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Distant Suns von Yeon-Min Jung und Gary Kim – erschienen bei iello

Distant Suns - Box
Bild: iel­lo

Vor nicht all zu lan­ger Zeit galt Sci­ence Fic­tion als The­ma von Brett­spie­len zumin­dest auf dem deut­schen Markt als Kas­sen­gift. Wenn ich mir aber die Neu­erschei­nun­gen des Jahr­gangs so anschaue, dann wird die­se The­se aktu­ell auf die Pro­be gestellt. Ich bin da wirk­lich gespannt, zumal ich selbst dies­be­züg­lich recht auf­ge­schlos­sen bin. Sci-Fi ist jetzt viel­leicht nicht mein liebs­tes Set­ting, aber ich mach da auch kei­nen Bogen her­um. Inter­es­san­ter­wei­se hat mich von den gan­zen Neu­erschei­nun­gen in die­sem Bereich DISTANT SUNS am meis­ten ange­spro­chen – auch, weil es dem Gen­re der Roll-and-Wri­te-Spie­le ent­stammt, für wel­ches ich bekann­ter­ma­ßen eine Vor­lie­be habe. Aber so banal will sich das Spiel nicht prä­sen­tie­ren, wes­we­gen der Ver­lag es selbst als "Choose-and-Write-Spiel"bezeichnet.

The­ma... unend­li­che Wei­ten in einer fer­nen Gala­xie. Die­se wol­len wir mit unse­ren Raum­schif­fen erkun­den und kar­tie­ren. Dabei tref­fen wir auf Ali­ens, fin­den schwar­ze Löcher und sam­meln Schät­ze ein. Klingt ein wenig kon­stru­iert und nichts­sa­gend? Ist es auch. Sagen wir mal so, das The­ma hilft ein ganz klein wenig die Mecha­nik von DISTANT SUNS zu unter­füt­tern. Man soll­te aber nicht anfan­gen, the­ma­ti­sche Fra­gen zu stel­len, son­dern in die­sem Zusam­men­hang lie­ber die...

Illus­tra­tio­nen… von Vin­cent Dutrait genie­ßen. In sei­nem ihm eige­nen Stil ver­edelt er das Spiel mit futu­ris­ti­schem Glanz – auch wenn sich die­ser haupt­säch­lich beim Cover zeigt. Denn das eigent­li­che Spiel­ma­te­ri­al kommt eher tech­nisch-nüch­tern daher.

Distant Suns - Übersicht
ganz schön viel klein­tei­li­ges Zeug

Aus­stat­tung… ist recht klein­tei­lig, weil eine hohe Vari­anz ange­strebt wur­de. Ganz klas­sisch sind die Spiel­plan­bö­gen (="Kos­mos­bö­gen") und die Blei­stif­te. Dahin­ge­hend unge­wohnt sind klei­ne Scha­blo­nen, mit denen man im Spiel unter­schied­li­che For­men auf dem Spiel­plan zeich­nen kann. Wel­che das genau sind, wird über soge­nann­te "Erkun­dungs­plätt­chen" bestimmt. Davon sind zehn unter­schied­li­che in der Box, in einer Par­tie wer­den aber nur fünf benö­tigt. Die­se Plätt­chen wer­den auf das zusam­men zu puz­zeln­de Tableau gelegt und von eben­falls varia­blen "Mis­si­ons-Mar­kern" ein­ge­rahmt. Und um das Gehirn mit einem wei­te­ren tech­ni­schen Begriff zu ver­wir­ren, wer­den uns noch "Modul­plätt­chen" an die Hand gege­ben. Die­se sind die eigent­li­chen Herz­stü­cke des nun fol­gen­den Auswahl-Mechanismus.

Distant Suns - Detail
erst wäh­len, dann zeichnen

Ablauf… Über drei Run­den hin­weg wird nun mit­hil­fe die­ser Modul­plätt­chen bestimmt, wel­che For­men auf den eige­nen Papier­bö­gen ein­zu­zeich­nen sind. Das Beson­de­re dar­an ist: die akti­ve Per­son sucht für sich eine Form aus, die Mit­spie­len­den müs­sen dann die angren­zen­de aus­ge­such­te Form benut­zen. So fül­le ich nach und nach das Spiel­feld vor mir mit den For­men aus.

Nach den drei Zei­chen-Run­den wird final abge­rech­net. Für jede Form gilt eine eige­ne Wer­tung, die im Spiel­auf­bau durch die Mis­si­ons-Mar­ker defi­niert wur­de. Mal zäh­le ich bei­spiels­wei­se, wie oft ich mit der Form Ali­en-Fel­der über­deckt habe, mal wie oft die Form als Ket­te anein­an­der hängt. Zusätz­lich wer­de ich belohnt, wenn ich schnell in die Ecken gelangt bin. Schluss­end­lich erhal­te ich auch noch für umran­de­te Schatz­fel­der Punk­te, wäh­rend ich wel­che für noch freie Ali­ens-Fel­der wie­der verliere.

Distant Suns - Zeichenarbeit
ein Hoch auf die weni­gen Schablonen

Das gefällt mir nicht so gut: Die­se klei­nen Scha­blo­nen sind eine ech­te Hil­fe. Ich behaup­te zwar von mir, dass ich ein recht gutes räum­li­ches Den­ken habe, aber selbst mir fällt es deut­lich leich­ter, wenn ich die Scha­blo­nen auf mei­nem Spiel­plan hin und her schie­ben und rotie­ren kann. Und damit bin ich nicht allei­ne. Lei­der besteht von jeder Form nur eine Scha­blo­ne, so dass in Voll­be­set­zung doch eini­ge Zeit ins Land geht, bis alle die­se in der Hand hat­ten. Am Ende einer Par­tie haben sich die Meis­ten dann ein­ge­groovt und erken­nen schnel­ler die ein­zu­zeich­nen­den For­men. Aber trotz­dem füh­le ich mich immer gehetzt, wenn ich die Scha­blo­ne in der Hand habe – weil ich weiß, dass ande­re noch war­ten. Des­we­gen spie­le ich DISTANT SUNS am liebs­ten zu zweit. Dann haben die bei­den Spie­len­den ihre eige­nen Scha­blo­nen und außer­dem hat man auch noch halb­wegs im Blick, was auf den ande­ren Plä­nen zu pas­siert. Das ist kei­ne unwich­ti­ge Infor­ma­ti­on, schließ­lich wäh­le ich nicht nur mei­ne Form, son­dern auch die der ande­ren. Und das will bedacht wer­den. Ins­ge­samt besteht eine gewis­se Ana­ly­se-Para­ly­se-Gefahr. Dau­ernd suche ich die bes­ten Plät­ze für die aktu­el­le Form. Bin ich dann danach auch noch mit dem Aus­wäh­len des Modul­plätt­chens an der Rei­he, dann neh­me ich auch ger­ne noch die nächst mög­li­chen For­men in mei­ne Pla­nungs­über­le­gun­gen auf. So kann es schon mal vor­kom­men, dass ich mit drei Scha­blo­nen auf mei­nem Blatt Papier jon­glie­re. Für DISTANT SUNS wäre somit eine Delu­xe-Aus­ga­be wün­schens­wert, bei der ich nichts zeich­nen müss­te. Statt­des­sen könn­te man ganz vie­le schön gestal­te­te Welt­raum-Plätt­chen ab dem Plan able­gen. Das wäre zuge­ge­be­ner­ma­ßen ein ziem­li­cher Mate­ri­al-Bro­cken, aber irgend­wie auch schon eine ech­te Hilfe.

Distant Suns - Abrechnung
nicht sehr ein­gän­gi­ge Abrechnung

Denn auch bei der Aus­wer­tung könn­te man dann leich­ter die ein­zel­nen For­men unter­schei­den. Eini­ge mei­ner Mit­spie­len­den hat­ten jeden­falls Pro­ble­me damit, am Ende ihre Zeich­nun­gen rich­tig zu inter­pre­tie­ren. Aber selbst wenn mit den als Hil­fe benut­zen Form-Sym­bo­len alles zuge­ord­net wur­de, ver­zwei­fel­ten dann man­che an den viel zu klein dar­ge­stell­ten Rechen­ope­ra­tio­nen im Wer­tungs­be­reich. Ohne­hin ist die­se Wer­tung ziem­lich ver­zwickt und sorgt dafür, dass ich das Spiel durch­aus als Ken­ner­spiel ein­ord­ne. Denn selbst­er­klä­rend ist da lei­der nichts und man muss doch immer wie­der in einer Par­tie erklä­rend ein­grei­fen. Auch die Anord­nung der Upgrades und das Pfeil­sym­bol dar­un­ter ver­wir­ren, da die­ser Pfeil nichts mit der dar­un­ter ange­ord­ne­ten Wer­tung zu tun hat. Zu guter Letzt hät­te auch ein Zäh­ler der Spiel­run­den nicht gescha­det. Die schwer zu über­schau­en­de Wer­tung hat aber übri­gens auch Vor­tei­le. Wäh­rend der Par­tie ent­wi­ckelt sich kaum ein Gefühl dafür, wie die Spiel­stän­de so sind. Das erhöht dann zumin­dest die Span­nung bei der fina­len Auswertung.

Die erträum­te Plätt­chen-Ver­si­on schei­tert übri­gens auch schon dar­an, dass es noch die Upgrades gibt. Habe ich mir ein sol­ches frei geschal­tet, darf ich spä­ter bei einer Form ein Hex-Feld weglassen,was natür­lich schwer mit Plätt­chen umsetz­bar wäre. Aller­dings ist ist die­se Funk­ti­on auch nicht so stark. Viel lie­ber hät­ten wir alle es gese­hen, wenn man statt­des­sen ein Hex-Feld dazu zeich­nen dürf­te. Dann wäre die­ser Bonus sicher­lich nicht so oft am Ende ungenutzt.

Distant Suns - Auswahl
bei der Aus­wahl wird nichts dem Zufall überlassen

Das gefällt mir gut: Im Gegen­satz zu den gan­zen ande­ren Roll- oder Flip-and-Wri­te-Spie­len besitzt DISTANT SUNS kei­ne Zufalls­kom­po­nen­te. Wie bestim­men selbst, wann wel­che For­men ein­zu­zeich­nen sind. Dum­mer­wei­se haben mei­ne Mit­spie­len­de ande­re Plä­ne als ich – oder noch schlim­mer: die glei­chen! Das bedeu­tet dann näm­lich, dass sie sich selbst die For­men zuschus­tern, die ich doch brau­che. Der fri­sche Aus­wahl­me­cha­nis­mus ist somit das Herz­stück des Spiels. Was benö­ti­ge ich unbe­dingt? Und wel­che Form bekom­men dann die Ande­ren? Hel­fe ich denen dann durch mei­ne Aus­wahl? Dabei sind vie­le klei­ne Gemein­hei­ten mög­lich. So lässt man z.B. ger­ne auch mal Lücken bei der Aus­wahl, so dass pro Run­de nur vier statt fünf Modul­plätt­chen gelegt wer­den können.

Distant Suns - Varianz
hohe Vari­anz durch unzäh­li­ge Kombinationen

Auf­grund der hohen Vari­anz gleicht dabei kei­ne Par­tie der ande­ren. Ich bin kein Sto­chas­tik-Fan, um das jetzt genau aus­rech­nen zu wol­len. Aber auch weni­ger mathe­ma­tisch Inter­es­sier­te kön­nen sich gut vor­stel­len, dass bei zehn unter­schied­li­che For­men kom­bi­niert mit fünf Wer­tungs­mög­lich­kei­ten eini­ge Kom­bi­na­tio­nen mög­lich sind – zumal zusätz­lich auch die Wer­tun­gen noch an varia­blen Plät­zen lie­gen, so dass nicht immer die glei­chen Nach­bar­schaf­ten bestehen. Ent­spre­chend fle­xi­bel kann ich agie­ren. Zumal auch ver­schie­de­ne Wege zu hohen Sieg­punkt­zah­len füh­ren. So kann ich mich aus­ufernd aus­brei­ten, um schnell die Ecken erkun­den. Oder aber ich blei­be kom­pakt und kon­zen­trie­re mich dabei auf die Schatz­fel­der. Wich­tig ist, die Mit­spie­len­den zu beob­ach­ten. Was sind deren Plä­ne? Und wie kann ich davon pro­fi­tie­ren? Wie so oft hilft es, sich auf zwei-drei Sachen zu kon­zen­trie­ren und nicht über­all nur ein biss­chen aktiv zu sein. 

Auch wenn ich eine Delu­xe-Vari­an­te ins Spiel gebracht habe, so liegt das nur am etwas ner­vi­gen Zei­chen-Vor­gang. Denn die Aus­stat­tung ist nicht zu bemän­geln. Die Scha­blo­nen sind wirk­lich hilf­reich und der dop­pel­la­gi­ge Abla­ge­plan hat schon ein klein wenig etwas von Delu­xe. Dar­über­hin­aus gefällt mir auch die Gestal­tung, bei dir vie­le klei­ne Details zu unter­hal­ten wissen.

Fazit: Der Ein­stieg in DISTANT SUNS ist etwas sper­rig. Nach­dem man sich aber in die Wer­tung rein gefuchst hat, wird man mit einem sehr varia­blen Spiel belohnt, bei dem man selbst des Glü­ckes Schmied ist. Auf­grund der doch etwas läs­ti­gen Zei­chen-Arbeit, kann ich mir vor­stel­len, dass eine App oder eine digi­ta­le Umset­zung ein Gewinn wäre – oder irgend­wann kommt doch noch das gro­ße Delu­xe-Paket mit Plätt­chen auf den Markt.

TitelDistant Suns
AutorYeon-Min Jung und Gary Kim
Illus­tra­tio­nenVin­cent Dutrait
Dau­er30 Minu­ten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Personen
Ziel­grup­peÜber­sicht haben­de Kennerspielrunden
Ver­lagiel­lo
Jahr2022
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom deut­schen Ver­trieb
Hut­ter Trade ein Rezen­si­ons­exem­plar zur
Ver­fü­gung gestellt

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