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kritisch gespielt: Johanna: Orléans Draw & Write

Johanna: Orléans Draw & Write von Ryan Hendrickson und Reiner Stockhauen – erschienen bei dlp games

Johanna Orleans - Box
Bild: dlp games

"JOHANNA sei Dank!", ich habe auch die­ses Mal wie­der eine Jeder-nur-ein-Kreuz-Bespre­chungs-Tri­lo­gie zusam­men bekom­men. Aller­dings muss­te ich dabei ein wenig in die Trick­kis­te grei­fen, da JOHANNA weder ein Roll-and-Wri­te- noch ein Flip-and-Wri­te-Spiel ist. Viel­mehr ist es der mir erst­be­kann­te Ver­tre­ter des aus­bau­fä­hi­gen Gen­res der Draw-and-Write-Spiele.

The­ma... wie schon bei ORLEANS bau­en wir Gebäu­de, trei­ben Han­del mit Waren und brei­ten uns im Umfeld aus. Die titel­ge­ben­de Johan­na von Orlé­ans tritt dabei aller­dings kaum in Erschei­nung, son­dern ist ledig­lich der Name der Auto­ma-Geg­ne­rin im Solomodus.

Illus­tra­tio­nen… sind glück­li­cher­wei­se erneut von Kle­mens Franz und fol­gen logi­scher­wei­se dem Stil der gerühm­ten Grund­la­ge. Als ORLEANS-Vete­ran kommt mir dabei alles so wun­der­bar ver­traut vor, auch wenn nun das Mate­ri­al durch die feh­len­den bun­ten Holz-Häu­ser etwas zu sehr von der ocker­far­be­nen Basis domi­niert wird. Und Kle­mens Franz wäre nicht er selbst, wenn er nicht noch das ein oder ande­re Zitat in sei­ne Arbeit ein­bin­den würde.

Johanna - Übersicht
deut­lich kom­pak­ter als das "gro­ße" ORLEANS

Aus­stat­tung… in der erfreu­lich fla­chen Box befin­det sich neben dem dop­pel­sei­tig bedruck­ten Spiel­plä­nen auch ein Beu­tel für die Plätt­chen der Gefolgs­leu­te. Die­se sind nun aber locker dop­pelt so groß wie die Plätt­chen aus dem Grund­spiel. Zusätz­lich fül­len neben ein paar Blei­stif­ten auch noch Kar­ten die Box: einer­seits die Auto­ma-Kar­ten für den Solo­mo­dus und ande­rer­seits unter­schied­li­che Ortskarten.

Auf die Orts­kar­ten kann aller­dings auch ver­zich­tet wer­den. Auf jedem Spiel­plan ist näm­lich eine Vor­auswahl an Orten abge­druckt. Spielt man JOHANNA nun bspw. über einen Video-Cli­ent, dann ste­hen nur die­se Orte zur Ver­fü­gung. Spielt man dahin­ge­gen gemein­sam an einem Tisch, igno­riert man die­se Vor­ga­be und spielt mit den zufäl­lig aus­ge­wähl­ten Orts­kar­ten, womit eine grö­ße­re Varia­bi­li­tät ermög­licht wird. Die Rück­sei­te auf den Spiel­plä­nen ist übri­gens der Solo-Vari­an­te vorbehalten.

Johanna - Plättchen
kein Bag-Buil­ding, nur noch ein offe­ner Draft

Ablauf… anders als bei ORLEANS gibt es nur einen Beu­tel, aus dem eine fes­te Anzahl an Plätt­chen für eine offe­ne Aus­la­ge gezo­gen wird. Nach­ein­an­der neh­men wir uns nun eines die­ser Plätt­chen und füh­ren eine zuge­ord­ne­te Akti­on aus: wir neh­men uns Han­dels­wa­ren oder Geld, bau­en einen Ort aus oder rei­sen auf der Land­kar­te. Dort kön­nen wir zusätz­lich noch Han­dels­kon­to­re bau­en und zusätz­lich kön­nen wir auch auf die eigent­lich Akti­on ver­zich­ten und lie­ber bei den Segens­rei­chen Wegen aktiv werden.

Das alles geschieht auf dem eige­nen Spiel­plan, auf dem man vie­le Sachen ankreuzt oder ein­kreist. Trotz­dem fin­det durch­aus eine gewis­se Inter­ak­ti­on statt. Baue ich bspw. Kon­tor Num­mer 5, müs­sen alle ande­ren die­sen Kon­tor bei sich abstrei­chen, so dass er dort nicht mehr zur Ver­fü­gung steht. Auch steht ein zu bau­en­der Ort immer nur einer Per­son zur Ver­fü­gung und selbst bestimm­te Boni gehen nur an die Per­son, die die­se am schnells­ten frei­ge­spielt haben. Aller­dings gibt es auch noch ganz vie­le "per­sön­li­che" Boni, bei denen man nicht in Kon­kur­renz steht. Die­se wer­den – ganz klas­sisch in die­sem Gen­re – frei gespielt, wenn man bspw. eine Spal­te oder Rei­he voll­stän­dig befüllt oder ange­kreuzt hat.

Johanna - Punktedetail
in der Par­tie lief es gut für mich

JOHANNA spielt man so vie­le Run­den wie Per­so­nen mit­spie­len. Am Ende erhält man Sieg­punk­te nach dem bekann­ten ORLEANS-Schlüs­sel: gebau­te Kon­to­ren + Bür­ger und die­se Sum­me mal dem frei­ge­spiel­ten Wert auf der Ent­wick­lungs­leis­te. Oben drauf kom­men dann noch wei­te­re Punk­te durch frei gespiel­te Boni und nicht genutz­te Mön­che. Mön­che? Ja, die gibt es auch bei JOHANNA. Aller­dings nicht als eige­ne Plätt­chen, son­dern man hat drei­mal in der Par­tie die Mög­lich­keit, ein genom­me­nes Plätt­chen "umzu­fär­ben" und damit eine Wunsch-Akti­on zu machen. Ver­zich­tet man dar­auf, wird man mit zusätz­li­chen Punk­ten belohnt.

Das gefällt mir nicht so gut: Bestimmt nicht ohne Grund hat der dlp Ver­lag ent­schie­den, die­ses Spiel JOHANNA zu nen­nen und nicht etwa "ORLEANS – DRAW&WRITE" (auch wenn das dann im Unter­ti­tel auf­taucht). Denn auch wenn sich bei­de Spie­le ähneln, dann gibt es doch einen ent­schei­den­den Unter­schied. Bei JOHANNA fehlt das Kern-Ele­ment aus ORLEANS: das Bag-Buil­ding. Damit ein­her gehen bei ORLEANS vie­le inter­es­san­te Ent­schei­dun­gen . Wie bestü­cke ich mir mei­nen Beu­tel? Wie wer­de ich Gefolgs­leu­te wie­der los? Auf was kon­zen­trie­re ich mich? Die damit ver­bun­de­ne stra­te­gi­sche Tie­fe kann JOHANNA nicht errei­chen. Hier stel­len sich ande­re Fra­gen, die dann aber eher tak­ti­scher Natur sind. Das ist per se gar nicht ein­mal ein Pro­blem, schließ­lich sind es auch zwei unter­schied­li­che Spie­le. Nur bei einem Ele­ment merkt man, dass zu viel Rück­sicht auf die bekann­te Vor­la­ge genom­men wur­de. Denn bei mir drängt sich das Gefühl auf, dass irgend­wie auf Teu­fel komm raus ver­sucht wur­de, die Segens­rei­che Wege auch in JOHANNA zu inte­grie­ren. Aller­dings kön­nen die­se dort gar nicht die Funk­ti­on der Beu­tel­be­rei­ni­gung aus­üben und ver­kom­men zum rei­nen Boni-Frei­schalt-Instru­ment. Der spie­le­ri­sche Reiz davon ist mäßig, zumal die dor­ti­gen Aktio­nen auch inef­fek­tiv im Ver­gleich zu den ande­ren sind. So fühlt sich die­ses Ele­ment unaus­ge­reift an.

JOHANNA ska­liert gut bei einer unter­schied­li­chen Per­so­nen­an­zahl. Spielt man mit weni­ger als vier Per­so­nen, dann wird die Land­kar­te ver­klei­nert, so dass dort aus­rei­chend Enge und Kon­kur­renz besteht. Trotz­dem emp­fin­de ich das 2‑Per­so­nen-Spiel als etwas zu behä­big, da es län­ger dau­ert, bis die hoch­wer­ti­gen Orte ins Spiel kom­men. Denn man kann erst einen 3er-Ort aus­bau­en, wenn vor­her schon eine Per­son einen 2er-Ort fer­tig gestellt wur­de (und davor schon einen 1er-Ort). Das pas­siert bei einer grö­ße­ren Grup­pe schnel­ler, so dass frü­her die ver­stärk­ten Aktio­nen mög­lich wer­den. Dadurch gewinnt das Spiel, weil man sich bes­ser spe­zia­li­sie­ren kann. Dem­nach könn­te man nun mei­nen, dass ich die Emp­feh­lung aus­spre­che, JOHANNA am bes­ten in gro­ßen Grup­pen zu spie­len. Dem ist aber nicht so, denn bei grö­ße­ren Run­den gibt es ger­ne mal Leer­lauf. Bei ORLEANS wer­den die Aktio­nen par­al­lel geplant und erst in der anschlie­ßen­den Pha­se recht zügig nach­ein­an­der abge­han­delt. Bei JOHANNA sucht sich eine Per­son ein Plätt­chen aus und macht dann den Zug, der sich schlimms­ten­falls durch Ket­ten­ak­tio­nen in die Län­ge zieht. In der Zwi­schen­zeit kön­nen die ande­ren wenig machen, schließ­lich weiß man nicht, was übrig bleibt – und nicht alle wol­len Plan B, C und D im Kopf vor­aus­pla­nen. Somit steigt die Down­ti­me pro­por­tio­nal zur Personenanzahl.

Johanna - Solo-Karten
Auto­ma-Kar­ten für den Solo-Modus

Der Solo­mo­dus funk­tio­niert tadel­los. Die­ser simu­liert mit dem ein­fach zu bedie­nen­den Auto­ma-Kar­ten­deck in meh­re­ren Schwie­rig­keits­stu­fen eine zwei­te Per­son. Somit spielt man also das 2‑Per­so­nen-Spiel, was aller­dings nicht unbe­dingt mei­ne Lieb­lings­be­set­zung von JOHANNA ist. Da ich glück­li­cher Besit­zer der Erwei­te­rung ORLEANS INVASION bin, wür­de ich jeden­falls im Zwei­fels­fall lie­ber zu die­ser grei­fen, als nun JOHANNA solo zu spielen.

Johanna - Anzahl Plättchen
die­se Info dürf­te ger­ne plan­mä­ßig zur Ver­fü­gung stehen

Auch mit der Gestal­tung bin ich nicht voll­ends zufrie­den. Unab­hän­gig von der etwas tris­ten Farb­wahl sind mir die Sym­bo­le trotz des groß­flä­chi­gen Spiel­bo­gens alle etwas zu klein gera­ten. Viel­leicht hät­te man die Land­kar­te als zusätz­li­chen Bogen aus­la­gern sol­len, um so mehr Platz auf dem Papier zu gene­rie­ren. Am meis­ten hat mich aber gestört, dass eini­ge Infor­ma­tio­nen feh­len. So bin ich der Mei­nung, dass z.B. eine so wich­ti­ge Infor­ma­ti­on wie die Anzahl der Plätt­chen pro Far­be im Beu­tel irgend­wo auf dem Blatt ver­merkt sein müss­te. Denn die­ses Wis­sen ist schon wich­tig für mein Ver­hal­ten im Spiel. Wir sind des­halb dazu über­ge­gan­gen, die­se Info selbst zu Beginn auf dem Bogen zu vermerken.

Zu guter letz­te feh­len mir die lieb­ge­won­nen Ereig­nis­se aus ORLEANS. Ich emp­fin­de es immer als extrem span­nend, die­se auf­zu­de­cken und dann im Kopf das Rat­tern begin­nen zu las­sen. Aber JOHANNA ist eben nicht ORLEANS und ich wüss­te auch nicht, wie man die­ses Ele­ment dort sinn­voll ein­bau­en könn­te. Somit geht nur lei­der etwas Flair verloren.

Johanna - Spielpläne
kein bes­se­res ORLEANS – aber ein gutes Roll-and-Write-Spiel

Das gefällt mir gut: Wenn man mei­ne "Män­gel­lis­te" so liest, könn­te man mei­nen, dass ich extrem unglück­lich mit JOHANNA bin. Ist aber nicht so. Ich muss nur akzep­tie­ren, dass es eben kein ORLEANS ist, son­dern ein eigen­stän­di­ges Spiel. Und als sol­ches kann es auch bestehen. JOHANNA trans­por­tiert gut das klas­si­sche Roll-and-Wri­te-Gefühl. Im Ver­gleich zu Wür­fel­spie­len ist JOHANNA aber viel bes­ser plan­bar, da der Beu­tel immer kom­plett leer gespielt, bevor er wie­der gefüllt wird. Somit ist der Zufall des Zie­hens gegen Ende der Run­de berechenbar.

Wäh­rend mei­nes Zuges muss ich mich immer zwi­schen meh­re­ren Optio­nen ent­schei­den. Zusätz­lich kann ich Boni frei­schal­ten und dadurch klei­ne­re Ket­ten­re­ak­tio­nen aus­lö­sen. Auch wenn ich – gen­re­ty­pisch – eher für mich allei­ne hin­spie­le, ist doch immer auch der Ein­fluss mei­ner Mit­spie­len­den zu spü­ren. Die Inter­ak­ti­on kann ganz direkt sein, wenn es um Schnel­lig­keit geht. Sie kann aber indi­rekt erfol­gen, in dem ich gezielt man­che Plätt­chen selbst nut­ze, weil ich weiß, dass die ande­re Per­son mit die­sem sehr star­ke Aktio­nen durch­füh­ren kann.

Aller­dings ist das kein all zu destruk­ti­ves Ele­ment, denn jedes Plätt­chen ist auf eine gewis­se Art beloh­nend. Selbst wenn mir gera­de der Bau­meis­ter weg­ge­nom­men wur­de, dann kann ich mit dem Fischer auch noch etwas ver­nünf­ti­ges anfan­gen. Und zur ganz gro­ßen Not gibt es auch noch die Joker-Funk­ti­on der Mön­che. Ich habe also nie das Gefühl, in einer Sack­gas­se lan­den zu kön­nen. Dar­über hin­aus gibt es auch erfreu­lich vie­le unter­schied­li­che Wege, um am Ende Sieg­punk­te anzu­häu­fen. Wie auch bei ORLEANS gibt es den offen­sicht­li­chen Weg über die Ein­fluss­leis­te. An die­ser kommt man auch nicht wirk­lich vor­bei, aber bis zum Ende muss man sie auch nicht gehen – und es lohnt sich schon, auch mal ande­re Berei­che zu for­cie­ren. Zusätz­lich ist die­se Stra­te­gie­wahl auch von den aus­lie­gen­den Orts­kar­ten abhän­gig. Nicht alle Orte ste­hen in einer Par­tie zur Ver­fü­gung, so dass man sich den wan­deln­den Gege­ben­hei­ten anpas­sen muss (mit einer solch zufäl­li­gen Orts-Aus­wahl spie­len wir als Haus­re­gel auch ger­ne ORLEANS).

Johanna - Bauwerkskarten
die Aus­wahl macht's

Ein gro­ßen Vor­teil gegen­über ORLEANS hat JOHANNA übri­gens auch noch: man benö­tigt kaum Zeit zum Auf­bau­en. Box auf­ma­chen, Spiel­plä­ne ver­tei­len, dabei viel­leicht die Land­schaft ver­klei­nern, Orts­kar­ten aus­le­gen und schon kann es los gehen. Auf­grund die­ses ein­fa­chen Set­ups lässt es sich auch gut per Fern­schal­te spie­len – in der Hoff­nung, dass der­ar­ti­ges so schnell nicht wie­der not­wen­dig wird.

Fazit: Den Ver­gleich mit ORLEANS hält JOHANNA (wie vie­le ande­re Spie­le auch) nicht stand, auch wenn es ein ähn­li­ches Spiel­ge­fühl hat. Aller­dings soll­te es für sich allei­ne ste­hen und da kann es im Ver­gleich zu ande­ren Gen­re-Ver­tre­ter der Roll-and-Wri­te-Spie­le durch­aus punk­ten – mit allen gen­re­ty­pi­schen Vor- und Nachteilen.

Titel Johan­na: Orlé­ans Draw & Write
AutorenRyan Hendrick­son und Rei­ner Stockhauen
Illus­tra­tio­nenKle­mens Franz
Dau­er30 bis 60 Minuten
Per­so­nen­an­zahl1 bis 5 Personen
Ziel­grup­pegut sehen­de Kennerspielrunden
Ver­lagdlp games
Jahr2022
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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