sich einer Runen-Pro­be stel­len. Dazu schaut man, wel­che Fähig­kei­ten schon der eige­ne Cha­rak­ter hat und nimmt sich die dazu pas­sen­den Runen. Die­se wirft man zusam­men mit den Basis-Runen und wer­tet das Ergeb­nis anhand der zu sehen­den Sei­ten aus. Hat man dadurch einen bestimm­ten Erfolgs-Wert erreicht, der auf den Her­aus­for­de­rung­kar­ten ange­ge­ben ist, war man sieg­reich und man darf die Kar­ten auf das Tableau able­gen – und hat damit meist wei­te­re Fähig­kei­ten gewon­nen. Zusätz­lich sam­melt man somit direkt Sieg­punk­te sowie Sym­bo­le, die man am Ende bei einer gewis­sen Men­ge eben­falls in sol­che umwan­deln kann. War man nicht erfolg­reich, bekommt man zumin­dest einen Erfahrungsmarker.

Die­sen kann man ein­set­zen, um die Aus­wahl der Kar­ten zu beein­flus­sen oder um bei den Pro­ben dunk­le Runen zu benut­zen, die die Erfolgs­chan­cen erhö­hen. Der Neben­ef­fekt davon kann sein, dass die eige­ne Gesin­nung von hell auf dun­kel wech­selt. Das ist nicht wirk­lich ein Pro­blem, son­dern fast nur bei der Fra­ge wich­tig, ob ich nun Hel­den­kar­ten oder Anti­hel­den­kar­ten aus­spie­len darf.

Call To Adventure - Start
das Leben ist weni­ger abwechs­lungs­reich als erhofft

Das gefällt mir nicht so gut: Im Kern macht man immer das Glei­che: man schaut, wel­che Kar­te gut in das eige­ne Kon­zept passt, führt dann eine Runen-Pro­be durch und nimmt die neue Kar­te auf oder eben nicht. Der Schwie­rig­keits­grad und die Beloh­nung der Kar­ten erhöht sich dabei dau­ernd, weil sich schließ­lich auch die eige­nen Fähig­kei­ten ver­bes­sern. Die spiel­re­le­van­ten Fra­gen sind dem­nach recht schlicht: wel­che Kar­ten pas­sen am bes­ten zu mei­ner Schick­sals-Vor­ga­be und wie viel kann und will ich bei den Pro­ben ris­kie­ren. Mehr darf man trotz möch­te­gern-pom­pö­ser Aus­stat­tung und auf­ge­bausch­tem The­ma nicht von CALL TO ADVENTURE erwarten.

Call To Adventure - Herausforderungen - Detail
in mei­nen Augen kein gelun­ge­nes Kartendesign

Dabei wird viel mit äuße­ren Schau­wer­ten gear­bei­tet. Die Kar­ten sind groß­for­ma­tig und sehen toll aus! Lei­der wer­den durch das gewähl­te Design die wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen eher ver­steckt als dass sie hilf­reich ins Auge sprin­gen. Die Runen­stei­ne sehen auf dem ers­ten Blick auch toll aus – nur ist man irgend­wie ent­täuscht, wenn man sie dann in die Hand nimmt. Ich zumin­dest hat­te mir schwe­re Bake­lit-Stei­ne wie bspw. bei HECKMECK AM BRATWURMECK oder AZUL erhofft. Im End­ef­fekt ist es aber ganz leich­tes Plas­tik, was sich lei­der nicht wer­tig anfühlt. Noch bil­li­ger füh­len sich die Plas­tik-Erfah­rungs­punk­te an, die ich mir somit viel lie­ber als Papp-Plätt­chen oder Holz­wür­fel­chen gewünscht hätte.

Call To Adventure - Erfahrungspunkte
fühlt sich lei­der "bil­lig" an

Doch ich möch­te noch­mals kurz bei den Runen blei­ben. Die waren das beson­de­re Ele­ment, mich mit die­sem Spiel aus­ein­an­der set­zen zu wol­len, weil ich mich schon seit mei­ner Jugend für Runen inter­es­sie­re. Lei­der hat mich dann der Gebrauch im Spiel eher abge­schreckt. Eigent­lich hät­te es aus­ge­reicht, wenn man ein Basis-Set und noch ein paar Son­der-Runen als Spiel­ma­te­ri­al nut­zen wür­de. Aber das hät­te wohl nicht den gewünsch­ten Schau­wer­ten genügt, wes­we­gen nun für jede Eigen­schaft eige­ne Runen vor­han­den sind. Als Kon­se­quenz muss man sich nun aber immer die Runen für die nächs­te Pro­be zusam­men­su­chen. Das wäre wesent­lich leich­ter, wenn sich die Aus­rich­tung der ein­zel­nen Runen nicht ver­än­dern wür­de – was aber lei­der bei den Spe­zi­al­ru­nen pas­siert (die man sich neh­men darf, wenn die Fähig­keit drei­mal in der eige­nen Legen­de vor­han­den ist). Das ist so eine Klei­nig­keit, die mich wahn­sin­nig stört, weil es die Hand­ha­bung unnö­tig kom­pli­zier­ter macht.

Das Stich­wort "unnö­tig kom­plii­ziert" kann man auch gut auf die Anlei­tung über­tra­gen. Mit zu vie­len Wor­ten wird dort ein ein­fa­ches Spiel­prin­zip erklärt. Die Kurz­an­lei­tung auf der letz­ten Sei­te erklärt eigent­lich das gan­ze Spiel. Die 15 Sei­ten davor hät­te man also deut­lich kür­zen kön­nen – ins­be­son­de­re dann, wenn davon wie­der­um zwei Sei­ten FAQs sind, die somit den Ein­druck ver­mit­teln, dass die Anlei­tung vor­her nicht klar und deut­lich genug zu sein scheint. 

Das gefällt mir gut: Über­ra­schen­der­wei­se fühl­te ich mich trotz der eher simp­len Mecha­nik immer gut unter­hal­ten – was sicher­lich auch an den Run­den lag, mit denen ich CALL TO ADVENTURE gespielt habe. Denn wir zele­brie­ren dabei ger­ne das Spie­len der Her­aus­for­de­run­gen. Die­se haben immer bestimm­te Titel, die wir dann erzäh­le­risch bei der Aus­wahl der Pro­be umset­zen und von den ande­ren kom­men­tiert wer­den. Mein ers­tes Erleb­nis als Wai­sen­kind in der gro­ßen Stadt war, wie ich durch einen Stra­ßen­kampf ein wah­rer Rauf­bold wur­de... Durch die vie­len von mir gele­se­nen Fan­ta­sy-Roma­ne spiel­ten sich bei mir immer Sze­nen im Kopf ab. Das ist sicher­lich weni­ger die Leis­tung des Spiels son­dern viel­mehr der Spie­len­den – trotz­dem bie­tet die Kar­ten und Tex­te den Rah­men dafür, den wir mit Leben fül­len kön­nen. Da wur­de es am Ende als gar nicht mehr so wich­tig erach­tet, ob man nun 5 Sieg­punk­te mehr oder weni­ger als ande­re hat­te. Viel­mehr war man zufrie­den, wie die eige­ne Legen­de gestrickt wurde.

Call To Adventure - Heldenkarten
die Hel­den- und Anti­hel­den­kar­ten brin­gen die inter­ak­ti­ve Würze

Einen gro­ßen Anteil die­ses spe­zi­el­len Spiel­spa­ßes hat man durch die aus­zu­spie­len­den Hel­den- bzw. Anti­hel­den­kar­ten. Denn durch die­se kann man auch mal ganz direkt bei den Mit­spie­len­den dazwi­schen fun­ken. Schon beein­dru­ckend, wie du eben dei­ne Her­aus­for­de­rung gemeis­tert hast. Aber schaffst du das auch ein zwei­tes Mal. Denn durch mei­ne Kar­te musst du nun lei­der lei­der dei­nen Wurf noch­mals wie­der­ho­len... Man kann sich also nie sicher sein, ob nicht gleich ein gehäs­si­ges Grin­sen in einem Gesicht auf­taucht. Das mag für man­che einen wider­li­chen Hauch von Will­kür haben, aber so ent­ste­hen Emo­tio­nen, die dafür sor­gen, dass wir uns noch an die ein oder ande­re Par­tie von CALL TO ADVENTURE erinnern.

Call To Adventure - Koop-Spiel
der koope­ra­ti­ve (Solo-)Modus ist erstaun­lich abwechslungsreich

Um sol­che geziel­ten Atta­cken von Mit­spie­len­den zu ver­mei­den, kann man CALL TO ADVENTURE auch koope­ra­tiv bzw. solo spie­len. Über ein klei­nes Kar­ten­deck wird ein End­geg­ner simu­liert, der einem auch zwi­schen der Par­tie mit besag­ten Anti­hel­den­kar­ten dazwi­schen funkt. Die­ses Sys­tem funk­tio­niert erstaun­lich gut, da ver­schie­de­ne Geg­ner zur Ver­fü­gung ste­hen. Trotz­dem gefällt mir das kom­pe­ti­ti­ve Spiel bes­ser, weil es mehr Emo­tio­nen schürt.

Call To Adventure - Ende
mein Leben als Abenteurer

Fazit: Man erkennt, mit wie viel Lie­be zum Detail CALL TO ADVENTURE ent­wi­ckelt wur­de. Dadurch wirkt das Spiel aber auch etwas auf­ge­bläht, weil die eigent­li­che Mecha­nik doch eher simp­ler Natur ist. Somit kann ich ver­ste­hen, dass man­che vom äuße­ren Ein­druck geblen­det wur­den und somit von dem Spiel ent­täuscht sind. Wenn es einem aber gelingt, sich davon frei zu machen und statt auf die dün­ne Mecha­nik zu ach­ten lie­ber die klei­nen Geschicht­chen zele­briert, dann wird man von CALL TO ADVENTURE gut unterhalten.

TitelCall to Adventure
AutorenChris und John­ny O'Neal
Illus­tra­tio­nenMatt Paquet­te
Dau­er30 bis 60 Minuten
Per­so­nen­an­zahl1 bis 4 Personen
Ziel­grup­peFan­ta­sy begeis­ter­te Familienspielrunden
Ver­lagBrot­her­wi­se Games (Asmo­dee Ger­ma­ny)
Jahr2020
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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