meine Empfehlung: Viticulture (Essential Edition) von Jamey Stegmaier – erschienen bei Feuerland Spiele
Vor kurzem hatte ich erklärt, dass ich zwar sehr gerne thematische Spiele auf den Tisch bringe, für mich aber ein gute thematische Einbindung nicht mit einer Simulation gleichzusetzen ist. Meiner Meinung nach reicht es völlig aus, wenn das Thema stimmig getroffen wird. Dann darf gerne auch die ein oder andere Kleinigkeit unsinnig sein, wenn der Rahmen stimmt. Das will ich heute gerne etwas ausführlicher an VITICULTURE erläutern. Das passt aus mehreren Gründen gut. Erstens möchte ich mal wieder eine Empfehlung los werden und zweitens möchte ich bald etwas über die nachfolgenden Erweiterungen schreiben. Ohnehin bin ich der Meinung, dass VITICULTURE es verdient hat, einmal auf dieser Blog-Bühne im Rampenlicht zu stehen. Denn es gehört in den ausgewählten Kreis meiner Lieblingsspiele.
Um was geht es? Sprachlich bewanderte Leser wissen es sofort. Da ich aber in der Schule eher ein Sprachmuffel war, sagte mir der Name erst einmal nichts. Ähnlich wie bei AGRICOLA habe ich aber schnell lernen dürfen: VITICULTURE bedeutet nichts anderes als Weinbau. Mit dem bin ich dahingegen schon als Schüler recht früh in Kontakt gekommen, schließlich bin ich im Tor zum Rheingau aufgewachsen (zumindest hat sich Wiesbaden gerne als solches präsentiert). Weinbau-Spiele wecken bei mir deswegen immer recht einfach mein Interesse. Das liebste dieser speziellen Gattung ist mittlerweile VITICULTURE (übrigens vor GRAND CRU und dann erst VINHOS). Denn in VITICULTURE wird einerseits der Weinbau recht anschaulich erlebbar gemacht, andererseits hat das Spiel aber trotzdem noch die gewisse Leichtigkeit im Abgang, so dass es auch Leuten großen Spaß macht, die mit dem Thema eher wenig verbindet. Dabei passt thematisch auch nicht unbedingt alles. Dass Weine bei längerer Lagerung wertvoll werden, das stimmt größtenteils und ist auch nachvollziehbar. Bei VITICULTURE kann man allerdings auch die Trauben länger lagern und sie werden dabei wertvoller. Von einer mehrjährigen Spätlese habe ich allerdings noch nichts gehört. Dieser kleine Kniff ist für die ausgewogene Spielmechanik wichtig und deswegen kann ich recht einfach darüber hinweg sehen. Wie gesagt: ein thematisches Spiel muss keine Simulation sein. Bei VITICULTURE geht es also um Weinbau. Man baut Reben an, erntet diese ab und lagert Trauben ein. Diese reifen und werden zu Wein verarbeitet. Das ganze macht man, damit man spezielle Aufträge erfüllen kann – was mir wiederum Einkommen und Ruhm (= Siegpunkte) einbringt.
Damit diese Maschinerie läuft, benötige ich einerseits die nötige Infrarstruktur (Gebäude, Keller, Rankgitter...) aber auch genügend Manpower. Ohne Arbeiter läuft wenig auf einem Weingut – und auch nicht in diesem Spiel. Da passt es gut, dass VITICULTURE ein Worker-Placement-Spiel ist. Es gibt somit nur begrenzte Einsatzorte für die Arbeiter und wie immer kann man weniger machen, als man gerne würde (weil die Arbeiter zu wenig sind bzw. weil Einsatzorte schon besetzt sind). Dabei skaliert der Spielplan sehr geschickt bei unterschiedlicher Spieleranzahl. Dies ist ohnehin ein großer Vorteil. Denn neben einem gut funktionierenden Solo-Modus lässt sich VITICULTURE auch gut mit sechs Personen spielen. Das ist nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, denn ich kenne nur wenig gute "große" Spiele, die man auch vernünftig zu sechst spielen kann.
Ähnlich wie bei AGRICOLA bringen nun viele Karten die große Varianz. Diese Karten unterscheiden sich einerseits in anzubauende Reben und zu erfüllende Lieferaufträge. Andererseits aber auch in Besucher, die ziemlich Schwung in die (Wein-)Kiste bringen. Denn die Besucher sind recht einflussreich und können einige große Entwicklungsschritte bzw. Siegpunktsprünge ermöglichen. Strategen ist es nun zuwider, dass durch diese Karten ein recht großer Glückseinfluss besteht. Dagegen kann ich wenig erwidern, denn das ist so. Allerdings kann man das Glück durch sinnvolle Hausregeln etwas eingrenzen. So spielen wir bspw. immer mit einer gewissen Anzahl an offenen Reben, damit man hier gezielt seinen Weinberg bestücken kann (das finde ich auch thematischer, denn eine solche Entscheidung würde auch ein Winzer treffen). Aber wie im richtigen Leben kann man externe Besucher und Lieferaufträge auch nicht steuern, weswegen ich diesen Glücksanteil als stimmig empfinde. Ähnlich wie bei einem anderen Lieblingsspiel von mir – TERRAFORMING MARS – muss man mit diesen Unwägbarkeiten leben und versuchen, das beste daraus zu machen.
Was bedeutet "Essential Edition"? VITICULTURE hat eine besondere Entwicklungsgeschichte. Es ist ursprünglich ein Crowdfundingprojekt von Autor Jamey Stegmaier in seinem kleinen Verlag Stonemaier Games. Die Reaktionen auf dieses Spiel waren sehr gut und es wurde konstruktive Kritik geübt. Diese hat Stegmaier dazu bewogen, bei der anschließenden mit Alan Stone entwickelten TUSCANY-Erweiterung auch noch zentrale Elemente am Grundspiel anzupassen. Die besagte Erweiterung hat zusätzlich noch sehr viele einzelne Module in VITICULTURE integriert, so dass auf einmal eine riesige (als Weinkiste gestaltete) Box mein Regal füllte. Allerdings hatte sich immer noch kein deutscher Verlag gefunden, der VITICULTURE auf deutsch veröffentlichen wollte. Für viele in der hiesigen Brettspielszene war das kaum zu verstehen. Berechtigterweise, wie sich bald zeigte. Denn es fand sich mit dem Feuerland Verlag doch noch ein deutscher Partner – und mit Feuerland stark verbandelt ist bekanntlich Autor Uwe Rosenberg. Dieser hatte dann die Idee, die besten Elemente aus der TUSCANY-Erweiterung gleich in die Grundbox von VITICULTURE zu packen, um somit ein absolut rundes Produkt anbieten zu können. Dabei zeigte sich die jahrelange Erfahrung von Rosenberg, denn die dadurch entstandene "Essential Edition" kann diesen Anspruch problemlos erfüllen. So liegt nun also ein Spiel vor, dass über ein paar Jahre immer wieder etwas weiter entwickelt wurde und somit die ganz groben Kanten abgeschliffen bekommen hat. Es besitzt aber weiterhin noch ein paar Ecken, so dass es eben nicht weich gespült daher kommt. Für mich zeigt sich, dass es sich lohnt, ein Spiel nach Veröffentlichung nicht als abgeschlossen zu betrachten, sondern bestehende Kritik aufzunehmen und noch die ein oder andere Anpassung durchzuführen.
So hat man nun eine toll ausgestattete Box. Neben den ansprechenden Spielmaterialien sind auch die stimmungsvolle Illustrationen zu bewundern. Wer genau welchen Anteil an den verschiedenen Arbeiten hat, kann ich nicht beurteilen. Doch mir gefallen die vielen kleinen Details auf dem Spielplan sowie die vielen Anspielungen auf den Besucherkarten. Im Endergebnis hat man ein wunderschön ausgestattetes Spiel mit einem absolut süffigen Mechanismus – und somit definitiv eine Empfehlung von mir!
Titel | Viticulture (Essential Edition) |
Autor | Jamey Stegmaier und Alan Stone |
Illustrationen | Jacqui Davis, David Montgomery und Beth Sobel |
Dauer | 20–30 Minuten pro Spieler |
Spieleranzahl | 1 bis 6 Spieler |
Zielgruppe | zockende Familienspieler |
Verlag | Feuerland Spiele |
Jahr | 2015 |
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