Faultier von Friedemann Friese – erschienen bei 2F-Spiele
Ein zurecht millionenfach gelesener Kritiker würde die FAULTIER-Vorlage nicht links liegen lassen und in knappen und präzisen Worten erklären, warum er nun zu faul für eine Einleitung ist. Mir wäre eine solche verweigerte Einleitung zu banal.
Thema... es gibt unzählige Rennspiele mit tierischen Protagonisten. Für die Jüngsten ganz hoch im Kurs sind beispielsweise die eher als gemächlich geltenden Weinbergschnecken, die Tempo machen sollen. Aber selbst besagte Kriechtiere zeigen zumindest ein Mindestmaß an eigenem Antrieb. Ganz anders die Faultiere. Wie der Untertitel schon deutlich macht, bewegen diese sich selbst so wenig wie möglich und wollen nur per Anhalter mitgenommen werden. Ihnen reicht dabei aber ein überschaubarer Landschaftsabschnitt und so verzichten sie auf die Galaxis.
Illustrationen... stammen von Harald Lieske und kommen natürlich in seinem bekannten Stil daher. Dieser überzeugt mit nicht immer, seine Arbeiten zu FAULTIER gefallen mir aber und passen auch gut zum Spielkonzept. Allerdings hätte er bei der Covergestaltung gerne noch einen Anhalter-Daumen andeuten können...
Ausstattung... ist reichlich und bedarf einer guten Organisation. Denn neben dem zweiteiligen und doppelseitig bedruckten Spielplan in beachtlicher Größe sind 12 unterschiedliche Tierarten zu managen. Alle kommen mit jeweils 10 Karten daher und einer unterschiedlichen Anzahl von Holzscheiben – die es zu Beginn mühevoll zu bekleben gilt. Als 13. Tierart sind noch die Faultiere in der Box. Davon erhalten alle Mitspielenden ein Exemplar sowie zugehörige Holz-Blätter und ein eigenes Tableau.
Ablauf... nach und nach versucht man als Faultier von einem Baum zum anderen zu reisen. Ziel ist es, acht der neun dort ausliegenden Blätter der eigenen Farbe einzusammeln. Dabei ist man auf die Mithilfe der anderen Tiere angewiesen. Diese nehmen das Faultier zwar bereitwillig mit, haben aber selbst die unterschiedlichsten Eigenschaften. Das Krokodil bspw. schwimmt im Wasser und bewegt sich lediglich noch in Ufernähe.
Spielmechanisch werden die Bewegungen der einzelnen Tiere über Karten gesteuert. Anfangs nimmt man sich Karten aus der offenen Auslage und spielt dann die Karten eines Tiers aus, um dieses über den Plan zu steuern. Dabei kann ich jeweils die Karten eines Tieres zusammen ausspielen (mit Ausnahme des eitlen Einhorns). Das ist auch sinnvoll, denn die Karten sind mit Bewegungspunkten ausgestattet und da ist eine höhere Summe meist von Vorteil. Benutzte Karten werden unter die jeweiligen Stapel geschoben. Das ist wichtig, da diese Tier-Stapel anfangs von kleinen zu großen Werten geordnet sind und somit das Tempo merklich anziehen kann.
Pro Partie werden immer nur sechs unterschiedliche Tierarten auf den Plan gebracht. Für ein Einsteigerspiel wird schon ein Parcours vorgegeben, für die fortgeschrittenen Partien werden in einer Aufbauphase die Tierscheiben einzeln auf den Plan gesetzt. Zusätzlich kann man auf der Website des Verlags weitere Aufstellungen herunter laden.
Das gefällt mir nicht so gut: Rennspiele sollen gerne rasant sein. Allerdings macht der Titel schon deutlich, dass FAULTIER in dieser Beziehung anders ist. Dem Namen entsprechend geht es bei FAULTIER eher ruhig und gemächlich zu. Alle tüfteln an einem Plan und versuchen diesen dann umzusetzen. Da allerdings alle Mitspielenden auf den gleichen Pool an Tieren zugreifen, können sich die Rahmenbedingungen des eigenen Plans schneller ändern, als einem das lieb ist. Da hatte man fest eingeplant, mit dem Elefant weiterzureisen. Doch auf einmal steht dieser an einer ganz anderen Stelle, weil vor mir jemand auf die blöde Idee kam, diesen auch zu nutzen. Sprich: die Planung ist hinfällig, es muss nun neu überlegt werden. Das kann bei manchen Zeitgenossen dann eine Downtime produzieren, die nur noch bedingt akzeptabel ist.
Für manch ein Faultier kann das Spielerlebnis auch ziemlich frustig werden. Wenn nämlich dauernd vor dem eigenen Zug die geplanten Tiere wegbewegt werden, kommt man gefühlt überhaupt nicht voran und sieht den anderen zu, wie diese Blatt für Blatt einsammeln. Natürlich kann man nun behaupten, das solche Widrigkeiten einzuplanen sind. Aber machen alle eine solche Planung mit mehreren Rückfallebenen, dann dauert eine Partie aufgrund des notwendigen zeitintensiven Denkschmalzes zu lange. Aber dieses Gefühl des Abgehängtseins ist natürlich ein generelles Problem von Rennspielen.
Nicht ganz glücklich bin ich mit der Tatsache, dass lediglich nur eine Startaufstellung vorgegeben wird. Zumindest eine zweite mit den alternativen Tieren hätte ich schon noch erwartet. Glücklicherweise gibt es nun im Netz weitere Vorlagen. Aber diese hätten gerne auch schon ohne digitalen Umweg angeboten werden dürfen. Denn vor allem Neulinge tun sich mit dem Vorplanen und Einsetzen der Tierscheiben schwer und wären um ausgewogene Aufstellungen dankbar. Zusätzlich ist dieser Aufbau taktisch durchaus anspruchsvoll und fast schon ein eigenes kleines Minispiel – was aber demnach auch als unnötiger Ballast angesehen werden kann.
Das gefällt mir gut: FAULTIER erinnert mich vom Spielgefühl etwas an ELFENLAND – einen Klassiker, den ich immer noch sehr gerne spiele. Einerseits gilt es, clever die eigenen Wege zu planen, anderseits muss man auch immer wieder flexibel auf die Umstände reagieren. Denn eine Partie FAULTIER ist eigentlich immer im Fluss. Hat man sich anfangs eine Reiseroute vorgestellt, so wird man oftmals merken, dass sich im Spiel ganz neue Möglichkeiten ergeben. Doch soll man diese nun nutzen oder doch lieber dem ursprünglichen Plan folgen? Und was machen eigentlich die Mitspieler?
Diesen Punkt sollte man niemals unterschätzen. Denn FAULTIER ist erstaunlich interaktiv. Durch die Mitspieler ändert sich nicht nur dauernd die Karten-Auslagen, sondern viel direkter auch die Anordnung der Tiere auf dem Spielplan. Deswegen gilt es immer auch die Mitspieler im Auge zu behalten. Welche Karten nehmen diese auf die Hand? Welche Ziele müssen noch erreicht werden? Kann ich davon als Trittbrettfahrer profitieren? Hier kann man erfolgreich die Welle mitnehmen – aber auch ziemlich auf dem Trockenen landen, wenn auf einmal alle Tiere weit weg vom eigenen Faultier sind.
Allerdings darf man nicht zu früh verzagen. Denn je erfolgreicher man ist, desto schwieriger wird das Kartenmanagement. Hat man anfangs noch ein Handkartenlimit von sieben Karten, schwindet das gegen Ende auf vier. Auch zieht man nicht mehr einfach nur drei Karten nach, sondern immer weniger. Das alles sorgt dafür, dass die Führenden kämpfen müssen, damit ihnen am Ende nicht die Luft ausgeht. Erfreulicherweise wird dieses auf den ersten Blick etwas komplizierte Verfahren sehr gut durch die Spielertableaus begreiflich gemacht, so dass diesbezüglich eigentlich nie Fragen aufgetreten sind. Die Folge davon ist, dass die Partien meist recht knapp sind und somit als sehr spannend empfunden werden.
Recht intensiv haben wir übrigens über die einzelnen Tiere und ihre Fähigkeiten diskutiert. Sind diese ausgewogen? Ist das Lufttaxi des Adlers nicht viel zu stark? Nach anfänglicher Skepsis bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das alles schon ganz gut zusammenpasst. Natürlich sind manche Eigenschaften leichter zu begreifen (und damit auch zu spielen) als andere. Aber wenn sich die Mitspielenden auf vermeintliche Lieblinge konzentrieren, ergeben sich für unkonventionelle Kombinationen neue Möglichkeiten. Viel wichtiger ist es daher, ein Gefühl für die Tiere und ihr Zusammenwirken zu bekommen. Denn alle Tiere haben ihre ganz eigenen Vorteile. Diese muss man dann zur richtigen Zeit ausnutzen. Und natürlich wird insgesamt eine hohe Varianz erreicht. Wenn man alle möglichen Kombinationen ausprobieren will, dann hat man einiges zu tun.
Die grafische Gestaltung empfinden manche als altbacken. Dazu noch die beklebten Holzscheiben und schon hört man die spitze Bemerkung: "Das sieht ja aus wie ein Prototyp!". Das finde ich aber nicht fair. Ja, es gab schon spannendere optische Auftritte. Ich persönlich empfinde den gewählten Stil aber als charmant und billige einem Kleinverlag auch gerne einen etwas anderen Standard bei der Ausstattung zu – zumal die einzelnen Komponenten absolut wertig sind auch gut funktionieren. Die einzusammelnden Blätter sind vielleicht etwas klein und fummelig, aber da habe ich auch schon schlimmeres erlebt. Dafür ist die Anleitung gut konzipiert und lässt keine Fragen offen. Das Spielprinzip ist leicht verständlich und die einzelnen Regeln für die Tiere sind auch schnell gemerkt. Begleitet wird das Ganze von einer erfreulich eindeutigen Symbolsprache.
Fazit: FAULTIER ist ein ungewöhnliches Rennspiel was mir gut gefällt. Der Mitnahmemechanismus wird thematisch perfekt eingekleidet, die unterschiedlichen Fähigkeiten der Tiere bringen eine hohe Varianz und spielen schön mit bekannten Charakteristiken. Da kristallisieren sich mit der Zeit Lieblinge heraus, die es dann sogar zu Mitarbeitern des Monats schaffen.
Titel | Faultier |
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Autor | Friedemann Friese |
Illustrationen | Harald Lieske |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 5 Personen |
Zielgruppe | effiziente Familienspielrunden |
Verlag | 2F-Spiele |
Jahr | 2019 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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