Die Inseln im Nebel von Volker Schächtele – erschienen bei Schmidt Spiele
Seit ein paar Tagen versuche ich, eine Einleitung zu DIE INSELN IM NEBEL zu schreiben. Dauernd drängt sich mir dabei ein Liedtext auf. So ganz nachvollziehen kann ich diesen Ohrwurm zwar nicht, aber nun wehre ich mich auch nicht mehr dagegen und nehme den Refrain einfach als Einleitung. Also ...
"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann, würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein."
Vielleicht ist das ein Zeichen der aktuellen Corona-Zeit. Denn der Refrain lädt mich zumindest zu einem entspannten Umgang mit den aktuell etwas verrückten Umständen ein. Also alles mit einem gewissen Abstand zu sehen, sich nicht zu viel Gedanken zu machen, die Situation so anzunehmen, wie sie ist, und das Beste daraus zu machen. Klingt nach Küchen-Psychologie, ist aber besser als sich verrückt zu machen.
Thema... ist ein ganz schön nebelig. Als Ballonfahrer entdecken wir nach und nach eine Insel – allerdings ist mir nicht klar geworden, warum wir das tun? Okay, wir müssen dieses Mal keinen König von unserer Tollkühnheit überzeugen, um dessen legitimer Nachfolger zu werden. Aber so ein klein wenig hätte ich schon gerne den Grund unseres Tuns gewusst. Denn ein paar Fragen stellen sich dabei: Warum ist genau in der Mitte der unbekannten Insel eine Ballonwerft? Wie kommt die dorthin und wer hat die gebaut? Warum kann ich nicht von der Insel weg fliegen? Ist die Welt also doch eine Scheibe? Wie verscheuchen wir den Nebel, um die Landschaft darunter zu entdecken? Bisher kannte ich nur Maschinen, die Nebel erzeugen... Nee, nee, das Thema überzeugt nicht, auch wenn es in gewisser Art und Weise gut zum Mechanismus passt.
Illustrationen... sind von Michael Menzel und kommen im gewohnten Stil daher. Es soll ja Menschen geben, die sich an seiner Art zu zeichnen satt gesehen haben. Ich gehöre jedoch nicht dazu. Einerseits bin ich froh, dass mittlerweile viele verschiedene Stile Einzug in die Spielewelt erhalten haben, andererseits schaffen es nur wenig Illustratoren, ihren Stil erkennbar zu machen zugleich aber Dienstleister im Sinne des Spiels zu sein. Ich vergleiche das gerne mit Filmmusiken. Die sollen einerseits markant genug sein, um sie wiederzuerkennen. Andererseits sind sie aber nur "Dienstleister", um bestimmte Stimmungen zu transportieren. Und genau diesen Punkt mit der Stimmung schafft Michael Menzel eigentlich immer. Zusätzlich ist die gewählte Symbolsprache meist selbsterklärend – wie auch hier bei DIE INSELN IM NEBEL.
Ausstattung… kommt natürlich mit Ballons daher: recht stattlich groß und aus massivem Holz. Fast noch stattlicher sind die Pfeile, die später die Windrichtung anzeigen, und die zwei Würfel. Gäbe es nur dieses Material, dann könnte man DIE INSELN IM NEBEL problemlos auf der Terrasse spielen und ein Windstoß würde nichts weg wehen. Allerdings sind da noch die fuddelig kleinen Holzmarker für die Energieanzeige und eine Menge Hexplättchen, die man erst aus einem Beutel auf Wolken und später auf die eigenen Spielertableaus legt. Diese Hexplättchen zeigen zum Großteil eine der sechs unterschiedlichen Landschaften, es bestehen aber auch Joker-Plättchen sowie noch zwei weitere Sonderarten (Monumente und Städte).
Zusätzlich zum Grundspiel sind in der Box schon zwei kleine Erweiterungen enthalten und als Modul 2 und 3 bezeichnet werden. Für diese Module gibt es nun noch ein eigenes Hafentableau sowie zusätzliche Hexplättchen und Okkulare für die jeweiligen Mitspielenden.
Ablauf… ist an für sich erfreulich einfach. Über einen Würfelwurf wird die aktuelle Windrichtung bestimmt sowie ein zusätzlicher kleiner Bonus. Dann fliegen ... äh ... fahren alle ihren Ballon in dieser Windrichtung und können nun angrenzend ihres Standortes Hexplättchen ablegen, wofür man manchmal einen kleinen Bonus erhält. Diese Plättchen nimmt man sich von seinem Tableau, nachdem dieses in einem Zwischenschritt vorher aufgefüllt wurde. Dafür durfte man sich an den mit Plättchen bestückten Wolken bedienen. Allerdings muss man dabei nicht alle Plättchen bei sich zwischenlagern, sondern man kann auch auf das Nehmen verzichten und dadurch Energie gewinnen.
Diese Energie kann man nutzen, wenn man mit der aktuellen Windrichtung nicht zufrieden ist. Dann startet man den Brenner und fliegt in eine andere Richtung. Außerdem kann man auch die Reichweite ändern, die durch das Plättchen vorgegeben wird, von dem man startete.
Das Ganze macht man so lange, bis alle sechs Küsten über Landschaftsplättchen mit der Werft in der Mitte verbunden sind. Dann wird die Endwertung durchgeführt, bei der die einzelnen Landschaften Punkte bringen. Aber auch der Bau von Städten und Monumenten wird belohnt, wobei bei letzteren eine kleine Mehrheitenwertung zu berücksichtigen ist. Sieht man auf seiner Insel noch Vulkane, muss man übrigens noch einen Punkt-Malus hinnehmen.
Die beiden zusätzlichen Module machen das Spiel um einiges taktischer. In Modul 2 kann man mit Karacho über den Inselrand fliegen, um sich dann im Hafen Plättchen zu ertauschen. In Modul 3 kommen zusätzlich noch eigene Ausbau-Plättchen ins Spiel, die man sich über ein bestimmtes Energie-Level frei schalten kann.
Das gefällt mir nicht so gut: DIE INSELN IM NEBEL kommen schon arg ruhig und behäbig daher. Das könnte zum Thema passen, wenn dieses denn überzeugend wäre. Leider vermittelt es aber eher den Eindruck, krampfhaft über den Mechanismus übergestülpt worden zu sein, so dass leider keine echte Einheit zwischen Thema und Mechanik hergestellt wird. Vielleicht wäre ein Verzicht auf das Thema und ein Herausstellen der abstrakten Mechanismen die bessere Wahl gewesen, auch wenn man dann auf die schönen Illustrationen hätte verzichten müssen.
So reizvoll anfangs der Wind ist, so verfällt dieser am Ende zu einem lauen Lüftchen. Denn meist strotzt man gegen Ende vor Energie. Somit kann man dann recht problemlos an den gewünschten Ort fliegen, womit man allerdings finale Siegpunkte verliert. Trotzdem stellte sich angesichts dieses Energiehaushalts bei mir das Gefühl ein, dass den Spielenden dadurch so wenig Härte wie möglich zugemutet werden soll – womit dem Spielgeschehen aber an Würze verloren geht. Durch die Möglichkeit, mit Energie die Flugrichtung anzupassen, soll das zwangsläufig auftretende Würfelpech bzw. ‑glück ausgeglichen werden. Allerdings bleibt es vorhanden und verlagert sich nur auf die Endabrechnung. Denn meist gibt es im Endeffekt einfach Glücklichere, bei denen der gewürfelte Wind besser ins Konzept passte als bei anderen. Aber das hat nichts mit Strategie oder Planung zu tun. Aus diesem Grund hätte ich mir eher einen Mechanismus gewünscht, der beispielsweise lediglich Richtungsanpassungen eintreten lässt, so dass man insgesamt planvoller agieren könnte.
Die Aufteilung in mehrere Module kann ich einerseits nachvollziehen, andererseits fühlt sich das Grundspiel in Modul 1 schon arg beschnitten an. Zusätzlich umfasst dass Grundspiel schon zu viele Regeln, um einfach unbekümmert los spielen zu können – zumal diese Abläufe anfangs gerne etwas hakeln (was mache ich in welcher Reihenfolge?). Und wenn man sowieso schon viele Regeln "zumutet", dann fallen die kleinen zusätzlichen Regeln der beiden weiteren Module auch nicht mehr ins Gewicht. Zumal mit diesen Modulen der Spielreiz deutlich ansteigt. Ich habe die Befürchtung, dass viele Leute nach dem Grundspiel schon keine Lust mehr auf die weiteren Module haben und somit DIE INSELN IM NEBEL gar nicht das bestehende Potential zeigen können. Zusätzlich sind die Regeln für die weiteren Module durch die Auslagerung recht knapp bemessen und dabei nicht zweifelsfrei beschrieben. So zeigt ein Plättchen im Modul 3 einen Bewegungswert von 1–8 an. Doch wann muss ich diesen Wert bestimmen? Gibt es da eine spezielle Reihenfolge? Das ist deswegen von Relevanz, da über diesen Bewegungswert auch der Startspieler der nächsten Runde bestimmt wird.
Die Interaktion zwischen den Mitspielenden ist übrigens nicht sehr ausgeprägt. Sie findet hauptsächlich bei der Auswahl der Plättchen statt. Meist achtet man kaum auf die anderen Inseln bzw. überblickt nicht richtig das dort ausliegende Gelände. Vor allem Anfänger schauen nur nach der Anzahl der Monumente und achten weniger auf die teilweise etwas unübersichtlichen Landschaftsverläufe. Die Folge ist, dass das Spielende meist recht überraschend eintritt. Mit etwas Spielerfahrung wird genauer hin geschaut bzw. auch ganz direkt gefragt. Aber so richtig elegant ist das alles nicht.
Das gefällt mir gut: Trotz einiger Schwächen muss man DIE INSELN IM NEBEL auch nicht in Grund und Boden schreiben. Es ist ein grundsolides Spiel, was vor allem in heutigen Zeiten etwas anachronistisch wirkt: wenig Bling-Bling und handwerklich sauber für die Zielgruppe der Familienspieler konstruiert. Es ist in der Summe ein ruhiges Legespiel mit genre-typischen Eigenschaften. Da wird der durchaus vorhandene Glückseinfluss recht klaglos in Kauf genommen.
Die Stimmung am Tisch ist eher ruhig konzentriert, laut emotional wird es eher selten. Allerdings muss man auch keine Angst vor einer einschläfernden Eintönigkeit haben – diese Gefahr wissen die Würfel recht sicher zu vermeiden. Ohnehin gefallen mir die Würfel recht gut. Einerseits natürlich bei der Bestimmung des Windes, andrerseits aber auch durch den Bonuswürfel. Dieser kann nicht nur zusätzliche Energie frei schalten, sondern auch mal den Wind spiegeln oder Ausreißer nach rechts und links zulassen. Diese Boni sind nicht besonderes mächtig, trotzdem wird durch die Würfel Emotionen erzeugt. Das liegt auch daran, dass sie den Startspieler ein wenig ausbremsen. Dieser hat den Vorteil, zuerst auf die Wolkenauslage zugreifen zu können. Allerdings darf er nicht würfeln! Das macht nämlich der Spieler rechts vom Startspieler. Und dieser hat zusätzlich das Recht, einen oder beide Würfel nochmals neu zu würfeln. Dieses nimmt er gerne in Anspruch – insbesondere dann, wenn er damit noch ein wenig den Startspieler ärgern kann. Das ist nur ein kleines Element im Gesamtkonstrukt, doch das hat mir richtig gut gefallen.
Ansonsten kann ich für die Optik und die Ausstattung nur lobende Worte finden. Da ist an viele Kleinigkeiten gedacht worden. Für ausreichend Abwechslung sorgen nicht nur die unterschiedlichen Module, sondern auch eine andere Inselaufteilung auf der Rückseite der Tableaus. Alles in allem sind DIE INSELN IM NEBEL ein absolut rundes Gesamtprodukt.
Fazit: Vor 20 Jahren wären DIE INSELN IM NEBEL wohl ziemlich gefeiert worden. Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben. So ist es im Jetzt "nur" noch ein grundsolides Spiel. Die Optik und das Thema wecken Interesse, der Spielreiz ist allerdings nicht so ausgeprägt, dass es zu einem echten Dauerbrenner werden würde.
Titel | Die Inseln im Nebel |
Autor | Volker Schächtele |
Illustrationen | Michael Menzel |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 |
Zielgruppe | klassische Familienspieler |
Verlag | Schmidt-Spiele |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Schmidt Spiele für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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