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Majesty von Marc André – erschienen im Hans im Glück Verlag

Majesty - Box
Foto: Hans im Glück

Wie­so muss ich bei MAJESTY immer an fol­gen­de Lied­zei­len denken?

"Jede Nacht um halb eins, wenn das Fernseh'n rauscht,
leg' ich mich aufs Bett und mal mir aus,
wie es wäre, wenn ich nicht der wäre, der ich bin,
son­dern Kanz­ler, Kai­ser, König oder Königin."

Viel­leicht woll­te ich schon immer ein­mal König von Deutsch­land sein – und jetzt sug­ge­riert mit das Cover-Bild, dass ich kurz vor der Krö­nung stehe.

The­ma... ich weiß nicht, seit wann es in den USA das Green-Card-Kon­zept gibt (und ich bin auch zu faul, um es nach­zu­for­schen). Aber seit MAJESTY wis­sen wir nun, woher die­se Idee kommt. Denn so war man schein­bar schon im Mit­tel­al­ter dar­auf bedacht, die rich­ti­gen Per­so­nen in sein König­reich zu locken, damit die­ses so rich­tig flo­riert. Denn am Ende geht es wie­der nur um eines: nix da Ruhm oder Ehre – der schnö­de Mam­mon ist gefragt! Wo wir wie­der bei den USA sind...

Majesty - Startkarten
der rote Rit­ter zeigt an, wer Start­spie­ler wird

Illus­tra­tio­nen... sind von Anne Heid­sieck, deren Arbei­ten mir erst vor kur­zem bewusst auf­ge­fal­len sind (auf der SPIEL in Essen beim Betrach­ten von WHEN I DREAM). Ich behaup­te mal, wir wer­den noch vie­le Spie­le von ihr illus­triert sehen (so freue ich mich z.B. schon auf ihre Arbei­ten beim bald erschei­nen­den WELCOME). Den Hans im Glück Ver­lag scheint sie jeden­falls ziem­lich über­zeugt zu haben, denn sie durf­te kürz­lich alle Mit­ar­bei­ter illus­trie­ren. So ganz sicher bin ich mir aller­dings nicht, ob mir ihre Illus­tra­tio­nen bei MAJESTY wirk­lich gefal­len. Das Cover fin­de ich rich­tig schön, die Per­so­nen auf den Kar­ten aber inter­es­san­ter­wei­se eher weni­ger (dort schau­en alle irgend­wie so verkniffen).

Majesty - Geld
die Münz-Chips wer­den wohl das Mar­ken­zei­chen von MAJESTY

Aus­stat­tung... besteht größ­ten­teils aus vie­len Kar­ten und eini­gen typi­schen Mee­ple aus dem Hau­se Hans im Glück (die klei­nen Holz-Männ­chen aus CARCASSONNE). Über­strahlt wer­den die­se Kom­po­nen­ten aller­dings durch die 70 bei­lie­gen­den Mün­zen-Chips (wobei die Bezeich­nung Sieg­punk­te-Chips kon­se­quen­ter gewe­sen wäre, denn nichts ande­res stel­len sie dar). Die­se "Mün­zen" sind etwas klei­ner und leich­ter als Stan­dard-Poker-Chips, lie­gen aber trotz­dem gut in der Hand und sind mehr als ein net­tes Gim­mick. Denn im Lau­fe der Par­tie wer­den die Chips dau­ern getauscht und sind somit stän­dig in Benut­zung. Schö­ner (und wesent­lich teu­rer) wären viel­leicht ech­te Mün­zen gewe­sen, aber die­se Plas­tik-Chips sind schon toll und wesent­lich bes­ser zu hand­ha­ben als ver­gleich­ba­re Papp-Münzen.

Bei den Kar­ten unter­schei­det man zwi­schen (klei­nen) Per­so­nen­kar­ten und (gro­ßen) Gebäu­de­kar­ten. Von letz­te­ren erhält jeder Spie­ler einen durch­num­me­rier­ten Satz, der acht Gebäu­de  umfasst (von der Müh­le bis zum Schloss wird ein König­reich gebil­det). Auf­stei­gend anein­an­der gelegt bil­den sie dabei ein schö­nes Pan­ora­ma. Bei der Aus­la­ge muss man aller­dings dar­auf ach­ten, dass alle Mit­spie­ler die glei­chen Kar­ten­sei­ten benut­zen, denn die­se unter­schei­den sich in einer A‑Seite und einer B‑Seite.

Majesty - Panorama
die König­reich-Pan­ora­men mit den ver­schie­de­nen Gebäu­de-Sei­ten (dum­mer­wei­se habe ich ver­ges­sen, die Müh­le auf die B‑Seite umzudrehen)

Ablauf... ist sehr ein­gän­gig, da nur wenig zu beach­ten ist. Aus einer Aus­wahl von sechs offe­nen Per­so­nen­kar­ten wählt man sich eine aus und legt die­se in sein König­reich aus. Mit die­sen Per­so­nen wer­den nun die ent­spre­chen­den Gebäu­de akti­viert (schließ­lich kommt einer zum Arbei­ten dort­hin), wodurch letzt­end­lich Geld gene­riert wird – meist bekommt man mehr, wenn schon wei­te­re ent­spre­chen­de Per­so­nen dort plat­ziert wur­den. Das Neh­men der Per­so­nen­kar­ten funk­tio­niert nach gewohn­tem Mecha­nis­mus: die ers­te Kar­te der Aus­la­ge ist kos­ten­los, die nächs­ten kos­ten auf­stei­gend pro Kar­te einen Mee­ple, die auf die aus­lie­gen­den Kar­ten zu legen sind. Dort sam­meln sich dann im Lau­fe der Par­tie Mee­ple und die Kar­te wird somit immer attrak­ti­ver. Schluss­end­lich nimmt sich einer dann die­se Kar­te und erhält natür­lich die dort abge­leg­ten Mee­ple dazu. Da man aber nur maxi­mal fünf Mee­ple besit­zen darf, kann man über­schüs­si­ge wie­der gegen Geld tauschen.

Majesty - Auswahl
die Per­so­nen ste­hen Schlan­ge auf dem Arbeitsmarkt

Um die Inter­ak­ti­on ein wenig zu för­dern, kann man auch Geld erhal­ten, wenn Geg­ner bestimm­te Per­so­nen plat­zie­ren. So bekommt bspw. auf den A‑Seiten jeder Spie­ler mit einer Mül­le­rin Geld, wenn ein Brau­meis­ter gelegt wird. Zusätz­lich gibt es auch die Sol­da­ten, die Angrif­fe aus­füh­ren. Hat man nicht ent­spre­chen­de ver­tei­di­gen­de Wachen, dann muss nach einem erfolg­rei­chen Angriff die schwächs­te Per­son ins Laza­rett (gut dar­ge­stellt, denn der Krieg trifft lei­der immer zuerst die Schwa­chen). Mit­hil­fe der Hexe kann die­se Per­son aber wie­der geheilt und unter die Gebäu­de ein­ge­ord­net werden.

Nach­dem jeder Spie­ler genau zwölf Per­so­nen­kar­ten bei sich abge­legt hat, endet das Spiel und es kommt zur fina­len Abrech­nung. Zusätz­lich zu dem bis­her erwor­be­nen Geld, wer­den nun die Mehr­hei­ten der ein­zel­nen Per­so­nen­grup­pen bestimmt und es wer­den ent­spre­chen­de Geld­wer­te aus­ge­schüt­tet. Außer­dem wird nun noch die Vari­anz von unter­schied­li­chen Per­so­nen belohnt. Man zählt die ver­schie­de­nen Per­so­nen­grup­pen und mul­ti­pli­ziert die­se Anzahl mit sich selbst (es wer­den also Poten­zen gebil­det), um den ent­spre­chen­den Geld­be­trag zu erhal­ten. Wer nun das meis­te Geld besitzt, ist natür­lich der Gewinner.

Majesty - Geld-Detail
ein wenig befremd­lich: Arbei­ter wer­den zum Bezah­len benutzt – das Geld für nichts

Das gefällt mir nicht so gut: Nicht glück­lich bin ich mit der gewähl­ten Sym­bol­spra­che. Die­se kann unnö­ti­ge Feh­ler her­vor­ru­fen. Eini­ge Grup­pen haben bspw. das "+" zwi­schen ein­zel­nen Wap­pen so inter­pre­tiert, als ob man hier­bei ent­spre­chen­de Sets zum Punk­ten benö­tigt. Dabei ist nur damit gemeint, "je Wap­pen die­ser Art" gibt es die ent­spre­chen­den Punk­te. In fast allen ande­ren Spie­len wird dafür eher das "/" benutzt – und das hät­te ich mir an die­ser Stel­le auch gewünscht.

In mei­nen Augen pas­sen das gewähl­te Mate­ri­al bzw. deren Begriff­lich­kei­ten nicht gut zuein­an­der. So ist es ein wenig befremd­lich, dass ich Mee­ple abge­ben muss, um Per­so­nen anzu­heu­ern – dabei habe ich doch eine Men­ge Geld auf der Hand. Aber Geld wird gar nicht als sol­ches genutzt, son­dern ist ledig­lich das Syn­onym für Sieg­punk­te. Das passt so in mei­nen Augen nicht wirk­lich zusammen.

Majesty - SchlossB
hän­di­sche Ver­bes­se­rung wird emp­foh­len (auch wenn die Sym­bol­spra­che nicht opti­mal ist)

Man hat ein wenig das Gefühl, dass etwas schlam­pig oder viel­leicht unter zu hohem Zeit­druck gear­bei­tet wur­de. Es sind doch eini­ge Flüch­tig­keits­feh­ler vor­han­den, die man so von Hans im Glück nicht kennt. Alles nichts schlim­mes und wohl spä­tes­tens ab der zwei­ten Auf­la­ge beho­ben, aber die­se Feh­ler kön­nen trotz­dem für leich­te Ver­wir­rung sor­gen [Edit: eine ver­bes­ser­te Regel ist schon bei Hans im Glück her­un­ter zu laden]. Für die feh­ler­haf­te B‑Seite des Schlos­ses gibt es sogar ein eige­nes Erra­ta, was man sich bei Hans im Glück down­loa­den kann. Damit könn­te man sich die Kar­te nun neu aus­dru­cken und in eine ent­spre­chen­de Kar­ten­hül­le ein­le­gen – oder man malt ein­fach hän­disch mit einem schwar­zen Stift ein Plus-Zei­chen zwi­schen bei­de Wappen.

Die Alters­an­ga­be (+7) passt nur bedingt. Ja, auch mei­ne sechs­jäh­ri­ge Toch­ter hat schon erfolg­reich mit­spie­len kön­nen. Aller­dings wäre sie bei der End­ab­rech­nung mit den Poten­zen hoff­nungs­los ver­lo­ren gewe­sen. Aller­dings erwar­te ich bei einer sol­chen Alters­an­ga­be, dass damit auch sie­ben­jäh­ri­ge Kin­der das Spiel allei­ne ohne Erwach­se­ne spie­len könn­ten – und das sehe ich hier nicht gegeben.

Majesty - Szene
fein aus­ta­rier­te Funk­tio­nen las­sen unter­schied­li­che Stra­te­gien zu

Das gefällt mir gut: MAJESTY spielt sich sehr ein­fach – aber es ist bei­lei­be nicht banal, was man macht. Die ein­zel­nen Eigen­schaf­ten sind sehr fein auf­ein­an­der abge­stimmt (genau­so die ein­zel­nen Wer­tig­kei­ten). Hat man beim ers­ten Spie­len viel­leicht das Gefühl, dass die Prin­zes­sin über­mäch­tig ist, merkt man in der zwei­ten Par­tie, wie schön gemein die Sol­da­ten sein kön­nen. Um dann aber in der drit­ten Par­tie fest­zu­stel­len, dass man mit den Hexen das Laza­rett auch zu sei­nem Vor­teil nut­zen kann. So leben die Par­tien von der zufäl­li­gen Aus­la­ge und den ver­schie­de­nen mög­li­chen Spiel­wei­sen. Ein aggres­si­ver Sol­da­ten-Spie­ler ver­nach­läs­sigt ger­ne mal sei­ne eige­ne Ver­tei­di­gung – und wird am Ende das Opfer sei­ner eige­nen Spiel­wei­se, weil dann die Mit­spie­ler vor­sorg­lich selbst die Sol­da­ten neh­men, um sich vor deren Ein­fluss schüt­zen zu kön­nen. Auf­grund der Potenz­re­gel für vie­le ver­schie­de­ne Per­so­nen am Ende wer­den außer­dem zu extre­me Stra­te­gien eher aus­ge­bremst als gefördert.

Majesty - Karten
Per­so­nekar­ten von hinten

Zusätz­lich darf man nicht ver­ges­sen, dass man nur begrenzt Zugriff auf die aus­lie­gen­den Figu­ren hat. Die Regel, dass man nur maxi­mal fünf Mee­ple besit­zen kann, schränkt eine all zu ein­sei­ti­ge Stra­te­gie schon sehr gut ein. Auch die "Dop­pel­kar­ten" (die­se zei­gen auf jeder Hälf­te der Kar­te eine unter­schied­li­che Per­son") sind ein tol­les Ele­ment, da sie Raum für ver­schie­de­ne Spiel­wei­sen geben. So über­legt man: "Wenn ich die­se Dop­pel­kar­te in der Aus­wahl las­se, wird mein nach­fol­gen­der Spie­ler die­se nun als Sol­dat anle­gen oder als Wirt?" Wie­der zeigt sich, dass Autor Marc André es ver­mag, ein­fa­che Spiel­kon­zep­te zu gelun­ge­nen run­den Spiel­erleb­nis­sen zu for­men (SPLENDOR lässt grüßen).

Ansons­ten darf man natür­lich kein zwei­tes AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO oder RUSSIAN RAILROAD erwar­ten (um mal ein paar Schwer­ge­wicht aus dem Hau­se Hans im Glück auf­zu­zäh­len). In die­ser Kom­ple­xi­täts-Liga will MAJESTY nicht mit­spie­len – ganz im Gegen­teil. Mit MAJESTY liegt ein Spiel vor, dass sehr schnell gespielt wer­den kann und dabei ein fluf­fi­ges Spiel­ge­fühl ver­mit­telt. Andau­ernd erhal­ten die Spie­ler klei­ne Beloh­nun­gen in Form der Mün­zen. Man hat das erha­be­ne Gefühl, dass die Ein­nah­men nur so spru­deln und man immer rei­cher wird. Außer­dem ist man auch stän­dig bei den Zügen der Mit­spie­ler invol­viert. Sei es durch die Angrif­fe oder viel­mehr auch durch die ein­zel­nen Berufsgruppen-Boni.

Durch die kur­ze Spiel­zeit folgt bei uns meist sogleich eine Revan­che. Auf­grund der unter­schied­li­chen Vor­der- und Rück­sei­ten der Gebäu­de­kar­ten wird hier­für auch eine aus­rei­chen­de Vari­anz gebo­ten. Dabei müs­sen die ein­zel­nen Gebäu­de durch die ver­schie­de­nen Wech­sel­wir­kun­gen immer neu bewer­tet wer­den. Außer­dem soll­te jedem klar sein, wie offen die­ses Spiel­kon­zept für mög­li­che Erwei­te­run­gen ist.

Zu guter Letzt macht natür­lich auch das Han­tie­ren mit den Münz-Chips einen irren Spaß. Ins­be­son­de­re Kin­der fin­den es toll, dau­ernd irgend­wel­che Mün­zen hin und her zu tau­schen (wohl auch ein Grund, war­um bei Kin­dern MONOPOLY so beliebt ist). Aber auch ich ertap­pe mich, wie ich ger­ne mei­ne Mün­zen sta­pe­le und mit einem fet­ten Grin­sen mir end­lich die 50er Mün­ze hole. Dabei merkt man, wie sinn­voll die Stü­cke­lung ist. Anfangs dach­te ich näm­lich: wo sind hier die 5er-Mün­zen. Die­se wer­den aber gar nicht benö­tigt. Natür­lich hät­te man die­se gan­ze Punk­te-Rech­ne­rei auch mit einer Sieg­punkt­leis­te regeln kön­nen. Aller­dings wäre dann der Ver­wal­tungs­akt für eine ein­zel­ne Per­son wahr­schein­lich ziem­lich hoch gewe­sen – und man hät­te nicht die hap­ti­sche Kom­po­nen­te. Doch, doch, die Mün­zen machen etwas her!

Majesty - Inlay
noch reich­lich Platz für wei­te­re Karten...

Fazit: In der Ver­pa­ckung von MAJESTY ist noch eine Men­ge Platz für wei­te­re Kar­ten. Da ich fest davon aus­ge­he, dass es ver­dien­ter­ma­ßen bei der Ver­lei­hung zum Spiel des Jah­res ein gewich­ti­ges Wört­chen mit­re­den wird, ist zu erwar­ten, dass die­ser Platz in Zukunft wohl durch wei­te­re Kar­ten gefüllt wer­den wird. Lan­ger ver­schach­tel­ter Satz, kur­zer Sinn: MAJESTY ver­steht es per­fekt, ein kur­zes und kna­cki­ges Fami­li­en­spiel zu sein!

 

TitelMajes­ty
AutorMarc André
Illus­tra­tio­nenAnne Heid­sieck
Dau­er20 bis 30 Minuten
Spie­ler­an­zahl2 bis 4 Spieler
Ziel­grup­peFami­li­en­spiel
Ver­lagHans im Glück
Jahr2017

 

Ich bedan­ke mich bei Schmidt Spie­le für die Bereit­stel­lung eines Rezen­si­ons­exem­plars. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

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