Pandemic Legacy Season 2 von Matt Leacock und Rob Daviau – erschienen bei Z Man Games
Dieser Beitrag erhält keine Spoiler zum Spiel PANDEMIC LEGACY Season 2

Wie schon bei SEASON 1 unterteile ich meine Gedanken zu PANDEMIC LEGACY SEASON 2 in zwei Teile. Dieser Beitrag ist "spoilerfrei" und beschreibt allgemeine Vor- und Nachteile dieses Kampagnenspiels. Dabei stelle ich sicher, dass keine entscheidenden Infos weitergegeben werden. So können Interessierte auch nach dem Lesen noch bedenkenlos die Überraschungen von PANDEMIC LEGACY SEASON 2 entdecken. Wer allerdings selbst schon diese Geschichte erlebt hat, der kann meinen Erlebnisbericht lesen und vergleichen, was bei uns vielleicht anders war.
Thema... Vor 71 Jahren ging die Welt unter – zumindest, die Welt, wie wir sie kennen. Denn fast aus dem Nichts kam eine Seuche, die den Großteil der Menschheit dahinraffte. Nur wenige Überlebende konnten sich auf schwimmende Inseln im Meer, die "Zufluchten", retten. Seit drei Generationen versorgen diese Menschen das Festland mit Nahrung und Medikamenten. Doch diese Vorräte gehen nun zur Neige und es ist klar, dass sich etwas ändern muss. In einem letzten Akt des Aufbäumens soll nun die Welt gerettet werden. Alles oder nichts – ein Verweilen im Bestand ist keine Option.
Illustrationen... sind von Chris Quilliams und rücken glücklicherweise etwas mehr in der Vordergrund als noch bei SEASON 1. Insgesamt ist die gesamte Gestaltung lebendiger und weniger steril. Nun kann nicht nur die Geschichte emotionalisieren, sondern das schaffen auch die Illustrationen. Damit wird das Gesamtpaket runder und das Spielerlebnis kompletter. Insgesamt sehe ich in diesem Bereich einen großen Fortschritt zu SEASON 1. Zumindest beim mir wird dadurch das Gefühl vermittelt, dass die geäußerte Kritik aus dem ersten Teil in die Bearbeitung des zweiten Teils berücksichtigt worden sind.
Ausstattung... ist auf dem ersten Blick erstaunlich, weil man von PANDEMIE etwas anderes erwartet. Statt vieler bunter Seuchenwürfel sind nun nämlich nur noch wenige grüne im anfänglichen Angebot. Allerdings lachen uns stattdessen nun ganz viele graue Würfel an, die wir im Laufe der Partien verteilen wollen. Denn auch auf dieser Ebene ist PANDEMIC LEGACY SEASON 2 ein anderes PANDEMIE. Statt Würfel zu beseitigen, wollen wir nun graue Würfel legen – schließlich symbolisieren diese die lebenswichtigen Vorräte. Aber auch andere Sachen sind ungewohnt. Die Karte ist sehr übersichtlich, zeigt jedoch genügend freien Raum für zukünftige Entdeckungen. Für diese neuen Elemente sind einige Top-Secret-Dosiers sowie acht verschlossene Boxen an Bord, die man im Laufe der Partie öffnen wird.
Ablauf... statt kleine Würfel vom Spielplan zu nehmen, müssen nun Würfel auf Städte gelegt werden. Zusätzlich ist die Infrastruktur zu verbessern. Spielmechanisch wird das bekanntermaßen über verschieden farbige Stadtkarten gehandhabt, die man sammelt und als Set abgibt. Weiterhin bleibt das Problem daran, dass man Handkarten nicht einfach mal so mit den Mitspielern tauschen kann, sondern die einzelnen Figuren müssen sich in den Städten treffen. In der Zwischenzeit breitet sich die Seuche aus, was über zurückzunehmende Vorratswürfel dargestellt wird. Liegt in einer infizierten Stadt kein solcher Würfel parat, legt man dort einen grünen Seuchenwürfel ab – und das maximal nur achtmal, weil dann eine Monatspartie zwangsläufig beendet ist.

Denn PANDEMIC LEGACY SEASON 2 ist als Kampagne in 12 Monate unterteilt, wobei man maximal nur zwei Partien pro Monat spielt. In jedem Monat werden neue Legacy-Karten aufgedeckt. Die bringen einerseits neue Aufgaben, aber eben auch zusätzliche Aktionen ins Spiel. Außerdem wird mit diesen Karten die Hintergrundgeschichte weiter erzählt. Schafft man es, gestellte Aufgaben zu erfüllen, wird man mit einem Bonus belohnt. Verliert man dahingegen eine Partie, dann kann man die nächste zumindest mit etwas mehr hilfreichen Subventionen beginnen (die gemeinerweise wieder gekürzt werden, wenn man erfolgreich spielt). Wir haben von den theoretisch möglichen 24 Partien 15 gespielt und waren somit erstaunlich erfolgreich. Vorher haben wir aber auch noch die empfohlene Prolog-Partie durchgeführt. Mit dieser werden die Änderungen zum ursprünglichen PANDEMIE erlebbar, was eine gute Übung für die folgenden Partien ist.

Das gefällt mir nicht so gut: Wie schon bei PANDEMIC LEGACY SEASON 1 nimmt auch bei SEASON 2 die Regelfülle mit jedem Monat zu. Hat man anfangs 9 Aktionsmöglichkeiten, sind es am Ende 20. Selbst wenn man halbwegs am Stück spielt, fällt es einem sehr schwer, den kompletten Überblick zu behalten. Ständig haben wir uns immer wieder gegenseitig versichert, was wir nun wie machen dürfen und was nicht. Dabei will man unbedingt Fehler vermeiden, da schließlich jede Partie Auswirkungen auf die folgenden Partien hat. Das ist ohnehin eine große Gefahr. Erkennt man einen groben Regelschnitzer muss man sich eventuell die Frage stellen, ob ein Weiterspielen überhaupt noch Sinn ergibt. Wir hatten zu unserem Nachteil fast dauerhaft einen Fehler im Aufbau drin, der uns teilweise auch verzweifeln ließ. Glücklicherweise war die Auswirkung am Ende aber doch nicht all zu groß. Aber das hätte auch schief gehen können, was dann ein maximales Ärgernis gewesen wäre. Ohnehin kann ich jedem nur empfehlen, beim Verlag die FAQ herunterzuladen. Bei einem Spiel dieser Größenordnung können kleine Fehler bei der Produktion passieren, weswegen auch diese FAQ betrieben wird.
Apropos Größenordnung: ich habe einen riesigen Respekt, wie gut alles zusammengepasst hat. Trotzdem fand ich es schade, dass die Geschichte wieder recht stromförmig war. Es fehlt leider ein alternativer Handlungszweig. Denn wenn man etwas nicht schafft, wird man schon in die richtige Richtung geschubst. Dann bekommt man zwar einen kleinen Malus oder eben keinen Bonus, aber für den weiteren Verlauf der Geschichte hat das keine Auswirkungen. So erleben alle in etwa die gleiche Geschichte. Ich fände es aber viel spannender, wenn zwei oder gar drei Storylines existieren würden. Wahrscheinlich ist das bei dem ohnehin schon aufwändigem Umfang nicht leistbar (und es würde Beschwerden gegeben, warum nicht alle Pakete und Dossiers geöffnet werden müssen) – aber aus Sicht einer spannenderen Erzählung hätte ich ein solches Konzept sehr begrüßt.
Trotz fehlender Abzweigungen bei der Handlung, sind die Spielerlebnisse sicherlich unterschiedlich. Ich befürchte nur, dass viele Effekte im Spiel selbstverstärkend sind. Was will ich damit sagen? Gehen die ersten Partie durch unglückliche Kartenverteilungen verloren, wird es bestimmt schwierig, hinten heraus noch erfolgreich zu sein. Wir wiederum sind recht problemlos gestartet und hatten somit ein sehr solides Fundament, auf dem wir aufbauen konnten. Dadurch war es bei uns nicht frustig – was ich aber von anderen Gruppen schon gehört habe ("Wir sind dauernd am Verlieren und sehen überhaupt kein Land!").
Nicht ganz glücklich war ich damit, dass lange Zeit wenig Variation bei den Aufträgen herrschte. Nach dem rasanten Anfang verflachte dieses Element etwas und die einzelnen Partien fühlten sich diesbezüglich etwas langweilig an, weil man eben doch immer wieder das gleiche machen musste. Da war in meinen Augen in SEASON 1 mehr Abwechslung geboten. Am Ende zog die Spannung durch neue Aufgaben an, aber das Mittelspiel war schon etwas eintönig.
Weiter muss ich noch mein Missfallen über die Punktewertung am Ende äußern. Die war mir schon aus SEASON 1 bekannt und wurde auch entsprechend in der Regel angekündigt. Ich konnte mich dieses Mal somit darauf einstellen, dass am Ende das Erlebte in Punkte übertragen wird – und diese Punktzahl für die abschließenden fünf Zeilen der Geschichte sorgen. Trotzdem halte ich eine solche Wertung für absolut unnötig. Das Spiel ist so ein tolles atmosphärisches Erlebnis, da braucht es nicht so ein tröges Ende. Ich will in Geschichten schwelgen und keine Punktzahlen vergleichen.
Kein Problem habe ich übrigens damit, dass nun das Spiel als solches nicht mehr benutzt werden kann. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn jemand damit ein Problem hat ("Sooo viel Geld aber auch Rohstoffe verbraucht, um es dann nach 12+x Partien in die Mülltonne werfen zu können?") – ich selbst kann das allerdings akzeptieren. Ich will hier jetzt auch gar keine Ökobilanz führen oder mich damit rechtfertigen, dass ich Spielmaterial wiederverwende und der Rest in die Altpapiertonne kommt (oder gar zu einer Collage verarbeitet wird). Es ist definitiv ein Punkt, den man kritisch betrachten muss. Ich für meinen persönlichen Teil finde das aber nicht dermaßen problematisch, dass ich deswegen einen Bogen um Legacy- oder auch EXIT-Spiele machen würde.
Was ich dahingegen wirklich katastrophal fand, war das Material der Rubbelfelder. In Folge einer Partie schwirrten unzählige Silberfussel herum, die man ständig an sich hängen hatte und überall hin mitgenommen hat. Wir hatten am Ende ein feuchtes Tuch bei uns liegen, was aber auch nur bedingt geholfen hat. Ich habe mich dauernd gefragt, ob das das gleiche Material ist wie bei anderen Rubbelfeldern. Denn so extrem nervig hatte ich dieses Zeug noch nie erlebt. Keine Ahnung, welche Alternativen es gegeben hätte. Anderes Rubbelmaterial? Abziehbare Sticker? Da in SEASON 2 verhältnismäßig viel gerubbelt wird, hätte ich mir in diesem Punkt aber eine bessere Lösung erhofft. Denn das bestehende Rubbelzeug war ein echtes Ärgernis.
Das gefällt mir gut: PANDEMIC LEGACY SEASON 2 ist einfach ein Erlebnis. Gar nicht mal so sehr wegen der Handlung, die ich eher als mittelmäßig mitreißend empfand. In dieser Beziehung hat mir SEASON 1 mit den Überraschungen im Plot wesentlich besser gefallen. Trotzdem kann man sich von der Story einfangen lassen. Noch viel wichtiger ist aber der Motor eines Legacy-Spiels: jegliches Tun hat seine Konsequenzen! Man sollte also genauesten abwägen, ob man nun ein Risiko eingeht oder nicht. Erscheinen manche Optionen vielleicht als sinnlos, können diese später auf einmal von Gewicht sein. Es lohnt sich somit, sich über die Zukunft Gedanken zu machen, Pläne zu verfolgen und Strategien einzuleiten. Aus diesem Grund geht es nicht mehr nur darum, irgendwo ein paar Klötzchen hin und her zu bewegen, sondern man hat die ganze Zeit ein großes Ziel vor Augen.

Ganz entscheidend zu diesem Erlebnis trägt sicherlich die Persönlichkeitsentwicklung der einzelnen Charaktere bei. Erst sind es nur abstrakte Spielerbögen, die man notgedrungen mit einem Bild und einen Namen versieht. Aber im Laufe einer Kampagne ändert sich das. Man investiert in die Charaktere, man erkennt ihre Stärken aber auch ihre Schwächen. Man leidet mit, wenn Narben fällig sind oder gar ein Charakter verstirbt. Das Spiel erlaubt es, einzelne Partien mit unterschiedlichen Charakteren zu spielen. Somit kann man auf die ausliegenden Aufgaben reagieren. Allerdings kam uns das gar nicht wirklich in den Sinn. Die bisherigen Charaktere haben das Abenteuer begonnen, die werden es nun auch durchziehen! Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass man eine echte emotionale Bindung zu den einzelnen Personen aufbaut. Aber sie sind am Ende doch mehr als bspw. bloß eine Forscherin oder ein Logistiker.
Schon bei SEASON 1 wusste man nicht wirklich, wohin das Spiel sich entwickeln würde. Dieses Gefühl war bei SEASON 2 nicht ganz so ausgeprägt. Denn schließlich hat der leere Plan eine Ahnung gegeben. Es ist schon halbwegs offensichtlich, das sich im Laufe des Spiel das Raster nach Osten erweitern wird. Aber warum ist das so? Was entdecken wir dabei? Das lässt sich nicht vorhersehen. Spielerisch ist das manchmal etwas unbefriedigend, weil man eine Sache macht, die sich später als total unsinnig herausstellt. Aber thematisch ist das natürlich sinnvoll. Woher soll man denn wissen, was die Zukunft bringt? Zwangsläufig werden dabei Fehlentscheidungen getroffen. Wie im richtigen Leben, muss man aber Entscheidungen fällen und damit später leben. Ein nochmal von vorne gibt es nicht – und genau das macht den großen Reiz eines Legacy-Spiels aus.
Ein weiterer Reiz ist natürlich auch, dass man das Spielmaterial verändern kann. Ich zumindest finde es toll, wenn man geheime Pakete öffnen oder Sticker auf Karten kleben darf. Ich bin ein großer Fan dieser Spannungsmomente, wenn man sich fragt, was hinter einem Türchen oder einem Rubbelfeld erscheinen wird. Das ist im wahrsten Sinne spielerisch.
Fazit: Nach dem Ende von SEASON 2 war ich einerseits glücklich, andererseits aber auch traurig. Glücklich über die besonderen Moment und dem Gefühl, es geschafft zu haben. Traurig, weil die Kampagne nun vorbei war. Mit ein wenig Abstand sind mir aber auch die Sachen aufgefallen, die mir während der Partien nicht so gut gefallen haben. Ich bin mir immer noch unsicher, ob ich wirklich ein großer Fan von Legacy-Elementen bin. Für Story-Telling bin ich immer zu haben, aber diese Endgültigkeit des Legacy-Prinzips stresst mich auch und lässt mich ein Spiel weniger entspannt spielen, als ich das eigentlich möchte.
Titel | Pandemic Legacy Season 2 |
Autor | Matt Leacock und Rob Daviau |
Illustrationen | Chris Quilliams |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Expertenspiel |
Verlag | Z Man Games (Asmodee Germany) |
Jahr | 2017 |
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