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Kamisado von Peter Burley – erschienen bei Huch!

Kamisado - Box
Foto: Huch!

Auf DARMSTADT SPIELT habe ich auch die­ses Jahr bei der Aus­lei­he gehol­fen. Dabei kommt es immer wie­der vor, dass man nach Emp­feh­lun­gen gefragt wird. Am schwers­ten war immer das "neue Stra­te­gie­spiel ohne Glücks­ele­men­te für 6 Per­so­nen mit einer Gesamt­spiel­zeit von 45 Minu­ten". Schon klar! Ein­fa­cher war es, die Wün­sche nach 2‑Per­so­nen-Spie­le zu erfül­len. Soll­te es etwas the­ma­ti­sches sein, dann habe ich ger­ne WIR SIND DAS VOLK oder etwas leicht­ge­wich­ti­ger RAPTOR emp­foh­len. Wenn das The­ma nicht im Vor­der­grund ste­hen soll­te, dann ger­ne TARGI oder 7 WONDERS DUEL. Und wenn es auch etwas abs­trak­tes sein durf­te, dann emp­feh­le ich immer wie­der ger­ne KAMISADO – wie nun auch hier.

Um was geht es? Ein The­ma sucht man bei KAMISADO ver­geb­lich – was ich auch ganz gut fin­de, denn lie­ber kein The­ma als ein schlecht auf­ge­setz­tes The­ma. Das Spiel­ziel lässt sich aber leicht beschrei­ben: wie bei DAME (oder in einer gewis­sen Wei­se auch bei SCHACH), ver­sucht man eine sei­ner Spiel­fi­gu­ren auf die geg­ne­ri­sche Grund­li­nie zu ziehen.

Kamisado - Startaufstellung
Start­auf­stel­lung

Bei KAMISADO sind die Figu­ren Dra­chen­tür­me. Der eine Spie­ler spielt die wei­ßen und der ande­re die schwar­zen Tür­me. Alle Tür­me sind jedoch mit einem chi­ne­si­schen Schrift­zei­chen in acht unter­schied­li­chen Far­ben gekenn­zeich­net – und die­se Far­ben fin­den sich auch auf dem Spiel­plan wie­der. Wer genau hin­schaut, der wird erken­nen, dass jede Far­be ein­mal in jeder Rei­he und in jeder Spal­te ver­tre­ten ist (wir spie­len also auf einem 8×8 Raster).

Was ist der Clou? Die Regeln sind denk­bar ein­fach. Jeder Dra­chen­turm kann ent­we­der in gera­der Linie oder dia­go­nal nach vor­ne gezo­gen wer­den. Die Anzahl der Fel­der ist dabei belie­big. Aller­dings muss das Ziel­feld unbe­setzt sein und auch der Weg dort­hin darf nicht von ande­ren Tür­men belegt sein. Ist man blo­ckiert, so darf der Geg­ner noch ein­mal zie­hen. Doch wel­che Tür­me dür­fen über­haupt gezo­gen wer­den? Genau das wird durch den Geg­ner vor­ge­ge­ben! Ledig­lich beim aller­ers­ten Zug hat man die freie Wahl. Ab dann gibt immer das Feld, auf dem der letz­te Zug des Geg­ners ende­te, die Far­be für den Dra­chen­turm vor, der nun gezo­gen wer­den muss. Also endet der Zug mei­nes Mit­spie­lers auf GELB, dann muss ich mei­nen Turm mit dem GELBEN Sym­bol als nächs­tes bewe­gen. Endet mein Zug auf ROT, muss mein Mit­spie­ler sei­nen Turm mit dem ROTEN Sym­bol ziehen.

Kamisado - Tiefziehteil
edel in der Auf­ma­chung, anspruchs­voll im Kopf

Und das macht Spaß? Ja, rie­si­gen sogar! Natür­lich muss man ein Typ für sol­che abs­trak­ten Spie­le sein. Was mir beson­ders gut gefällt, ist die Ein­fach­heit des Spiel­prin­zips gepaart mit der sich dar­aus ent­wi­ckeln­den Spiel­tie­fe. Denn wie das bei sol­chen Spie­len ist: man soll­te nicht unbe­dingt aus dem Bauch her­aus spie­len. Der Bauch wird aber auf alle Fäl­le durch das hoch­wer­ti­ge Mate­ri­al ange­spro­chen. Ein Indiz dafür ist auch das sin­ni­ge Tief­zieh­teil. Aller­dings kommt auch der Kopf nicht zu kurz. Posi­tiv zu ver­mer­ken ist auch die umfang­rei­che Anlei­tung, die sogar Hin­wei­se für mög­li­che Nota­tio­nen der Züge gibt.

Kamisado - Neuaufbau
Neu­auf­bau einer Folgepartie

Beson­ders inter­es­sant wird KAMISADO aber erst, wenn man es über meh­re­re Run­den spielt. Denn nun beginnt sich der Cha­rak­ter des Spiels zu ändern. Die oben beschrie­be­nen Regeln gel­ten näm­lich eigent­lich nur für eine Ein­zel­par­tie. Spielt man über meh­re­re Run­den, dann kommt noch ein zusätz­li­ches Ele­ment ins Spiel: der Turm, der die Grund­li­nie des Geg­ners erreicht hat, wird zu einem "Sumo-Turm" (und neben­bei kommt es nun zu einer neu­en Start­auf­stel­lung, die abhän­gig von den jewei­li­gen Posi­tio­nen der ein­zel­nen Tür­me auf dem Brett ist). Jeder kennt die voll­schlan­ken Sumō-Kämp­fer und deren beson­de­ren Kampf­stil. So ähn­lich kön­nen sich nun auch die Sumo-Tür­me bewe­gen. Denn steht ein "nor­ma­ler" Turm in gera­der Linie vor einem "Sumo-Turm", dann ist der "Sumo-Turm" eben nicht blo­ckiert, son­dern kann den "nor­ma­len" Turm um ein Feld nach hin­ten weg­sto­ßen – und zusätz­lich ist der Spie­ler noch ein­mal am Zug. Die Sumo-Tür­me sind also stär­ker als die nor­ma­len Tür­me. Aller­dings hat die­se Stär­ke einen nega­ti­ven Ein­fluss auf die Beweg­lich­keit. Denn Sumo-Tür­me kön­nen sich von nun an nur noch maxi­mal 5 Fel­der weit bewe­gen. Erreicht ein sol­cher Sumo-Turm nun noch­mals die Grund­li­nie des Geg­ners, dann wird dar­aus ein "Dop­pel-Sumo". Die­ser ist nun noch stär­ker (er kann ande­re Sumo-Tür­me sto­ßen oder zwei hin­ter ein­an­der ste­hen­de Tür­me). Aller­dings ist ein Dop­pel-Sumo noch schwer­fäl­li­ger und kann sich nur noch 3 Fel­der weit bewe­gen. Das lässt sich noch wei­ter spin­nen, denn schließ­lich gibt es noch Drei­fach-Sumo (noch stär­ker, kann sich dann aber nur noch ein Feld weit bewegen).

Kamisado - Detail
da hat der schwar­ze Sumo schon Tuch­füh­lung aufgenommen

Eine Par­tie endet dann nach 3, 7 oder 15 Punk­ten. Für jeden Durch­bruch eines nor­ma­len Turms erhält man einen Punkt, für den Durch­bruch eines Sumos drei Punk­te und eines Dop­pel-Sumos sogar sie­ben Punk­te. Dabei wird man fest­stel­len, dass sich die Spiel­wei­se ändern wird. Durch Sumos wird man stär­ker, aber auch behä­bi­ger. Somit muss man als Geg­ner nicht mehr direkt blo­cken, son­dern lässt dahin­ge­gen Fel­der als Fal­len offen, in die der Sumo dann man­gels Reich­wei­te lau­fen muss (der Stoß funk­tio­niert nur, wenn der Sumo direkt am Geg­ner steht).

Kamisado - Material
tol­les wer­ti­ges Material

Neben der enor­men Tie­fe bie­tet KAMISADO auch ein tol­les Mate­ri­al. Die Tür­me füh­len sich ein­fach hoch­wer­tig an und las­sen sich dank der Filz­un­ter­le­ger auch ganz geschmei­dig über den Spiel­plan schie­ben. Nur einen klei­nen Makel hat das Mate­ri­al. Sumo-Tür­me wer­den mit klei­nen Dra­chen­stei­nen gekenn­zeich­net, die man oben in den Turm legt. Die Stei­ne sind durch­sich­tig, da man noch das far­bi­ge Sym­bol erken­nen muss. Aller­dings sind die Dra­chen­stei­ne sind etwas unschein­bar. Da hät­ten mir mas­si­ven Sumo-Rin­ge um die Tür­me (wie in der ursprüng­li­chen Ver­si­on von Bur­ley Games) bes­ser gefal­len. Idea­ler­wei­se wären die­se dann in den Far­ben der ein­zel­nen Turm-Sym­bo­le. Ich habe das mal mit far­bi­gen Gum­mi­rin­gen ver­sucht, aber das hat mich optisch auch nicht über­zeugt. Viel­leicht muss ich da noch­mals in Ruhe Hand anlegen.

Kamisado - Board mit Schriftzeichen
auch für Farb­blin­de spielbar

Posi­tiv her­vor­zu­he­ben ist, dass auch Men­schen mit einer Farb­blind­heit KAMISADO spie­len kön­nen. Denn jede Far­be wird mit­hil­fe des zuge­hö­ri­ge chi­ne­si­sche Schrift­zei­chen sym­bo­li­siert (hier muss ich ein­fach der Anlei­tung glau­ben). Der Spiel­plan ist zwei­sei­tig bedruckt. Auf der einen Sei­te sind nur die Far­ben zu sehen, auf der ande­ren Sei­te neben den Far­ben auch die zuge­hö­ri­gen Symbole.

KAMISADO ist für mich ein Mus­ter­bei­spiel für ein tol­les abs­trak­tes Spiel. Mir gefällt dar­an beson­ders, wie sich das Spiel inner­halb einer Par­tie ent­wi­ckelt – und das alles mit ver­hält­nis­mä­ßig leich­ten Regeln. Da Optik und Hap­tik eben­falls zu über­zeu­gen wis­sen, bleibt es mei­ne Lieb­lings-Emp­feh­lung in die­sem Bereich. So auch nächs­tes Jahr beim nächs­ten DARMSTADT SPIELT.

TitelKami­sa­do
AutorPeter Bur­ley
Illus­tra­tio­nenSte­phen Tolley
Dau­er10 bis 180 Minuten
Spie­ler­an­zahl2 Spie­ler
Ziel­grup­peabs­trak­te Denker
Ver­lagHuch!
Jahr2009

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