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kritisch gespielt: Switch and Signal

Switch & Signal von David Thompson – erschienen im KOSMOS Verlag

Switch & Signal - Box
Foto: KOSMOS Verlag

Einer mei­ner frü­hes­ten Kind­heits­er­in­ne­run­gen bezüg­lich mei­ner Groß­el­tern ist das gemein­sa­me Hören einer Lok 1414 Kas­set­te. Die­se Kas­set­te war schon damals arg mit­ge­nom­men und ich weiß nicht, ob die Stim­men des­we­gen so ver­zehrt waren oder ob das genau­so auch so sein soll­te. Jeden­falls gab es die­se öfters auf Auto­fahr­ten zu hören und des­we­gen haben sich bei mir ein paar Sät­ze ein­ge­prägt, die mich immer noch beglei­ten, wenn ich bspw. das Wort Zip­fel­müt­ze höre. Lok 1414 hät­te sich jeden­falls nicht um Wei­chen und Signa­le geküm­mert, son­dern immer pünkt­lich ihre Fracht abge­lie­fert. So ein Lok 1414 Joker fehlt aber lei­der bei SWITCH & SIGNAL.

The­ma... wir neh­men Waren in Städ­ten auf und brin­gen die­se zum Hafen. Anders­her­um wäre das Brett­spiel-affi­ner, weil dann die Lie­fe­run­gen aus Über­see zu den jewei­li­gen Ver­triebs­zen­tren der Ver­la­ge geschafft wer­den müss­ten. Aber wir sind klas­sisch unter­wegs, wes­we­gen wir auch noch Dampf­locks benut­zen. Des­we­gen müs­sen wir uns auch mit Wei­chen und Stell­wer­ken aus­ein­an­der­set­zen, die noch nicht com­pu­ter­op­ti­miert sind – so dass dabei auch so eini­ges schief gehen kann. Da das Fracht­schiff aber nicht unend­lich auf uns war­tet, haben wie die­ses koope­ra­ti­ve Spiel ver­lo­ren, wenn wir nicht alle Waren inner­halb einer bestimm­ten Zeit­span­ne pünkt­lich abge­lie­fert haben. 

Switch & Signal - Europa
es gibt span­nen­de Designs

Illus­tra­tio­nen… sind von Claus Ste­phan und kom­men recht unspek­ta­ku­lär daher. Trotz der net­ten Sehens­wür­dig­kei­ten in den Städ­ten emp­fin­de ich die Auf­ma­chung als alt­ba­cken oder als Lok 1414-like. Posi­tiv kon­no­tiert wür­de ich die gra­fi­sche Gestal­tung als funk­tio­nal bezeich­nen. Sie lädt nicht wirk­lich zum Spie­len ein, schreckt aber auch kei­nen ab. Mit ein wenig mehr Mut hät­te man dem Auf­tritt aber etwas mehr Elan geben kön­nen und somit das Spiel auch in ein moder­nes Licht gerückt. So wirkt alles wie aus einem Märk­lin-Kata­log von vor 40 Jah­ren inspiriert. 

Switch & Signal - Übersicht
klas­si­sche Zeit, klas­si­sches Material

Aus­stat­tung… ver­sucht mit neun klei­nen Zug-Minia­tu­ren zu locken, wel­che in drei unter­schied­li­chen Far­ben daher kom­men und eine Lade­flä­che für die bun­ten Waren­stei­ne besit­zen. Auf Signal- und Wei­chen-Minia­tu­ren wur­den aber ver­zich­tet, so dass die­se Ele­men­te cle­ver durch Holz­schei­ben sym­bo­li­siert wer­den. Das eigent­li­che Herz­stück sind aber die Kar­ten, die in zwei unter­schied­li­chen Arten bestehen. Die Fahr­an­wei­sun­gen sind mehr oder weni­ger der ima­gi­nä­re Geg­ner von uns, über die Akti­ons­kar­ten kön­nen wir Züge fah­ren las­sen, Wei­chen umstel­len oder Signa­le ver­än­dern. Zusätz­lich gibt es noch für jede Zug­far­be einen eige­nen Bewe­gungs­wür­fel sowie noch wei­te­re Wür­fel oder alter­na­tiv ein paar Pappplätt­chen zur Bestim­mung der Ein­setz-Orte der Züge. Schluss­end­lich sind noch Uhren­plätt­chen als Zeit­mar­ker sowie drei Abdeck­plätt­chen in der Box.

Switch & Signal - Ziel
dem Ziel so nah

Die­se Abdeck­plätt­chen kom­men auf dem Spiel­plan zum Ein­satz. Dort sind immer drei Hel­fer abge­bil­det, die man ein­mal pro Par­tie akti­vie­ren kann. Der Spiel­plan kommt übri­gens dop­pel­sei­tig daher. Auf der einen Sei­te ist Euro­pa abge­bil­det und auf der ande­ren Sei­te Nord-Ame­ri­ka. Zusätz­lich ändert sich damit auch mini­mal die Auf­ga­be. In bei­den Fäl­len wer­den pro Stadt zwei farb­lich pas­sen­de Waren­stei­ne gelegt. In Euro­pa müs­sen die­se nun bei­de nach Mar­seil­le beför­dert wer­den, in Nord-Ame­ri­ka hin­ge­gen ein Stein nach New York und der ande­re Stein nach San Francisco.

Ablauf… zu Beginn eines Spiel­zu­ges deckt man eine all­ge­mei­ne Fahr­an­wei­sung auf. Die­se sorgt dafür, dass neue Züge auf den Plan gesetzt wer­den und nun alle Züge von bestimm­ten Far­ben fah­ren, wofür deren farb­lich pas­sen­der Bewe­gungs­wür­fel gewor­fen wird. Kommt es dabei zu Hal­ten vor roten Signa­len oder gar Zusam­men­stö­ßen von Zügen, muss man erst Zeit­plätt­chen abge­ben und in letz­ter Kon­se­quenz auch Fahr­an­wei­sun­gen. Das ist des­we­gen ärger­lich, da man das Spiel ver­lo­ren hat, wenn man kei­ne Fahr­an­wei­sung mehr auf­de­cken kann und noch nicht alle Waren im Hafen sind.

Switch & Signal - Fahranweisungen
die Fahr­an­wei­sun­gen sind unser Gegner

Damit das ver­hin­dert wird, müs­sen wir aktiv wer­den! Nach und nach spielt man in einem Spiel­zug Kar­ten aus, um deren abge­bil­de­ten Aktio­nen zu nut­zen. So kann man Wei­chen­stel­lun­gen ver­än­dern, Signal­schei­ben ver­schie­ben und damit Stre­cken befahr­bar machen oder ein­zel­ne Züge fah­ren las­sen. Will man unbe­dingt eine Akti­on machen und hat dafür nicht die pas­sen­de Kar­te auf der Hand, dann kann man dafür auch zwei belie­bi­ge Kar­ten abwer­fen. Zusätz­lich kann man auch eine belie­bi­ge Kar­te abwer­fen, um einen Waren­stei­ne in den Städ­ten aufzuladen. 

Switch & Signal - Karten
auch die Kar­ten­ver­tei­lung ist natür­lich zufällig

Das gefällt mir nicht so gut: Manch­mal muss man schon hart im Neh­men sein! Es gibt Par­tien, da kommt es knüp­pel­dick und man sieht kein Land geschwei­ge denn befahr­ba­re Stre­cken. In mei­nen Augen hat SWITCH & SIGNAL etwas zu vie­le Zufalls­ele­men­te. Ja, es ist ein Fami­li­en­spiel und die Spiel­dau­er ist auch mit etwa 45 Minu­ten ange­mes­sen. Aber ein wenig mehr Ein­fluss bzw. Plan­bar­keit wäre schon schön. So muss man sich mit unbe­kann­ten Fahr­an­wei­sun­gen und Wür­feln her­um schla­gen, die vor allem beim Bestim­men der Ein­setz-Orte zu sel­ten benutzt wer­den, damit hier die Nor­mal­ver­tei­lung zu tra­gen kommt. Dabei hät­ten viel­leicht schon klei­ne Knif­fe hel­fen kön­nen. Bspw. erst den Ort erwür­feln, auf dem ein Zug ein­ge­setzt wird, und dann erst die Far­be bestim­men. Oder man bekommt schon auf der Rück­sei­te der Kar­te einen klei­nen Hin­weis auf die "Stär­ke" der nächs­ten Fahr­an­wei­sung. Oder man kann aktiv bestimm­te Akti­ons­kar­ten nach­zie­hen, so dass man nicht mit einer Hand­voll von Signal­kar­ten vor dem Brett sitzt, wäh­rend man doch Wei­chen und Zug­be­we­gun­gen benö­tigt. So fühlt man sich teil­wei­se wie bei einer Fahrt im dich­ten Nebel. Wir ver­su­chen unser Glück, aber es kann auch mäch­tig in die Hose gehen. 

Switch & Signal - Zeit
nicht sehr mobi­le Helfer

Auch bei den Hel­fern hät­te ich mir gewünscht, dass die­se etwas fle­xi­bler sind. War­um kom­men die bspw. nicht als Kar­ten daher und ich darf mir zu Anfang einer Par­tie drei selbst zusam­men stel­len? Oder war­um nicht alle sechs anbie­ten und davon darf man dann drei nut­zen? Vor allem auf der Euro­pa-Sei­te haben wir bspw. die Dis­po­nen­tin so gut wie nie genutzt und wären dahin­ge­gen über den Ran­gie­rer aus Nord-Ame­ri­ka sehr froh gewesen.

Die bei­den Spiel­plä­ne sind eine schö­ne Sache, zumal die­se sich auch durch die etwas abge­wan­del­te Auf­ga­be deut­lich anders anfüh­len. Trotz­dem fehlt mir auf Dau­er etwas der Reiz. Man macht ins­ge­samt dann doch zu wenig unter­schied­li­ches und ein­zel­ne Par­tien füh­len sich im Rück­blick gleich an. Es fehlt viel­leicht auch eine Rah­men­hand­lung, die etwas mehr Immersi­on för­dert. So bewegt man bun­te Wür­fel von A nach B. Aber die Moti­va­ti­on dafür muss aus einem selbst kom­men. War­um das Gan­ze nicht in eine Geschich­te ein­bet­ten, in der bspw. Hilfs­gü­ter recht­zei­tig gelie­fert wer­den müssen? 

Switch & Signal - Nordamerika
Nord-Ame­ri­ka kommt etwas gestaucht daher

Und war­um kommt das Spiel so fad gestal­tet daher? Das Cover weist zumin­dest etwas Dyna­mik auf, aber die Spiel­plan­ge­stal­tung, die Loko­mo­ti­ven und die Kar­ten sind in mei­nen Augen nicht anspre­chend genug gestal­tet, um ansatz­wei­se inter­es­sant zu wir­ken. Da wur­de die Chan­ce auf eine span­nen­de Tisch-Prä­senz ver­schenkt. Zusätz­lich habe ich mich bei der Plan­ge­stal­tung auch über eini­ge Sachen gewun­dert. Statt Mar­seil­le als Ziel­ha­fen hät­te ich Rot­ter­dam, Ant­wer­pen oder Ham­burg erwar­tet. Und dass Bie­le­feld ein gro­ßer Eisen­bahn­kno­ten sein soll, war mir bis heu­te auch neu. Wahr­schein­lich muss­te die Kar­te so aus­ge­rich­tet sein, damit das Spiel die not­wen­di­ge Dyna­mik bekommt. Aber genau dafür wäre eine Rah­men­hand­lung hilf­reich, die die­se Irri­ta­tio­nen bei Betrach­ten der Kar­te ver­rin­gern. Zu Nord-Ame­ri­ka fehlt mir da ein wenig der Bezug, aber auch die­ser Plan hat mich vom Aus­se­hen erst ein­mal ver­wun­dert, weil ich da ande­re Pro­por­tio­nen und Wich­tig­kei­ten in mei­nem Kopf hatte.

Auch wenn ich koope­ra­ti­ve Spie­le ger­ne auf den Tisch brin­ge, so hät­te ich mir das Grund­prin­zip von SWITCH & SIGNAL auch gut als ein kom­pe­ti­ti­ves Spiel vor­stel­len kön­nen. War­um nicht um freie Signa­le und Wei­chen kon­kur­rie­ren? Du möch­test mit dei­nem Zug von A nach B? Ger­ne, aber nicht über die­se Stre­cke, denn da fährt jetzt mein Zug! Und wie, der ist dir zu lang­sam? Pech gehabt!

Switch & Signal - Detail02
da ste­hen nicht alle Wei­chen optimal

Das gefällt mir gut: Als Ver­kehrs­pla­ner habe ich schon berufs­be­dingt eine gewis­se Affi­ni­tät zum The­ma. Aber nicht nur auf­grund mei­ner dama­li­gen Vor­le­sun­gen zum Bahn­we­sen fin­de ich die Auf­ga­ben­stel­lung als sol­ches reiz­voll – und bin damit schein­bar nicht allei­ne. Denn es gab eigent­lich nie Pro­ble­me Mit­spie­len­de zu fin­den. Vie­len emp­fan­den das The­ma als wohl­tu­en­de Abwechs­lung im koope­ra­ti­ven Bereich. Zumal das Mate­ri­al auch sehr ele­gant das The­ma umsetzt. Ich fin­de es fas­zi­nie­rend, wie man mit ledig­lich ein paar Holz­schei­ben die Signa­le und vor allem die Wei­chen simu­liert. Das funk­tio­niert tadel­los und wird von allen sofort ver­stan­den und ver­in­ner­licht. Wenn doch nur die rest­li­che gra­fi­sche Auf­ma­chung auch so ele­gant daher kom­men würde...

Auch wenn ich mich ein wenig über den hohen Zufalls­fak­tor ärge­re, so muss ich doch aner­ken­nen, dass vie­le Schrau­ben bestehen, mit denen man den Schwie­rig­keits­grad ska­lie­ren kann. So kann man die Anzahl der Zeit­plätt­chen oder der Fahr­an­wei­sung anpas­sen. Oder man spielt mit einer Signal­schei­be mehr als eigent­lich vor­ge­se­hen. Das klingt kaum nach einer Hil­fe, kann aber doch viel bewir­ken. In die­sem Zusam­men­hang möch­te ich übri­gens noch lobend erwäh­nen, dass vom gan­zen Holz­ma­te­ri­al etwas mehr vor­han­den ist, als unbe­dingt not­wen­dig wäre. So darf man auch schon mal eine klei­ne Holz­schei­be oder einen Waren­stein verlieren.

Switch & Signal - Lokomotiven
lasst uns loslegen

Im opti­ma­len Fall ist eine Par­tie SWITCH & SIGNAL span­nend bis zum Ende. Die ers­ten eins-zwei Par­tien wird man wahr­schein­lich benö­ti­gen, um ein Gefühl für das Spiel zu bekom­men. Wann soll­te man die lang­sa­men grau­en Züge und wann die schwar­zen auf den Plan brin­gen? Wel­che Waren sind kom­pli­zier­ter zu trans­por­tie­ren als ande­re? Man kann dabei schon eine gewis­se Lern­kur­ve beob­ach­ten. Genau aus die­sem Grund sind die­se Stell­schrau­ben so wich­tig, da die Auf­ga­ben­stel­lung sich nicht ver­än­dert. Neu­lin­gen wür­de ich übri­gens gleich von Anfang an ent­we­der alle Zeit­mar­ker oder Fahr­an­wei­sun­gen zur Ver­fü­gung stel­len, denn die nor­ma­le Auf­stel­lung ist ansons­ten schon eine frü­he Her­aus­for­de­rung. Der Nord-Ame­ri­ka-Spie­plan sieht auf dem ers­ten Blick etwas schwie­ri­ger aus, da man nun noch mehr die Rich­tun­gen der Züge beach­ten muss. Trotz­dem hat sich bei uns gezeigt, dass die­ser eine höhe­re Erfolgs­quo­te auf­wies, weil die ein­zel­nen Stre­cken eher kür­zer waren. Auf alle Fäl­le unter­schei­den sich die Plä­ne deut­lich von­ein­an­der und sie sind somit eben nicht ledig­lich eine gra­fi­sche Spielerei.

Switch & Signal - Detail01

Fazit: Das Spiel­prin­zip von SWITCH & SIGNAL fin­de ich geni­al. Es ist leicht ver­stan­den und die Hand­ha­bung ist wun­der­bar ele­gant. Mir per­sön­lich wäre aller­dings etwas weni­ger Zufall und ein Mehr an Plan­bar­keit lie­ber gewe­sen. Auch fin­de ich die Gestal­tung zu wenig anspre­chend. Lei­der habe ich somit das Gefühl, dass das vor­han­de­ne Poten­zi­al nicht voll aus­ge­reizt wur­de, um dau­er­haft fes­seln zu können.

TitelSwitch & Signal
Autoren­schaftDavid Thomp­son
Illus­tra­tio­nenClaus Ste­phan
Dau­er45 bis 60 Minuten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Personen
Ziel­grup­pekoope­ra­ti­ve Familienspielrunden
Ver­lagKOSMOS
Jahr2020
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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