Palm Island von Jon Mietling – erschienen im KOSMOS Verlag
Es gibt ja viele Sachen in der heutigen Zeit, die man kritisch hinterfragen sollte. So erschließt sich mir immer noch nicht der Sinn, warum es cool sein soll, auf die Schnelle einen Kaffee auf die Hand zu kaufen und dabei dermaßen sinnlos viel Müll zu produzieren. Meist schmeckt die Plörre ohnehin nicht wirklich gut und von "genießen" kann sowieso keine Rede sein. Nein, von Coffee to go bin ich alles andere als überzeugt. Aber auch von anderen "to go" Produkten halte ich wenig. Entsprechend skeptisch war ich auch, als ich den neuesten kosmischen Untertitel zu PALM ISLAND gelesen habe. Eine Insel to go – ich weiß ja nicht... Wenn man jetzt noch bedenkt, dass PALM ISLAND in erster Linie ein Solo-Spiel ist, könnte ich die ganz große moralische Keule heraus holen und über die Ich-Bezogenheit der Gesellschaft schwadronieren. Mache ich aber nicht. Denn das wäre natürlich großer Blödsinn.
Thema... auch das in der Einleitung postulierte Thema hat mich nicht wirklich angesprochen. Wir übernehmen die Führung über ein aufstrebendes Dorf auf Palm Island. Aber wieso sollte ich das tun? Und was bedeutet es, ein Führer zu sein? Brauchen die dort überhaupt Hilfe von außen? Ich weiß ja nicht... Außerdem: "Investitionen in Rohstoffe um die Produktion zu steigern" klingt für mich mehr nach einer x‑beliebigen BWL-Vorlesung als nach einem vergnüglichen Ausflug auf eine idyllische Insel, welche mir das Cover anpreist.
Illustrationen… sind vom Autor Jon Mietling höchst persönlich und gefallen mir ziemlich gut. Wie auch bei der Covergestaltung werden richtig schön Trauminsel-Gefühle geweckt. Die wenigen Symbole sind eindeutig und so habe ich nichts zu meckern – was in Deutschland manchmal leider schon als höchstes Lob gilt. Also mache ich es eindeutiger: mit gefallen die Illustrationen – gut gemacht!
Ausstattung… ist überschaubarer, als man das von der ohnehin schon kleinen Box erwartet. Denn in selbiger sind 50 Karten und eine Menge Luft. Noch interessanter wird dieses Verhältnis, wenn man bedenkt, dass für das eigentliche Solo-Spiel lediglich 17 Karten benötigt werden. Das hört sich nach unterschwelliger Kritik an, ist aber gar nicht wertend gemeint. Schließlich kommt PALM ISLAND in der "normalen" Kartenbox daher, an die sich der Handel und auch der Kunde gewöhnt hat.
Lediglich 17 Karten wären schön verdammt wenig, weswegen man nun auch noch gleich einen zweiten komplette Kartensatz beigefügt hat. Und wenn der schon einmal vorhanden ist, dann bietet sich eine zusätzlich kooperative Regelvariante für das Spiel zu zweit an, wofür weitere fünf zusätzliche Karten in der Box sind. Damit das Solo-Spiel noch etwas mehr Varianz erfährt, sind zusätzlich noch Errungenschaftskarten im Angebot.
Ablauf… macht den eigentlichen Wortwitz von PALM ISLAND deutlich. Denn das englische Wort palm bedeutet nicht nur Palme, sondern auch Handfläche. Und bei PALM ISLAND wird das gesamte Spiel in eben diese genommen. Nachdem man den Satz von 17 Karten gemischt hat, schaut man sich die ersten beiden Karten an. Entweder man nutzt eine dieser beiden Karten oder man schiebt die oberste ungenutzt ans Ende des Decks. Was bedeutet Nutzen? Meistens, dass man Rohstoffe lagert. Dafür wird die Karte um 90° gedreht und ans Ende des Decks verschoben. Im späteren Spielverlauf kann man den Rohstoffe verbauen und dreht dabei die Karte wieder in die ursprüngliche Position zurück.
Wofür benötigt man aber Rohstoffe? Einerseits um seine Rohstoff-Quellen zu verbessern, andererseits um siegpunktbringende Gebäude zu errichten. Dabei werden dann die Karten mächtig hin und her gedreht oder gar gewendet.
Insgesamt spielt man das Deck achtmal durch und zählt am Ende die erspielten Siegpunkte. Eine Skala verrät dann, wie gut man sich fühlen darf. Oder aber man spielt mit den Errungenschaften. Dann hat man kleine Zwischenziele, für die man belohnt wird und mit deren Belohnung die nächste Partie etwas einfacher wird.
Der partnerschaftliche Koop-Modus bringt nun noch Katastrophen ins Spiel. Diese muss man gemeinsam bis zum Ende der achten Runde abgewendet haben. Der eigentliche Spielablauf bleibt aber ansonsten weitgehend unverändert.
Das gefällt mir nicht so gut: Auch wenn das vielleicht doppeldeutig ist: Handakrobatik ist gefragt. Denn wenn man nicht über all zu lange Finger verfügt, kann das Halten des ausgefächerten Kartendecks schon schwierig werden. Ich habe schon manch verrückte Konstruktion mit Gummibändern gesehen, bei denen die Karten an Ort und Stelle gehalten werden sollen. Denn man muss schon aufpassen, dass die Position der Karten nicht verändert wird. Das ist nicht unbedingt trivial, wenn man vier Rohstoffe aktiviert hat. Am Ende einer Partie kann man also schon einen leichten Krampf in der Hand haben, wenn man die Karten nicht entspannt in selbiger halten kann.
Ansonsten sollte man nicht zu viel Abwechslung von PALM ISLAND erwarten. Der Spielverlauf ist zwangsläufig recht repetitiv – schließlich macht man acht Runden lang kaum etwas anders. Aber auch einzelne Partien unterscheiden sich nicht groß. Im Endeffekt begibt man sich auf eine Highscore-Jagd und freut sich anfangs, dass dieser tendenziell ansteigt. Irgendwann hat man ein bestimmtes Level erreicht und dann ist man eher abhängig von der Verteilung des Decks als vom eigenen Können. Ist man an diesem Punkt angelangt, sollte man die Errungenschaften mit ins Spiel bringen. Diese setzen neue Anreize und beleben das Spielgeschehen.
Kooperativ zu zweit hat mir PALM ISLAND nicht so ganz gefallen. Man merkt dem Spiel schon an, dass es als Solo-Spiel entwickelt wurde. Im Endeffekt zieht man dabei eher sein Ding durch und kurz vor Rundenende beginnt man seinen Partner nach dessen Befinden zu fragen. Richtig "miteinander" spielen ist bei diesem System schwer.
Noch eine kleine Anmerkung. In der ersten Auflage hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen. Auf Karte 12 zeigt der Werkzeugmacher im finalen Ausbauzustand ein zur Verfügung stehendes Holz, was dort nichts zu suchen hat. Durch die fehlende Lagern-Funktion sollte das einem eigentlich auch deutlich sein. Ich wollte es aber mal gesagt haben, da ich anfangs ein wenig verwirrt war. In späteren Auflagen wird dieser kleine Fehler bestimmt getilgt sein.
Das gefällt mir gut: PALM ISLAND hat vielleicht nicht den ganz großen Langzeitreiz – aber der Kurzzeitreiz ist schon sehr stark ausgeprägt. Ich finde es faszinierend, wie gut man sich mit lediglich 17 Karten sinnvoll beschäftigen kann. Dabei macht es Spaß, die einzelnen Karten kennenzulernen und bestimmte Herangehensweisen auszuloten.
Der ganz große Vorteil von PALM ISLAND ist dabei natürlich das handliche Format. Ich habe es im Wartezimmer, in der Straßenbahn und in der Sporthalle gespielt. Also anstatt das Smartphone zu zücken, kann man genauso gut auf PALM ISLAND zurück greifen. Der positive Nebeneffekt davon ist, dass man auf PALM ISLAND angesprochen wird. Genau das, was ich als Brettspiel-Missionar erreichen will.
Auch wenn ich kein Fan des kooperativen Modus bin, so bin ich doch froh, dass der KOSMOS Verlag sich dazu entschieden hat, zwei Kartendecks in die Box zu packen. Wir haben damit zu Hause des Öfteren eine kleine Challenge gespielt. Wer macht heute mehr Punkte im parallelen Spiel? Wir sind uns nur noch nicht ganz sicher, ob der Schnellere am Ende einen Zeitbonus bekommen soll oder nicht. Auf alle Fälle macht das Synchron-Zocken von PALM ISLAND richtig Spaß.
Fazit: PALM ISLAND hat einen großen Anfangsreiz, der sich recht bald wieder legt. Allerdings bedeutet das nur, dass man nach einer bestimmten Zeit nicht mehr jede freie Minute damit verbringen will. Ich bin mir aber sicher, dass es ein fester Bestandteil in meiner Tasche wird, wenn ich irgendwo längere Wartezeiten erwarte. Denn der große Vorteil dieses "Handy-Spiels" ist es, dass kein Akku verbraucht wird.
Titel | Palm Island |
Autor | Jon Mietling |
Illustrationen | Jon Mietling |
Dauer | ca. 15 Minuten |
Spieleranzahl | 1 (bis 2) Spieler |
Zielgruppe | mobile Solospieler |
Verlag | KOSMOS |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei KOSMOS für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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