Wenn man den Vorurteilen glauben darf, dann wird im Vorfeld eines neuen Dates ziemlich geblufft – insbesondere dann, wenn man die zu treffende Person vielleicht nur online oder vom Hörensagen der Clique kennt. Da wird vorab heftig umschmeichelt und es machen wohl eher vorteilhafte Fotos die Runde. Doch wehe, die Erwartungen werden dann nicht erfüllt... Warum ich diese abschweifende Einleitung gewählt habe? Weil sich heute mit COYOTE und SPICY zwei Bluff-Spiele dem Speed-Dating stellen. Zusätzlich ist auch ANANSI mit ihm Bunde – und das nicht nur, weil Anansi im gleichnamigen westafrikanischen Mythos eine Art Trickster ist. Vielmehr bietet sich diese Zusammenstellung an, da alle drei Spiele bei HeidelBÄR Games erschienen sind und auch aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes Teil einer Reihe darstellen.
Das Besondere an der Reihe ist sicherlich die Aufmachung der Spielkarten. Alle Spiele sind thematisch einem aus unseren Blickwinkel eher unbekannten Kulturraum zuzuordnen. Aber anstatt diese nun durch bekannte Illustratoren aus der Brettspielblase in Szene setzen zu lassen, wurden stattdessen Künstlerinnen und Künstler aus dem jeweiligem Kulturraum hinzugezogen. Und damit das außergewöhnliche Ergebnis so richtig flasht, kommen die Karten auch noch in einem glänzendem Metall-Look daher. Im Dauergebrauch sind die Karten dann vielleicht nicht ganz so widerstandsfähig wie "normale" Karten. Aber ich vertrete schon immer die Meinung, dass Spielkarten gerne gebraucht aussehen dürfen – denn für mich stellt das dann ein Kennzeichen für die spielerische Qualität dar.
Anansi von Cyril Blondel und Jim Dratwa – erschienen bei HeidelBÄR Games
ANANSI ist ein ungewöhnliches Stichspiel, dass schon vor einigen Jahren als ETERNITY auf den Markt kam. Nun ist es aber deutlich anders thematisch eingeordnet und durch die Illustrationen von Emmanuel Mdlalose und Dayo Baiyegunhi auch eindrucksvoll gestaltet.
In gewisser Weise ähnelt ANANSI bspw. WIZARD, da man Punkte erzielt, wenn man exakt so viele Stiche einsammelt, wie man vorher angekündigt hat. Wobei dieses "vorher" allerdings nicht vor dem eigentlichen Rundenbeginn erfolgt, sondern erst nach und nach beim Ausspielen der Karten. Man kann sich nämlich der Bedienpflicht beim Stich entsagen und dafür lieber Stich-Ansage-Karten nehmen. Als Nebeneffekt kann dadurch sogar noch die aktuelle Trumpf-Farbe verändert werden. Und gemeinerweise bringen nur die hohen Kartenwerte auch wirklich Zugriff auf diese Stich-Ansage-Karten.
Somit ist eine Partie ANANSI eigentlich immer im Fluss! Im Gegensatz zu vielen anderen Stichspielen kann man nicht im Vorfeld abschätzen, welche Stiche man recht sicher machen wird und welche nicht. Die gelbe 13 war eben noch die höchste Karte im Spiel, da gelb Stichfarbe war. Nun ist aber auf einmal Blau die Trumpffarbe und da reicht nun einmal ein niedriger Wert davon, um meine 13 zu übertrumpfen. Man spielt also weniger das eigene Blatt runter, sondern versucht flexibel zu bleiben. Das ist eine etwas andere Herangehensweise, das Spielgefühl ist aber erstaunlicherweise immer noch ähnlich wie bei anderen Stichspielen. Noch immer gilt es, einen guten Überblick über bereits gespielte Werte zu haben. Gut abzuschätzen, was noch möglich ist und was nicht.
Zusätzlich sorgen die ansteigenden Siegpunkte für eine spezielle Dynamik. Man kann problemlos die ersten beiden Runden in den Sand setzen, da vor allem die dritte und finale Runde erst so richtig Punkte erzeugt. Somit bleibt eine Partie bis zum Ende spannend und weiß dadurch zu fesseln. ANANSI gefällt mir somit richtig gut!
Die Gestaltung und auch die thematische Einbettung ist sicherlich etwas gewohnheitsbedürftig. Am Thema hat mich genervt, dass darüber eigentlich einfache Spielmechaniken kompliziert erklärt werden. Mich stört es immer, wenn etwas künstlich bei einem speziellen Namen genannt wird, den man sich somit zusätzlich merken muss. Manche Mitspielenden empfanden die Karten als zu knallig bunt, aber zumindest gibt es somit sicherlich keine Probleme bei Farbfehlsichtigkeiten. Etwas unglücklich ist nur die Entscheidung, die Zahlenwerte lediglich auf einer Kartenseite anzuordnen, was manchen Auffächer-Gewohnheiten zuwider ist. Auch die Kopf-Symbole für die zu nehmenden Stich-Ansage-Karten hätten gerne etwas größer und deutlicher sein können. Dahingegen gefällt mir die grafische Spielerei sehr gut, dass nur erfüllte Stich-Ansage-Karten einen anlächeln.
Anansi | Cyril Blondel und Jim Dratwa | 25 bis 30 Minuten | 3 bis 5 Personen | HeidelBÄR Games
Coyote von Spartaco Albertarelli – erschienen bei HeidelBÄR Games
COYOTE ist ebenfalls ein älteres Spiel in neuem Gewand – und dieses ist wirklich komplett anders geschneidert. Denn bisher kannte ich COYOTE als POW-WOW in dem man sich ach-so-lustig Stirnbänder auf dem Kopf zog und daran eine Karte befestigte – alles eingekleidet in eine Art Indianer-Thematik die bestenfalls an die imaginäre Faschingsfete vor 40 Jahren bei Tante Uschi erinnert. Das ist dank der beherzten Arbeit der HeidelBÄR-Redaktion mittlerweile anders. Denn diese hat sich entsprechende kulturelle Beratung dazu geholt und mit den Illustrationen von Zona Evon Shroyer ein ganz anderes Niveau geschaffen. Auf einmal sehen die Karten spannend aus und man interessiert sich für den kulturellen Hintergrund. Allerdings muss man auch deutlich sagen, dass das Spiel als solches wenig mit dem aufgesetzten Thema zu tun hat. Man hätte COYOTE auch ganz ohne Thema und schlicht mit reinen Zahlenkarten umsetzen können. So ist es aber natürlich wesentlich schöner.
Das Spielprinzip ist ganz leicht zu erfassen: alle sehen die Karten der Mitspielenden aber nicht die eigene. Zusätzlich liegt noch eine weitere Karte verdeckt in der Mitte. Aus all diesen Kartenwerten soll man nun eine wahrscheinliche Gesamtsumme abschätzen – und diesen Wert sagt man dann an. Die nachfolgende Person kann nun diesen Wert anzweifeln oder erhöhen. Das geht so lange, bis eine Person tatsächlich anzweifelt. Im Kern ist somit COYOTE ein reines Bluffspiel, bei dem man einerseits Wahrscheinlichkeiten nachrechnet aber viel mehr noch dem eigenen Bauchgefühl folgt. Denn über die Reaktionen der anderen versucht man auf den eigenen Kartenwert zu schließen. Hinzu kommt noch, dass man sich auch die Karte in der Mitte ansehen darf, wofür man eine der vor einem ausliegenden "Augen-Karten" umdrehen muss. Allerdings darf man danach nicht anzweifeln, sondern muss den aktuellen Summenwert erhöhen. Und mit diesem Element kann man natürlich richtig Pfeffer in die Runde bringen. War eben die Summe noch bei 25 kann ein beherzt folgendes 35 für manche Überraschungslaute sorgen.
Verliert man übrigens beim Anzweifelvorgang, dann muss man eine von anfänglich drei Augen-Karten abwerfen. Als Belohnung darf man dahingegen eine benutzte Augenkarte wieder auf die sehende Seite umdrehen. Das Ganze macht man so lange, bis alle bis auf eine Person ausgeschieden sind – womit wir doch wieder entfernt beim gewählten Thema sind (Last Man Standing lässt grüßen).
Das ist übrigens auch schon eine Schwäche des Spiels. Denn es ist natürlich nur leidlich interessant, anderen beim Zuende-Spielen zuzusehen. Deswegen spielen wir immer nur so lange, bis eine Person ausscheidet – dann können sich auch mehr als glückliche Sieger ansehen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die abgebildeten Zahlen gerne noch etwas größer sein dürften. In der aktuellen Ausführung ist es manchmal etwas mühselig, weiter entferne Karten erkennen zu müssen. Da ist es schon hilfreich, dass über die Farben die Minus-Werte und die beiden Sonderkarten gut zu erkennen sind. Diese bringen übrigens erst so richtig die Würze ins Spiel, weil sich somit die Ergebnisse extrem ändern können.
COYOTE kann man zwar auch in kleineren Gruppen spielen, der größte Reiz entwickelt sich aber in Vollbesetzung mit allen sechs Personen. Spätestens dann ist auch die beigefügte Trickster-Variante zu empfehlen, die vor allem beim Auflösen der Zweifel auch die restlichen Mitspielenden mit einbezieht. Dadurch sind immer alle bei der Auflösung involviert, was das Spielerlebnis nochmals deutlich verstärkt.
Aber auch ohne diese Variante liegt mit COYOTE ein spaßiges Bluffspiel in Reinkultur vor. Wirklich wissen kann man nichts. Man muss dieses Nichtwissen nur erfolgreich verkaufen können – und benötigt dabei noch ein Quäntchen Glück. Somit ist COYOTE ein Spiel, auf das man sich freuen kann, wenn endlich wieder größere Spielgruppen erlaubt sind. Die digitale Umsetzung auf Tabletopia funktioniert zwar ganz gut, aber es fehlt dabei der Spaß, den Mitspielenden beim Bluff frech in die Augen zu schauen.
Coyote | Spartaco Albertarelli | 15 bis 30 Minuten | 3 bis 6 Personen | HeidelBÄR Games
Spicy von Zoltán Györi – erschienen bei HeidelBÄR Games
Auch SPICY ist ein reines Bluffspiel, wobei nun wissentlich gelogen und betrogen wird. Denn eigentlich ist SPICY ein Ablegespiel. Die erste Karte bestimmt eines von drei Gewürzen und nun müssen nachfolgend immer höhere Werte dieses Gewürzen abgelegt werden. Ist der höchste Wert, die 10, erreicht, dann beginnt man wieder von vorne. Der Clou daran ist: die Karten werden verdeckt abgelegt und man sagt dabei laut und deutlich, was man abgelegt hat. Oder was man gerne abgelegt hätte!
Die nachfolgenden Mitspielenden können diese Ansage anzweifeln. Folgt auf die Pfeffer 8 tatsächlich die Pfeffer 9? Niemals! Allerdings muss man sich beim Anzweifeln entscheiden, ob nun der Zahlenwert auf der ausgespielten Karte falsch war oder das Gewürz. Das ist der entscheidende Witz. Man kann zwar bei der Lüge überführt werden aber trotzdem damit durchkommen, wenn der eine Teil der Lüge richtig war. Habe ich beim Spielen der Pfeffer 2 eine Pfeffer 9 angesagt und man zweifelt den Pfeffer an, dann bin ich trotzdem fein raus, da das Gewürz schließlich stimmt – und gewinne alle ausgespielten Karten.
So wurschtelt man sich durch und versucht dabei so viele Karten wie möglich zu gewinnen, bis die Endkarte im Nachziehstapel auftaucht. Zwischendurch kann man dabei auch passen, um neue Karten nachzuziehen und die eigenen Optionen aufzubessern.
Mit SPICY habe ich so meine Probleme. Mir ist das alles zu viel Raterei und außerdem muss man in meinen Augen viel zu oft lügen. Dann besteht vielleicht eine glückliche 50:50 Chance, dass ich dabei nicht überführt werde – oder noch nicht einmal das. Dabei ist das Passen auf Dauer keine echte Option, da sich wenig bis gar nichts an der Spielsituation ändert. Mit fehlt somit ein Aussteigemechanismus aus der aktuellen Runde, der bspw. auftreten würde, wenn alle einmal gepasst haben. So ist mir das Ganze etwas zu eindimensional und der Witz ist zu schnell ermüdend. Vielleicht liegt dieses Gefühl aber auch darin, dass ich recht zeitgleich LUNATIC kennen gelernt habe, dass ein sehr ähnliches Spielprinzip hat, bei dem aber etwas taktischer agiert werden kann. Denn eine solche Ebene fehlt mir bei SPICY. Es kommt lediglich darauf an, welche Karte ich zur welchen Zeit auf der Hand habe. Mit ein wenig Glück passt das, mit noch mehr Glück werde ich nicht beim Lügen überführt. Aber mehr mache ich auch nicht und das ist mir zu wenig. Mir ist bewusst, dass ich mit dieser Meinung eher alleine bin, da viele andere das Spiel mögen. Aber manchmal trifft ein Spiel nicht den richtigen Nerv.
Loben möchte ich aber definitiv die Aufmachung und die Illustrationen von Jimin Kim, die aus SPICY ebenfalls ein sehr hübsches Spiel machen.
Spicy | Zoltán Györi | 15 bis 20 Minuten | 2 bis 6 Personen | HeidelBÄR Games
Hinweis: für die Besprechung wurden teilweise vom Verlag Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt
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