Sprichst du Englisch? ein tiptoi®-Spiel von Florian Mühlegg (Redakteur) – erschienen bei Ravensburger

Als Eltern hat man es schon nicht leicht. Dauernd wird einem einzureden versucht, was das Beste für das Kind ist. So sollen Chinesisch-Sprachkurse am Kindergarten kein Hirngespinst sein. Solche Menschen vertreten auch die Meinung, dass man schon während der Schwangerschaft die ganz Kleinen mit Englisch-Sprachkursen beschallen lassen. Dass die Kleinen auch schon frühzeitig eine fundierte Medienkompetenz erlernt sollen (am besten mit Tablet, Handy und PC), wird fast schon als selbstverständlich angesehen.
Wir sind da wohl ein wenig zu altmodisch, da unsere Kinder im Vergleich zu anderen mit recht wenig Medienkonsum aufwachsen. Wobei wir beim tiptoi-Stift da eine Ausnahme gemacht haben. Der ist tatsächlich schon lange bei uns etabliert – allerdings auch deshalb, weil er in unseren Augen eher eine Ergänzung der klassischen Medien Buch bzw. Puzzles darstellt. So hat sich unsere Sammlung an tiptoi-Büchern sehr schnell vergrößert. Dabei hat sich als ein Lieblingsbuch "Wir lernen Englisch" erwiesen. Somit ist es also keine Überraschung, dass ich mir das neuste Spiel SPRICHST DU ENGLISCH? einmal genauer ansehen wollte.

Thema... begleitet von vier Kindern kann man einen Teil von London entdecken. Nein, nicht die berühmten Wahrzeichen abklappern, sondern man sieht sich eher in einem typisches Wohnviertel mit einem kleinen Park, einem Café, ein paar Einzelhändlern und natürlich auch einer Schule und einem Kindergarten um. Mithilfe des tiptoi-Stiftes wird all dies muttersprachlich zum Leben erweckt.
Illustrationen... sind wohl größtenteils von Joachim Krause, der schön öfters für Ravensburger gearbeitet hat (und z.B. 2013 mit DIE MONSTERSTARKE MUSIKSCHULE für den Graf Ludo nominiert war). Der Stil ist aus vielen Büchern und Spielen bekannt. Alles ist klar und deutlich gezeichnet und es gibt dabei viel zu entdecken.

Ausstattung... kommt ohne dem tiptoi-Stift daher. Meiner Erfahrung nach ist dieser aber ohnehin meist schon standardmäßig im Kinder-Haushalt vorhanden. In der Box mit einiger Luft befindet sich als Spielplan ein großes Wimmelbild. Weiterhin sind noch viele Wörter- und Gesprächskarten enthalten, die sich in drei Schwierigkeitsstufen unterteilen. Außerdem sind noch die vier Kinder auf eigenen großformatigen Karten abgebildet – und auf deren Rückseite weitere englische Wörter für Farben, Gefühle und Körperteile.
Alle Materialien sind mit "digitalen Papier" bezogen, so dass der Infrarot-Sensor des tiptoi-Stifts ganz viele Informationen zur Ausgabe der Sprachdateien bekommen kann.

Ablauf... nach Wahl der Schwierigkeitsstufe werden die Spieler aufgefordert, entweder eine Wortkarte oder eine Gesprächskarte anzutippen. Bei den Wortkarten muss man den entsprechenden Begriff im Wimmelbild suchen. Bei Gesprächskarten muss man meist eines der Kinder antippen. Hat man dies erfolgreich durchgeführt, erhält man zur Belohnung die Karte. Wer am Ende die meisten Karten besitzt, der gewinnt. Das Ende wird dabei selbstständig von der Elektronik bestimmt. Man kann also nicht vorher sagen, dass man bspw. mit fünf Karten gewinnt.
Allerdings muss eines klar sein: das Spiel in SPRICHST DU ENGLISCH? ist lediglich Mittel zum Zweck, um frühzeitig mit der englischen Sprache in Kontakt zu kommen. Man soll den Begriffen bzw. Dialogen zuhören und bestenfalls einprägen. Erst bei der schwersten Schwierigkeitsstufe ist ein Wissen der eigentlichen Vokabeln notwendig.
Das gefällt mir nicht so gut: Einleitend zu Beginn eine wichtige Sache. Die Kritikpunkte äußere ich aus meiner Sicht. Also die Sicht eines Erwachsenen, der sehr gerne Brettspiele spielt und auch halbwegs gut englisch spricht. Das Spiel ist aber für Kinder zwischen 4 und 7 Jahren konzipiert. Nicht alles, was ich nicht gut finde, ist meinen "Test-Probanden" dabei ähnlich aufgefallen.

So hat mich bspw. gestört, dass auf den Kinder-Karten nicht der Name des Kindes vermerkt ist. Mit meinen nur noch rudimentär vorhandenen Speicher-Kapazitäten im Gehirn hatte ich immer wieder Schwierigkeiten, Susan von Amy sowie Fred von Mike auseinander zu halten – ein Problem, dass die Kinder nicht hatten. Genauso auch die Tatsache, dass man sich zu Spielbeginn eine Spieler-Farbe aussucht und sich diese dann merken muss ("der hellgrüne Spieler ist nun am Zug"). Hier hätte ich mir eine Karte oder ein kleines Holzteil zur Markierung gewünscht – zumal schließlich genug Luft im großzügig bemessenen Karton ist. Die Kinder allerdings konnten sich die Farben der jeweiligen Mitspieler aber problemlos merken.
Das eigentliche Spielprinzip ist natürlich äußerst simpel. Zum Großteil werden die Wörterkarten abgefragt und die Handhabung ist auf Dauer etwas stupide: Karte antippen, auf dem Spielplan das entsprechende Bild suchen und antippen – fertig! Es werden also überhaupt keine Entscheidungen abverlangt. So hätte ich mir aus spielerischer Sicht z.B. vorstellen können, dass man irgendwie eine Risiko-Abschätzung vornehmen muss (für eine grüne Wörterkarte bekommt man einen Punkt, für eine rote derer drei). Aber auch hier wieder: ich, der Spieler, bin nicht die entsprechende Zielgruppe. Diese ist mit dem schlichten Sammeln der Karten ganz zufrieden.
Die Zielgruppe war eher unzufrieden mit den Gesprächskarten, die doch sehr unterschiedlich sind. Manchmal muss man einfach nur ein Kind antippen (welches vorher auf deutsch benannt wird) und einem Dialog folgen, manchmal wird aber auch eine Frage gestellt, die die Kinder enorm verwirrt: "Wem gehört der Ball?", wird gefragt. "Welcher Ball? Und woher soll ich das wissen?", lauten dann bspw. die Reaktionen. Dabei muss man einfach nur ein Kind antippen...

Auch ist es immer wieder einmal vorgekommen, dass die Elektronik fehlerhaft war. Man soll bspw. Susan antippen, macht das auch, aber es kommt dauernd der Fehlerton. Irgendwie hakt dann was, was zu etwas Frust führt. Vor allem ist das deswegen ärgerlich, weil diese Elektronik-Fehler schwer als solche zu erkennen waren. Denn es kommt nur der Hinweis, dass man etwas falsch gemacht hat – leider aber nicht die Auflösung, was das nun war. Erst dachten wir, wir hätten wirklich etwas falsch gemacht (Gespräch missverstanden oder falsche Person ausgewählt). Es hat sich dann aber herausgestellt, dass alle Beteiligten – also auch dabei sitzende Eltern oder Kinderbetreuer – sicher waren, dass man selbst richtig handelte, die Elektronik es aber falsch verstanden hat. Das Schöne an dieser Zielgruppe ist, dass über solche Probleme meist ganz pragmatisch hinweg gesehen wird: "Jetzt nimm die Karte und lass uns weitermachen!" Aber auch an anderen Stellen gibt es leichte Aussetzer. So ging einmal ein Spiel einfach nicht zu Ende, bis es sich dann komplett aufgehangen hat. Leider konnte ich diese Fehler nicht gezielt reproduzieren. Gefühlt entstanden sie, wenn man wieder etwas voreilig war und schon die entsprechenden Bereiche angetippt hat, während der Sprecher noch mit seinen Ausführungen beschäftigt war.
Denn eines ist klar: ja, natürlich nerven die immer gleichen Ansagen des tiptoi-Stiftes. Das ist irgendwie immer so bei Elektronik im Spiel. Allerdings kann man hier zumindest manchmal über ein schnelles Tippen auf das Überspringen-Zeichen etwas abkürzen.

Das gefällt mir gut: Die große Stärke von SPRICHST DU ENGLISCH? ist sicherlich der Entdecken-Teil. Das Wimmelbild ist sehr umfangreich und bietet somit viele interessante Situationen. Im Gegensatz zu dem vergleichbaren Buch "Wir lernen Englisch" kann man nun aber durch die einzelnen Karten viel gezielter einzelne Wörter kennenlernen (das Wort "erlernen" vermeide ich ganz bewusst). Besonders schön an den Wörterkarten ist, dass erst der Begriff gesagt wird und man dann durch nochmaliges Antippen dieses Wort nochmals in einem Kontext hört. So kann man ein gutes Gefühl für die Sprache entwickeln.
Hilfreich ist auch, dass man sich immer die deutsche Übersetzung anhören kann. Erst war ich etwas irritiert, dass diese immer von einer recht neutralen Stimme gesprochen wird (im Gegensatz zu den englischen Stimmen, die rollengerecht sind). Aber so wird den Kindern deutlich gemacht, dass sie damit eine andere Ebene betreten haben. Mit diesen Übersetzungen wird Frustration vermieden und man fühlt sich nicht dem Spiel ausgeliefert (wie gerne hätte ich so etwas im richtigen Leben).
Gut gefällt mir auch, dass die Kinder immer zum Nachsprechen aufgefordert werden – und die Form des tiptoi-Stiftes animiert dazu, es wie ein sich vorgestelltes Mikrofon zu benutzen. Hier wäre natürlich eine wirkliche Aufnahmefunktion noch der absolute Hit, aber auch so wird bei SPRICHST DU ENGLISCH? versucht, eine gewisse Interaktion durchzuführen. Wie ich auf der Spielwarenmesse in Nürnberg aber erfahren habe, ist diese Aufnahmefunktion für die nächste Generation tiptoi-Stifte (ab September 2018) geplant. Ich bin gespannt.
Grundsätzlich kann man von den drei Schwierigkeitsstufen nur eine Stufe für die ganze Partien auswählen. Erst fand ich das unglücklich, da ich es sinnvoller gefunden hätte, dass man unterschiedliche Stufen für für einzelne Spieler einstellen könnte – denn selten hat man eine homogene Gruppe. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass man sehr wohl die Schwierigkeitsstufen mischen kann. Die Elektronik hat nämlich kein Problem damit, dass auch auf der leichtesten (grünen) Stufe Karten angetippt werden, die eigentlich zur roten Kategorie gehören. So kann man also durchaus mit gemischten Anforderungen spielen.

Da ich kein Sprachwissenschaftler bin, kann ich schwer etwas zur guten oder schlechten Aussprache sagen. Da vertraue ich einfach Ravensburger, dass diese den größten Konsens abdeckt. Die Einteilung der Begriffe in die unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen erscheint mir aber sehr durchdacht. In der grünen Kategorie sind die oftmals Begriffe, die man genauso oder so ähnlich schon aus dem Deutschen kennt (Bus, Ball, Bett...). In der roten Kategorie sind dann schon kniffligere Begriffe vorhanden (letter und ladder). Alles aber natürlich auf Grundwortschatz-Niveau. Ich kann mir sogar vorstellen, dass eines Tages die Wörterkarten aktiv zum Vokabel-Lernen benutzt werden. Ich hätte mir früher jedenfalls so etwas als Schüler gewünscht.
Fazit: Vorbehaltlos glücklich werde ich mit tiptoi-Spielen wohl nicht – allerdings immer unter dem Aspekt des eigentlichen Brettspiels und aus der Sicht eines Erwachsenen. Bei SPRICHST DU ENGLISCH? ist aber eine ganz andere Zielgruppe gefragt. Die Beobachtungen im Kindergarten aber auch zu Hause zeigen, dass dort das Spielmaterial sehr gut ankommt und mit Spaß benutzt wird. Ich habe an SPRICHST DU ENGLISCH? nicht den Anspruch, dass damit die ersten Vokabeln gepaukt werden sollen. Für mich ist es wichtig, dass ein Sprachgefühl vermittelt wird – und das leistet SPRICHST DU ENGLISCH? auf alle Fälle. Ziel erreicht!
Titel | Sprichst du Englisch? |
Redakteur | Florian Mühlegg |
Illustrationen | Joachim Krause, Dynamo Ltd., Leo Brown (Beehive) |
Dauer | 10 bis 30 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Kindergartenkinder und Grundschüler (4 bis 7 Jahren) |
Verlag | Ravensburger |
Jahr | 2017 |
Ich bedanke mich bei Ravensburger für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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