Fallout Shelter – Das Brettspiel von Andrew Fischer – erschienen bei Fantasy Flight Games
Ich oute mich gleich zu Beginn: Nein, ich habe und hatte Fallout Shelter nicht auf meinem Smartphone. Bis vor kurzem wusste ich Ignorant auch überhaupt nichts mit diesem Begriff anzufangen. Allerdings konnte mein Unterbewusstsein überraschenderweise etwas mit dem Aussehen der Hauptfigur und dem ein oder andern Begriff (Vault, Nuka-Cola...) anfangen. Da habe ich wohl immer mal was aufgeschnappt und konnte es nur nicht richtig zuordnen.
Thema... müsste ich jetzt eigentlich wörtlich zitieren, da ich mit meiner Unwissenheit bestimmt in das ein oder andere Fettnäpfchen treten werde. Trotzdem versuche ich es mal in eigenen Worten. In einer post-apokalyptischen Welt leben wir halbwegs sicher und zufrieden in unterirdischen Bunkern. Dumm nur, dass unser Aufseher plötzlich tot ist (übrigens ein interessantes Wort für einen Anführer). Wir stellen uns nun zur Wahl als neuer Aufseher und müssen deswegen ganz viel Zufriedenheit innerhalb der kleinen Gemeinde erzeugen. Dafür müssen Räume ausgebaut und Gefahren abgewehrt werden.
Grafische Gestaltung... stammt von Michael Silsby und orientiert sich natürlich an der App (zumindest wenn ich den recherchierten Screenshots glauben darf). Vorherrschende Farbe ist dabei Neongrün, weswegen FALLOUT SHELTER irrsinnig gut auch bei der jüngeren Generation ankommt. Aufgrund der niedlichen Illustrationen haben diese dann auch keine Probleme mit den Monstern. Die Symbol-Sprach ist ebenfalls funktional, so dass die grafische Gestaltung zu überzeugen weiß.
Ausstattung... weiß ebenfalls zu gefallen. Das fängt bei transparenten Karten an und hört bei der tollen Blechdose auf, die mich nostalgisch an meinen Kindergarten-Koffer erinnert – allerdings hatte dieser damals einen echten Griff und nicht nur eine Attrappe. In dieser Blechbox lagert der Inhalt übrigens perfekt sortiert im durchdachten Inlay.
In diesem Inlay finden die verschiedenen Karten für die Räume, Gegenstände und Gefahren Platz. Zusätzlich findet man neben zwei Kampfwürfel und den pappigen Zufriedenheitsmarkern als Siegpunkte auch die Ressourcentafeln für die Mitspielenden sowie entsprechende giftgrüne Würfelchen. Ein weiterer Höhepunkt sind dann noch die kleinen Plastik-Minis für die einzelnen Bewohner.
Ablauf... nachdem die Gemeinschaftsräume und die Aufzüge in die privaten Ebenen aufgebaut wurden, beginnt ein klassisches Worker-Placement-Spiel. Die Konkurrenz ergibt sich einerseits aus den nur einmal zu belegenden Einsetzfeldern und andererseits aus der jeweils drei Karten umfassenden Auslage für Räume und Gegenstände, aus der man sich bedienen muss. Wer hier schneller zugreift, kann böse Blicke ernten, wenn dadurch andere Planungen zerstört werden.
Die einzelnen Aktionen sind überschaubar und schnell verinnerlicht. Meist bekommt man an den Orten Ressourcen, die man mittels der Marker bei sich auf der Tafel organisiert. Gegen Abgabe von diesen Ressourcen lassen sich dann eigene Räume bauen, die wiederum verbesserte Einsetzfelder zur Verfügung stellen. Diese können andere auch nutzen, man selbst erhält allerdings eine Belohnung dafür. Zusätzlich kann man auch Gegenstände erwerben, die beispielsweise am Ende noch Siegpunkte generieren oder auch im Kampf helfen.
Kampf? Ja, Kampf! Am Ende der Runde wird für jede Ebene ein Ort ausgewürfelt, der dann mit einer Gefahrenkarte überdeckt wird. Diese kann man wieder mithilfe der Würfel kämpfender Weise wieder beseitigen – wofür man natürlich ebenfalls mit Siegpunkten belohnt wird.
Zu guter Letzt gibt es noch einen kleinen Clou. Manche Einsatzfelder sind mit Buchstaben versehen. Diese symbolisieren bestimmte Fähigkeiten, die man auch bei den eigenen Arbeitern trainieren kann. Solch vorbereitete Arbeiter arbeiten doppelt effektiv, weswegen man mit ihnen den doppelten Ertrag erhält.
Sobald alle Gefahrenkarten aus dem Vorrat aufgebraucht sind oder eine private Ebene durch sechs Räume vollständig ausgebaut ist, endet das Spiel und die meiste Zufriedenheit kürt den Sieger.
Das gefällt mir nicht so gut: Ein wenig nervt mich die Handhabung mit den Zufriedenheitsmarkern. Meiner Meinung nach hätte man deren Verwaltung auch gut in die cleveren Ressourcentafeln integrieren können. Zusätzlich muss man höllisch aufpassen, dass man immer daran denkt, diese Marke auch als Belohnung zu nehmen. Ganz oft habe ich das beim Bau neuer Räume erlebt. Da hat man sich schnell den Raum auf der offenen Auslage genommen und das Nehmen der separaten Siegpunkte vergessen. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, für die einzelnen Räume individuelle Siegpunkt zu vergeben. Somit wären dann auch noch Räume interessant, die im Laufe der Partie wenig weiteren Nutzen haben.
Ansonsten darf man bei FALLOUT SHELTER keine komplexe Strategien erwarten. Alles funktioniert, man hat immer kleine Entscheidungen zu treffen – aber es fehlen die nachhaltigen Emotionen. Der Spannungsbogen ist relativ flach, da mehr oder weniger immer das Gleiche gemacht wird. Insgesamt sind wenig unterschiedliche Wege zu bestreiten und es ist meist recht offensichtlich, was man zu machen hat. Es sind meistens auch immer genügend Einsetzfelder vorhanden, so dass man kaum die Möglichkeit hat, die Mitspielenden auszublocken. Und passiert einem das augenscheinlich doch, dann hat man meist genügend sinnvolle Alternativen.
Abwechslung und Spannung bringen somit meist nur die Würfel ins Spiel. Wer dabei völlig vom Würfelglück verlassen ist, der wird diesen Glückseinfluss verfluchen. Aber im Verhältnis zum gewollten Anspruch und der Spielzeit ist dieses Glückselement in meinen Augen völlig angemessen. Zumal auch beim Nachziehen von neuen Raum- und Gegenstandskarten ein nicht unerheblicher Glückseinfluss besteht. Da wartet man die ganze Zeit auf einen bestimmten Gegenstand und erbarmt sich dann, einen anderen aus der Auslage zu nehmen. Natürlich wird dann der Wunschgegenstand nachgezogen – und ebenso natürlich wird mir dieser dann vor der Nase weggeschnappt. Aber das Leben ist kein Ponyhof – erst recht nicht in einer post-apokalyptischen Welt.
Das gefällt mir gut: Da ich die App zu FALLOUT SHELTER nie gespielt habe, fehlt mir natürlich das Wissen, wie sehr sich der "Geist" dieses Spiels auch in der Brettspieladaption wiederfindet. Aber ich glaube, dass genügend Anspielungen vorhanden sind, so dass sich Fans im Brettspiel wohl fühlen werden. Ich habe keine Ahnung, welche Bedeutung manche Räume und Gegenstände in der App haben – aber im Brettspiel fügt sich das alles zu einem harmonisch Ganzen zusammen. Da ist es schon logisch, dass ein ausgedehnter Besuch der Baracken zweier Bewohner recht zeitnah einen neuen Bewohner nach sich zieht. Das kennen wir so auch schon aus der Hütte in STONE AGE.
Ansonsten lädt die Gestaltung und das Material zum Spielen ein. Die kleinen Minifiguren hätten natürlich auch ganz profan als Holzwürfelchen daher kommen können. So machen sie aber schon wesentlich mehr her (dabei blende ich aber zugegebenermaßen das Thema Nachhaltigkeit aus). Für die Zielgruppe ist das aber der richtige Weg, um sie vom Medium Brettspiel zu überzeugen. Auch die durchsichtigen Gefahrenkarten sind ein toller Hingucker! Das hätte man sicherlich auch weniger aufwändig umsetzen können. Aber diese Überblendung ist schon ein toller Effekt – insbesondere auch dann, wenn beim Stromausfall diese eigentlich durchsichtige Karte konsequenterweise schwarz ist. Das zeigt den liebevolle Humor, der bei FALLOUT SHELTER eigentlich immer durchscheint.
Aber auch spielerisch weiß FALLOUT SHELTER durchaus zu unterhalten. Die einzelnen Entscheidungen sind definitiv nicht überfordernd, aber auch nicht gänzlich profan. Durch die Möglichkeit der Spezialisierung kann man schon versuchen, sich einen kleinen Motor zu bauen, so dass FALLOUT SHELTER durchaus auch etwas von einem Engine Builder hat. Wenn man dann noch clever die Gegenstände erwirbt, die zur gewählten Strategie passen, fühlt man sich am Ende zufrieden und belohnt. Soll doch draußen die Welt untergehen – wir haben in unserem Bunker unseren Spaß!
Dabei hat man auch durchaus das Gefühl, dass eine kleine Geschichte erzählt wird. Ich fange mit einer Handvoll Leute an. Langsam baue ich den Bunker aus und meine Bevölkerung vermehrt sich. Allerdings können sich meine Leute aber auch verletzen, wenn sie im Kampf nicht siegreich sind. Dann muss man sie wieder auf der Krankenstation aufpäppeln. Das ist alles rund und in sich schlüssig. Die Spielmechaniken werden somit zwar als Motor wahrgenommen, aber nicht als Mechanik um der Mechanik willen. Dieses Gefühl ist vor allem Neulingen wichtig. Diese wollen meist in eine Welt eintauchen. Denen ist die dahinter liegende mechanische Verzahnung egal. Und genau dieses Gefühl erzeugt FALLOUT SHELTER mit den beschränkten Mitteln eines einfach zugänglichen Brettspiels.
Fazit: So langsam machen mir die aktuellen, auf eine Lizenz aufbauenden Brettspiele Angst. Waren sie früher ein Garant für recht beliebige 08/15-Ware, sind die neuesten Entwicklungen oftmals erstaunlich Zielgruppen gerecht. Wie auch MINECRAFT: BUILDERS & BIOMES schafft es FALLOUT SHELTER mit überzeugendem Material und angemessener Mechanik Familienspieler anzusprechen und auch gut zu unterhalten. FALLOUT SHELTER ist somit ein perfekter Einstieg in die Welt der Worker-Placement Spiele.
Titel | Fallout Shelter – Das Brettspiel |
Autor | Andrew Fischer |
Grafik | Michael Silsby |
Dauer | 45 bis 75 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Nuka-Cola trinkende Familienspieler |
Verlag | Fantasy Flight Games (Asmodee Germany) |
Jahr | 2020 |
Ich bedanke mich bei Asmodee Germany als deutschen Vertriebspartner von Fantasy Flight Games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.