unterwegs auf der Spielwarenmesse Nürnberg 2018 – Teil 2
Nachdem ich schon einen ersten kleinen Einblick zu meinem Besuch der Spielwarenmesse in Nürnberg gegeben habe, folgt nun also der zweite Teil...
Hans im Glück

Vor der Messe hatte ich die Frage gestellt, ob sich die Frühjahrs-Neuheit RACE TO THE NEW FOUND LAND (Martin Kallenborn und Jochen Scherer) von der Komplexität eher an MAJESTY oder doch eher an AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO orientieren wird. Die Antwort ist nach einem ersten Anspielen eindeutig: es geht AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO weiter. Gut, dafür hätte es wohl ausgereicht, die Bilder zu studieren (auch wenn das Marco-Polo-Tuch nun weiß statt lila ist). Nun weiß ich es aber durch ein erstes Anspielen. Ganz die strategische Tiefe wird es wohl nicht erreichen, aber zumindest fährt es auch nicht durch all zu seichte Gewässer. RACE TO THE NEW FOUND LAND verbindet reizvoll einige bekannte Elemente: Entdecken von Landschaften und diese vernünftig zusammenpuzzeln – aber auch Mehrheiten bilden und Warenhandel. Statt lediglich Arbeiter für bestimmte Phasen zuzuordnen, macht man das nun gleich mit ganzen Schiffen (die verschiedene Spezifikationen für die einzelnen Bereiche aufweisen). Thematisch sehe ich aber noch die ein oder andere Klippe. Ich erwarte insgeheim einen kleinen Shitstrom, weil sich in der Reihe von berühmten Kapitänen (Columbus, Da Gama, Magellan...) auf einmal ein Hernán Cortés wiederfindet – und man über diesen auch noch zusätzlich Gold erhält. Mal schauen, ob noch ein relativierender Hinweis über die historische Einordnung des Spiels in die Regel eingearbeitet wird (MOMBASA ließe grüßen).
Schmidt Spiele
Von Hans im Glück war es nicht weit zu Schmidt Spiele. Dort hat für mich DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG (Wolfgang Warsch) herausgeragt – das allerdings nur spielmechanisch. Denn das Material als solches ist eher klein und damit recht fuddelig. Die Gestaltung war aber hübsch und die Regeln haben zumindest den Reiz geweckt, es einmal in größerer Gruppe ausprobieren zu wollen – schließlich mag ich Bag-Builder.
Drei Magier
Freunde des Kinderspiels wurden wieder bei den Drei Magier fündig – und somit auch Freunde der Illustrationen von Rolf Vogt (wie ich es einer bin) sowie ausgetüftelter Spielemechaniken (und noch einmal: wie ich es einer bin). In DER GEHEIMNISVOLLE ZAUBERSEE (Anna Oppolzer und Stefan Kloß) müssen die mittlerweile auch zu Buch-Ehren gekommenen drei Magier Conrad, Mila und Vicky vor dem finsteren Zauberer Rabenhorst entkommen – und flüchten dabei über den Zaubersee. Nun gilt es im Memory-Modus den richtigen Weg zu wählen. Dieser wird über Magnete unter dem Spielbrett fühlbar: ist der Widerstand zu groß, dann müssen wir anhalten. Dabei kommt allerdings erschwerend hinzu, dass die Magnete auf einzelnen dicken Pappstreifen liegen und deren Lage sich im Laufe Verlauf einer Partie verändern. DER GEHEIMNISVOLLE ZAUBERSEE hat mir recht gut gefallen und ich könnte mir vorstellen, dass meine Tochter diesen eben so gerne spielen wird wie ZAUBEREI HOCH DREI. Leider habe ich wegen all dieser Zauberei vergessen, entsprechende Fotos zu machen.
IELLO

Bei IELLO am Stand vorbei zu gehen ist aus mehreren Gründen spannend. Einerseits natürlich wegen der neuen Spiele, andererseits aber auch wegen der Frage: welches dieser neuen Spiele wird wohl bei welchem Verlag auf deutsch erscheinen...
Am überraschendsten fand ich die Idee, eine analoge Spielesammlung für alte Computerspiel-Klassiker zu entwickeln. 8BITBOX heißt dieser Versuch. Als erstes Spiel der Sammlung ließ sich ein "PAC MAN" spielen, was aber nicht wirklich an mein damals gefördertes WHACKY ROLL heran reichte. Aber die Controller aus Pappe sind schon putzig...
LOOKOUT SPIELE
Hatte neben der Ankündigung, die eigene Produktfamilie ausgiebig zu pflegen, nur wenig neues zu bieten. Zumindest konnte man einen Blick auf das kleine Kartenspiel PIEPMATZ werfen. Die Illustrationen von Klemens Franz haben mir dabei ganz gut gefallen, dass Spielprinzip habe ich aber noch nicht ganz durchschaut. Hier muss man mal abwarten, ob es wirklich ein (Achtung Wortwitz) pfiffiges Kartenspielchen sein wird.
Ansonsten finde ich es spannend, dass Lookout viel Energie in das Weiterentwickeln von bestehenden Spielen steckt. Hier soll nach eigenen Aussagen auch der Schnelllebigkeit der Szene etwas entgegen gestetzt werden. Gute Spiele werden nicht schlechter, nur weil in kürzester Zeit ganz viele neue auf den Markt kommen. Deswegen sollen Anreize geschaffen werden, sich auch weiter mit bestehenden Spielen auseinander zu setzen. So erwarten uns jedenfalls Erweiterungen in verschiedenen Größen zu PATCHWORK, ISLE OF SKYE, CAVERNA, BÄRENPARK, NJUSFORD und und und.
noris

Apropos schöne Grafiken von Klemens Franz. Es gibt eine gute Neuigkeit von noris: BLOCKY MOUNTAINS (Gerhard Junker) schafft es nun in ihr Verlagsprogramm. Leider wurden dabei aber u.a. auch die bisherigen überragend-schönen Illustrationen neu aufgelegt. Als Besitzer der Ausgabe von Juhu-Spiele konnte ich mich somit mit dieser Neuauflage nicht wirklich anfreunden. Ich freue mich aber für Gerhard Junker, dass er nun einen großen Verlag für sein tolles Geschicklichkeitsspiel gefunden hat.
Ravensburger
Die größte Vorfreude auf Spiele von Ravensburger vereint sicherlich THE RISE OF QUEENDSALE (Inka und Markus Brand), welches bald bei alea erscheinen wird. Ein Anspielen wäre theoretisch möglich gewesen, allerdings hätte ich daran gar kein Interesse gehabt. Das will ich unbedingt mit meiner Gruppe, mit der ich PANDEMIC LEGAZY zusammen erlebt habe, unvoreingenommen von Anfang an entdecken.

Etwas verwundert die Augen gerieben habe ich mir bei der Ankündigung zu PUERTO RICO – DAS KARTENSPIEL (Andreas Seyfarth). Bisher dachte ich immer, dass sehr gute SAN JUAN wäre die mehr oder weniger offizielle Kartenadaption dieses Klassikers. Hier bin ich definitv auf weitere Informationen gespannt. Denn bisher gab es nur dieses Cover an der alea-Wand zu sehen (genauso wie das Cover für das neue Stefan Feld Spiel bei alea: CARPE DIEM). Wenn ich so an die letzten Kartenspieladaptionen zu anderen alea-Klassikern denke, bin ich mir nicht sicher, ob ich mich darauf freuen soll. Allerdings finde ich es gut, mal wieder etwas von Andreas Seyfarth entdecken zu können.
Ansonsten finde ich es schön, dass Ravensburger nach CARTAGENA nun auch noch TRANS AMERICA bzw. TRANS EUROPA (Franz-Benno Delonge) neu aufgelegt hat. Jetzt fehlt nur noch CLANS und all die guten alten Winning-Moves-Quadratspiele hätten ein neues Zuhause gefunden.

Wahrscheinlich ein Renner wird bei meinen Kids und der Brettspiel-AG in der Schule wohl COOL RUNNINGS (Oliver Mahy) werden. Hierbei muss man seinen Eiswürfel "lebend" ins Ziel bringen. Damit das nicht zu einfach wird, dürfen die lieben Mitspieler die ein oder andere Gemeinheit an meinem Eiswürfel ausleben. Hier wird gleichzeitig ein wenig Physikunterricht gelehrt. Denn wer noch nicht wusste, dass man mit Salz einen Eiswürfel zum Schmelzen bringen kann, der darf sich nun davon anschaulich überzeugen lassen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich das Spiel im realen Praxistest zu Hause bewährt. Allerdings braucht man dafür auch eine gute Portion Frustresistenz, denn das Spiel kann schon mächtig fies sein. Finde ich aber gut, dass man das auch mal ausleben darf (es muss nicht immer kooperativ sein).
Bei Ravensburger war ich aber auch etwas "fachfremd" unterwegs. Denn ich wollte unbedingt erfahren, wie es nun mit der GRAVITRAX weitergeht. Und es geht weiter! Nun kommen neben einer Kaskade, einem Aufzug und diversen Tunnel-Elementen vor allem Trampoline ins Spiel, die mich auf der Teststrecke begeistert haben. Dieses Kugelbahn-System ist wirklich toll und empfehlenswert (und ich kenne durchaus andere wie die Kugelbahnen von HABA und fischertechnik). Die fünf Minuten, die ich an der Bahn verbracht habe, konnte ich gefühlt hundert mal den Satz von Händlern hören: "Wenn diese Lieferschwierigkeiten nicht gewesen wären, ich hätte unzählige Boxen im Weihnachtsgeschäft verkaufen können".
Abacusspiele

Als bekennender DECKSCAPE-Fan habe ich mich natürlich über einen neu angekündigten Fall gefreut. Thematisch zieht es uns nun nach Venedig – und mit uns meine ich eine Bande von Meisterdieben. Das Besondere an diesem neuen Fall: es gibt einzelne Charakter-Rollen, die bestimmte Eigenschaften haben. Ich kann mir vorstellen, das somit DECKSCAPE – RAUB IN VENEDIG (Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino) eine neue Intensität bekommt. Schon die letzten Fälle waren eine schöne Erinnerung an die alten Point&Click-Abenteuer am PC.

Als Familienspiel-Neuheit wurde ALLES AN BORD?! (Carlo A. Rossi) vorgestellt. Nach der Präsentation hatte ich das Gefühl, dass damit ein stark abgespecktes GALAXY TRUCKER vorliegt. Die Spieler sammeln gleichzeitig und auf Schnelligkeit Ausrüstungsgegenstände, die in einer nachfolgenden Runde gegen Schätze eingetauscht werden können. Da das Spiel über zwei Runden geht, werden besonders erfolgreiche Piraten in der zweiten Runde etwas eingeschränkt, so dass auch hinten liegende Spieler noch Chancen auf den Sieg haben. Das Material und die Illustrationen von Michael Menzel haben mir schon recht gut gefallen.

Ebenfalls von Michael Menzel wurde PARTY BUGS (Martino Chiacchiera) illustriert. Dabei erinnern einen diese Wanzen immer ganz entfernt an bestimmte Kino-Helden... Aber auch spielerisch hört sich PARTY BUGS ganz interessant aus. Man versucht, aus einer Auslage bestimmte Karten zu erhalten. Um dies zu bewerkstelligen, spielt man Karten aus – die dann die Auslage für die nächste Runde bilden. Es ist somit ein wenig Voraussicht nötig, welche Karten ich zum Ausspielen benutze. Auch hier bleibt abzuwarten, wie sich PARTY BUGS dann wirklich spielen lässt.
KOSMOS

Etwas mehr im Mittelpunkt von KOSMOS hatte ich das neue Spiel aus der Catan-Welt erwartet – schließlich ist und bleibt es ein Bestselle ohne gleichen. Voraussichtlich im Juli 2018 erscheint CATAN – DER AUFSTIEG DER INKA (Klaus und Benjamin Teuber). Das besondere daran: ab einem gewissen erreichten Siegpunktwert, werden bestehende Siedlungen wieder vom Urwald überrankt – und können im weiteren Verlauf vom Gegner überbaut werden. In der Theorie klingt es so, dass eine Partie mehr im Fluss ist, da man weiß, dass die Rohstoffquellen endlich sein können. Dazu gibt es natürlich angepasste Rohstoffe – und auch eine neue Räuberfigur. Die hätte ich auch gut nutzen können, um meinem ALTIPLANO eine neue Startspielerfigur zuzuführen...

Ansonsten wirft natürlich die kommende Fußball-WM in Russland ihre Schatten voraus. Das merkt man spätestens dann, wenn bekannte Spiele mit einem Fußball-Thema überzogen werden. Ein Vertreter dieses Phänomens ist MACHI KORO FUSSBALL (Masao Suganuma). Wer irgendeine spielerische Neuentdeckung erwartet hat, der wird enttäuscht werden. Die Karten sind mit ihren bestehenden Werten lediglich neu benannt und illustriert worden. So wird bspw. aus dem "Café" der "Fanshop". Leider zeigt es nur, wie austauschbar im Endeffekt das Thema bei diesem Spiel ist. Auf der anderen Seite kann dieses ausgetauschte Thema natürlich auch dazu beitragen, neue Käuferschichten anzusprechen. Denn MACHI KORO ist von der Mechanik definitiv ein gutes Spiel (wenn mit einem beweglichen Markt gespielt wird).

Von den vorgestellten Fußball-Spielen in Nürnberg reizt mich am meisten FUSSBALL-DUELL (Brett Gilbert und Matthew Dunstan). Das klang nach einem Fußball-Spiel, bei dem durchaus sportspezifische Taktiken eine Rolle spielen können. Beide Spieler besitzen Taktik-Karten, die sowohl für den Angriff wie auch für die Verteidigung einsetzbar sind. Natürlich bleiben genügend Zufallselement im Spiel, die über Sieg oder Niederlage entscheiden – aber wir reden hier schließlich auch von Fußball. Gut gefällt mir auch die Ausstattung mit den Papp-Standies und vor allem den schönen Toren. Außerdem passen die Farben recht gut zu den Fan-Vorlieben hier im Hause...
Das sehr gute 2‑Personen-Spiel LOST CITIES (Rainer Knizia) bekommt nun einen großen Brettspielbruder. Wobei mir nicht ganz klar ist, ob der sich nicht einfach nur verkleidet hat (KELTIS war bekanntlich auch ein LOST CITIES Ableger). LOST CITIES ist vor allem in den USA ein echter Renner – da bietet es sich an, für diesen wachsenden Markt einen passenderen Aufhänger zu finden. Außerdem war KELTIS jetzt nicht wirklich thematisch, so dass vielleicht nun etwas mehr Flair auf den Spieletisch landet.

MERCADO (Rüdiger Dorn) ist wie das oben schon vorgestellte DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG ein weiteres neues Bag-Building-Spiel. Allerdings kommt mir hierbei die Aufmachung wesentlich wertiger vor – zumindest wenn man die ausliegenden Handmuster als Referenz nimmt. Neben der klasse graphischen Gestaltung war auch das ganze Material haptisch schöner. Zusätzlich scheint auch das Spiel dahinter anspruchsvoller zu sein – Händler sind eben keine Quacksalber und klotzen eher statt kleckern. Bei MERCADO sollte unbedingt die Siegpunktleiste in die eigenen Überlegungen einbezogen werden. Denn über diese kann man einige Vorteile freischalten – oder man kassiert Mali. Außerdem muss man aufpassen, dass nicht zu viel Falschgeld in den eigenen Beutel gelangt.
Auch die sehr erfolgreiche EXIT-Reihe wird natürlich fortgesetzt. Neben zwei weiteren neuen Fällen (für Anfänger und Fortgeschrittene) reizt mich vor allem das neue Buch: EXIT – DAS BUCH – TAGEBUCH 29 (Dimitris Chassapakis). Ich habe einen kurzen Blick hinein geworfen – und nur Bahnhof verstanden! Das wird eher was für ruhige Stunden zu Hause sein als für stressige Messen.

Zu guter Letzt habe ich den Blick natürlich auch am KOMOS-Stand schweifen lassen. Dabei ins Auge gefallen sind mir die Experimentierkästen PEPPER MINT. Diese sind nicht ausschließlich für Mädchen konzipiert, haben diese aber natürlich als Zielgruppe im Auge – und das fern von rosa Glitzerfeen, Puschel-Einhörnern oder sonstigen Vorurteilen. So sollen auch Mädchen für MINT-Themen geweckt werden. Das finde nicht nur ich löblich, sondern auch die Preisverleiher des Toy Award – denn von denen wurde nun PEPPER MINT ganz frisch in Nürnberg ausgezeichnet. Meiner Meinung nach völlig zurecht! Man kann nur hoffen, dass es viele Nachahmer dieses vernünftigen Konzepts gibt – auf das die Welt etwas weniger stupide in typisch Mädchen und typisch Junge eingeteilt wird.
Wie man sieht, habe ich den Blick durchaus auch schweifen lassen. Denn natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch die anderen Hallen zu durchstreifen. Dabei habe ich viel skuriles gesehen – und teilweise auch gerochen, wenn man an bestimmten Kunststoff-Auswüchsen vorbei gehen musste. Das Kind im Manne wurde oftmals angesprochen und man hatte teilweise das Gefühl, dass der Kindheitstraum, eine Nacht im Spielwarenladen verbringen zu können, wahr geworden wäre. Die schmerzenden Füße haben dann einen aber schnell in die Realität zurück kommen lassen.
Besonders schön fand ich, dass ich somit auch endlich wieder in Nürnberg war – eine wirklich wunderschöne Stadt, die ich viel zu selten besuche. Von mir aus bin ich gerne nächstes Jahr wieder auf der Spielwarenmesse. Abwarten, ob das dann auch klappt.
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